L 8 AL 292/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AL 398/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 292/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 03. August 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Klägers, als Inhaber der Firma R. K. Montagebau durch eine Umlage die Mittel für die Produktive Winterbauförderung mitaufzubringen, streitig.

Der Kläger ist Alleininhaber der am 01.10.1991 gegründeten Firma R. K. Montagebau. Die Beklagte stellte als das Ergebnis einer am 30.09.1996 durchgeführten Prüfung fest, dass in dem nicht gegliederten Betrieb sechs Arbeiter beschäftigt würden. Der Betrieb beschäftige sich ausschließlich mit dem Einbau von Türen inklusive dem Setzen von Türzargen, teilweise auch mit dem Einbau von Fenstern, als Subunternehmen für die Firma F., die diese Teile industriell fertige. Die Türen und Fenster würden eingeschäumt und nicht mit hohlraumfreiem Betonverguss gesetzt. Maurer- und Brecharbeiten fielen nicht an. Der Kläger wende den Schreiner-Tarifvertrag an.

Mit Bescheid vom 10.09.1997 stellte die Beklagte fest, der Betrieb des Klägers erbringe von Beginn an ausschließlich baugewerbliche Leistungen, weshalb Umlagepflicht für den gesamten Betrieb gegeben sei.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die von ihm durchgeführten Arbeiten seien nicht witterungsabhängig. Im Wesentlichen würden vorgefertigte Holztüren eingebaut, daneben in geringerem Umfang Fußböden und Parkettböden verlegt. Zwar würden die einzubauenden Türen nicht selbst hergestellt, doch sei der Betrieb von Struktur und Leistungsumfang her eher dem Schreinerhandwerk als den Trocken- und Montagebauarbeiten zuzurechnen. Auch habe es bisher keinen Bedarf an Wintergeldzahlungen gegeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die verrichteten Arbeiten seien Bauleistungen und zählten zu den Trocken- und Montagebauarbeiten nach § 1 Abs.2 Nr.36 der Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist (Baubetriebe-Verordnung - BaubetrV).

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, bei den von der Firma F. vorgefertigten und von ihm eingebauten Türen und Fenster handele es sich nicht überwiegend um Normgrößen, sondern um je nach Bedarf des Auftraggebers zu fertigende Fenster und Türen. Er hole diese bei der Firma F. ab und führe häufig erforderliche zusätzliche Arbeiten in der Werkstatt der Firma F. oder in der eigenen Werkstatt, die er ab 1998 eingerichtet habe, aus. Gegenwärtig liefen zwei Drittel des Auftragsvolumens über die Firma F., ein Drittel seien eigene Aufträge, wobei z.B. auch Wintergärten und dergleichen gefertigt würden. Alle seine Mitarbeiter seien gelernte Schreiner.

Mit Urteil vom 03.08.1999 hat das SG den Bescheid vom 10.09. 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1998 aufgehoben. Der Betrieb des Klägers falle nicht unter § 1 Abs.2 Nr.36 BaubetrV. Nach den Angaben des Klägers sei er in die Schreinerei und Zimmerei der Firma F. insoweit einbezogen, als diese Teilbereiche der Schreinerarbeiten im Sinne eines "Outsourcing" vergeben habe. Der Betrieb des Klägers sei in die gesamte Projektabwicklung einbezogen. Bereits die schreinerischen Aufmaße würden von ihm erstellt. Es handele sich nicht um das bloße Einsetzen von genormten Fertigtüren und Fertigfenstern. Neben der Subunternehmertätigkeit für die Firma F. würden auch eigene schreinerische Aufträge abgewickelt. Insgesamt sei der Betrieb im streitigen Zeitraum nicht überwiegend mit der bloßen Montage, nämlich dem Einsetzen von Türen und Fenstern befasst gewesen, vielmehr hätten die Schreinerarbeiten den Betrieb geprägt.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, Voraussetzung für einen Ausschluss aus dem Kreis der umlagepflichtigen Betriebe nach § 2 Nr.12 BaubetrV wäre entweder die Bindung des Klägers an den sachnäheren Tarifvertrag für das Schreinerhandwerk durch Mitgliedschaft in der Tarifvertragspartei oder die Nichterfüllung der Voraussetzungen der Rückausnahme des § 2 Nr.12. Der Kläger sei jedoch nicht Innungsmitglied und somit nicht an den Tarifvertrag für das Schreinerhandwerk gebunden. Ein Ausschluss nach § 2 Nr.12 BaubetrV sei auch deswegen nicht möglich, weil der Betrieb nicht überwiegend typische Schreinerarbeiten verrichte, sondern vielmehr Montage- und Trockenbauarbeiten. Da die Türen und Fenster bereits von der Firma F. fertiggestellt und somit die typischen Schreinerarbeiten von dieser Firma übernommen würden, würden selbst bei Berücksichtigung der eventuell durchzuführenden schreinerischen Vor- und Zusatzarbeiten die baulichen Leistungen überwiegen. Für die Zugehörigkeit zu einer abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe im Sinne des § 1 Abs.5 BaubetrV läge keine gefestigte Rechtsprechung vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 03.08.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch der Einbau der Fenster und Türen müsse in den Aufgabenbereich des Schreiners miteinbezogen werden, da es sich dabei weder um Normobjekte noch um Normeinbauten handele. Der zeitliche Umfang des Einbaus der Fenster und Türen sowie der Wintergärten habe im streitigen Zeitraum, gemessen an den insgesamt durchgeführten Arbeiten, ca. 50 % ausgemacht; inzwischen habe sich das Verhältnis auf 40 % zu 60 % geändert. Die Feststellungen in dem Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 07.12.1999, L 2 AL 52/96, zur Umlagepflicht von Betrieben, die vorgefertigte Fenster und Türen einbauten, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da der dortige Betrieb mit Kunststoffen, nicht mit Holz, gearbeitet habe.

Der Senat hat eine Auskunft der Schreinerinnung München vom 11.09.2000 eingeholt, wonach es bis Anfang 2000 bundesweit 36.771 Betriebe gegeben habe, die Fenster und Türen, die sie grundsätzlich nicht selbst herstellten, in Alt- oder Neubauten einbauten.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis damit erklärt, dass nur der Bescheid vom 10.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1998 Gegenstand des Verfahrens sein solle. Die Beklagte hat sich verpflichtet, für die Zeit ab 01.01.1998 zu prüfen, ob wegen Änderung der Verhältnisse weiterhin die Umlagepflicht bestehe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

Das Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass die Firma des Klägers der streitigen Umlagepflicht unterliegt; dies gilt jedenfalls für die nach den Erklärungen der Beteiligten hier noch streitige Zeit bis Ende 1997.

Gemäß § 186a Abs.1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der ab 01.01.1980 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.07.1979 (BGBl.I 1189) werden die Mittel für die Produktive Winterbauförderung von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist (§ 76 Abs.2 AFG), durch eine Umlage aufgebracht. Arbeitgeber des Baugewerbes sind gemäß § 75 Abs.1 Nr.1 AFG natürliche und juristische Personen, Personenvereinigungen oder Personengesellschaften, die als Inhaber von Betrieben des Baugewerbes auf dem Baumarkt gewerblich Bauleistungen anbieten. Betriebe des Baugewerbes sind solche Betriebe oder Betriebsabteilungen, die überwiegend Bauleistungen erbringen (§ 75 Abs.1 Nr.2 AFG). Zu den Bauleistungen zählen alle Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 75 Abs.1 Nr.3 AFG). Diese bis 31.12.1995 geltende Vorschrift hat durch die Neufassung des § 75 Abs.1 durch das Gesetz vom 15.12.1995 (BGBl.I 1809) keine inhaltliche Änderung erfahren (vgl. BSG SozR 3-4100 § 75 Nr.2).

Der Betrieb des Klägers ist ein Betrieb des Baugewerbes in diesem Sinne. Denn der Einbau von Fenstern und Türen dient der Herstellung, Instandsetzung und im Falle der Sanierung der Instandhaltung von Bauwerken. In welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist, ist in der gemäß § 76 Abs.2 AFG erlassenen BaubetrV vom 28.10.1980 (BGBl.I 2033), zuletzt geändert durch die VO vom 13.12.1996 (BGBl.I 1954), geregelt. Diese bestimmt in § 1 Abs.2 Nr.12 Satz 1, dass die ganzjährige Beschäftigung von Betrieben, die Fertigbauarbeiten verrichten, d.h. das Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken, zu fördern ist. Der Betrieb des Klägers führte in dem hier streitigen Zeitraum überwiegend solche Arbeiten aus, da er überwiegend von der Firma F. hergestellte Fenster und Türen einbaute und damit Fertigbauarbeiten in diesem Sinne verrichtete. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten getroffenen Feststellungen anlässlich der Prüfung der Firma des Klägers am 30.09.1996 und dessen eigenem Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren. Soweit er im Berufungsverfahren geltend macht, diese Arbeiten hätten von Anfang an nur 50 % der gesamten Arbeitszeit umfasst, kann dem nicht gefolgt werden. Gerade für die Zeit, während der der Kläger noch nicht über eine eigene Schreinerei verfügt hat, kann nicht nachvollzogen werden, dass die schreinerischen Zusatzarbeiten und die übrigen Arbeiten, soweit sie nicht den reinen Einbau betrafen, 50 % der gesamten Arbeitszeit der eingesetzten Arbeitnehmer ausmachten. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger erklärt, der Einbau der von der Firma F. gefertigten Fenster und Türen mache zwei Drittel des Gesamtumsatzes aus. Damit ist der gesamte, nicht in einzelne Abteilungen gegliederte Betrieb des Klägers als Baubetrieb anzusehen. Zudem fallen die vom Kläger überwiegend ausgeübten Arbeiten unter § 1 Abs.2 Nr.36 BaubetrV, da sie Trocken- und Montagebauarbeiten sind, auch wenn der in dieser Vorschrift beispielhaft erwähnte Wand- und Deckeneinbau hier nicht zutrifft. Dass Betriebe, die von dritter Seite hergestellte und gelieferte Fenster einbauen, Betriebe des Baugewerbes sind, hat das BSG im Urteil vom 30.01.1996, 10 RAr 11/94, bereits entschieden; diese Rechtsprechung deckt sich mit der des BAG (Urteil vom 26.01. 1994, 10 AZr 40/93), die zu der insoweit inhaltlich identischen Abgrenzung des Geltungsbereiches des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12.11.1986 ergangen ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Nr.12 BaubetrV, wonach die ganzjährige Beschäftigung in Betrieben des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und verarbeitenden Industrie einschließlich der Holzfertigbauindustrie nicht gefördert wird; denn diese Ausnahmevorschrift greift nach ihrem 2. Halbsatz gerade nicht, soweit Fertigbau-, Dämm- (Isolier-) oder Trockenbau- und Montagearbeiten ausgeführt werden. Als letztere sind aber die im Betrieb des Klägers überwiegend ausgeführten Einbauarbeiten, wie bereits dargelegt wurde, anzusehen. Dass der Betrieb des Klägers überwiegend als Subunternehmen für einen Betrieb tätig ist, der Fenster und Türen herstellt und deshalb möglicherweise als Betrieb im Sinne des § 2 Nr.12 BaubetrV anzusehen ist, macht den Betrieb des Klägers nicht zu einem Schreinerbetrieb in diesem Sinne. Denn die den Schreinerbetrieb charakterisierenden Merkmale müssten im Betrieb des Klägers selbst vorliegen, während es nicht genügt, wenn er, ohne selbst überwiegend "privilegierte" Schreinerarbeiten zu verrichten, mit einem Betrieb verflochten ist, der solche Arbeiten überwiegend erbringt. Dies hat das BSG in dem vom SG zitierten Urteil vom 04.03.1999, B 11/10 AR 6/98 R, SozR 3-4100 § 75 Nr.2, hinsichtlich der Definition des Baubetriebes entschieden; Gleiches hat naturgemäß bei der Begriffsbestimmung des Betriebes des Schreinerhandwerks im Sinne des § 2 Nr.12 BauBetrV zu gelten.

Es kann dahinstehen, ob die Erstellung der Aufmaße, nach denen die nicht genormten Fenster von der Firma F. hergestellt werden, als Schreinerarbeit und damit nicht als Bauleistung anzusehen ist, da diese Arbeiten, auch zusammen mit den übrigen vom Kläger durchgeführten schreinerischen Zusatzarbeiten, nicht wenigstens 50 % der gesamten Arbeitszeit ausmachen. Im Übrigen spielt der Umstand, dass es sich bei den vom Betrieb des Klägers eingebauten Fenstern und Türen nach seinem Vortrag nicht um Normgrößen, sondern um entsprechend den gegebenen Verhältnissen individuell angefertigte Größen handelt, keine Rolle; auch der Einbau dieser Fenster fällt unter die Fertigbauarbeiten im Sinne des § 1 Abs.2 Nr.12 Satz 1 und unter Montagearbeiten im Sinne von § 1 Abs.2 Nr.36 einerseits sowie § 2 Nr.12 2. Halbsatz BaubetrV andererseits.

Der Betrieb des Klägers ist auch nicht ausnahmsweise von der Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung auszunehmen. Denn er gehört nicht zu einer nennenswerten, abgrenzbaren Gruppe von Betrieben, die durch Leistungen der Winterbauförderung nicht wesentlich gefördert werden kann (vgl. BSG im Urteil vom 30.01.1996, 10 RAr 11/94; nunmehr geregelt in § 1 Abs.5 BauBetrV in der Fassung der VO vom 13.12.1996). Hierbei wäre es unerheblich, wenn der Betrieb des Klägers, für sich genommen, individuell nicht förderungsfähig wäre (BSG SozR 4100 § 186a Nr.23). Auch kann dahinstehen, ob Betriebe, die von Dritten hergestellte Fenster und Türen einbauen, eine nennenswerte, abgrenzbare Gruppe in diesem Sinne darstellen. Denn Betriebe dieser Art sind insbesondere durch die Leistung von Wintergeld im Sinne des § 80 AFG bzw. für die Zeit ab 01.01.1996 im Sinne des § 77 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 15.12. 1995 (BGBl.I 1809) förderbar. Denn die in solchen Betrieben beschäftigten Arbeiter sind auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen beschäftigt, da sie während der Arbeitszeit in den Wintermonaten witterungsbedingten Erschwernissen ausgesetzt sind. Denn sowohl beim Einbau von Fenstern und Außentüren in Neubauten, insbesondere wenn es sich noch um einen Rohbau handelt, als auch beim Einbau in Altbauten sind die Arbeitnehmer den Witterungseinflüssen ausgesetzt, da diese Arbeiten zu einem wesentlichen Teil bei ausgebauten oder geöffneten Fenstern verrichtet werden müssen, so dass die Arbeiter den Einwirkungen von Kälte, Schnee, Regen und Wind ausgesetzt sind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 07.12.1999, L 2 AL 52/96).

Somit war das Urteil des SG Augsburg vom 03.08.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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