Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 12 AS 820/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers gegen den Bescheid vom 2.4.2007 wird angeordnet. 2. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragssteller wendet sich gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II wegen der Weigerung, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.
Der am XX.XX.1983 geborene Antragssteller absolvierte in der Zeit vom 1.8.2001 bis 10.6.2004 eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Nach einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit arbeitete er bei verschiedenen Arbeitgebern im Ausbildungsberuf (bis 29.7.2005). Im Anschluss an seine letzte Tätigkeit bezog er Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 8.9.2006. In der Zeit vom 5.10.2006 bis 17.2.2007 folgte eine befristete Tätigkeit als Kurierfahrer bei der D. P./ DHL.
Am 19.2.2007 stellte der Antragssteller einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II. Im Rahmen der Antragsstellung und persönlichen Vorsprache erfolgte eine Aktualisierung der Profilingdaten, die vermutlich bei der Arbeitslosmeldung 2004 (oder 2005?) erfasst worden sind. Dem Antragssteller wurde eine Eingliederungsvereinbarung folgenden Inhalts angeboten:
1. Leistungen Jobcenter Angebot einer Trainingsmaßnahme Kommt der zuständige Träger seinen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht nach, ist ihm innerhalb einer Frist von einer Woche das Recht zur Nacherfüllung einzuräumen. Ist eine Nachbesserung tatsächlich nicht möglich, muss er folgende Ersatzmaßnahme anbieten: entfällt.
2. Bemühungen T. P. T. P. verpflichtet sich, Ortsabwesenheit vorher mit dem persönlichen Ansprechpartner abzustimmen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken, insbesondere: Erstellung von mindestens 15 schriftlichen Bewerbungen monatlich.
Dem Antragssteller wurde auf Verlangen eine Bedenkfrist eingeräumt. Zum Folgetermin am 23.3.2007 brachte er einen eigenen Entwurf für eine Eingliederungsvereinbarung mit. Dieser enthielt u.a. Regelungen über die Erstattung von Bewerbungskosten, Schadensersatz bei Abbruch einer Bildungsmaßnahme und die Rechtsfolgen bei Nichterfüllung. Des Weiteren hätte sich der Antragssteller zu 12 Bewerbungen innerhalb von drei Monaten bei Einräumung einer Nachbesserungsmöglichkeit binnen vier Wochen verpflichtet. Der Leistungsträger sollte im Gegenzug monatlich mindestens 4 geeignete Vermittlungsvorschläge unterbreiten. Es wird im Übrigen Bezug genommen auf den Entwurf des Antragsstellers, datiert auf den 1.4.2007 (wohl beabsichtigter Beginn der Eingliederungsvereinbarung), Blatt 19 und 20 der Prozessakte.
Laut Beratungsvermerk vom 23.3.2007 ist für den zuständigen Fallmanager "die grundsätzliche Form der EV nicht verhandelbar". Die geforderten Eigenbemühungen seien zumutbar. Der Antragsteller wird ausdrücklich auf eine drohende Leistungsabsenkung hingewiesen. Mit Schreiben vom 23.3.2007 erfolgte eine schriftliche Anhörung. Der Antragssteller wies im Schreiben vom 27.3.2007 darauf hin, dass keine Verhandlungen stattgefunden hätten und die ihm angebotene Vereinbarung aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei.
Mit Bescheid vom 2.4.2007 beschränkte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 1.5.2007 bis 31.7.2007 das Arbeitslosengeld II auf die Leistungen der Unterkunft. Hiergegen erhob der Antragssteller am 5.4.2007 Widerspruch.
Am 13.5.2007 hat der Antragssteller einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Absenkungsbescheid vom 2.4.2007 gestellt. Er ist der Ansicht, dass das notwendige Profiling nicht durchgeführt worden und mangels inhaltlicher Vertragsverhandlungen eine Leistungsabsenkung rechtswidrig sei.
Die Antragsgegnerin verweist auf die Aktualisierung der Daten anlässlich des Gesprächs am 19.2.2007 und trägt vor, dass die geplante Trainingsmaßnahme auf einer individuellen Analyse des Ausbildungs- und Kenntnistandes des Antragstellers beruhe. Es sei häufig nicht praktikabel, die geplanten Maßnahmen dezidiert aufzuführen. Es sei beabsichtigt gewesen eine sprachliche Weiterbildung durchzuführen, um die Englischkenntnisse des Antragsstellers zu verbessern. Die geforderten Eigenbemühungen seien zumutbar.
Gründe:
II
Der zulässige Antrag ist begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch gegen einen Absenkungsbescheid hat gem. § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Das ist vorliegend der Fall, da sich der angegriffene Bescheid vom 2.4.2007 nach der im Eilverfahren gebotenen Überprüfung als rechtswidrig erweist.
Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 31 Abs. 5 SGB II wird das Arbeitslosengeld II bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, bereits in der ersten Stufe auf die Leistungen der Unterkunft beschränkt, wenn diese sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigern, eine angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.
Die angebotene Eingliederungsvereinbarung war rechtswidrig und es wurden keine Vertragsverhandlungen geführt. Bei der Eingliederungsvereinbarung gem. § 15 Abs. 1 SGB II handelt es sich nach herrschender Meinung um einen öffentlich – rechtlichen Vertrag. Regelungsgegenstand sind die sich aus dem SGB II ergebenden (öffentlichen) Rechte und Pflichten. (Berlit in LPK – SGB II, 2.Aufl., § 15 Rn. 8; Fuchsloch in Gagel, SGB II, § 15 Rn.21; Löns in Löns/ Terold- Tews, SGB II, § 15 Rn.2; Müller in Hauck /Noftz, SGB II; § 15 Rn. 11; Rixen in Eicher/ Spellbrink, SGB II, § 15 Rn.2). Die Eingliederungsvereinbarung ist ein unechter Austauschvertrag i. S. v. § 55 Sozialgesetzbuch- Zehntes Buch (SGB X). Danach verpflichtet sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung. Diese Gegenleistung muss zu einem bestimmten Zweck vereinbart werden und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen.
Vorliegend mangelt es bereits an der Nennung eines Vertragszwecks. Gem. § 55 Abs. 1 SGB X ist ein Vertrag nur zulässig, wenn die Gegenleistung im Vertrag ausdrücklich für einen bestimmten Zweck vereinbart wird. Es ist danach zwingend erforderlich, dass der Zweck als einer der Vertragsinhalte festgelegt sein muss (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ausgehend von der in § 55 Abs. 1 SGB X verfolgten Zielsetzung durch die Benennung des Vertragszweckes, nämlich eine bessere Überprüfbarkeit der Zulässigkeitsvoraussetzungen zu gewährleisten und für eine höhere Transparenz zu sorgen, ist es folgerichtig, dass das konkret ermittelte Konzept, welches eingeschlagen werden soll, in der Vertragsurkunde als Regelungspunkt darzustellen ist. Dadurch kann u.a. sichergestellt werden, dass tatsächlich wie vom Gesetzgeber vorgesehen ein Vermittlungskonzept besteht, in das auch individuelle Gesichtspunkte einfließen. Der Gefahr, dass vom Ergebnis her durch die schematische Verwendung von Musterverträgen mit inhaltsleeren Verpflichtungserklärungen lediglich einseitig Eigenbemühungen aufgegeben werden, kann so wirksam begegnet werden. Da bereits der Nichtabschluss des Vertrages sanktioniert ist und zusätzlich die Nichtbefolgung von vereinbarten Regelungen, ist es dringend geboten, eine derartige Entwicklung zu verhindern (vgl. Sonnhoff in jurisPK, SGB II, § 15 Rn. 53). Mindestvoraussetzung in diesem Zusammenhang ist, dass erkennbar wird, ob ein konzeptioneller Hintergrund besteht bzw. welche Vermittlungsstrategie eingeschlagen wurde (Berlit in LPK – SGB II, 2. Aufl., § 15 Rn. 23). Es kann auch ausreichend sein, dass sich der Vertragszweck im Wege der Vertragsauslegung ermitteln lässt. Das ist bereits vorliegend nicht möglich. Der Antragsteller soll in einem bestimmten Umfang Eigenbemühungen nachweisen, im Gegenzug wird ihm eine nicht näher konkretisierte Trainingsmaßnahme angeboten. Was mit der Eingliederungsvereinbarung konkret und auf die individuelle Situation des Antragsstellers bezogen bezweckt werden soll ist aus dem Vertragsentwurf nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, dass sich die Qualifikationsabsicht ggf. aus Beratungsvermerken ergibt. Die Eingliederungsvereinbarung soll aus sich heraus ein schlüssiges Vermittlungskonzept beinhalten, damit Transparenz und Rechtssicherheit gegeben ist sowie ggf. vor einem Neuabschluss eine Zielkontrolle erfolgen kann.
Die Gegenleistung des Leistungsträgers ist unabhängig von einem ordnungsgemäßen Profiling ebenfalls nicht bestimmt genug, weshalb das Vertragsangebot rechtswidrig ist (s.a. SG Berlin v. 12.5.2006 – S 37 AS 11713/05 in juris). In einem solchen Fall ist die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben, bei Betrachtung des Gesamtvorganges steht die Leistung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen außer Verhältnis zu der Leistung, die die Behörde zu erbringen hat. Sie beschränkt sich vorliegend in dem völlig pauschalen Angebot einer Trainingsmaßnahme. Zwar ist der Antragsgegnerin darin zuzustimmen, dass die konkrete Darstellung der Maßnahme nach Zeit und Ort häufig nicht praktikabel ist und daher auch allgemein gehaltene Formulierungen möglich sein müssen. Dennoch muss die Bildungsmaßnahme zumindest ihrer Art nach beschrieben werden und einen zeitlichen Bezug aufweisen, andernfalls handelt es sich um eine unverbindliche Absicht – und Verpflichtungserklärung, was vor dem Hintergrund der konkret bezeichneten Leistung für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigkeit zur Unangemessenheit von Leistung und Gegenleistung führt.
Schließlich ist eine Sanktionierung des Verhaltens des Antragsstellers schon deswegen nicht möglich, weil keine Vertragsverhandlungen geführt worden sind. Der Gesetzgeber hat bewusst die Formulierung "vereinbart" gewählt, um zu verdeutlichen, dass ein Vertragsschluss zwischen zwei gleichberechtigten Partnern und gerade keine einseitige Vorgabe durch den Leistungsträger erfolgen soll (BT – Drs. 15/1749 S. 32). Sofern die durch den faktischen Kontrahierungszwang begründete Machtposition so ausgenutzt wird, dass die Vorstellungen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen inhaltlich unberücksichtigt bleiben und lediglich ein vorgefertigtes Angebot zur Unterschrift vorgelegt wird, wäre ein so zustande gekommener Vertrag als nichtig anzusehen (Berlit in LPK – SGB II, 2. Aufl., § 15 Rn.17f. und 32; Sonnhoff in jurisPK, SGB II, § 15 Rn.105 f.). Es liegt dann ein Formenmissbrauch der Verwaltung vor, die faktisch in Form eines Verwaltungsaktes handelt und formal einen Vertrag schließt, was ohne Vorteile für den Hilfebedürftigen zu einer massiven Verschlechterung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten führt. Nach weitergehender Auffassung, ist der Leistungsträger in Fällen, in denen keine Einigung erzielt werden kann, immer auf die Möglichkeit zu verweisen, einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen (Berlit in LPK – SGB II, 2. Aufl., § 31 Rn. 14; Müller in Hauck/ Noftz, SGB II, § 15 Rn. 21). Eine Sanktionierung ist dann nur möglich, wenn der Abschluss generell verweigert wird.
Die Antragsgegnerin hat den Inhalt des Vertrages einseitig vorgeben und sich in keiner Weise auf inhaltliche Verhandlungen eingelassen. Das entspricht nicht ansatzweise der gesetzlichen Konzeption und den Vorstellungen des Gesetzgebers. Die Antragsgegnerin verkennt, dass es nicht primär darum geht, ob der Nachweis von 15 schriftlichen Bewerbungen monatlich zumutbar ist, sondern dass gemeinsam ein Konzept zur Eingliederung erarbeitet werden soll, da erfahrungsgemäß die Motivation und Mitwirkungsbereitschaft wesentlich höher ist, wenn der Betroffene sich einbringen kann und eine Selbstverpflichtung eingeht. Der Antragssteller hat in diesem Sinne einen eigenen Vertragsentwurf ausgearbeitet, der von der Konzeption her der gesetzgeberischen Zielsetzung viel eher entspricht als das schematische Angebot des Leistungsträgers. Auch wenn der Entwurf des Antragsstellers sicherlich einige für die Antragsgegnerin nicht akzeptable Bedingungen enthält, wie zum Beispiel die geringe Anzahl von 12 Eigenbemühungen in drei Monaten, so handelt es sich um eine brauchbare Basis für inhaltliche Verhandlungen. Das Ansinnen des Antragsstellers, eine Regelung über die Erstattung der Bewerbungskosten in den Vertrag aufzunehmen ist durchaus legitim und kann sogar im Einzelfall (bei offensichtlicher finanzieller Überforderung) notwendig sein, wenn schriftliche Bewerbungen gefordert werden. Sofern dem Leistungsträger bezüglich seiner Leistung ein Nachbesserungsrecht zugestanden werden soll, kann das grundsätzlich auch dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eingeräumt werden. Auch wenn 15 Bewerbungen monatlich zumutbar seien sollten, ist es durchaus möglich im Einzelfall geringere Eigenbemühungen zu vereinbaren, wenn der Vertragspartner hierfür gute Gründe benennen kann. So kann es wesentlich effektiver sein, sich zielgerichtet, individuell und passgenau zu bewerben als schematisch mit Standardanschreiben die aufgegeben Bewerbungsbemühungen abzuarbeiten. Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wieso die grundsätzliche Form der Eingliederungsvereinbarung nicht verhandelbar gewesen sein soll. Erst wenn der Antragssteller nach inhaltlichen Verhandlungen ein modifiziertes Vertragsangebot nicht annimmt, ist eine Sanktionierung nach der hier vertretenen Auffassung möglich. Sofern nun aufgrund von Zeit- und Personalmangel Vertragsverhandlungen und eine Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten nicht möglich sein sollten, muss der Leistungsträger die Eigenbemühungen und ggf. angebotenen Maßnahmen durch Verwaltungsakt aufgeben. Eine Sanktionierung über § 31 Abs. 1 Nr. 1a SGB II ist nicht möglich, denn Grundlage hierfür ist, dass der Leistungsträger seinerseits die gesetzlichen Vorgaben beachtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe:
I.
Der Antragssteller wendet sich gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II wegen der Weigerung, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.
Der am XX.XX.1983 geborene Antragssteller absolvierte in der Zeit vom 1.8.2001 bis 10.6.2004 eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Nach einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit arbeitete er bei verschiedenen Arbeitgebern im Ausbildungsberuf (bis 29.7.2005). Im Anschluss an seine letzte Tätigkeit bezog er Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 8.9.2006. In der Zeit vom 5.10.2006 bis 17.2.2007 folgte eine befristete Tätigkeit als Kurierfahrer bei der D. P./ DHL.
Am 19.2.2007 stellte der Antragssteller einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II. Im Rahmen der Antragsstellung und persönlichen Vorsprache erfolgte eine Aktualisierung der Profilingdaten, die vermutlich bei der Arbeitslosmeldung 2004 (oder 2005?) erfasst worden sind. Dem Antragssteller wurde eine Eingliederungsvereinbarung folgenden Inhalts angeboten:
1. Leistungen Jobcenter Angebot einer Trainingsmaßnahme Kommt der zuständige Träger seinen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht nach, ist ihm innerhalb einer Frist von einer Woche das Recht zur Nacherfüllung einzuräumen. Ist eine Nachbesserung tatsächlich nicht möglich, muss er folgende Ersatzmaßnahme anbieten: entfällt.
2. Bemühungen T. P. T. P. verpflichtet sich, Ortsabwesenheit vorher mit dem persönlichen Ansprechpartner abzustimmen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken, insbesondere: Erstellung von mindestens 15 schriftlichen Bewerbungen monatlich.
Dem Antragssteller wurde auf Verlangen eine Bedenkfrist eingeräumt. Zum Folgetermin am 23.3.2007 brachte er einen eigenen Entwurf für eine Eingliederungsvereinbarung mit. Dieser enthielt u.a. Regelungen über die Erstattung von Bewerbungskosten, Schadensersatz bei Abbruch einer Bildungsmaßnahme und die Rechtsfolgen bei Nichterfüllung. Des Weiteren hätte sich der Antragssteller zu 12 Bewerbungen innerhalb von drei Monaten bei Einräumung einer Nachbesserungsmöglichkeit binnen vier Wochen verpflichtet. Der Leistungsträger sollte im Gegenzug monatlich mindestens 4 geeignete Vermittlungsvorschläge unterbreiten. Es wird im Übrigen Bezug genommen auf den Entwurf des Antragsstellers, datiert auf den 1.4.2007 (wohl beabsichtigter Beginn der Eingliederungsvereinbarung), Blatt 19 und 20 der Prozessakte.
Laut Beratungsvermerk vom 23.3.2007 ist für den zuständigen Fallmanager "die grundsätzliche Form der EV nicht verhandelbar". Die geforderten Eigenbemühungen seien zumutbar. Der Antragsteller wird ausdrücklich auf eine drohende Leistungsabsenkung hingewiesen. Mit Schreiben vom 23.3.2007 erfolgte eine schriftliche Anhörung. Der Antragssteller wies im Schreiben vom 27.3.2007 darauf hin, dass keine Verhandlungen stattgefunden hätten und die ihm angebotene Vereinbarung aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei.
Mit Bescheid vom 2.4.2007 beschränkte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 1.5.2007 bis 31.7.2007 das Arbeitslosengeld II auf die Leistungen der Unterkunft. Hiergegen erhob der Antragssteller am 5.4.2007 Widerspruch.
Am 13.5.2007 hat der Antragssteller einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Absenkungsbescheid vom 2.4.2007 gestellt. Er ist der Ansicht, dass das notwendige Profiling nicht durchgeführt worden und mangels inhaltlicher Vertragsverhandlungen eine Leistungsabsenkung rechtswidrig sei.
Die Antragsgegnerin verweist auf die Aktualisierung der Daten anlässlich des Gesprächs am 19.2.2007 und trägt vor, dass die geplante Trainingsmaßnahme auf einer individuellen Analyse des Ausbildungs- und Kenntnistandes des Antragstellers beruhe. Es sei häufig nicht praktikabel, die geplanten Maßnahmen dezidiert aufzuführen. Es sei beabsichtigt gewesen eine sprachliche Weiterbildung durchzuführen, um die Englischkenntnisse des Antragsstellers zu verbessern. Die geforderten Eigenbemühungen seien zumutbar.
Gründe:
II
Der zulässige Antrag ist begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch gegen einen Absenkungsbescheid hat gem. § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Das ist vorliegend der Fall, da sich der angegriffene Bescheid vom 2.4.2007 nach der im Eilverfahren gebotenen Überprüfung als rechtswidrig erweist.
Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 31 Abs. 5 SGB II wird das Arbeitslosengeld II bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, bereits in der ersten Stufe auf die Leistungen der Unterkunft beschränkt, wenn diese sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigern, eine angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.
Die angebotene Eingliederungsvereinbarung war rechtswidrig und es wurden keine Vertragsverhandlungen geführt. Bei der Eingliederungsvereinbarung gem. § 15 Abs. 1 SGB II handelt es sich nach herrschender Meinung um einen öffentlich – rechtlichen Vertrag. Regelungsgegenstand sind die sich aus dem SGB II ergebenden (öffentlichen) Rechte und Pflichten. (Berlit in LPK – SGB II, 2.Aufl., § 15 Rn. 8; Fuchsloch in Gagel, SGB II, § 15 Rn.21; Löns in Löns/ Terold- Tews, SGB II, § 15 Rn.2; Müller in Hauck /Noftz, SGB II; § 15 Rn. 11; Rixen in Eicher/ Spellbrink, SGB II, § 15 Rn.2). Die Eingliederungsvereinbarung ist ein unechter Austauschvertrag i. S. v. § 55 Sozialgesetzbuch- Zehntes Buch (SGB X). Danach verpflichtet sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung. Diese Gegenleistung muss zu einem bestimmten Zweck vereinbart werden und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen.
Vorliegend mangelt es bereits an der Nennung eines Vertragszwecks. Gem. § 55 Abs. 1 SGB X ist ein Vertrag nur zulässig, wenn die Gegenleistung im Vertrag ausdrücklich für einen bestimmten Zweck vereinbart wird. Es ist danach zwingend erforderlich, dass der Zweck als einer der Vertragsinhalte festgelegt sein muss (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ausgehend von der in § 55 Abs. 1 SGB X verfolgten Zielsetzung durch die Benennung des Vertragszweckes, nämlich eine bessere Überprüfbarkeit der Zulässigkeitsvoraussetzungen zu gewährleisten und für eine höhere Transparenz zu sorgen, ist es folgerichtig, dass das konkret ermittelte Konzept, welches eingeschlagen werden soll, in der Vertragsurkunde als Regelungspunkt darzustellen ist. Dadurch kann u.a. sichergestellt werden, dass tatsächlich wie vom Gesetzgeber vorgesehen ein Vermittlungskonzept besteht, in das auch individuelle Gesichtspunkte einfließen. Der Gefahr, dass vom Ergebnis her durch die schematische Verwendung von Musterverträgen mit inhaltsleeren Verpflichtungserklärungen lediglich einseitig Eigenbemühungen aufgegeben werden, kann so wirksam begegnet werden. Da bereits der Nichtabschluss des Vertrages sanktioniert ist und zusätzlich die Nichtbefolgung von vereinbarten Regelungen, ist es dringend geboten, eine derartige Entwicklung zu verhindern (vgl. Sonnhoff in jurisPK, SGB II, § 15 Rn. 53). Mindestvoraussetzung in diesem Zusammenhang ist, dass erkennbar wird, ob ein konzeptioneller Hintergrund besteht bzw. welche Vermittlungsstrategie eingeschlagen wurde (Berlit in LPK – SGB II, 2. Aufl., § 15 Rn. 23). Es kann auch ausreichend sein, dass sich der Vertragszweck im Wege der Vertragsauslegung ermitteln lässt. Das ist bereits vorliegend nicht möglich. Der Antragsteller soll in einem bestimmten Umfang Eigenbemühungen nachweisen, im Gegenzug wird ihm eine nicht näher konkretisierte Trainingsmaßnahme angeboten. Was mit der Eingliederungsvereinbarung konkret und auf die individuelle Situation des Antragsstellers bezogen bezweckt werden soll ist aus dem Vertragsentwurf nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, dass sich die Qualifikationsabsicht ggf. aus Beratungsvermerken ergibt. Die Eingliederungsvereinbarung soll aus sich heraus ein schlüssiges Vermittlungskonzept beinhalten, damit Transparenz und Rechtssicherheit gegeben ist sowie ggf. vor einem Neuabschluss eine Zielkontrolle erfolgen kann.
Die Gegenleistung des Leistungsträgers ist unabhängig von einem ordnungsgemäßen Profiling ebenfalls nicht bestimmt genug, weshalb das Vertragsangebot rechtswidrig ist (s.a. SG Berlin v. 12.5.2006 – S 37 AS 11713/05 in juris). In einem solchen Fall ist die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben, bei Betrachtung des Gesamtvorganges steht die Leistung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen außer Verhältnis zu der Leistung, die die Behörde zu erbringen hat. Sie beschränkt sich vorliegend in dem völlig pauschalen Angebot einer Trainingsmaßnahme. Zwar ist der Antragsgegnerin darin zuzustimmen, dass die konkrete Darstellung der Maßnahme nach Zeit und Ort häufig nicht praktikabel ist und daher auch allgemein gehaltene Formulierungen möglich sein müssen. Dennoch muss die Bildungsmaßnahme zumindest ihrer Art nach beschrieben werden und einen zeitlichen Bezug aufweisen, andernfalls handelt es sich um eine unverbindliche Absicht – und Verpflichtungserklärung, was vor dem Hintergrund der konkret bezeichneten Leistung für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigkeit zur Unangemessenheit von Leistung und Gegenleistung führt.
Schließlich ist eine Sanktionierung des Verhaltens des Antragsstellers schon deswegen nicht möglich, weil keine Vertragsverhandlungen geführt worden sind. Der Gesetzgeber hat bewusst die Formulierung "vereinbart" gewählt, um zu verdeutlichen, dass ein Vertragsschluss zwischen zwei gleichberechtigten Partnern und gerade keine einseitige Vorgabe durch den Leistungsträger erfolgen soll (BT – Drs. 15/1749 S. 32). Sofern die durch den faktischen Kontrahierungszwang begründete Machtposition so ausgenutzt wird, dass die Vorstellungen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen inhaltlich unberücksichtigt bleiben und lediglich ein vorgefertigtes Angebot zur Unterschrift vorgelegt wird, wäre ein so zustande gekommener Vertrag als nichtig anzusehen (Berlit in LPK – SGB II, 2. Aufl., § 15 Rn.17f. und 32; Sonnhoff in jurisPK, SGB II, § 15 Rn.105 f.). Es liegt dann ein Formenmissbrauch der Verwaltung vor, die faktisch in Form eines Verwaltungsaktes handelt und formal einen Vertrag schließt, was ohne Vorteile für den Hilfebedürftigen zu einer massiven Verschlechterung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten führt. Nach weitergehender Auffassung, ist der Leistungsträger in Fällen, in denen keine Einigung erzielt werden kann, immer auf die Möglichkeit zu verweisen, einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen (Berlit in LPK – SGB II, 2. Aufl., § 31 Rn. 14; Müller in Hauck/ Noftz, SGB II, § 15 Rn. 21). Eine Sanktionierung ist dann nur möglich, wenn der Abschluss generell verweigert wird.
Die Antragsgegnerin hat den Inhalt des Vertrages einseitig vorgeben und sich in keiner Weise auf inhaltliche Verhandlungen eingelassen. Das entspricht nicht ansatzweise der gesetzlichen Konzeption und den Vorstellungen des Gesetzgebers. Die Antragsgegnerin verkennt, dass es nicht primär darum geht, ob der Nachweis von 15 schriftlichen Bewerbungen monatlich zumutbar ist, sondern dass gemeinsam ein Konzept zur Eingliederung erarbeitet werden soll, da erfahrungsgemäß die Motivation und Mitwirkungsbereitschaft wesentlich höher ist, wenn der Betroffene sich einbringen kann und eine Selbstverpflichtung eingeht. Der Antragssteller hat in diesem Sinne einen eigenen Vertragsentwurf ausgearbeitet, der von der Konzeption her der gesetzgeberischen Zielsetzung viel eher entspricht als das schematische Angebot des Leistungsträgers. Auch wenn der Entwurf des Antragsstellers sicherlich einige für die Antragsgegnerin nicht akzeptable Bedingungen enthält, wie zum Beispiel die geringe Anzahl von 12 Eigenbemühungen in drei Monaten, so handelt es sich um eine brauchbare Basis für inhaltliche Verhandlungen. Das Ansinnen des Antragsstellers, eine Regelung über die Erstattung der Bewerbungskosten in den Vertrag aufzunehmen ist durchaus legitim und kann sogar im Einzelfall (bei offensichtlicher finanzieller Überforderung) notwendig sein, wenn schriftliche Bewerbungen gefordert werden. Sofern dem Leistungsträger bezüglich seiner Leistung ein Nachbesserungsrecht zugestanden werden soll, kann das grundsätzlich auch dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eingeräumt werden. Auch wenn 15 Bewerbungen monatlich zumutbar seien sollten, ist es durchaus möglich im Einzelfall geringere Eigenbemühungen zu vereinbaren, wenn der Vertragspartner hierfür gute Gründe benennen kann. So kann es wesentlich effektiver sein, sich zielgerichtet, individuell und passgenau zu bewerben als schematisch mit Standardanschreiben die aufgegeben Bewerbungsbemühungen abzuarbeiten. Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wieso die grundsätzliche Form der Eingliederungsvereinbarung nicht verhandelbar gewesen sein soll. Erst wenn der Antragssteller nach inhaltlichen Verhandlungen ein modifiziertes Vertragsangebot nicht annimmt, ist eine Sanktionierung nach der hier vertretenen Auffassung möglich. Sofern nun aufgrund von Zeit- und Personalmangel Vertragsverhandlungen und eine Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten nicht möglich sein sollten, muss der Leistungsträger die Eigenbemühungen und ggf. angebotenen Maßnahmen durch Verwaltungsakt aufgeben. Eine Sanktionierung über § 31 Abs. 1 Nr. 1a SGB II ist nicht möglich, denn Grundlage hierfür ist, dass der Leistungsträger seinerseits die gesetzlichen Vorgaben beachtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved