Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 5 RJ 41/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 RJ 94/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.07.2000 wird abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2000 verurteilt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 510,- DM festzusetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu erstattenden Kosten eines Vorverfahrens.
Im Januar 1992 beantragte der Kläger, vertreten unter anderem durch die Bevollmächtigte, die Gewährung eines Altersruhegeldes (ARG) unter Anerkennung von Beitragszeiten wegen Arbeitszeiten in dem Ghetto Lodz und von Ersatzzeiten nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 a Reichsversicherungsordnung (RVO). Er gab u.a. an, dass er im Anschluss an eine Freiheitsentziehung nach § 43 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) in der Zeit von Mai 1945 bis April 1948 arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen war. Mit Bescheid vom 07.09.1992 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Dagegen legte der Kläger, vertreten unter anderem durch seine Bevollmächtigte, Widerspruch ein. Nach Beiziehung der Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung - Landesentschädigungsamt - teilte die Beklagte mit Schreiben vom 08.06.1998 mit, dass die in der Zeit vom 25.12.1942 bis 15.08.1944 zurückgelegten Arbeitszeiten im Ghetto Lodz als glaubhaft gemachte Beitragszeiten und die Zeiten vom 16.08.1944 bis 04.02.1945 als Verfolgungsersatzzeiten anerkannt werden. Des weiteren fragte sie an, ob der Widerspruch zurückgenommen wird. Mit Schreiben vom 22.06.1998 erklär ten die Bevollmächtigen des Klägers das Widerspruchsverfahren für erledigt.
Mit Bescheid vom 08.10.1998 gewährte die Beklagte dem Kläger unter Berufung auf das Anerkenntnis vom 08.06.1998 ARG, ab 01.01.1992. Den Zahlbetrag setzte sie ab 01.11.1998 in Höhe von 96,59 DM fest. Für die Zeit vom 01.01.1992 bis 31.10.1998 stellte sie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 7.541,96 DM fest.
Am 23.11.1998 legte der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigte, ohne Begründung Widerspruch gegen den Bescheid ein. Mit Schreiben vom 11.12.1998 begehrte er die Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten. Bei ihm habe in der Zeit zwischen der Befreiung und der Auswanderung nach Israel eine verfolgungsbedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden. Der beratungsärztliche Dienst des Landesentschädigungsamtes M ... habe ab dem Zeitpunkt der Befreiung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 bis 59 % festgestellt. Daraufhin zog die Beklagte die Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung - Landesentschädigungsamt - nochmals bei und wertete sie durch den ärztlichen Dienst aus. Mit Abhilfebescheid vom 28.04.1999 erkannte die Beklagte Anschlussersatzzeiten für die Zeit vom 05.02.1945 bis 31.08.1948 an und erhöhte das ARG mit Wirkung zum 01.01.1994. Sie stellte eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.1994 bis 31.05.1999 in Höhe von 7.537,06 DM und eine laufende Rente ab dem 01.06.1999 in Höhe von 215,23 DM monatlich fest. Des weiteren übernahm die Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach. Die Bevollmächtigten des Klägers erklärten das Verfahren für erledigt und stellten mit Schreiben vom 18.10.1999 folgende Kostenrechnung auf:
Gebühr nach § 116 Abs. 1 BRAGO 800,00 DM
Kostenpauschale nach § 26 BRAGO 40,00 DM
Summe 840,00 DM
Mit Bescheid vom 09.11.1999 setzte die Beklagte die erstattungsfähigen Kosten für das Widerspruchsverfahren auf 340 DM fest, die wie folgt berechnet wurden:
Gebühr nach § 116 Abs. 1 BRAGO 300,00 DM
Kostenpauschale 40,00 DM
Summe 340,00 DM
Zur Begründung führte sie aus, nach den Bemessungskriterien des
§ 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) handele es sich bei dem anhängig gewesenen Widerspruchsverfahren um eine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Art. Daher sei ein Betrag in Höhe von etwa 2/3 der Mittelgebühr festzusetzen.
Hiergegen legte die Bevollmächtigte des Klägers am 17.11.1999 Widerspruch mit der Begründung ein, dass eine erhöhte Mittelgebühr nach § 116 Abs. 3 BRAGO festzusetzen sei. Der Erlass des Abhilfebescheides vom 28.04.1999 sei auf ihre besondere Mitwirkung zurückzuführen. Nach Erhalt des Rentenbescheides vom 08.10.1998 hätten sie zur Abklärung der Frage, ob weitere Anschlussersatzzeiten in Betracht kommen, die Akte des Bayerischen Landesentschädigungsamtes beigezogen. Das Ergebnis der Akteneinsicht hätte sie der Beklagten in der Widerspruchsbegründung mitgeteilt und somit weitere Ermittlungen der Beklagten veranlasst. Am 24.02.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für den Ansatz einer Erhöhungsgebühr nach § 24 BRAGO sei nicht gegeben.
Mit der am 03.03.2000 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger die Festsetzung der Kosten für das Widerspruchsverfahren auf 725,- DM begehrt.
Er hat vorgetragen, es handele sich um eine Angelegenheit mit durch schnittlicher Bedeutung. Des weiteren bestehe ein Anspruch auf Festsetzung einer erhöhten Mittelgebühr nach § 116 Abs. 3 BRAGO. Wegen der ungenügenden Sachverhaltsaufklärung der Beklagten nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hätten seine Bevollmächtigte durch die Einsichtnahme in die Entschädigungsakte an der Erledigung des Verfahrens besonders mitgewirkt. Nach Einsichtnahme in die Entschädigungsakte, die zuvor von der Beklagten nicht sachgerecht ausgewertet worden sei, seien seine Bevollmächtigten in der Lage gewesen, der Beklagten die anspruchsbegründenden Tatsachen mitzuteilen. Die daraufhin nochmals erfolgte Akteneinsicht habe die Beklagte veranlasst, die Anschlussersatzzeiten anzuerkennen.
Mit Urteil vom 10.07.2002 hat das SG Düsseldorf die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2000 verurteilt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 725,- DM festzusetzen. Es hat die Berufung zugelassen.
Es hat ausgeführt, dass eine Mittelgebühr in Höhe von 470,- DM anzusetzen sei. Es handele sich um einen Durchschnittsfall. Die Klägerbevollmächtigte habe an der Erledigung des Verfahrens mitgewirkt, indem sie durch die Einsichtnahme in die Entschädigungsakte der Beklagten die entscheidenden Gesichtspunkte für die Anerkennung weiterer Ersatzzeiten vermittelt habe. Deshalb sei die Gebühr nach § 24 BRAGO zu erhöhen.
Gegen das am 06.08.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.08.2002 Berufung eingelegt.
Sie verfolgt ihr Begehren weiter. Der Ansatz von höheren Kosten für das Vorverfahren, als von ihr festgesetzt, sei nicht gerechtfertigt. Weder handele es sich um eine Angelegenheit von durchschnittlicher Bedeutung noch lägen die Voraussetzungen des § 116 Abs. 3 BRAGO vor. Das Vorverfahren sei als eine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Bedeutung i.S.v. § 12 BRAGO zu werten. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die wirtschaftliche Bedeutung des Vorverfahrens für den Kläger seien als unterdurchschnittlich einzustufen. Die Bevollmächtigten hätten an der Erledigung des Vorverfahrens nicht mitgewirkt. Die Abgabe einer Widerspruchsbegründung, die zur Einleitung von weiteren Ermittlungsmaßnahmen nach § 20 SGB X führe, stelle kein besonderes auf die Erledigung der Sache gerichtetes Bemühen eine Bevollmächtigten dar, sondern diene nur dem Fortgang des Verfahrens. Der gegen den Ausführungsbescheid vom 08.10.1998 eingelegte Widerspruch mit dem Begehren auf Anerkennung weiterer Ersatzzeiten sei unzulässig gewesen. Dieses Handeln habe nur dazu gedient, für die Bevollmächtigte des Klägers die Grundlage für einen Kostenerstattungsanspruch zu schaffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.07.2002 insoweit zu ändern, als die Beklagte zur Erstattung eines höheren
Betrages als 510,- DM verurteilt wurde und die weitergehende
Klage gegen den Beschied vom 09.11.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 24.02.2000 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für den Kläger niemand zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, konnte der Senat aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil die Klägerbevollmächtigte in der ihr ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde.
Die form- und fristgerechte Berufung ist kraft ausdrücklicher Zulassung durch das SG nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Das SG hat zu Unrecht die zu erstattenden Kosten für das Widerspruchsverfahren auf insgesamt 725,- DM festgesetzt. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 510,- DM nach § 63 Abs. 1 SGB X zu.
Nach 63 Abs. 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, die für die zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Konkretisierung der Kostenerstattung erfolgt in drei stufenweise aufeinander aufbauenden Entscheidungen. Zunächst ist in einer Kostenentscheidung (Kostengrundentscheidung) festzustellen, ob und ggfs. in welchem Umfang der Widerspruchsführer den Ersatz seiner Kosten verlangen kann. Dann ist im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 63 Abs. 3 S. 2 SGB X zu befinden, ob die Zuziehung eines Rechtsanwaltes notwendig gewesen ist, und anschließend ist die bezifferte Höhe des Kostenerstattungsan spruches im Festsetzungsbescheid nach § 63 Abs. 3 S. 1 SGB X durch Verwaltungsakt zu bestimmen (BSG, Urteil vom 09.09.1998, - B 6 KA 80/97 R -, SozR 3-1300 § 63 SGB X Nr. 12). Mit Schreiben vom 04.08.1998 hat die Beklagte bindend anerkannt, die Kosten des Klägers im Widerspruchsverfahren dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten. Des weiteren hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid durch Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten eines Rechtsanwaltes konkludent die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren als notwendig angesehen. Im Berufungsverfahren haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, die dagegen sprechen. Somit handelt es sich bei den vom Kläger als notwendige Kosten geltend gemachten Gebühren und Auslagen seiner Bevollmächtigten um erstattungsfähige Kosten i.S.v. § 63 SGB X.
Die Höhe der nach § 63 SGB X zu erstattenden Gebühren eines Rechtsanwaltes bestimmt sich grundsätzlich, soweit es sich um Streitigkeiten eines Versicherten handelt, nach den für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren vor den Sozialgerichten vorgesehenen Gebührenrahmen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, allerdings mit der Maßgabe, dass für das Widerspruchsverfahren nur etwa 2/3 des dort vorgesehen Gebührenrahmens anzusetzen ist (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 07.12.1983, - 9a RVs 5/82 -, SozR 1300 § 63 SGB X Nr. 2; Urteile vom 22.03.1984, - 11 RA 16/83 - und - 11 RA 53/83 -, SozR 1300 § 63 Nr. 3 und Nr. 4; Urteil vom 12.06.1996, - 5 RJ 86/95 -, SozR 3-1930 § 116 BRAGO Nr. 4; siehe auch Sächsisches LSG, Urteil vom 08.02.2000, - L 1 B 79/99 -, NZS 2001, 219; Bayerisches LSG, Urteil vom 08.05.2001, - L 15 SB 69/00 -, Rechtspfleger 2002, 281; LSG NW, Urteil vom 09.09.1996, - L 10 VS 78/96 -). Der danach maßgebliche Gebührenrahmen für die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes in einem Widerspruchsverfahren nach § 116 Abs. 1 BRAGO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung bewegt sich von 70 bis 870 DM, woraus eine Mittelgebühr von 470,- DM folgt.
Die konkrete Gebühr ist nach § 12 BRAGO zu ermitteln. Danach bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftragsgebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr, wie im vorliegenden Fall, von einem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Anhaltspunkt für die Prüfung der Unbilligkeit von Rahmengebühren gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO ist die sog. Mittelgebühr (vgl. BSG, Urteil vom 26.02.1992, - 9a RVs 3/90 -; Urteil vom 22.03.1984, - 11 RA 16/83 -, a.a.O.). Die Mittelgebühr ist der nach § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO angemessene Betrag, wenn als Ergebnis aller nach dieser Vorschrift anzustellenden Erwägungen die Feststellung zu treffen ist, dass es sich um einen Durchschnittsfall handelt.
Das SG hat zutreffend den Ansatz einer Mittelgebühr von 470 DM für angemessen und sachgerecht gehalten. Der Streitsache ist eine durch schnittliche Bedeutung beizumessen. Zwar ist Streitgegenstand des Widerspruchsverfahrens die Höhe des ARG, also die Höhe einer Dauer rente, gewesen. Der erfolgreiche Ausgang des Widerspruchsverfahrens hat zur Verdoppelung des Rentenbetrages geführt, jedoch ist im Hinblick auf die zuerkannte geringe Rentenhöhe davon auszugehen, dass das ARG nicht wesentlich zur wirtschaftlichen Existenssicherung des Klägers dient. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als durch schnittlich anzusehen, da sich die Tätigkeit der Bevollmächtigten nicht nur auf die Fertigung von zwei Schriftsätzen beschränkt hat, sondern die Bevollmächtigte zur Aufklärung des Sachverhaltes die Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung beigezogen und ausgewertet hat. Dieser Arbeitsaufwand, der auch durch die unzureichende Auswertung der Akte im vorausgegangenen Rentenverfahren durch die Beklagte mitverursacht wurde, ist mitzuberücksichtigen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist aber nicht als überdurchschnittlich zu bezeichnen, da die Bevollmächtigte nach Kenntnis des Senates in einer Reihe gleich oder ähnlich gelagerter Fälle tätig und damit mit den rechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Gewährung und Berechnung von Altersruhegeldansprüchen israelischer Staatsangehöriger vertraut ist. Die finanziellen Verhältnisse des Klägers, der nach Aktenlage seinen Lebensunterhalt als Rentner bestreitet, bieten keinen Grund für eine Abweichung von der Mittelgebühr. Dahinstehen kann, ob der vom Bevollmächtigten eingelegte Widerspruch zulässig gewesen ist. Die Frage der Erfolgsaussichten eines Widerspruches ist ausschließlich bei der nach § 63 SGB X zu treffenden Kostengrundentscheidung, die für das Festsetzungsverfahren bindend ist, zu berücksichtigen.
Die Mittelgebühr ist auch nicht im Rahmen eines Toleranzrahmens um 20% zu erhöhen. Das Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig. Die Einführung des Gesichtspunkts der Mittelgebühr hat den Zweck, für das Durchschnittsverfahren einen bestimmten Betrag festzulegen. Der Gesichtspunkt des dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühr zustehenden Toleranzrahmens findet nur bei der Verneinung eines Durchschnittsfalls Anwendung (BSG, Urteil vom 26.2.1992, - 9a RVs 3/90 -).
Entgegen der Auffassung des SG ist die Mittelgebühr auch nicht nach § 116 Abs. 3 S. 2 BRAGO i.d.F. bis zum 01.01.2002 zu erhöhen. Danach wird die Mittelgebühr um die Hälfte erhöht, wenn ein Rechtsanwalt an einer Erledigung des Verfahrens ohne streitige Entscheidung besonders mitgewirkt hat. Diese Vorschrift gilt auch im isolierten Widerspruchsverfahren (BSG, Urteil vom 12.06.1996, - 5 RJ 86/95 -, SozR 3- 1930 § 116 BRAGO Nr. 9), d.h. in einem Widerspruchsverfahren, dem ein Klageverfahren nicht nachfolgt. Eine gebührenrechtlich erhebliche Mitwirkungshandlung des Bevollmächtigten liegt vor, wenn das Verfahren zwar nicht der Form, wohl aber dem Inhalt nach vergleichsweise beigelegt wurde und der Rechtsanwalt sich besonders um die Erledigung des Verfahrens bemüht hat (BSG, Urteile vom 09.08.1995, - 9 RVS 12/94 -; - 9 RVS 2/94 -; - 9 RVS 7/94 -, SozR 3-1930 § 116 BRAGO Nr. 7; Urteil vom 12.06.1996, - 5 RJ 86/95 -, a.a.O.). Vorliegend ist das Widerspruchsverfahren nicht dem Inhalt nach vergleichsweise erledigt worden, da die Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Anschlussersatzzeiten anerkannt und damit der Kläger voll obsiegt hat. Auch liegt entgegen der Auffassung des SG keine besondere Mitwirkungshandlung der Bevollmächtigten vor. Die Einsichtnahme in die Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung und deren Auswertung ist nicht als eine solche Handlung zu werten. Als Mitwirkungshandlungen reichen weder die Begründung des Widerspruches, die Vorlage von Beweismitteln noch die bloße Erledigungserklärung aus. Ebenso wenig kann die zur sachgerechten Begründung des Widerspruches oder zur Vorbereitung von Beweisangeboten erforderliche Sichtung und Auswertung von Akten als besondere Mitwirkungshandlung angesehen werden. Ein Bevollmächtigter ist gegen über seinen Mandanten verpflichtet, das Verfahren gewissenhaft, sorgfältig und gründlich zu betreiben. Diese Tätigkeit wird durch die Rahmengebühr des § 116 Abs. 1 S. 1 BRAGO vollständig abgegolten (BSG, Urteil vom 09.08.1995, - 9 RVS 7/94 -, a.a.O.).
Die Höhe der Pauschale nach § 26 BRAGO ist nicht streitig. Somit beläuft sich der Kostenerstattungsanspruch auf insgesamt 510,- DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dem teilweisen Obliegen des Klägers entsprechend hat die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu erstattenden Kosten eines Vorverfahrens.
Im Januar 1992 beantragte der Kläger, vertreten unter anderem durch die Bevollmächtigte, die Gewährung eines Altersruhegeldes (ARG) unter Anerkennung von Beitragszeiten wegen Arbeitszeiten in dem Ghetto Lodz und von Ersatzzeiten nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 a Reichsversicherungsordnung (RVO). Er gab u.a. an, dass er im Anschluss an eine Freiheitsentziehung nach § 43 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) in der Zeit von Mai 1945 bis April 1948 arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen war. Mit Bescheid vom 07.09.1992 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Dagegen legte der Kläger, vertreten unter anderem durch seine Bevollmächtigte, Widerspruch ein. Nach Beiziehung der Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung - Landesentschädigungsamt - teilte die Beklagte mit Schreiben vom 08.06.1998 mit, dass die in der Zeit vom 25.12.1942 bis 15.08.1944 zurückgelegten Arbeitszeiten im Ghetto Lodz als glaubhaft gemachte Beitragszeiten und die Zeiten vom 16.08.1944 bis 04.02.1945 als Verfolgungsersatzzeiten anerkannt werden. Des weiteren fragte sie an, ob der Widerspruch zurückgenommen wird. Mit Schreiben vom 22.06.1998 erklär ten die Bevollmächtigen des Klägers das Widerspruchsverfahren für erledigt.
Mit Bescheid vom 08.10.1998 gewährte die Beklagte dem Kläger unter Berufung auf das Anerkenntnis vom 08.06.1998 ARG, ab 01.01.1992. Den Zahlbetrag setzte sie ab 01.11.1998 in Höhe von 96,59 DM fest. Für die Zeit vom 01.01.1992 bis 31.10.1998 stellte sie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 7.541,96 DM fest.
Am 23.11.1998 legte der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigte, ohne Begründung Widerspruch gegen den Bescheid ein. Mit Schreiben vom 11.12.1998 begehrte er die Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten. Bei ihm habe in der Zeit zwischen der Befreiung und der Auswanderung nach Israel eine verfolgungsbedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden. Der beratungsärztliche Dienst des Landesentschädigungsamtes M ... habe ab dem Zeitpunkt der Befreiung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 bis 59 % festgestellt. Daraufhin zog die Beklagte die Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung - Landesentschädigungsamt - nochmals bei und wertete sie durch den ärztlichen Dienst aus. Mit Abhilfebescheid vom 28.04.1999 erkannte die Beklagte Anschlussersatzzeiten für die Zeit vom 05.02.1945 bis 31.08.1948 an und erhöhte das ARG mit Wirkung zum 01.01.1994. Sie stellte eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.1994 bis 31.05.1999 in Höhe von 7.537,06 DM und eine laufende Rente ab dem 01.06.1999 in Höhe von 215,23 DM monatlich fest. Des weiteren übernahm die Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach. Die Bevollmächtigten des Klägers erklärten das Verfahren für erledigt und stellten mit Schreiben vom 18.10.1999 folgende Kostenrechnung auf:
Gebühr nach § 116 Abs. 1 BRAGO 800,00 DM
Kostenpauschale nach § 26 BRAGO 40,00 DM
Summe 840,00 DM
Mit Bescheid vom 09.11.1999 setzte die Beklagte die erstattungsfähigen Kosten für das Widerspruchsverfahren auf 340 DM fest, die wie folgt berechnet wurden:
Gebühr nach § 116 Abs. 1 BRAGO 300,00 DM
Kostenpauschale 40,00 DM
Summe 340,00 DM
Zur Begründung führte sie aus, nach den Bemessungskriterien des
§ 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) handele es sich bei dem anhängig gewesenen Widerspruchsverfahren um eine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Art. Daher sei ein Betrag in Höhe von etwa 2/3 der Mittelgebühr festzusetzen.
Hiergegen legte die Bevollmächtigte des Klägers am 17.11.1999 Widerspruch mit der Begründung ein, dass eine erhöhte Mittelgebühr nach § 116 Abs. 3 BRAGO festzusetzen sei. Der Erlass des Abhilfebescheides vom 28.04.1999 sei auf ihre besondere Mitwirkung zurückzuführen. Nach Erhalt des Rentenbescheides vom 08.10.1998 hätten sie zur Abklärung der Frage, ob weitere Anschlussersatzzeiten in Betracht kommen, die Akte des Bayerischen Landesentschädigungsamtes beigezogen. Das Ergebnis der Akteneinsicht hätte sie der Beklagten in der Widerspruchsbegründung mitgeteilt und somit weitere Ermittlungen der Beklagten veranlasst. Am 24.02.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für den Ansatz einer Erhöhungsgebühr nach § 24 BRAGO sei nicht gegeben.
Mit der am 03.03.2000 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger die Festsetzung der Kosten für das Widerspruchsverfahren auf 725,- DM begehrt.
Er hat vorgetragen, es handele sich um eine Angelegenheit mit durch schnittlicher Bedeutung. Des weiteren bestehe ein Anspruch auf Festsetzung einer erhöhten Mittelgebühr nach § 116 Abs. 3 BRAGO. Wegen der ungenügenden Sachverhaltsaufklärung der Beklagten nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hätten seine Bevollmächtigte durch die Einsichtnahme in die Entschädigungsakte an der Erledigung des Verfahrens besonders mitgewirkt. Nach Einsichtnahme in die Entschädigungsakte, die zuvor von der Beklagten nicht sachgerecht ausgewertet worden sei, seien seine Bevollmächtigten in der Lage gewesen, der Beklagten die anspruchsbegründenden Tatsachen mitzuteilen. Die daraufhin nochmals erfolgte Akteneinsicht habe die Beklagte veranlasst, die Anschlussersatzzeiten anzuerkennen.
Mit Urteil vom 10.07.2002 hat das SG Düsseldorf die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2000 verurteilt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 725,- DM festzusetzen. Es hat die Berufung zugelassen.
Es hat ausgeführt, dass eine Mittelgebühr in Höhe von 470,- DM anzusetzen sei. Es handele sich um einen Durchschnittsfall. Die Klägerbevollmächtigte habe an der Erledigung des Verfahrens mitgewirkt, indem sie durch die Einsichtnahme in die Entschädigungsakte der Beklagten die entscheidenden Gesichtspunkte für die Anerkennung weiterer Ersatzzeiten vermittelt habe. Deshalb sei die Gebühr nach § 24 BRAGO zu erhöhen.
Gegen das am 06.08.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.08.2002 Berufung eingelegt.
Sie verfolgt ihr Begehren weiter. Der Ansatz von höheren Kosten für das Vorverfahren, als von ihr festgesetzt, sei nicht gerechtfertigt. Weder handele es sich um eine Angelegenheit von durchschnittlicher Bedeutung noch lägen die Voraussetzungen des § 116 Abs. 3 BRAGO vor. Das Vorverfahren sei als eine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Bedeutung i.S.v. § 12 BRAGO zu werten. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die wirtschaftliche Bedeutung des Vorverfahrens für den Kläger seien als unterdurchschnittlich einzustufen. Die Bevollmächtigten hätten an der Erledigung des Vorverfahrens nicht mitgewirkt. Die Abgabe einer Widerspruchsbegründung, die zur Einleitung von weiteren Ermittlungsmaßnahmen nach § 20 SGB X führe, stelle kein besonderes auf die Erledigung der Sache gerichtetes Bemühen eine Bevollmächtigten dar, sondern diene nur dem Fortgang des Verfahrens. Der gegen den Ausführungsbescheid vom 08.10.1998 eingelegte Widerspruch mit dem Begehren auf Anerkennung weiterer Ersatzzeiten sei unzulässig gewesen. Dieses Handeln habe nur dazu gedient, für die Bevollmächtigte des Klägers die Grundlage für einen Kostenerstattungsanspruch zu schaffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.07.2002 insoweit zu ändern, als die Beklagte zur Erstattung eines höheren
Betrages als 510,- DM verurteilt wurde und die weitergehende
Klage gegen den Beschied vom 09.11.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 24.02.2000 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für den Kläger niemand zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, konnte der Senat aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil die Klägerbevollmächtigte in der ihr ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde.
Die form- und fristgerechte Berufung ist kraft ausdrücklicher Zulassung durch das SG nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Das SG hat zu Unrecht die zu erstattenden Kosten für das Widerspruchsverfahren auf insgesamt 725,- DM festgesetzt. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 510,- DM nach § 63 Abs. 1 SGB X zu.
Nach 63 Abs. 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, die für die zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Konkretisierung der Kostenerstattung erfolgt in drei stufenweise aufeinander aufbauenden Entscheidungen. Zunächst ist in einer Kostenentscheidung (Kostengrundentscheidung) festzustellen, ob und ggfs. in welchem Umfang der Widerspruchsführer den Ersatz seiner Kosten verlangen kann. Dann ist im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 63 Abs. 3 S. 2 SGB X zu befinden, ob die Zuziehung eines Rechtsanwaltes notwendig gewesen ist, und anschließend ist die bezifferte Höhe des Kostenerstattungsan spruches im Festsetzungsbescheid nach § 63 Abs. 3 S. 1 SGB X durch Verwaltungsakt zu bestimmen (BSG, Urteil vom 09.09.1998, - B 6 KA 80/97 R -, SozR 3-1300 § 63 SGB X Nr. 12). Mit Schreiben vom 04.08.1998 hat die Beklagte bindend anerkannt, die Kosten des Klägers im Widerspruchsverfahren dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten. Des weiteren hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid durch Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten eines Rechtsanwaltes konkludent die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren als notwendig angesehen. Im Berufungsverfahren haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, die dagegen sprechen. Somit handelt es sich bei den vom Kläger als notwendige Kosten geltend gemachten Gebühren und Auslagen seiner Bevollmächtigten um erstattungsfähige Kosten i.S.v. § 63 SGB X.
Die Höhe der nach § 63 SGB X zu erstattenden Gebühren eines Rechtsanwaltes bestimmt sich grundsätzlich, soweit es sich um Streitigkeiten eines Versicherten handelt, nach den für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren vor den Sozialgerichten vorgesehenen Gebührenrahmen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, allerdings mit der Maßgabe, dass für das Widerspruchsverfahren nur etwa 2/3 des dort vorgesehen Gebührenrahmens anzusetzen ist (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 07.12.1983, - 9a RVs 5/82 -, SozR 1300 § 63 SGB X Nr. 2; Urteile vom 22.03.1984, - 11 RA 16/83 - und - 11 RA 53/83 -, SozR 1300 § 63 Nr. 3 und Nr. 4; Urteil vom 12.06.1996, - 5 RJ 86/95 -, SozR 3-1930 § 116 BRAGO Nr. 4; siehe auch Sächsisches LSG, Urteil vom 08.02.2000, - L 1 B 79/99 -, NZS 2001, 219; Bayerisches LSG, Urteil vom 08.05.2001, - L 15 SB 69/00 -, Rechtspfleger 2002, 281; LSG NW, Urteil vom 09.09.1996, - L 10 VS 78/96 -). Der danach maßgebliche Gebührenrahmen für die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes in einem Widerspruchsverfahren nach § 116 Abs. 1 BRAGO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung bewegt sich von 70 bis 870 DM, woraus eine Mittelgebühr von 470,- DM folgt.
Die konkrete Gebühr ist nach § 12 BRAGO zu ermitteln. Danach bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftragsgebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr, wie im vorliegenden Fall, von einem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Anhaltspunkt für die Prüfung der Unbilligkeit von Rahmengebühren gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO ist die sog. Mittelgebühr (vgl. BSG, Urteil vom 26.02.1992, - 9a RVs 3/90 -; Urteil vom 22.03.1984, - 11 RA 16/83 -, a.a.O.). Die Mittelgebühr ist der nach § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO angemessene Betrag, wenn als Ergebnis aller nach dieser Vorschrift anzustellenden Erwägungen die Feststellung zu treffen ist, dass es sich um einen Durchschnittsfall handelt.
Das SG hat zutreffend den Ansatz einer Mittelgebühr von 470 DM für angemessen und sachgerecht gehalten. Der Streitsache ist eine durch schnittliche Bedeutung beizumessen. Zwar ist Streitgegenstand des Widerspruchsverfahrens die Höhe des ARG, also die Höhe einer Dauer rente, gewesen. Der erfolgreiche Ausgang des Widerspruchsverfahrens hat zur Verdoppelung des Rentenbetrages geführt, jedoch ist im Hinblick auf die zuerkannte geringe Rentenhöhe davon auszugehen, dass das ARG nicht wesentlich zur wirtschaftlichen Existenssicherung des Klägers dient. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als durch schnittlich anzusehen, da sich die Tätigkeit der Bevollmächtigten nicht nur auf die Fertigung von zwei Schriftsätzen beschränkt hat, sondern die Bevollmächtigte zur Aufklärung des Sachverhaltes die Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung beigezogen und ausgewertet hat. Dieser Arbeitsaufwand, der auch durch die unzureichende Auswertung der Akte im vorausgegangenen Rentenverfahren durch die Beklagte mitverursacht wurde, ist mitzuberücksichtigen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist aber nicht als überdurchschnittlich zu bezeichnen, da die Bevollmächtigte nach Kenntnis des Senates in einer Reihe gleich oder ähnlich gelagerter Fälle tätig und damit mit den rechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Gewährung und Berechnung von Altersruhegeldansprüchen israelischer Staatsangehöriger vertraut ist. Die finanziellen Verhältnisse des Klägers, der nach Aktenlage seinen Lebensunterhalt als Rentner bestreitet, bieten keinen Grund für eine Abweichung von der Mittelgebühr. Dahinstehen kann, ob der vom Bevollmächtigten eingelegte Widerspruch zulässig gewesen ist. Die Frage der Erfolgsaussichten eines Widerspruches ist ausschließlich bei der nach § 63 SGB X zu treffenden Kostengrundentscheidung, die für das Festsetzungsverfahren bindend ist, zu berücksichtigen.
Die Mittelgebühr ist auch nicht im Rahmen eines Toleranzrahmens um 20% zu erhöhen. Das Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig. Die Einführung des Gesichtspunkts der Mittelgebühr hat den Zweck, für das Durchschnittsverfahren einen bestimmten Betrag festzulegen. Der Gesichtspunkt des dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühr zustehenden Toleranzrahmens findet nur bei der Verneinung eines Durchschnittsfalls Anwendung (BSG, Urteil vom 26.2.1992, - 9a RVs 3/90 -).
Entgegen der Auffassung des SG ist die Mittelgebühr auch nicht nach § 116 Abs. 3 S. 2 BRAGO i.d.F. bis zum 01.01.2002 zu erhöhen. Danach wird die Mittelgebühr um die Hälfte erhöht, wenn ein Rechtsanwalt an einer Erledigung des Verfahrens ohne streitige Entscheidung besonders mitgewirkt hat. Diese Vorschrift gilt auch im isolierten Widerspruchsverfahren (BSG, Urteil vom 12.06.1996, - 5 RJ 86/95 -, SozR 3- 1930 § 116 BRAGO Nr. 9), d.h. in einem Widerspruchsverfahren, dem ein Klageverfahren nicht nachfolgt. Eine gebührenrechtlich erhebliche Mitwirkungshandlung des Bevollmächtigten liegt vor, wenn das Verfahren zwar nicht der Form, wohl aber dem Inhalt nach vergleichsweise beigelegt wurde und der Rechtsanwalt sich besonders um die Erledigung des Verfahrens bemüht hat (BSG, Urteile vom 09.08.1995, - 9 RVS 12/94 -; - 9 RVS 2/94 -; - 9 RVS 7/94 -, SozR 3-1930 § 116 BRAGO Nr. 7; Urteil vom 12.06.1996, - 5 RJ 86/95 -, a.a.O.). Vorliegend ist das Widerspruchsverfahren nicht dem Inhalt nach vergleichsweise erledigt worden, da die Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Anschlussersatzzeiten anerkannt und damit der Kläger voll obsiegt hat. Auch liegt entgegen der Auffassung des SG keine besondere Mitwirkungshandlung der Bevollmächtigten vor. Die Einsichtnahme in die Akte der Bayerischen Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung und deren Auswertung ist nicht als eine solche Handlung zu werten. Als Mitwirkungshandlungen reichen weder die Begründung des Widerspruches, die Vorlage von Beweismitteln noch die bloße Erledigungserklärung aus. Ebenso wenig kann die zur sachgerechten Begründung des Widerspruches oder zur Vorbereitung von Beweisangeboten erforderliche Sichtung und Auswertung von Akten als besondere Mitwirkungshandlung angesehen werden. Ein Bevollmächtigter ist gegen über seinen Mandanten verpflichtet, das Verfahren gewissenhaft, sorgfältig und gründlich zu betreiben. Diese Tätigkeit wird durch die Rahmengebühr des § 116 Abs. 1 S. 1 BRAGO vollständig abgegolten (BSG, Urteil vom 09.08.1995, - 9 RVS 7/94 -, a.a.O.).
Die Höhe der Pauschale nach § 26 BRAGO ist nicht streitig. Somit beläuft sich der Kostenerstattungsanspruch auf insgesamt 510,- DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dem teilweisen Obliegen des Klägers entsprechend hat die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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