L 2 U 20/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 1 U 389/01
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 U 20/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 23. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4201 ("exogen-allergische Alveolitis" – BK 4201), Nr. 4301 ("durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen [einschließlich Rhinopathie], die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können" – BK 4301) oder Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ("durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen " – BK 4302).

Die 1943 geborene Klägerin war nach einer Ausbildung in der Landwirtschaft zunächst als Montage-Hilfsarbeiterin, dann als kaufmännische Büroangestellte, schließlich als Gaststättenleiterin und Spielwarenarbeiterin tätig, bevor sie im März 1978 eine Tätigkeit als Kälberpflegerin aufnahm, die sie bis Anfang Juli 1998 ausübte. Auf die Berufskrankheitenanzeige der Fachärztin für Lungenkrankheiten Dr. L. vom 26. November 1999 bat die Beklagte die Klägerin um Beschreibung ihres Arbeitsplatzes und holte verschiedene Unterlagen ein, unter anderem den Sozialversicherungsausweis der Klägerin und einen Befundbericht der Frau Dr. L. vom 3. Februar 2000 (wonach sich bei der Klägerin nach einer obstruktiven Bronchitis 1995 eine deutliche bronchiale Hyperreagibilität gezeigt und nach Tätigkeitsaufnahme im Stall eine zunehmende Infektneigung bestanden habe).

Ferner bat sie den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) um eine Stellungnahme, die dieser am 15. Mai 2000 erstellte. Danach hatte die Klägerin in einem Kälberstall einer Länge von 45 Metern, einer Breite von 12 Metern, einer Höhe von 3 Metern und einem Besatz von im Mittel 150 Kälbern gearbeitet. Der Stall sei über die Fenster belüftet worden, und durch die ungünstige Luftführung bei Warmluftbeheizung sei an den Wänden Kondenswasser entstanden, was mit einer sichtbaren Schimmelbildung einhergegangen sei. Das als Futter verwendete Stroh sei zum Teil stark angeschimmelt gewesen. Für ihren Arbeitsplatz lägen keine individuellen Staub- oder Schadstoffmesswerte vor, weshalb die Einschätzung auf Katalog- bzw. Erfahrungswerten basiere. Die Belastung durch Schimmelpilzsporen habe unter den beschriebenen Verhältnissen weit über den ubiquitären Werten gelegen, und es sei beim Einstreuen mit verschimmeltem Stroh zu massiven Belastungen gekommen. Bei der Beheizung mit Warmluft bestehe des Weiteren die Gefahr, dass Schimmelpilzsporen aus Schimmelbildungen im Warmluftkanal ständig eingeblasen werden. Daher seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 4201 gegeben, für eine BK 4301 und 4302 hingegen nicht.

Daraufhin holte die Beklagte ein pneumologisches Sachverständigengutachten des Prof. Bonnet vom August 2000 ein. Der bei der Untersuchung durchgeführte Hautallergie-Test war negativ, insbesondere auch gegenüber Rinderepithelien; die durchgeführten IgE- und IgG-Testungen ergaben normale Werte, auch hinsichtlich des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus. Prof. B. diagnostizierte eine bronchiale Hyperreagibilität und ein irritativ-toxisches Asthma bronchiale und hielt wegen der hohen Ammoniakkonzentration und der hohen Staubbelastung eine BK 4302 für gegeben, die jedoch keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bedinge. Hinweise für eine Allergisierung fänden sich nicht. - Der von der Beklagten anschließend um Stellungnahme gebetene Gewerbearzt empfahl, eine BK 4302 mangels Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht anzuerkennen.

Daraufhin lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 4301/4302 mit Bescheid vom 12. Januar 2001 ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 16. Februar 2001 ein, der auch eine BK 4201 nicht für gegeben hielt und dem Gutachten des Prof. B. entgegen hielt, dass Stallaerosole im Kälberstall nicht die Definition eines Stoffes im Sinne der BK 4302 erfüllten, und wies sodann den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 6. März 2001), da weder eine BK 4301 noch eine BK 4302 noch eine BK 4201 vorliege.

Im anschließenden Klageverfahren hat das angerufene Sozialgericht Meiningen die Krankenunterlagen der Frau Dr. L. angefordert und ein pneumologisches Sachverständigengutachten des Dr. F. angefordert. Nach der Expertise vom 20. Januar 2003 liegen bei der Klägerin ein mischförmiges Asthma bronchiale und eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität vor; eine BK sei jedoch nicht gegeben. Die Allergentestung sei negativ. Bei der Klägerin bestünden zudem seit 1970 Hinweise auf eine chronische Erkrankung der Nasennebenhöhlen, und bei der Untersuchung hätten sich Anzeichen einer chronischen Sinusitis sowie eines sinubronchialen Syndroms ergeben. Daraufhin hat das Sozialgericht Meiningen die Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2003 abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass wegen des erfolgten Umbaus des Kälberstalls jedenfalls vergleichsweise Messungen in einer anderen ähnlichen Anlage durchgeführt werden müssten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 23. Oktober 2003 und den Bescheid der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Berlin vom 12. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine BK 4201 und/oder BK 4301 und/oder BK 4302 anzuerkennen und ihr eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die angegriffene Entscheidung rechtmäßig ist. Sie hat eine Messung ihres TAD in den (2001 umgebauten) Ställen des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin vorgenommen, wonach die gemessenen Grenzwerte für Ammoniak und Schwefelwasserstoff weit unterschritten worden seien. Auch bei einer Vergleichsmessung in einem Rinderstall eines anderen thüringischen Unternehmens mit 220 Rindern pro Stall seien alle Grenzwerte eingehalten worden. Die Einwirkung organischer Stäube sei für eine BK 4302 nicht relevant; die in den Getreide- und Futtermitteln vorkommenden Verunreinigungen seien nicht als irritative Arbeitsstoffe bestätigt.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin Beweis erhoben worden durch Einholung eines lungenfachärztlichen Sachverständigengutachtens des Dr. J. vom 17. Januar 2005. Die Diagnose lautete: Gemischtförmiges Asthma bronchiale mit Allergie gegen Schimmelpilze und bronchiale Hyperreagibilität. Der bei der Untersuchung durchgeführte Allergie-Prick-Test war positiv, die Testung gegen Alveolitis-Antikörper gegen Schimmelpilze war hingegen negativ. Der Sachverständige hält eine BK 4302 mit einer MdE von 20 v.H. für hinreichend wahrscheinlich. Nach ihm bekannten Quellen bestünden bei Nutztierhaltung große Stallluftverunreinigungen, die bei der Klägerin nicht zu negieren seien, zumal eine genaue Angabe der individuellen Staub- und Schadstoffmesswerte für ihren Arbeitsplatz nicht vorliege. Für die Einwirkung der Stallluft auf die Atemwege spreche die Anamnese der Klägerin, wonach 1990 erstmals trockener Husten sowie Atemnot und Verschleimung am Arbeitsplatz aufgetreten seien und sich im Urlaub und nach ärztlicher Behandlung gebessert hätten. Bei der Klägerin bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung, die während der Tätigkeit im Kälberstall entstanden ist und zu einer Verschlimmerung der Krankheit trotz Berufsaufgabe geführt habe; ein Teil der Verschlechterung sei auf die jetzt neu nachgewiesene Allergie gegen Aspergillus fumigatus zurückzuführen. - Dem Sachverständigengutachten ist die Beklagte entgegen getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beklagten lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit, denn es ist weder eine BK 4201 noch eine BK 4301 noch eine BK 4302 nachgewiesen. Damit besteht auch kein Anspruch auf Gewährung einer entsprechenden Teilverletztenrente.

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Bestimmte maßgebliche Tatsachen und Geschehnisabläufe, wie die den Versicherungs- und Versorgungsschutz begründenden Tatsachen (z.B. Arbeit, Dienstverrichtung, Dienstreise), die das schädigende Ereignis (Unfall, Erkrankung, etc.) kennzeichnenden Umstände sowie - im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität - das Bestehen eines Gesundheitsschadens bedürfen des Vollbeweises (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 37), also der Feststellung mit einem so großen Grad an Gewissheit, dass bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung kein begründbarer Zweifel an dem Vorliegen der rechtserheblichen Tatsache besteht (vgl. BSG in SozR 2200 § 555 a Nr. 1). Zwar muss keine absolute, jeden erdenklichen Zweifel ausschließende Gewissheit bestehen; Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen aber ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit hingegen wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem schädigenden Ereignis (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet. Aber auch insoweit reichen bloße Vermutungen, Annahmen, Hypothesen oder Möglichkeiten nicht aus. Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Beweisgrad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann ein entsprechender Anspruch nicht besteht.

Für eine BK 4201 ("exogen-allergische Alveolitis") fehlt es bereits am Nachweis eines entsprechenden Krankheitsbildes. Dieses wurde durch die Ergebnisse der bildgebenden Untersuchungen der Lunge und die klinischen und lungenfunktionsdiagnostischen Untersuchungen im Rahmen der Begutachtung durch Prof. B. ausgeschlossen. Auch der in diesem Rahmen durchgeführte Allergietest war negativ, insbesondere hinsichtlich des für die Auslösung einer exogen-allergischen Alveolitis bekannten Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus. Der erstinstanzliche Sachverständige Dr. F. konnte ein der BK 4201 entsprechendes Krankheitsbild ebenfalls nicht feststellen. Der auf Antrag der Klägerin beauftragte Gutachter Dr. J. äußert sich zur BK 4201 nicht ausdrücklich. Soweit Dr. J. 2005 eine Allergie gegen Aspergillus fumigatus diagnostiziert hat, steht dem Nachweis eines Krankheitsbildes im Sinne der BK 4201 entgegen, dass der entsprechende Aveolitis-Antikörper-Test gegen Schimmelpilze offenbar negativ ausgefallen ist, wie der Angabe auf Seite 11 des Gutachtens zu entnehmen ist. (Unbeschadet dessen fehlt es insoweit – worauf der Beratungsarzt der Beklagten für den Senat überzeugend hinweist - jedenfalls am Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität, zumal der Test erst 2005 – und damit sieben Jahre nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit - durchgeführt wurde und die vorherigen Testungen negativ waren. Im Übrigen handelt es sich bei Aspergillus fumigatus um einen Schimmelpilz, der in allen Feuchtbereichen vorkommen kann, so dass außerberufliche Expositionen zu berücksichtigen sind.)

Es liegt auch weder eine BK 4301 noch eine BK 4302 vor.

Dabei müssen für die Anerkennung einer Erkrankung als BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit allergisierenden (BK 4301) bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden (BK 4302) Stoffen ausgesetzt gewesen sein, er muss an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leiden, diese Erkrankung muss durch die versicherten Einwirkungen verursacht worden sein und den Versicherten zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 7/05 R).

Die Krankheit "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des bronchopulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen (BSG, Urteil vom 21. März 2006 – B 2 U 24/04 R). Obstruktive Ventilationsstörungen sind eine Erhöhung des endobronchialen Strömungswiderstandes durch intra- oder extrabronchiale Atemwegseinengung, z.B. bei einer chronischen Bronchitis, oder ein Bronchospasmus bei Asthma bronchiale mit inhomogener Belüftung der Alveolen (= Lungenbläschen) und zunehmender Lungenüberblähung bzw. Gasaustauschstörungen in fortgeschrittenem Stadium (vgl. Pschyrembel, a.a.O., S. 1750, Stichwort "Ventilationsstörungen"). Fehlt es an der Obstruktion, liegen die Voraussetzungen einer BK 4301 bzw. 4302 nicht vor, weil der Verordnungsgeber mit diesen BKen nur Erkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen wollte, wie sich aus ihrer ursprünglichen Bezeichnung "Bronchialasthma" (vgl. Nr. 41 der Sechsten BKVO vom 28. April 1961, BGBl. I 505) und der weiteren Voraussetzung des Unterlassungszwangs ergibt. Die unspezifische bronchiale Hyperirritabilität bzw. Hyperreagibilität, die eine Variante der normalen Eigenschaft der Bronchialschleimhaut sind und eine Übersteigerung der Auslösbarkeit des Bronchialsystems darstellen, können die Lunge ebenfalls beeinträchtigen. Sie sind kein selbstständiges Krankheitsbild und fallen unter die Diagnose obstruktive Atemwegserkrankung (vgl. BR-Drucks 115/61, Begründung S. 7 zu Nr. 41; BR-Drucks 563/76, Begründung S. 4 zur 7. BKVO; Merkblätter für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 4301 und 4302, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 10. Juli 1979, BABl. 1979 Heft 7-8, S. 74 ff; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 1115 f; Reichenhaller Merkblatt, hrsg. v Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, 2005, S. 6).

Danach liegt bei der Klägerin weder eine BK 4301 noch eine BK 4302 vor. Zwar stellen sowohl das bei der Klägerin diagnostizierte "Asthma bronchiale" als auch die bei ihr – jedenfalls von Prof. B. und Dr. F. - festgestellte "unspezifische bronchiale Hyperreagibilität" eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 und 4302 dar. Hinsichtlich der BK 4301 kann auch davon ausgegangen werden, dass die Klägerin entsprechenden allergisierenden Stoffen ausgesetzt gewesen war. Es fehlt jedoch am Nachweis des Verursachungszusammenhangs mit der beruflichen Tätigkeit. Hinsichtlich des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus konnte Prof. B. im Jahre 2000 eine entsprechende Allergie nicht nachweisen; damit stimmt der Sachverständige Dr. F. überein. Wenn die Klägerin eine Diskrepanz zwischen dessen Feststellung und dem Ergebnis der Testung (vgl. den Eintrag "2R" in der Rubrik "Aspergillus" im Allergie-Testbogen) sieht, hält der Senat das – etwa im Hinblick auf die von Dr. F. erhobenen und von ihm als völlig normal bezeichneten Gesamt-IgE-Werte – für nachvollziehbar und sieht keinen aufklärungsbedürftigen Widerspruch, zumal angesichts des von Prof. B. zeitnäher zur Aufgabe der beruflichen Tätigkeit erhobenen negativen Testbefundes ein Ursachenzusammenhang nicht in dem hier erforderlichen Maß wahrscheinlich zu machen ist. Was die Tierhaare angeht, sind alle Sachverständigen übereinstimmend zum Ergebnis gekommen, dass die Klägerin keine entsprechende Allergie hat, so dass es schon insoweit an der haftungsausfüllenden Kausalität fehlt. Auch Allergien gegen sonstige Stoffe, mit denen die Klägerin beruflich in Kontakt gekommen ist, sind nicht nachgewiesen.

Hinsichtlich der BK 4302 fehlt es bereits an den entsprechenden arbeitstechnischen Voraussetzungen, jedenfalls aber auch an der haftungsausfüllenden Kausalität. Dabei kann hinsichtlich der Stallaerosole dahinstehen, ob sie überhaupt chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkende Stoffe sind. Jedenfalls ergaben sich bei den vom TAD der Beklagten durchgeführten Messungen keine Grenzwertüberschreitungen. Dass die Messung nicht mehr in dem ursprünglichen Zustand des Stalles durchgeführt werden konnte, führt nicht zu einer Beweislastumkehr, zumal die Beklagte unter Hinweis auf eine weitere Messung in einem Thüringer Viehbetrieb von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, dass es für eine Überschreitung der Grenzwerte keine Anhaltspunkte gibt. Aus der Anwendung von chemischen Stoffen zur Stalldesinfektion ergibt sich vorliegend kein wahrscheinlicher Haftungszusammenhang, zumal nach den Feststellungen des TAD beim einstündigen Umgang mit diesen Mitteln Atemschutz getragen wurde; die Möglichkeit einer Krankheitsverursachung durch Einatmung im Rahmen der sogenannten Nachgasung reicht unter Berücksichtigung der Beweislastregeln der gesetzlichen Unfallversicherung für die Anerkennung einer BK 4302 nicht aus.

Der abweichenden Einschätzung des auf Antrag der Klägerin angehörten Dr. J. folgt der Senat nicht. Das Gutachten widerspricht den Beweislastgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt z. B., wenn es wegen der Möglichkeit der Stallluftverunreinigung und dem Nichtvorliegen genauer Staub- und Schadstoffmesswerte das Vorliegen einer BK 4302 bejaht. Die Schlussfolgerung, bei der Klägerin bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung, die während der Tätigkeit im Kälberstall entstanden sei und die zu einer Verschlimmerung der Krankheit trotz Berufsaufgabe geführt habe, widerspricht der in der gesetzlichen Unfallversicherung gängigen Unterscheidung zwischen Entstehung und Verschlimmerung einer Berufskrankheit. Das Gutachten setzt sich zudem nicht mit der Frage auseinander, warum ein erstmaliges Symptomauftreten im Jahre 1990 für den Kausalzusammenhang der Erkrankung mit dem Beruf spricht, obwohl die Klägerin diese Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwölf Jahren ohne Beschwerden ausgeübt hat. Es übernimmt ferner unkritisch die Angaben der Klägerin zu der von Dr. F. bereits für 1959 festgestellten chronischen Nasennebenhöhlenerkrankung als "ein- bis zweimalige Beschwerden".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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