Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 96/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 294/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 9. Juli 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch die Bescheide vom 13. November 1996 und 27. Juli 1998 abzuändern sind.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Übergangsgeldes (Übg) für die Zeit vom 16.10.1995 bis 06.02.1998.
Der am 1969 geborene Kläger war seit 01.09.1984 als Maler und Verputzer tätig. Wegen gesundheitlicher Probleme erwog er eine Umschulung und sprach deshalb am 27.05.1992 beim Arbeitsamt Schweinfurt vor, wobei er sich über den Zielberuf noch unschlüssig zeigte. Vom 02.05. bis 14.05.1993 nahm er an einer Arbeitserprobung und Berufsfindung teil. Die Beklagte bewilligte hierfür Übg von kalendertäglich 50,94 DM und legte der Berechnung das im März 1993 erzielte Netto-Arbeitsentgelt in Höhe von 2.370,53 DM zugrunde. Im Hinblick auf die bei der Arbeitserprobung und Berufsfindung erzielten unzureichenden Leistungen - der Kläger brach die Maßnahme vorzeitig ab - nahm dieser von einer Umschulung Abstand, um den qualifizierenden Hauptschulabschluss nachzuholen. Der Reha-Berater teilte dem Kläger am 20.08.1993 mit, dass anschließend eine erneute Überprüfung der Lernfähigkeit erfolgen könne.
Vom 15.05.1993 bis 16.02.1994 und vom 06.03.1994 bis 13.10.1995 übte der Kläger weiterhin den Beruf des Malers/Verputzers aus. In der Zeit vom 16.02.1994 bis 05.03.1994 bezog er von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Nach erfolgreich abgelegtem qualifizierenden Hauptschulabschluss äußerte der Kläger am 26.07.1994 den Wunsch, zum Techniker für Farben und Lacke, Bautechniker oder Bauzeichner umgeschult zu werden. Die Beklagte veranlasste Gutachten des Psychologischen und Ärztlichen Dienstes, die mit dem Kläger am 29.11.1994 besprochen wurden. Dieser entschloss sich jetzt zur Umschulung zum Bauzeichner. Die Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 06.10.1995 als berufsfördernde Bildungsmaßnahmen eine Vorbereitungsmaßnahme (16.10.1995 - 06.02.1996) und eine Umschulung zum Bauzeichner (07.02.1996 - 06.02.1998).
Mit Bescheid vom 26.10.1995 bewilligte die Beklagte (AA Regensburg) ab 16.10.1995 Übg von kalendertäglich 53,26 DM unter Zugrundelegung des im Bemessungszeitraum vom 01.03.1993 bis 31.03.1993 erzielten Arbeitsentgelts, weil der Kläger bereits vom 02.05.1993 bis 14.05.1993 Übg bezogen habe. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser begehrte, der Bemessung das aus der Beschäftigung vom 03.04.1995 bis 13.10.1995 erzielte höhere Arbeitsentgelt (netto 2.663,08 DM) zugrunde zu legen - wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21.02.1996 mit der Begründung zurück, das zu Beginn des Reha-Verfahrens (02.05.1993) festgesetzte Übg sei für alle nachfolgenden Maßnahmen, also auch für die Weiter-/Wiederbewilligung ab 16.10.1995, maßgebend.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) mit dem Antrag erhoben, die Bescheide des Arbeitsamtes Regensburg vom 26.10.1995 und 21.02.1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Übg auf der Basis der zuletzt abgerechneten Monate Juni/Juli/August 1995 zu gewähren.
Mit Urteil vom 09.07.1998 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Übg auf der Basis des Entgeltabrechnungszeitraums September 1995 zu leisten. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob Berufsfindung/Arbeitserprobung vom Mai 1993 einerseits und Umschulung ab 16.10.1995 andererseits als einheitliche Maßnahme anzusehen seien, da der Kläger jedenfalls zwischen den Maßnahmen mehr als 720 Kalendertage in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden und somit eine neue Anwartschaft auf Übg erworben habe. Daher sei bei der Bemessung des Übg das höhere Entgelt aus der Zwischenbeschäftigung zu berücksichtigen.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und ausgeführt: Die Berücksichtigung von Zwischenbeschäftigungen beim Übg widerspreche dem Gedanken der Einheitlichkeit der Rehabilitation. Auch das BSG fasse das Reha-Geschehen von der Berufsfindung/Arbeitserprobung bis zur Eingliederung in das Erwerbsleben für die Anwendung des § 59 Abs 3 Satz 1 AFG als einheitliche Maßnahme auf. Zu Unrecht habe daher das SG aus dem Urteil des BSG vom 26.07.1994 - SozR 3-4100 § 59 Nr 6 - den Schluss gezogen, beim Erwerb einer neuen Anwartschaft auf Übg durch eine Zwischenbeschäftigung sei das dabei erzielte Arbeitsentgelt der Übg-Bemessung zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hilfsweise beantragt sie, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialge richts Würzburg vom 09.07.1998 zurückzuweisen.
Er hält die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des BSG auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht für anwendbar, weil er durch die Zwischenbeschäftigung eine neue Anwartschaft auf Übg erarbeitet habe. Zu berücksichtigen sei ferner der zeitliche Schnitt zwischen Berufsfindung/Arbeitserprobung im Jahre 1993 und dem Beginn der Umschulung im Oktober 1995 sowie die Tatsache, dass er erst durch das Ablegen des qualifizierenden Hauptschulabschlusses die Voraussetzungen für die Umschulung geschaffen habe. Allein sachgerecht sei daher die Anknüpfung an das Bemessungsentgelt des Monats September 1995.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz ) ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ab 16.10.1995 Übg unter Zugrundelegung des im Abrechnungszeitraum 01.09. bis 30.09.1995 erzielten Arbeitsentgelts zu gewähren ist.
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), da der Anspruch auf Übg vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches III am 01.01.1998 entstanden ist, die Leistung vor diesem Stichtag zuerkannt wurde bzw die Maßnahme begonnen hatte (§ 426 Abs 1 SGB III).
Die Berechnung des entgangenen regelmäßigen Entgelts, das als Regellohn der Bemessung des Übg zugrunde zu legen ist (§ 59 Abs 2 Satz 1 AFG), richtet sich nach dem vom Behinderten im letzten vor dem Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum des letzten Beschäftigungsverhältnisses mindestens während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielten Arbeitsentgelts (§ 59 Abs 3 Satz 1 AFG).
Als Maßnahmebeginn ist vorliegend nicht der 02.05.1993, sondern der 16.10.1995 anzunehmen. Der Begriff der "Maßnahme" ist gesetzlich nicht näher festgelegt. So hat das BSG ursprünglich Berufsfindung und Arbeitserprobung einerseits und Umschulung andererseits als unterschiedliche Maßnahmen angesehen (SozR 3-4100 § 59 Nr 2, SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2) mit der Folge einer unterschiedlichen Bemessung des Übg. An dieser Rechtsprechung hat das BSG aber für die Bemessung des Übg nach § 59 Abs 3 Satz 1 AFG nicht mehr festgehalten und dies - abgesehen von dem Gedanken der einheitlichen Behandlung des gesamten Reha-Vorganges (vgl § 13 RehAnglG) - wesentlich auf die systematische Eigenart der das Übg im AFG betreffenden Regelungen gestützt. Bei einer Rehabilitation in mehreren Abschnitten handelt es sich nämlich nicht um den jeweils erneuten Eintritt des versicherten Risikos. Es muss die Kontinuität des bewilligten Übges der Höhe nach gewährleistet sein, die Zielsetzung des § 13 RehAnglG ist. Auch soll die Verwaltung im Falle der Zwischenbeschäftigung von zusätzlichen Ermittlungen und Feststellungen zum Bemessungsentgelt entlastet werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Behinderte während der Zwischenbeschäftigung ein höheres oder ein niedrigeres Arbeitsentgelt erzielt hat (BSG SozR 3-4100 § 59 Nr 6 = BSGE 75,30).
Obwohl demnach nach der neueren Rechtsprechung des BSG Berufsfindung und Arbeitserprobung einerseits und Umschulung andererseits für die Bemessung des Übg grundsätzlich als Teile eines einheitlichen Reha-Geschehens aufzufassen sind, gilt dies im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen ausnahmsweise nicht:
Gegen die Annahme eines einheitlichen Reha-Geschehens bereits ab Mai 1993 spricht, dass der Kläger im Mai 1993 Arbeitserprobung und Berufsfindung wegen mangelnder Eignung abbrechen musste. Die anschließende Nachholung der schulischen Ausbildung (Hauptschulabschluss) beruhte auf der eigenen Initiative des Klägers und stand in keinem Zusammenhang mit einem Reha-Gesamtplan. Denn die Zuständigkeit der Beklagten zur beruflichen Bildung erfasst grundsätzlich nicht die Förderung der allgemeinen Bildung, wozu der Hauptschulabschluss gehört (Menard in Niesel, AFG, 2.Aufl § 34 RdNr 4). So hatte es der Kläger beim Beratungsgespräch am 20.08.1993 offen gelassen, ob er nach dem Versuch, den Hauptschulabschluss nachzuholen, von der Beklagten weiterhin die Förderung einer Umschulung verlangen wollte. Hierzu hatte er sich erst nach Einladung des Reha-Beraters anlässlich des Beratungsgesprächs am 26.07.1994 entschlossen. Jetzt äußerte er den Wunsch, zum Techniker für Farben und Lacke, Bautechniker oder Bauzeichner umgeschult zu werden. Folglich hat die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt den Psychologischen Dienst und den Ärztlichen Dienst eingeschaltet, um die Eignung des Klägers für die genannten Umschulungsberufe abzuklären.
Dies bedeutet, dass erst nach bestandenem Hauptschulabschluss von einem einheitlichen Reha-Geschehen ausgegangen werden kann. Die abgebrochene Berufsfindung und Arbeitserprobung vom Mai 1993 war somit noch nicht Teil eines unmittelbar der Umschulung und damit der Eingliederung dienenden Reha-Programms (BSGE 49, 10, 12), zumal die ab 16.10.1995 durchgeführten Maßnahmen nicht auf der abgebrochenen Berufsfindung/Arbeitserprobung vom März 1993 aufbauten (BSG SozR 3-4100 § 59 Nr 6 S 33). Das Übg ist daher nach dem aus der Zwischenbeschäftigung (03.04.1995 bis 13.10.1995) erzielten Arbeitsentgelt zu bemessen.
Die Frage, ob diese Bemessung auch bereits deshalb in Betracht kommt, weil der Kläger mit der Zwischenbeschäftigung eine neue Anwartschaft iS § 59 Abs 1 Satz 3 AFG erfüllt hat (vom BSG im Urteil vom 26.07.1994 SozR 3-4100 § 59 Nr 6, offen gelassen), war daher für den Senat nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen handelt es sich bei den Tätigkeiten nach dem 14.05.1993 um keine Zwischenbeschäftigung im genannten Sinne, weil als Beginn der Maßnahme der 16.10.1995 und nicht bereits der 02.05.1993 anzusehen ist.
Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.1998 ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zugelassen. Er hält es für höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt, ob auf die vorliegende Fallgestaltung die neuere Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Rehabilitation anwendbar ist. Außerdem ist nicht geklärt, ob Zwischenbeschäftigungen, die eine neue Anwartschaft begründen, zu einem anderen Ergebnis führen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Übergangsgeldes (Übg) für die Zeit vom 16.10.1995 bis 06.02.1998.
Der am 1969 geborene Kläger war seit 01.09.1984 als Maler und Verputzer tätig. Wegen gesundheitlicher Probleme erwog er eine Umschulung und sprach deshalb am 27.05.1992 beim Arbeitsamt Schweinfurt vor, wobei er sich über den Zielberuf noch unschlüssig zeigte. Vom 02.05. bis 14.05.1993 nahm er an einer Arbeitserprobung und Berufsfindung teil. Die Beklagte bewilligte hierfür Übg von kalendertäglich 50,94 DM und legte der Berechnung das im März 1993 erzielte Netto-Arbeitsentgelt in Höhe von 2.370,53 DM zugrunde. Im Hinblick auf die bei der Arbeitserprobung und Berufsfindung erzielten unzureichenden Leistungen - der Kläger brach die Maßnahme vorzeitig ab - nahm dieser von einer Umschulung Abstand, um den qualifizierenden Hauptschulabschluss nachzuholen. Der Reha-Berater teilte dem Kläger am 20.08.1993 mit, dass anschließend eine erneute Überprüfung der Lernfähigkeit erfolgen könne.
Vom 15.05.1993 bis 16.02.1994 und vom 06.03.1994 bis 13.10.1995 übte der Kläger weiterhin den Beruf des Malers/Verputzers aus. In der Zeit vom 16.02.1994 bis 05.03.1994 bezog er von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Nach erfolgreich abgelegtem qualifizierenden Hauptschulabschluss äußerte der Kläger am 26.07.1994 den Wunsch, zum Techniker für Farben und Lacke, Bautechniker oder Bauzeichner umgeschult zu werden. Die Beklagte veranlasste Gutachten des Psychologischen und Ärztlichen Dienstes, die mit dem Kläger am 29.11.1994 besprochen wurden. Dieser entschloss sich jetzt zur Umschulung zum Bauzeichner. Die Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 06.10.1995 als berufsfördernde Bildungsmaßnahmen eine Vorbereitungsmaßnahme (16.10.1995 - 06.02.1996) und eine Umschulung zum Bauzeichner (07.02.1996 - 06.02.1998).
Mit Bescheid vom 26.10.1995 bewilligte die Beklagte (AA Regensburg) ab 16.10.1995 Übg von kalendertäglich 53,26 DM unter Zugrundelegung des im Bemessungszeitraum vom 01.03.1993 bis 31.03.1993 erzielten Arbeitsentgelts, weil der Kläger bereits vom 02.05.1993 bis 14.05.1993 Übg bezogen habe. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser begehrte, der Bemessung das aus der Beschäftigung vom 03.04.1995 bis 13.10.1995 erzielte höhere Arbeitsentgelt (netto 2.663,08 DM) zugrunde zu legen - wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21.02.1996 mit der Begründung zurück, das zu Beginn des Reha-Verfahrens (02.05.1993) festgesetzte Übg sei für alle nachfolgenden Maßnahmen, also auch für die Weiter-/Wiederbewilligung ab 16.10.1995, maßgebend.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) mit dem Antrag erhoben, die Bescheide des Arbeitsamtes Regensburg vom 26.10.1995 und 21.02.1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Übg auf der Basis der zuletzt abgerechneten Monate Juni/Juli/August 1995 zu gewähren.
Mit Urteil vom 09.07.1998 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Übg auf der Basis des Entgeltabrechnungszeitraums September 1995 zu leisten. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob Berufsfindung/Arbeitserprobung vom Mai 1993 einerseits und Umschulung ab 16.10.1995 andererseits als einheitliche Maßnahme anzusehen seien, da der Kläger jedenfalls zwischen den Maßnahmen mehr als 720 Kalendertage in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden und somit eine neue Anwartschaft auf Übg erworben habe. Daher sei bei der Bemessung des Übg das höhere Entgelt aus der Zwischenbeschäftigung zu berücksichtigen.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und ausgeführt: Die Berücksichtigung von Zwischenbeschäftigungen beim Übg widerspreche dem Gedanken der Einheitlichkeit der Rehabilitation. Auch das BSG fasse das Reha-Geschehen von der Berufsfindung/Arbeitserprobung bis zur Eingliederung in das Erwerbsleben für die Anwendung des § 59 Abs 3 Satz 1 AFG als einheitliche Maßnahme auf. Zu Unrecht habe daher das SG aus dem Urteil des BSG vom 26.07.1994 - SozR 3-4100 § 59 Nr 6 - den Schluss gezogen, beim Erwerb einer neuen Anwartschaft auf Übg durch eine Zwischenbeschäftigung sei das dabei erzielte Arbeitsentgelt der Übg-Bemessung zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hilfsweise beantragt sie, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialge richts Würzburg vom 09.07.1998 zurückzuweisen.
Er hält die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des BSG auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht für anwendbar, weil er durch die Zwischenbeschäftigung eine neue Anwartschaft auf Übg erarbeitet habe. Zu berücksichtigen sei ferner der zeitliche Schnitt zwischen Berufsfindung/Arbeitserprobung im Jahre 1993 und dem Beginn der Umschulung im Oktober 1995 sowie die Tatsache, dass er erst durch das Ablegen des qualifizierenden Hauptschulabschlusses die Voraussetzungen für die Umschulung geschaffen habe. Allein sachgerecht sei daher die Anknüpfung an das Bemessungsentgelt des Monats September 1995.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz ) ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ab 16.10.1995 Übg unter Zugrundelegung des im Abrechnungszeitraum 01.09. bis 30.09.1995 erzielten Arbeitsentgelts zu gewähren ist.
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), da der Anspruch auf Übg vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches III am 01.01.1998 entstanden ist, die Leistung vor diesem Stichtag zuerkannt wurde bzw die Maßnahme begonnen hatte (§ 426 Abs 1 SGB III).
Die Berechnung des entgangenen regelmäßigen Entgelts, das als Regellohn der Bemessung des Übg zugrunde zu legen ist (§ 59 Abs 2 Satz 1 AFG), richtet sich nach dem vom Behinderten im letzten vor dem Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum des letzten Beschäftigungsverhältnisses mindestens während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielten Arbeitsentgelts (§ 59 Abs 3 Satz 1 AFG).
Als Maßnahmebeginn ist vorliegend nicht der 02.05.1993, sondern der 16.10.1995 anzunehmen. Der Begriff der "Maßnahme" ist gesetzlich nicht näher festgelegt. So hat das BSG ursprünglich Berufsfindung und Arbeitserprobung einerseits und Umschulung andererseits als unterschiedliche Maßnahmen angesehen (SozR 3-4100 § 59 Nr 2, SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2) mit der Folge einer unterschiedlichen Bemessung des Übg. An dieser Rechtsprechung hat das BSG aber für die Bemessung des Übg nach § 59 Abs 3 Satz 1 AFG nicht mehr festgehalten und dies - abgesehen von dem Gedanken der einheitlichen Behandlung des gesamten Reha-Vorganges (vgl § 13 RehAnglG) - wesentlich auf die systematische Eigenart der das Übg im AFG betreffenden Regelungen gestützt. Bei einer Rehabilitation in mehreren Abschnitten handelt es sich nämlich nicht um den jeweils erneuten Eintritt des versicherten Risikos. Es muss die Kontinuität des bewilligten Übges der Höhe nach gewährleistet sein, die Zielsetzung des § 13 RehAnglG ist. Auch soll die Verwaltung im Falle der Zwischenbeschäftigung von zusätzlichen Ermittlungen und Feststellungen zum Bemessungsentgelt entlastet werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Behinderte während der Zwischenbeschäftigung ein höheres oder ein niedrigeres Arbeitsentgelt erzielt hat (BSG SozR 3-4100 § 59 Nr 6 = BSGE 75,30).
Obwohl demnach nach der neueren Rechtsprechung des BSG Berufsfindung und Arbeitserprobung einerseits und Umschulung andererseits für die Bemessung des Übg grundsätzlich als Teile eines einheitlichen Reha-Geschehens aufzufassen sind, gilt dies im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen ausnahmsweise nicht:
Gegen die Annahme eines einheitlichen Reha-Geschehens bereits ab Mai 1993 spricht, dass der Kläger im Mai 1993 Arbeitserprobung und Berufsfindung wegen mangelnder Eignung abbrechen musste. Die anschließende Nachholung der schulischen Ausbildung (Hauptschulabschluss) beruhte auf der eigenen Initiative des Klägers und stand in keinem Zusammenhang mit einem Reha-Gesamtplan. Denn die Zuständigkeit der Beklagten zur beruflichen Bildung erfasst grundsätzlich nicht die Förderung der allgemeinen Bildung, wozu der Hauptschulabschluss gehört (Menard in Niesel, AFG, 2.Aufl § 34 RdNr 4). So hatte es der Kläger beim Beratungsgespräch am 20.08.1993 offen gelassen, ob er nach dem Versuch, den Hauptschulabschluss nachzuholen, von der Beklagten weiterhin die Förderung einer Umschulung verlangen wollte. Hierzu hatte er sich erst nach Einladung des Reha-Beraters anlässlich des Beratungsgesprächs am 26.07.1994 entschlossen. Jetzt äußerte er den Wunsch, zum Techniker für Farben und Lacke, Bautechniker oder Bauzeichner umgeschult zu werden. Folglich hat die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt den Psychologischen Dienst und den Ärztlichen Dienst eingeschaltet, um die Eignung des Klägers für die genannten Umschulungsberufe abzuklären.
Dies bedeutet, dass erst nach bestandenem Hauptschulabschluss von einem einheitlichen Reha-Geschehen ausgegangen werden kann. Die abgebrochene Berufsfindung und Arbeitserprobung vom Mai 1993 war somit noch nicht Teil eines unmittelbar der Umschulung und damit der Eingliederung dienenden Reha-Programms (BSGE 49, 10, 12), zumal die ab 16.10.1995 durchgeführten Maßnahmen nicht auf der abgebrochenen Berufsfindung/Arbeitserprobung vom März 1993 aufbauten (BSG SozR 3-4100 § 59 Nr 6 S 33). Das Übg ist daher nach dem aus der Zwischenbeschäftigung (03.04.1995 bis 13.10.1995) erzielten Arbeitsentgelt zu bemessen.
Die Frage, ob diese Bemessung auch bereits deshalb in Betracht kommt, weil der Kläger mit der Zwischenbeschäftigung eine neue Anwartschaft iS § 59 Abs 1 Satz 3 AFG erfüllt hat (vom BSG im Urteil vom 26.07.1994 SozR 3-4100 § 59 Nr 6, offen gelassen), war daher für den Senat nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen handelt es sich bei den Tätigkeiten nach dem 14.05.1993 um keine Zwischenbeschäftigung im genannten Sinne, weil als Beginn der Maßnahme der 16.10.1995 und nicht bereits der 02.05.1993 anzusehen ist.
Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.1998 ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zugelassen. Er hält es für höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt, ob auf die vorliegende Fallgestaltung die neuere Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Rehabilitation anwendbar ist. Außerdem ist nicht geklärt, ob Zwischenbeschäftigungen, die eine neue Anwartschaft begründen, zu einem anderen Ergebnis führen.
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