Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 V 2802/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 5577/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob dem 1943 geborenen Kläger Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen der Folgen eines am 26. Dezember 1967 in der DDR erlittenen Unfalls zu gewähren ist.
Der zum damaligen Zeitpunkt in H. wohnhafte Kläger beantragte unter dem 28. Februar 2001 bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente wegen eines am 26. Dezember 1967 erlittenen Verkehrsunfalls. Zur Begründung führte er aus, er sei zum Zeitpunkt des Unfalls Soldat der Nationalen Volksarmee (NVA) gewesen und habe unter staatlichem Versicherungsschutz gestanden. Beigefügt war neben medizinischen Unterlagen u. a. ein Schreiben der Thüringer Polizei, Polizeidirektion S., vom 9. Januar 2001, wonach sich aus dem Unfalltagebuch ergebe, dass der Kläger am 26. Dezember 1967 als Fußgänger an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sei. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2001 lehnte die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung den von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft an sie weitergeleiteten Antrag mit der Begründung ab, für Unfälle und Erkrankungen Wehrpflichtiger der NVA bestehe die Möglichkeit, Versorgung nach dem BVG zu erhalten, wobei diese Versorgung gegenüber Ansprüchen aus dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung vorrangig sei.
Daraufhin beantragte der Kläger am 14. November 2001 beim Versorgungsamt Freiburg (VA) Beschädigtenversorgung. Neben den bereits bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft eingereichten Unterlagen legte der Kläger den Aufnahmeschein der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in R. vom 22. Juni 1989 vor, wonach er am 17. Juni 1989 aus der DDR kommend im Bundesgebiet eingetroffen sei. Ebenfalls beigefügt war der Vertriebenenausweis C vom 25. April 1995. Am 21. November 2001 gab der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim VA an, er habe in der NVA vom 1. November 1967 bis zum 29. April 1969 seinen Wehrdienst abgeleistet. Während seines Weihnachtsurlaubs habe er am 26. Dezember 1967 eine private Veranstaltung besucht. Auf dem Nachhauseweg sei er von einem betrunkenen Autofahrer angefahren und verletzt worden. Zwar habe es sich nicht um eine dienstliche Aufgabe gehandelt. Jedoch sei der Weihnachtsurlaub von der NVA auf Befehl angeordnet worden, sodass dieser Urlaub Dienst gewesen sei. Vorgelegt wurde das über den Wehrdienstzeitraum geführte Gesundheitsbuch.
Mit Bescheid vom 26. November 2001 lehnte das VA den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, Urlaub bedeute für den Soldaten die Erlaubnis, vorübergehend außerhalb der Kaserne und Unterkunft zu verbleiben. Trete der Soldat einen Urlaub an, so befinde er sich bei einer Tätigkeit oder einem Handeln während des Urlaubs in der Regel nicht mehr in Ausübung des Dienstes. Der Soldat werde vorübergehend vom Dienst entbunden oder freigestellt. Ein im Urlaub befindlicher Soldat bleibe zwar rechtlich Soldat; er befinde sich tatsächlich jedoch nicht im Dienst. Die innere Beziehung zur Dienstausübung werde mit dem Beginn des Urlaubs aufgegeben. Er werde während des Urlaubs in einen von den übrigen Soldaten abgegrenzten, von jeder Dienstbereitschaft befreiten Status versetzt. Zwar seien auch Situationen denkbar, in denen ein innerer Zusammenhang zwischen Urlaub und Dienst bestehen könne, wenn ein Urlaub aus Gründen gewährt werde, deren Ursache und Notwendigkeit in dienstlichen Verhältnissen liege. Dies wäre z. B. möglich bei einem Urlaub, der zur Erhaltung der Einsatzfähigkeit oder zur Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit notwendig und angeordnet werde. Vorliegend habe es sich jedoch offensichtlich um einen regulären Urlaub im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest gehandelt. Auch wenn vermutlich zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft, vor allem auch hinsichtlich des danach noch folgenden Neujahrsfestes, keine freie Wahlmöglichkeit des einzelnen Soldaten über den Zeitpunkt des Urlaubs bestanden habe, so ändere dies nichts am Charakter eines reinen Erholungsurlaubs, losgelöst von konkreten dienstlichen Verpflichtungen. Die Voraussetzungen der Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem BVG seien somit nicht erfüllt.
Hiergegen erhob der Kläger am 4. Dezember 2001 Widerspruch. Er führte aus, zwischen dem NVA-Dienst und dem Unfall habe ein innerer Zusammenhang bestanden. Die Einberufung zur NVA sei als Befehl zum aktiven Wehrdienst ergangen. Während dieser Zeit habe der Personalausweis abgegeben werden müssen. Er sei erst wieder mit Entlassung aus dem Dienst ausgehändigt worden. Zur persönlichen Identifikation habe nur der Wehrpass genutzt werden können. Auch der Urlaub sei dienstlich angeordnet worden und habe nicht in seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit gestanden. Sein Unfall sei daher nur unter einer Wehrpassnummer registriert worden. Nach der unfallbedingten Krankenhausbehandlung sei er umgehend wieder in die Kaserne zurückgeholt worden. Die Verhandlungen zum Unfall seien vor dem Militärstaatsanwalt geführt worden. Sämtliche Verhandlungen von Angehörigen der NVA hätten den Militärgesetzen der DDR unterlegen.
Auf Anfrage des VA teilte die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung unter dem 30. April 2002 mit, ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei mit Bescheid vom 2. Oktober 2001 abgelehnt worden, sodass der Vorgang damit abgeschlossen sei. Eine Entscheidung, ob der Unfall des Klägers überhaupt in der DDR als Arbeitsunfall anzuerkennen gewesen wäre, sei daher nicht mehr zu treffen.
Das VA zog über das Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg die Urlaubsordnung der NVA aus dem Jahr 1965 bei. Danach hatten Angehörige des aktiven Wehrdienstes der NVA Anspruch auf Erholungsurlaub (I. Abs. 2) bzw. konnte ihnen Festtagsurlaub gewährt werden (I. Abs. 3) und konnte der Festtagsurlaub zweimal im Jahr - Ostern oder Pfingsten und Weihnachten oder Neujahr - für Armeeangehörige gewährt werden (V. 22. Abs. 1), wobei für den Festtagsurlaub Weihnachten bis Neujahr die Werktage auf den Erholungsurlaub anzurechnen waren (V. 23. Abs. 2).
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2002 wies das Land Baden-Württemberg den Widerspruch zurück. Der Charakter des Urlaubs als solcher werde dadurch, dass keine freie Wahlmöglichkeit des einzelnen Soldaten über den konkreten Zeitpunkt seines Urlaubes bestanden habe, nicht grundlegend in dem Sinne verändert, dass er insgesamt oder überwiegend von wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen geprägt gewesen wäre. Auch der Besuch der privaten Weihnachtsfeier sei vorliegend aus freier Entscheidung erfolgt. Auch die weiteren Ermittlungen über die Urlaubsregelungen der NVA ließen keine andere Beurteilung zu. Denn diese Regelungen widerlegten ausdrücklich das Vorbringen des Klägers, es habe für Angehörige des aktiven Wehrdienstes der NVA überhaupt keinen Urlaubsanspruch gegeben. Vielmehr werde dieser Anspruch in der Urlaubsverordnung ausdrücklich betont und die Durchführung detailliert geregelt. Vorliegend habe es sich um einen regulären Urlaub aus Anlass der Weihnachtsfeiertage gehandelt. Auch wenn zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft keine freie Wahlmöglichkeit über den Zeitpunkt - Weihnachten oder Neujahr - bestanden habe, ändere sich nichts am Charakter des Festtagsurlaubs als Erholungsurlaub. Dies bestätige insbesondere das Ermessen für die Gewährung dieses Urlaubs und die damit verbundene Anrechnungsregelung.
Hiergegen erhob der Kläger am 30. September 2002 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Er vertrat den Standpunkt, ihm sei befohlen worden, zum damaligen Zeitpunkt Urlaub zu nehmen. Des Weiteren sei aus dem gesamten Charakter der Rechtsstellung eines Soldaten der NVA abzuleiten, ständig - also auch während der Dauer eines Erholungs- oder Festtagsurlaubs - im Dienst gewesen zu sein. Außerdem hätten Angehörige der NVA auch während einer Urlaubszeit besonderen dienstlichen Verpflichtungen unterlegen. Die gesamte Wehrdienstzeit sei einheitlich als Dienstzeit im Sinne des BVG zu bezeichnen. Der Wehrpflichtige sei bis zur Beendigung der Wehrdienstzeit ausschließlich Angehöriger der NVA geblieben, sodass jede Betätigung in einem inneren Zusammenhang mit der Wehrpflicht und damit der Dienstzeit gestanden habe. Im Übrigen habe er im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls noch gar keinen Anspruch auf Erholungsurlaub gehabt.
Das Land Baden-Württemberg hielt an seiner Meinung fest, wonach die Beurlaubung grundsätzlich eine vorübergehende Befreiung vom Dienst bedeute. Urlaubsfahrten und Tätigkeiten während des Urlaubs könnten deshalb nur als Dienstausübung angesehen werden, wenn ihnen ein besonderer Befehl zugrunde liege bzw. es sich um die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung handle.
Mit Urteil vom 10. September 2004 wies das SG die Klage ab. Auch ein angeordneter Urlaub bedeute grundsätzlich eine vorübergehende Befreiung vom Dienst. Selbst wenn man vorliegend aus der mangelnden Wahlmöglichkeit des Klägers im weitesten Sinne wehrdiensteigentümliche Verhältnisse herleiten würde, so seien deren Auswirkungen spätestens dann beendet gewesen, als sich der Kläger ausschließlich in seinem privaten Umfeld bewegt habe. Urlaubsfahrten, Tätigkeiten bzw. Beschäftigungen während des Urlaubs könnten deshalb nur dann ausnahmsweise als Dienstausübung angesehen werden, wenn ihnen ein besonderer Befehl zugrunde gelegen bzw. es sich um die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung gehandelt habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben gewesen. Selbst nach dem Recht der DDR habe eine Dienstbeschädigung nur anerkannt werden können, die durch einen mit dem Dienst in der NVA in Verbindung stehenden Unfall oder als Folge der Dienstausübung eingetreten oder verschlimmert worden sei. Darüber hinaus habe eine Dienstbeschädigung auch dann vorgelegen, wenn bei gesellschaftlichen Tätigkeiten entsprechend der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen ein Körper- oder Gesundheitsschaden, beispielsweise außer Dienst bei Wahrnehmung der Interessen des Staates oder der Gesellschaft eingetreten sei. Vorliegend sei aber unstreitig, dass der Kläger den Unfall auf dem Nachhauseweg von einer privaten Veranstaltung erlitten habe.
Gegen das ihm am 24. November 2004 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 9. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG sei nach dem Recht der DDR eine Dienstbeschädigung immer dann anzuerkennen gewesen, wenn sie während der Zeit des Dienstes in der NVA eingetreten sei. Da er am Unfalltag lediglich von der Dienstausübung freigestellt gewesen sei, ohne Urlaub im dienstrechtlichen Sinne gehabt zu haben, sei der Versicherungsschutz nicht unterbrochen. Die auch dann bestehenden wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse seien bereits dadurch dokumentiert, dass gegen den Unfallverursacher später durch einen Militärstaatsanwalt Anklage erhoben und vertreten worden sei. Außerdem habe es Freizeit und damit ausschließlich privaten Zwecken zur Verfügung stehende Zeit nur für die Gruppe der Berufs- und Zeitsoldaten, nicht jedoch für Wehrpflichtige gegeben. Im Übrigen habe für ihn keine Möglichkeit bestanden, wegen des Unfallgeschehens eigene Schadensersatzansprüche oder strafrechtlich relevante Anträge zu stellen bzw. geltend zu machen. Schließlich wäre er, ausgehend von der Auffassung des Beklagten, während der Zeit des Dienstes als Wehrpflichtiger in der NVA vollkommen schutzlos gewesen, da private Versicherungsverhältnisse während der Wehrdienstzeit unterbrochen gewesen seien.
Wegen des zum 1. November 2004 erfolgten Umzugs des Klägers nach J. hat der Senat mit Beschluss vom 25. Juli 2005 das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und festgestellt, dass der Freistaat Thüringen Beklagter ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2004 und den Bescheid vom 26. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenversorgung nach dem BVG wegen der Folgen des Unfalls vom 26. Dezember 1967 ab 1. November 2001 zu gewähren, hilfsweise ein Rechtsgutachten eines militärrechtlichen Sachverständigen zu der Frage der Rechtsstellung des Klägers während seiner NVA-Wehrpflicht zum Unfallzeitpunkt einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat ergänzend ausgeführt, lediglich der unmittelbare, direkte Weg der Anreise zum Heimatort bzw. zurück zum Standort könne versorgungsrechtlich als geschützt angesehen werden. In der Zwischenzeit des Heimaturlaubes hätten sich Angehörige der NVA losgelöst von dienstlichen Verpflichtungen frei am Heimatort bewegen können. Wenn die Soldaten auch weiterhin der Truppe zugehörig gewesen seien, hätten sie - dem Sinn und Zweck eines Erholungsurlaubs entsprechend - keinen militärischen Anweisungen oder Verpflichtungen wie unmittelbar am Truppenstandort unterstanden. Des Weiteren wäre eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Besserstellung von einigungsvertraglich zu berücksichtigenden NVA-Altfällen gegenüber wehrpflichtigen Bundeswehrangehörigen bei der versorgungsrechtlichen Beurteilung keinesfalls nachvollziehbar. Der Beklagte legte Stellungnahmen seines Grundsatzdezernats sowie der Wehrbereichsverwaltung Ost, Teil D der Allgemeinen Grundregeln des militärischen Dienstes in der Nationalen Volksarmee auszugsweise und das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 8. Oktober 1991 (VI a 1/52056) vor.
Der Senat hat den Beteiligten am 12. Oktober 2006 mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, die Beteiligten Gelegenheit erhalten haben, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 1 Abs. 1 BVG.
Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung (§ 1 Abs. 1 BVG).
Militärischer Dienst im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG ist jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat oder Wehrmachtbeamter (§ 2 Abs. 1 Buchst. a BVG).
Versorgung nach dem BVG kann auch an Vertriebene im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG, die Deutsche oder deutsche Volkszugehörige sind, gewährt werden, wenn sie nach dem 8. Mai 1945 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht nach den im Vertreibungsgebiet geltenden Vorschriften eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG erlitten haben (§ 82 Abs. 2 Satz 1 und 3 BVG).
Bei dem vom Kläger in der NVA geleisteten Grundwehrdienst handelt es sich zwar nicht um einen nach deutschem Wehrrecht im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchst. a BVG geleisteten Dienst, sodass vorliegend ein unmittelbarer Anspruch aus § 1 Abs. 1 BVG nicht in Betracht kommt. Da der Kläger die Schädigung nicht im Vertreibungsgebiet im Sinne des § 1 BVFG erlitten hat, findet vorliegend § 1 Abs. 1 BVG auch nicht über § 82 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVG Anwendung.
Sofern sich aber in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben, kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden (§ 89 Abs. 1 BVG). Nach Nr. 1 des Rundschreibens des BMA vom 8. Oktober 1991 (VIa 1/52056 -, BArbBl 1991 Nr. 12 S. 81) können Wehrpflichtige der NVA, die vor dem 19. Mai 1990 in die Bundesrepublik übergesiedelt sind, nach wie vor Versorgung nach § 82 Abs. 2 i. V. m. § 89 Abs. 1 BVG erhalten, wenn sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht eine Schädigung erlitten und ihre Versorgungsansprüche wegen der Flucht verloren hatten. Mit der Härteregelung soll dem rechtspolitischen Gedanken des § 82 Abs. 2 BVG Rechnung getragen werden, der allen Deutschen und deutschen Volkszugehörigen Versorgungsschutz einräumen wollte, die in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht außerhalb des Geltungsbereichs des BVG eine gesundheitliche Schädigung erlitten, ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BVG genommen und keinen zu verwirklichenden Anspruch aus der gleichen Ursache gegen das Land hatten, das die Dienstpflicht gefordert hatte.
Der Kläger gehört zu dem Personenkreis des § 89 Abs. 1 BVG. Denn er hatte vom 1. November 1967 bis zum 29. April 1969 Grundwehrdienst in der NVA der DDR geleistet und war am 17. Juni 1989 in das damalige Bundesgebiet übergesiedelt. Mithin findet § 1 Abs. 1 BVG über § 82 Abs. 2 i. V. m. § 89 Abs. 1 BVG auf den Kläger Anwendung.
Der Kläger hat jedoch weder durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung noch durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten.
Militär- bzw. wehrdiensteigentümlich sind Verhältnisse, die der Eigenart des Dienstes typischerweise entsprechen und zwangsläufig, jedenfalls im Allgemeinen, eng mit dem Dienst verbunden sind. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 BVG erfasst damit alle Einflüsse des Wehrdienstes, die aus der besonderen Rechtsnatur dieses Verhältnisses und der damit verbundenen Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten folgen. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse können sich daher auch außerhalb der Ausübung des Wehrdienstes in der Freizeit, während Dienstpausen und während privater Verrichtungen ergeben. Zu den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen sind aber auch besondere Anforderungen an das Verhalten des Soldaten zu rechnen, wenn sie seine Eigenverantwortung einschränken und ihn z. B. zu einer bestimmten Gestaltung seiner Freiheit zwingen. Dabei müssen die militär- und wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse jedoch eine mindestens gleichwertige Bedingung und damit eine wesentliche Mitursache des Unfalls im versorgungsrechtlichen Sinne gewesen sein (BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 6/96 R - SozR 3-3100 § 89 Nr. 4 m. w. N.).
Dies ist hier nicht der Fall. Der Unfall des Klägers ist vielmehr wesentlich auf privatwirtschaftliche und mithin wehrdienstfremde Umstände zurückzuführen.
Der Kläger wurde von einem Autofahrer angefahren und verletzt. Er wurde dabei Opfer des allgemeinen Straßenverkehrs, wie es auch einem Verkehrsteilnehmer im Zivilleben passieren kann (BSG, aaO).
Die Gefahr, im allgemeinen Straßenverkehr als Fußgänger angefahren und verletzt zu werden, erhielt auch nicht allein dadurch ein wehrdiensteigentümliches Gepräge, dass sich der Unfall während der Zeit ereignete, in der der Kläger wehrdienstpflichtig war (so bereits das BSG in seinem Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 6/96 R - SozR 3-3100 § 89 Nr. 4, in dem ein Anspruch eines Soldaten der NVA verneint wurde, der nach Dienstschluss die Kantine seiner Kaserne aufsuchen wollte und dabei einen Unfall erlitt). Denn der im Streit stehende Unfall geschah auf dem Nachhauseweg von einer privaten Veranstaltung. Im Zeitpunkt des Unfallereignisses stand der Kläger mithin in keinem dienstlichen Bezug zur NVA. Mit dem Aufenthalt am Heimatort erfolgte eine Lösung vom Dienst, was einen Versorgungsanspruch im Sinne des BVG ausschließt. Zu Recht haben der Beklagte und das SG darauf hingewiesen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses in einem auf den Erholungsurlaub anzurechnenden Festtagsurlaub befunden hat. Insoweit verweist der Senat auf die einschlägigen Vorschriften der Urlaubsordnung der NVA. Selbst wenn es sich dabei um einen dienstlich angeordneten Urlaub ohne Wahlmöglichkeit des Klägers gehandelt haben und der Kläger während dieses Urlaubs gewissen Regeln und einem Verhaltenskodex unterlegen sein sollte, änderte dies nichts daran, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses keine dienstlichen, sondern ausschließlich private Interessen verfolgte.
Da es nach Ansicht des Senats nicht auf die formale Rechtsstellung eines Soldaten der NVA im Zeitpunkt des Unfallereignisses, sondern allein darauf ankommt, ob der Kläger mit der im Zeitpunkt des Unfalls durchgeführten Verrichtung dienstliche oder private Zwecke verfolgte, war dem Hilfsantrag des Klägers, ein Rechtsgutachten eines militärrechtlichen Sachverständigen einzuholen, nicht nachzukommen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob dem 1943 geborenen Kläger Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen der Folgen eines am 26. Dezember 1967 in der DDR erlittenen Unfalls zu gewähren ist.
Der zum damaligen Zeitpunkt in H. wohnhafte Kläger beantragte unter dem 28. Februar 2001 bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente wegen eines am 26. Dezember 1967 erlittenen Verkehrsunfalls. Zur Begründung führte er aus, er sei zum Zeitpunkt des Unfalls Soldat der Nationalen Volksarmee (NVA) gewesen und habe unter staatlichem Versicherungsschutz gestanden. Beigefügt war neben medizinischen Unterlagen u. a. ein Schreiben der Thüringer Polizei, Polizeidirektion S., vom 9. Januar 2001, wonach sich aus dem Unfalltagebuch ergebe, dass der Kläger am 26. Dezember 1967 als Fußgänger an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sei. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2001 lehnte die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung den von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft an sie weitergeleiteten Antrag mit der Begründung ab, für Unfälle und Erkrankungen Wehrpflichtiger der NVA bestehe die Möglichkeit, Versorgung nach dem BVG zu erhalten, wobei diese Versorgung gegenüber Ansprüchen aus dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung vorrangig sei.
Daraufhin beantragte der Kläger am 14. November 2001 beim Versorgungsamt Freiburg (VA) Beschädigtenversorgung. Neben den bereits bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft eingereichten Unterlagen legte der Kläger den Aufnahmeschein der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in R. vom 22. Juni 1989 vor, wonach er am 17. Juni 1989 aus der DDR kommend im Bundesgebiet eingetroffen sei. Ebenfalls beigefügt war der Vertriebenenausweis C vom 25. April 1995. Am 21. November 2001 gab der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim VA an, er habe in der NVA vom 1. November 1967 bis zum 29. April 1969 seinen Wehrdienst abgeleistet. Während seines Weihnachtsurlaubs habe er am 26. Dezember 1967 eine private Veranstaltung besucht. Auf dem Nachhauseweg sei er von einem betrunkenen Autofahrer angefahren und verletzt worden. Zwar habe es sich nicht um eine dienstliche Aufgabe gehandelt. Jedoch sei der Weihnachtsurlaub von der NVA auf Befehl angeordnet worden, sodass dieser Urlaub Dienst gewesen sei. Vorgelegt wurde das über den Wehrdienstzeitraum geführte Gesundheitsbuch.
Mit Bescheid vom 26. November 2001 lehnte das VA den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, Urlaub bedeute für den Soldaten die Erlaubnis, vorübergehend außerhalb der Kaserne und Unterkunft zu verbleiben. Trete der Soldat einen Urlaub an, so befinde er sich bei einer Tätigkeit oder einem Handeln während des Urlaubs in der Regel nicht mehr in Ausübung des Dienstes. Der Soldat werde vorübergehend vom Dienst entbunden oder freigestellt. Ein im Urlaub befindlicher Soldat bleibe zwar rechtlich Soldat; er befinde sich tatsächlich jedoch nicht im Dienst. Die innere Beziehung zur Dienstausübung werde mit dem Beginn des Urlaubs aufgegeben. Er werde während des Urlaubs in einen von den übrigen Soldaten abgegrenzten, von jeder Dienstbereitschaft befreiten Status versetzt. Zwar seien auch Situationen denkbar, in denen ein innerer Zusammenhang zwischen Urlaub und Dienst bestehen könne, wenn ein Urlaub aus Gründen gewährt werde, deren Ursache und Notwendigkeit in dienstlichen Verhältnissen liege. Dies wäre z. B. möglich bei einem Urlaub, der zur Erhaltung der Einsatzfähigkeit oder zur Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit notwendig und angeordnet werde. Vorliegend habe es sich jedoch offensichtlich um einen regulären Urlaub im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest gehandelt. Auch wenn vermutlich zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft, vor allem auch hinsichtlich des danach noch folgenden Neujahrsfestes, keine freie Wahlmöglichkeit des einzelnen Soldaten über den Zeitpunkt des Urlaubs bestanden habe, so ändere dies nichts am Charakter eines reinen Erholungsurlaubs, losgelöst von konkreten dienstlichen Verpflichtungen. Die Voraussetzungen der Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem BVG seien somit nicht erfüllt.
Hiergegen erhob der Kläger am 4. Dezember 2001 Widerspruch. Er führte aus, zwischen dem NVA-Dienst und dem Unfall habe ein innerer Zusammenhang bestanden. Die Einberufung zur NVA sei als Befehl zum aktiven Wehrdienst ergangen. Während dieser Zeit habe der Personalausweis abgegeben werden müssen. Er sei erst wieder mit Entlassung aus dem Dienst ausgehändigt worden. Zur persönlichen Identifikation habe nur der Wehrpass genutzt werden können. Auch der Urlaub sei dienstlich angeordnet worden und habe nicht in seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit gestanden. Sein Unfall sei daher nur unter einer Wehrpassnummer registriert worden. Nach der unfallbedingten Krankenhausbehandlung sei er umgehend wieder in die Kaserne zurückgeholt worden. Die Verhandlungen zum Unfall seien vor dem Militärstaatsanwalt geführt worden. Sämtliche Verhandlungen von Angehörigen der NVA hätten den Militärgesetzen der DDR unterlegen.
Auf Anfrage des VA teilte die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung unter dem 30. April 2002 mit, ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei mit Bescheid vom 2. Oktober 2001 abgelehnt worden, sodass der Vorgang damit abgeschlossen sei. Eine Entscheidung, ob der Unfall des Klägers überhaupt in der DDR als Arbeitsunfall anzuerkennen gewesen wäre, sei daher nicht mehr zu treffen.
Das VA zog über das Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg die Urlaubsordnung der NVA aus dem Jahr 1965 bei. Danach hatten Angehörige des aktiven Wehrdienstes der NVA Anspruch auf Erholungsurlaub (I. Abs. 2) bzw. konnte ihnen Festtagsurlaub gewährt werden (I. Abs. 3) und konnte der Festtagsurlaub zweimal im Jahr - Ostern oder Pfingsten und Weihnachten oder Neujahr - für Armeeangehörige gewährt werden (V. 22. Abs. 1), wobei für den Festtagsurlaub Weihnachten bis Neujahr die Werktage auf den Erholungsurlaub anzurechnen waren (V. 23. Abs. 2).
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2002 wies das Land Baden-Württemberg den Widerspruch zurück. Der Charakter des Urlaubs als solcher werde dadurch, dass keine freie Wahlmöglichkeit des einzelnen Soldaten über den konkreten Zeitpunkt seines Urlaubes bestanden habe, nicht grundlegend in dem Sinne verändert, dass er insgesamt oder überwiegend von wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen geprägt gewesen wäre. Auch der Besuch der privaten Weihnachtsfeier sei vorliegend aus freier Entscheidung erfolgt. Auch die weiteren Ermittlungen über die Urlaubsregelungen der NVA ließen keine andere Beurteilung zu. Denn diese Regelungen widerlegten ausdrücklich das Vorbringen des Klägers, es habe für Angehörige des aktiven Wehrdienstes der NVA überhaupt keinen Urlaubsanspruch gegeben. Vielmehr werde dieser Anspruch in der Urlaubsverordnung ausdrücklich betont und die Durchführung detailliert geregelt. Vorliegend habe es sich um einen regulären Urlaub aus Anlass der Weihnachtsfeiertage gehandelt. Auch wenn zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft keine freie Wahlmöglichkeit über den Zeitpunkt - Weihnachten oder Neujahr - bestanden habe, ändere sich nichts am Charakter des Festtagsurlaubs als Erholungsurlaub. Dies bestätige insbesondere das Ermessen für die Gewährung dieses Urlaubs und die damit verbundene Anrechnungsregelung.
Hiergegen erhob der Kläger am 30. September 2002 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Er vertrat den Standpunkt, ihm sei befohlen worden, zum damaligen Zeitpunkt Urlaub zu nehmen. Des Weiteren sei aus dem gesamten Charakter der Rechtsstellung eines Soldaten der NVA abzuleiten, ständig - also auch während der Dauer eines Erholungs- oder Festtagsurlaubs - im Dienst gewesen zu sein. Außerdem hätten Angehörige der NVA auch während einer Urlaubszeit besonderen dienstlichen Verpflichtungen unterlegen. Die gesamte Wehrdienstzeit sei einheitlich als Dienstzeit im Sinne des BVG zu bezeichnen. Der Wehrpflichtige sei bis zur Beendigung der Wehrdienstzeit ausschließlich Angehöriger der NVA geblieben, sodass jede Betätigung in einem inneren Zusammenhang mit der Wehrpflicht und damit der Dienstzeit gestanden habe. Im Übrigen habe er im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls noch gar keinen Anspruch auf Erholungsurlaub gehabt.
Das Land Baden-Württemberg hielt an seiner Meinung fest, wonach die Beurlaubung grundsätzlich eine vorübergehende Befreiung vom Dienst bedeute. Urlaubsfahrten und Tätigkeiten während des Urlaubs könnten deshalb nur als Dienstausübung angesehen werden, wenn ihnen ein besonderer Befehl zugrunde liege bzw. es sich um die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung handle.
Mit Urteil vom 10. September 2004 wies das SG die Klage ab. Auch ein angeordneter Urlaub bedeute grundsätzlich eine vorübergehende Befreiung vom Dienst. Selbst wenn man vorliegend aus der mangelnden Wahlmöglichkeit des Klägers im weitesten Sinne wehrdiensteigentümliche Verhältnisse herleiten würde, so seien deren Auswirkungen spätestens dann beendet gewesen, als sich der Kläger ausschließlich in seinem privaten Umfeld bewegt habe. Urlaubsfahrten, Tätigkeiten bzw. Beschäftigungen während des Urlaubs könnten deshalb nur dann ausnahmsweise als Dienstausübung angesehen werden, wenn ihnen ein besonderer Befehl zugrunde gelegen bzw. es sich um die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung gehandelt habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben gewesen. Selbst nach dem Recht der DDR habe eine Dienstbeschädigung nur anerkannt werden können, die durch einen mit dem Dienst in der NVA in Verbindung stehenden Unfall oder als Folge der Dienstausübung eingetreten oder verschlimmert worden sei. Darüber hinaus habe eine Dienstbeschädigung auch dann vorgelegen, wenn bei gesellschaftlichen Tätigkeiten entsprechend der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen ein Körper- oder Gesundheitsschaden, beispielsweise außer Dienst bei Wahrnehmung der Interessen des Staates oder der Gesellschaft eingetreten sei. Vorliegend sei aber unstreitig, dass der Kläger den Unfall auf dem Nachhauseweg von einer privaten Veranstaltung erlitten habe.
Gegen das ihm am 24. November 2004 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 9. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG sei nach dem Recht der DDR eine Dienstbeschädigung immer dann anzuerkennen gewesen, wenn sie während der Zeit des Dienstes in der NVA eingetreten sei. Da er am Unfalltag lediglich von der Dienstausübung freigestellt gewesen sei, ohne Urlaub im dienstrechtlichen Sinne gehabt zu haben, sei der Versicherungsschutz nicht unterbrochen. Die auch dann bestehenden wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse seien bereits dadurch dokumentiert, dass gegen den Unfallverursacher später durch einen Militärstaatsanwalt Anklage erhoben und vertreten worden sei. Außerdem habe es Freizeit und damit ausschließlich privaten Zwecken zur Verfügung stehende Zeit nur für die Gruppe der Berufs- und Zeitsoldaten, nicht jedoch für Wehrpflichtige gegeben. Im Übrigen habe für ihn keine Möglichkeit bestanden, wegen des Unfallgeschehens eigene Schadensersatzansprüche oder strafrechtlich relevante Anträge zu stellen bzw. geltend zu machen. Schließlich wäre er, ausgehend von der Auffassung des Beklagten, während der Zeit des Dienstes als Wehrpflichtiger in der NVA vollkommen schutzlos gewesen, da private Versicherungsverhältnisse während der Wehrdienstzeit unterbrochen gewesen seien.
Wegen des zum 1. November 2004 erfolgten Umzugs des Klägers nach J. hat der Senat mit Beschluss vom 25. Juli 2005 das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und festgestellt, dass der Freistaat Thüringen Beklagter ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2004 und den Bescheid vom 26. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenversorgung nach dem BVG wegen der Folgen des Unfalls vom 26. Dezember 1967 ab 1. November 2001 zu gewähren, hilfsweise ein Rechtsgutachten eines militärrechtlichen Sachverständigen zu der Frage der Rechtsstellung des Klägers während seiner NVA-Wehrpflicht zum Unfallzeitpunkt einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat ergänzend ausgeführt, lediglich der unmittelbare, direkte Weg der Anreise zum Heimatort bzw. zurück zum Standort könne versorgungsrechtlich als geschützt angesehen werden. In der Zwischenzeit des Heimaturlaubes hätten sich Angehörige der NVA losgelöst von dienstlichen Verpflichtungen frei am Heimatort bewegen können. Wenn die Soldaten auch weiterhin der Truppe zugehörig gewesen seien, hätten sie - dem Sinn und Zweck eines Erholungsurlaubs entsprechend - keinen militärischen Anweisungen oder Verpflichtungen wie unmittelbar am Truppenstandort unterstanden. Des Weiteren wäre eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Besserstellung von einigungsvertraglich zu berücksichtigenden NVA-Altfällen gegenüber wehrpflichtigen Bundeswehrangehörigen bei der versorgungsrechtlichen Beurteilung keinesfalls nachvollziehbar. Der Beklagte legte Stellungnahmen seines Grundsatzdezernats sowie der Wehrbereichsverwaltung Ost, Teil D der Allgemeinen Grundregeln des militärischen Dienstes in der Nationalen Volksarmee auszugsweise und das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 8. Oktober 1991 (VI a 1/52056) vor.
Der Senat hat den Beteiligten am 12. Oktober 2006 mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, die Beteiligten Gelegenheit erhalten haben, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 1 Abs. 1 BVG.
Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung (§ 1 Abs. 1 BVG).
Militärischer Dienst im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG ist jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat oder Wehrmachtbeamter (§ 2 Abs. 1 Buchst. a BVG).
Versorgung nach dem BVG kann auch an Vertriebene im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG, die Deutsche oder deutsche Volkszugehörige sind, gewährt werden, wenn sie nach dem 8. Mai 1945 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht nach den im Vertreibungsgebiet geltenden Vorschriften eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG erlitten haben (§ 82 Abs. 2 Satz 1 und 3 BVG).
Bei dem vom Kläger in der NVA geleisteten Grundwehrdienst handelt es sich zwar nicht um einen nach deutschem Wehrrecht im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchst. a BVG geleisteten Dienst, sodass vorliegend ein unmittelbarer Anspruch aus § 1 Abs. 1 BVG nicht in Betracht kommt. Da der Kläger die Schädigung nicht im Vertreibungsgebiet im Sinne des § 1 BVFG erlitten hat, findet vorliegend § 1 Abs. 1 BVG auch nicht über § 82 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVG Anwendung.
Sofern sich aber in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben, kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden (§ 89 Abs. 1 BVG). Nach Nr. 1 des Rundschreibens des BMA vom 8. Oktober 1991 (VIa 1/52056 -, BArbBl 1991 Nr. 12 S. 81) können Wehrpflichtige der NVA, die vor dem 19. Mai 1990 in die Bundesrepublik übergesiedelt sind, nach wie vor Versorgung nach § 82 Abs. 2 i. V. m. § 89 Abs. 1 BVG erhalten, wenn sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht eine Schädigung erlitten und ihre Versorgungsansprüche wegen der Flucht verloren hatten. Mit der Härteregelung soll dem rechtspolitischen Gedanken des § 82 Abs. 2 BVG Rechnung getragen werden, der allen Deutschen und deutschen Volkszugehörigen Versorgungsschutz einräumen wollte, die in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht außerhalb des Geltungsbereichs des BVG eine gesundheitliche Schädigung erlitten, ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BVG genommen und keinen zu verwirklichenden Anspruch aus der gleichen Ursache gegen das Land hatten, das die Dienstpflicht gefordert hatte.
Der Kläger gehört zu dem Personenkreis des § 89 Abs. 1 BVG. Denn er hatte vom 1. November 1967 bis zum 29. April 1969 Grundwehrdienst in der NVA der DDR geleistet und war am 17. Juni 1989 in das damalige Bundesgebiet übergesiedelt. Mithin findet § 1 Abs. 1 BVG über § 82 Abs. 2 i. V. m. § 89 Abs. 1 BVG auf den Kläger Anwendung.
Der Kläger hat jedoch weder durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung noch durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten.
Militär- bzw. wehrdiensteigentümlich sind Verhältnisse, die der Eigenart des Dienstes typischerweise entsprechen und zwangsläufig, jedenfalls im Allgemeinen, eng mit dem Dienst verbunden sind. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 BVG erfasst damit alle Einflüsse des Wehrdienstes, die aus der besonderen Rechtsnatur dieses Verhältnisses und der damit verbundenen Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten folgen. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse können sich daher auch außerhalb der Ausübung des Wehrdienstes in der Freizeit, während Dienstpausen und während privater Verrichtungen ergeben. Zu den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen sind aber auch besondere Anforderungen an das Verhalten des Soldaten zu rechnen, wenn sie seine Eigenverantwortung einschränken und ihn z. B. zu einer bestimmten Gestaltung seiner Freiheit zwingen. Dabei müssen die militär- und wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse jedoch eine mindestens gleichwertige Bedingung und damit eine wesentliche Mitursache des Unfalls im versorgungsrechtlichen Sinne gewesen sein (BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 6/96 R - SozR 3-3100 § 89 Nr. 4 m. w. N.).
Dies ist hier nicht der Fall. Der Unfall des Klägers ist vielmehr wesentlich auf privatwirtschaftliche und mithin wehrdienstfremde Umstände zurückzuführen.
Der Kläger wurde von einem Autofahrer angefahren und verletzt. Er wurde dabei Opfer des allgemeinen Straßenverkehrs, wie es auch einem Verkehrsteilnehmer im Zivilleben passieren kann (BSG, aaO).
Die Gefahr, im allgemeinen Straßenverkehr als Fußgänger angefahren und verletzt zu werden, erhielt auch nicht allein dadurch ein wehrdiensteigentümliches Gepräge, dass sich der Unfall während der Zeit ereignete, in der der Kläger wehrdienstpflichtig war (so bereits das BSG in seinem Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 6/96 R - SozR 3-3100 § 89 Nr. 4, in dem ein Anspruch eines Soldaten der NVA verneint wurde, der nach Dienstschluss die Kantine seiner Kaserne aufsuchen wollte und dabei einen Unfall erlitt). Denn der im Streit stehende Unfall geschah auf dem Nachhauseweg von einer privaten Veranstaltung. Im Zeitpunkt des Unfallereignisses stand der Kläger mithin in keinem dienstlichen Bezug zur NVA. Mit dem Aufenthalt am Heimatort erfolgte eine Lösung vom Dienst, was einen Versorgungsanspruch im Sinne des BVG ausschließt. Zu Recht haben der Beklagte und das SG darauf hingewiesen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses in einem auf den Erholungsurlaub anzurechnenden Festtagsurlaub befunden hat. Insoweit verweist der Senat auf die einschlägigen Vorschriften der Urlaubsordnung der NVA. Selbst wenn es sich dabei um einen dienstlich angeordneten Urlaub ohne Wahlmöglichkeit des Klägers gehandelt haben und der Kläger während dieses Urlaubs gewissen Regeln und einem Verhaltenskodex unterlegen sein sollte, änderte dies nichts daran, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses keine dienstlichen, sondern ausschließlich private Interessen verfolgte.
Da es nach Ansicht des Senats nicht auf die formale Rechtsstellung eines Soldaten der NVA im Zeitpunkt des Unfallereignisses, sondern allein darauf ankommt, ob der Kläger mit der im Zeitpunkt des Unfalls durchgeführten Verrichtung dienstliche oder private Zwecke verfolgte, war dem Hilfsantrag des Klägers, ein Rechtsgutachten eines militärrechtlichen Sachverständigen einzuholen, nicht nachzukommen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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