L 5 V 883/71

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 883/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem ehemaligen Berufsunteroffizier, der während des Aufbaues der Bundeswehr in der DDR wohnhaft war, besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Übernahme in die Bundeswehr. Eine solche setzt im übrigen auch eine entsprechende Antragstellung voraus.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Juli 1971 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1917 geborene Kläger bezieht nach dem Bescheid des Beklagten vom 17. November 1953 wegen, chronischer Kniegelenksveränderung rechts ohne Funktionsbehinderung, geringe Einschränkung der Beugefähigkeit und leichte Streckbehinderung des linken Knies als Folge einer chronischen Kniegelenksveränderung” eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) am 40 v.H. von Oktober 1953 bis Oktober 1960 war der Kläger in der DDR wohnhaft. Im Februar 1967 beantragte er die Erhöhung seiner Rente, da sich seine Schädigungsfolgen verschlimmert hätten und er deswegen eine schlecht bezahlte Arbeit im Sitzen verrichten müsse. Diesen Antrag lehnte der Beklagte aufgrund eines Gutachtens des Chirurgen Med. Direktor Dr. M. vom 6. April 1967 mit Bescheid vom 7. Juni 1967 nach § 62 Abs. 1 BVG ab, weil in den Schädigungsfolgen keine wesentliche Änderung eingetreten sei.

Am 30. Oktober 1967 beantragte der Kläger u.a. Erhöhung seiner Rente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins. Er könne wegen der Schädigungsfolgen seinen erlernten Beruf als Tapezierer nicht mehr ausüben, da diese Arbeit mit knien verbunden sei. Deshalb sei er ab 1. April 1966 in einer sitzenden Tätigkeit als Reparaturannehmer bei einem Autohaus beschäftigt. Auf dem einschlägigen Fragebogen gab der Kläger an, er habe nach dem Besuch der Volksschule von 1931 bis 1934 den Beruf des Tapezierers erlernt und darin die Gesellenprüfung abgelegt. Von April 1935 bis Januar 1947 sei er Soldat gewesen. Von Mai 1947 bis März 1960 sei er als Sachbearbeiter bei einer Gemeinde sowie von November 1960 bis Dezember 1965 mit Unterbrechungen als Packer und später als Lagermeister beschäftigt gewesen. Später fügte der Kläger noch hinzu, er sei früher Berufssoldat gewesen, worüber er jedoch weder Unterlagen noch Zeugen habe. Mit Bescheid vom 28. März 1968 lehnte der Beklagte die beantragte Rentenerhöhung nach § 30 Abs. 2 BVG ab. Nach dem Inhalt des Bescheides vom 17. November 1953 sei des Kläger beruflich durch die Schädigungsfolgen nicht besonders betroffen. Demgegenüber sei nunmehr kein Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung – VfG (KOV) – zu erteilen, da die bisherige Berentung nach einer MdE um 40 v.H. zutreffend sei. Ebenso liege auch keine wesentliche Änderung der maßgebenden Verhältnisse im Sinne von § 62 Abs. 1 BVG vor, da der Kläger in seiner seit April 1966 ausgeübten Tätigkeit als Bürohilfskraft mit einem Gehalt von 700,– DM monatlich einen sozial gleichwertigen Beruf erlangt habe. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei 1935 bei der kasernierten Hessischen Landespolizei eingetreten und 1956 zur Wehrmacht übernommen worden. Deshalb sei bei ihm vorliegend vom Berufssoldaten auszugehen in welchem Beruf er bei Gründung der Bundeswehr durch seine Schädigungsfolgen besonders betroffen gewesen und eine entsprechende Bewerbung deshalb zwecklos gewesen sei. Ohne Schädigungsfolgen wäre er heute als früherer Oberfeldwebel bei der Bundeswehr Stabsfeldwebel, so daß er insoweit einen Minderverdienst, aufzuweisen habe. Mit Bescheid vom 8. Juli 1968 half der Beklagte dem Widerspruch nicht ab.

Mit der hierauf erhobenen Klage machte der Kläger zusätzlich geltend, er habe sich bei seiner Übernahme zur Wehrmacht im Jahre 1956 auf 12 Jahre (rückwirkend ab 1935) dienstverpflichtet. Er wäre ohne seine Schädigungsfolgen im Jahre 1956 im Alter von 40 Jahren in die Bundeswehr übernommen worden und befände sich heute in der Besoldungsgruppe A 8 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Hierzu legte der Kläger Erklärungen seiner früheren Kameraden S. und S. vor. Nach Einholung einer Auskunft der deutschen Dienststelle (WASt) vom 8. Dezember 1970, nach welcher der Kläger 1945 Oberfeldwebel war und über eine längere Dienstverpflichtung keine Unterlagen vorliegen, sowie nach Vernehmung der Zeugen S. und S. in der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 1971 wies das Sozialgericht Darmstadt die Klage mit Urteil vom gleichen Tage als unbegründet ab; auf das Ergebnis der Beweisaufnahme sowie auf die Entscheidungsgründe wird im einzelnen Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 17. August 1971 zugestellte Urteil legte der Kläger am 30. August 1971 Berufung ein, welche er nicht begründet hat.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Juli 1971 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. März 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 1968 zu verurteilen, wegen besonderen beruflichen Betroffenseins Rente nach einer MdE von 50 v.H. zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Versorgungsakten sowie der den Kläger betreffenden Akten des Oberversicherungsamtes Darmstadt Az.: XXXX, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist insbesondere nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und nach §§ 143, 148 Nr. 3 SGG statthaft, weil die Schwerbeschädigteneigenschaft streitig ist.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG, wobei angesichts des bindend gewordenen Bescheides vom November 1953 weder die Voraussetzungen eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VfG (KOV) noch diejenigen eines Neufeststellungsbescheides wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 62 BVG erfüllt sind. Dies wäre allenfalls – und zwar nur im Hinblick auf § 40 Abs. 1 VfG (KOV) – dann der Fall wenn der Kläger entsprechend seiner Behauptung vor der Schädigung zuletzt Berufssoldat gewesen und ohne seine Schädigungsfolgen während des Aufbaues der Bundeswehr wieder als solcher übernommen worden wäre (vgl. Wilke 3. Aufl. S. 241, Urteil des HLSG vom 29. März 1967 bei Breith. 1968 S. 61). Dieser Sachverhalt ist aber nicht nachweisbar.

Es fehlt zunächst schon an der hinreichenden Gewißheit, das der Kläger während des zweiten Weltkrieges Berufssoldat war, wie dies schon das Sozialgericht unter Hinweis auf das Ergebnis seiner Beweisaufnahme näher begründet hat, mag auch insoweit immerhin eine entsprechende Möglichkeit bestehen.

Diese Frage kann jedoch hier im einzelnen dahinstehen. Unterstellt man nämlich, daß der Kläger im zweiten Weltkrieg tatsächlich Berufssoldat war, so wäre seine Übernahme in die Bundeswehr aus einem anderen Gründe mit Sicherheit auch ohne das Bestehen seiner Schädigungsfolgen gescheitert. Er war nämlich von Oktober 1953 bis Oktober 1960 sowie zeitweise auch früher in G. in der DDR wohnhaft; in die vorgenannten Jahre fiel auch der Aufbau der Bundeswehr. Daß der Kläger seinerzeit bei entsprechender Antragstellung als Bewohner der DDR schon wegen seines Wohnsitzes mit Sicherheit nicht als Oberfeldwebel oder Stabsfeldwebel in die Bundeswehr übernommen worden wäre, bedarf keiner näheren Begründung. Das gleiche gilt aber auch für den Fall, daß sich der Kläger – wofür allerdings jeder Anhaltspunkt fehlt – seinerzeit zwecks Übernahme in die Bundeswehr in die Bundesrepublik begeben oder erst nach seiner Rückkehr im Jahre 1960 um seine Übernahme nachgesucht hätte, nachdem er sich vorher aus freien Stücken mehrere Jahre lang in der DDR aufgehalten hatte. Schließlich fehlt aber zum Nachweis einer schädigungsbedingten Nichtübernahme in die Bundeswehr überhaupt eine entsprechende Antragstellung (vgl. Wilke a.a.O.) des nicht schwerbeschädigten Klägers.

Da im übrigen an die Begründung des Dienstverhältnisses als aktiver Unteroffizier bei der ehemaligen Deutschen Wehrmacht seinerzeit die Erwartung einer späteren Übernahme als Beamter geknüpft worden ist, könnte eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG auch dann erfolgen, wenn das Erreichen einer Beamtenstellung des mittleren Dienstes wahrscheinlich durch die Schädigungsfolgen vereitelt worden ist (vgl. Rundschreiben des BMA vom 21. Februar 1967, Az.: V/2 5211.1 – 4461/66 –, vgl. auch HLSG a.a.O.). Dies ist vorliegend aber offensichtlich nicht der Fall, da der Kläger durch sein Beinleiden in keiner Weise an einer derartigen im wesentlichen sitzenden Tätigkeit gehindert gewesen wäre, wie sich auch aus seiner tatsächlich verrichteten sitzenden Tätigkeit als Bürohilfskraft und auch aus der von ihm behaupteten Tätigkeit als Sachbearbeiter bei einer Gemeinde ergibt.

Nach alledem war die unbegründete Berufung, wie geschehen, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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