L 6 SB 4249/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 183/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4249/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) hat.

Der 1944 geborene Kläger beantragte erstmals im November 2001 die Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB) bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 27.12.2001 stellte der Beklagte einen GdB von 50 seit dem 01.08.2000 fest. Dem lag eine gutachterliche Stellungnahme zugrunde, wonach beim Kläger eine Erkrankung des lymphatischen Systems (Leukämie) mit einem Teil-GdB von 40, eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes und eine Lymphstauung des linken Beines mit einem Teil-GdB von jeweils 20 sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Bandscheibenschaden mit Teil-GdB 10 vorlägen. Im März 2004 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag. Hierauf stellte der Beklagte den GdB des Klägers mit Bescheid vom 05.07.2004 mit 90 seit dem 19.03.2004 fest. Dabei berücksichtigte er eine Verschlechterung der Erkrankung des lymphatischen Systems, welches nunmehr der Behandlung bedürfe, mit einem Teil-GdB von 70.

Am 13.10.2004 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung der bisher berücksichtigten Gesundheitsstörungen und beantragte gleichzeitig die Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Der im Verwaltungsverfahren befragte Allgemeinmediziner Dr. B. teilte unter dem 17.11.2004 mit, seines Wissens sei der Kläger vorzeitig aus dem Berufsleben ausgeschieden. Soviel er wisse, könne der Kläger sein Haus ohne Begleitung auch für länger als eine Stunde verlassen, ob ihm die Teilnahme an Veranstaltungen nicht möglich sei, wisse er nicht sicher. Mit Bescheid vom 21.01.2005 stellte das Landratsamt Freudenstadt den GdB des Klägers mit 100 seit dem 13.10.2004 fest und lehnte die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ab. Dabei ging das Landratsamt von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus: Erkrankung des lymphatischen Systems mit Behandlungsbedürftigkeit (GdB 80), Lymphstauung des linken Beines, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes und Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (jeweils GdB 20) sowie Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (GdB 10).

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, sein Gesundheitszustand habe sich erheblich verschlechtert. Damit einher gingen Einschränkungen seiner Bewegungsfähigkeit und Mobilität. Er habe im November eine Viruserkrankung (Herpes Zoster) durchgemacht, welche wegen der bei ihm durchgeführten Immunsupression außergewöhnlich hartnäckig verlaufen sei. Infolge dessen leide er unter einer Post-Zoster-Neuralgie mit unerträglichen Schmerzen. Anhaltende Dauerschmerzen und das alle ein- bis zwei Stunden notwendige Hochlegen und Entlasten seiner Beine aufgrund von Lymphstauungen sowie die übrigen Funktionsbeeinträchtigungen seines Körpers bänden ihn de facto tagtäglich an das Haus. Die Teilnahme an Veranstaltungen, egal ob tagsüber oder abends, sei nicht mehr möglich.

Mit "Änderungsantrag" vom 04.02.2005, beantragte der Kläger nochmals die Feststellung der Voraussetzungen u. a. für das Merkzeichen "RF".

Aus dem vom Beklagten beigezogenen Arztbrief von Prof. Dr. B. von der Klinik für Innere Medizin II des S.-B.-Klinikums V.-S. an den behandelnden Hausarzt vom 14. Juni 2005 ergibt sich, dass der Kläger unter einem lymphozytischen Non-Hodgkin-Lymphom im Sinne einer chronisch lymphatischen Leukämie leidet. Als Nebendiagnose wird eine Zosterinfektion im Bereich des Nackens links benannt. Seither bestehe eine ausgeprägte Zosterneuralgie. Von Seiten der Leukämie bestünden mäßiggradige Beinschwellungen beidseits trotz Tragens von Kompressionsstrümpfen. Der Kläger habe daher abends beim Stehen erhebliche Beschwerden von seiten der geschwollenen Beine, die dazu führten, dass er abends praktisch nicht mehr aus dem Haus gehen könne. Aus dem vom Kläger vorgelegten Bericht des behandelnden Orthopäden und Chirurgen Dr. A. vom 22. Juli 2005 ergibt sich, dass Fuß und Unterschenkel links sowie rechts weiter lymphbedingt anschwellen. Der Kläger selbst machte in seinem Schreiben vom 29.07.2005 geltend, er müsse sehr starke morphiumhaltige Medikamente und spezielle Schmerzpflaster nehmen sowie an beiden Beinen starke Kompressionsstrümpfe tragen, um sich überhaupt bewegen zu können. Es sei ihm nicht möglich, mehr als eine Viertelstunde ununterbrochen zu gehen oder zu stehen.

Das Landratsamt lehnte es mit Bescheid vom 10.10.2005 ab, das Merkzeichen "RF" festzustellen. Dessen Voraussetzungen lägen im Fall des Klägers nicht vor. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und verwies auf seine bereits benannten gesundheitlichen Einschränkungen. Beigefügt wurde u. a. der "Bericht über eine ambulante Vorstellung am 24.10.2005" bei der Klinik für Innere Medizin II in V.-S ... Prof. Dr. B. schilderte hier unter dem 21.11.2005 Therapie und Verlauf und teilte in der Zwischenanamnese mit, die täglichen Aktivitäten des Kläger seien hochgradig eingeschränkt. Es bestehe weiterhin eine beidseitige Beinschwellung trotz Tragens von Kompressionsstrümpfen. Die genannten Beschwerden hinderten den Patienten extrem in seiner Lebensqualität. Der Kläger könne weder tagsüber noch abends mehr an irgendwelchen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Der Kläger legte ferner das ärztliche Attest des Orthopäden Dr. A. vom 07.11.2005 vor. Hier heißt es, der Kläger sei aufgrund seiner degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule mit dadurch bedingten ausgeprägten Schmerzen nicht mehr in der Lage, länger als 15 Minuten zu stehen. Eine sitzende Tätigkeit könne ebenfalls nur in kürzeren Zeiteinheiten, weniger als 15 Minuten, durchgeführt werden. Ein unruhiges Sitzen sei zur Linderung der Schmerzen notwendig. Der Kläger müsse ständig aufstehen und zwischenzeitlich einige Schritte gehen. Aufgrund der lymphödematösen Anschwellung der Beine müsse außerdem regelmäßig für längere Zeit eine Hochlagerung erfolgen. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2005 zurück. Er gehöre nicht zu dem Personenkreis, der keine öffentlichen Veranstaltungen mehr besuchen könne. Trotz der Schwere seiner Behinderung sei er noch in der Lage, ggf. mit der Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln zumindest gelegentlich öffentliche Veranstaltungsorte aufzusuchen. Eine absolute Wohnungsgebundenheit sei bei ihm nicht gegeben. Die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lasse sich daher nicht begründen.

Dagegen erhob der Kläger am 17.01.2006 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Zur Begründung verwies er darauf, dass ihm mittlerweile das Merkzeichen "G" zuerkannt worden sei, ihm aber auch das Merkzeichen "RF" zustehe, weil er nicht in der Lage sei, an einer öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Der Kläger wies darauf hin, es sei ihm aufgrund der notwendigen Hochlagerung seiner Beine und Schmerzattacken nicht möglich, länger als 15 Minuten zu stehen oder zu sitzen. Auf die Anforderung des SG, eine Schweigepflichtentbindungserklärung zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes vorzulegen, teilte der Kläger mit, dass er die behandelnden Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbinden wolle. Er sei der Auffassung, dass die vorliegenden ärztlichen Atteste sein Krankheitsbild und die davon abgeleiteten körperlichen Einschränkungen hinreichend belegten. Aus ihnen könne geschlossen werden, dass er von einer Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen sei. Eine weitere Befragung der Ärzte werde daher keine neuen Erkenntnisse bringen. Daher bitte er über die Klage unter Verzicht auf weitere ärztliche Befragungen und gutachterliche Beurteilungen zu entscheiden.

Das SG teilte dem Kläger mit gerichtlicher Verfügung vom 12.06.2006 mit, es vermöge aufgrund der vom Kläger vorgelegten Arztbriefe und Atteste nicht abschließend zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" vorlägen. Der Kläger riskiere daher die Klagabweisung, wenn er keine Schweigepflichtentbindungserklärung vorlege. Nachdem der Kläger in einem weiteren Schriftsatz seinen bisherigen Standpunkt bekräftigt hatte, wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.07.2006 ab. Es entschied, der Beklagte habe die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "RF" zu Recht abgelehnt. Denn das Gericht halte trotz der beim Kläger unzweifelhaft vorhandenen schweren Funktionsbeeinträchtigungen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "RF" für nicht nachgewiesen. Ob der Kläger faktisch an das Haus gebunden sei, werde durch die vorgelegten Arztbriefe nicht hinreichend bewiesen. Unklar bleibe, ob der Kläger wegen seiner Leiden allgemein und umfassend vom Besuch sämtlicher öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen sei. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "RF" sei es nicht ausreichend, dass der Besuch bestimmter Veranstaltungen nicht mehr möglich sei. Soweit von Prof. Dr. B. die Ansicht vertreten werde, der Kläger könne an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen, bleibe für das Gericht unklar, ob hierbei genügend zwischen den verschiedenen möglichen Veranstaltungen differenziert worden sei. Auch unter Beachtung der vom Kläger geschilderten Einschränkungen sei durchaus der Besuch diverser Veranstaltungen wie z. B. Kirchenfesten, Sportfesten oder künstlerischen Veranstaltungen wie Vernissagen nach Ansicht des Gerichtes weiterhin möglich, denn hier könne je nach Befinden die Position zwischen Sitzen, Stehen und Gehen gewechselt werden. Auch könne der Kläger zwischendurch die Beine hochlegen, zumal dies nach seinen eigenen Angaben nur alle 1-2 Stunden erforderlich sei.

Gegen den am 25.07.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.08.2006 Berufung erhoben. Er hat seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Reutlingen vom 20. Juli 2006 aufzuheben, den Bescheid des Landratsamtes Freudenstadt vom 21. Januar 2005 abzuändern und den Bescheid des Landratsamtes Freudenstadt vom 10. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 20. Dezember 2005 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der medizinische Sachverhalt sei mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend rechtlich gewürdigt worden. Neue Gesichtspunkte seien demgegenüber in der Berufungsschrift nicht vorgebracht worden, auch habe der Kläger keine neuen medizinischen Befundunterlagen vorgelegt. Aufgrund der bereits vorliegenden ärztlichen Auskünfte sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger in Begleitung oder mit Hilfsmitteln umfassend auf Dauer vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen sei. Der Beklagte verkenne dabei die Schwere der Erkrankung des Klägers nicht. Nach Aktenlage müsse es aber bei dem Antrag auf Berufungszurückweisung bleiben.

Der Senat hat mehrfach versucht, den Kläger zur Unterzeichnung einer Schweigepflichtentbindungserklärung zu bewegen, was er weiterhin abgelehnt hat.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG). Die Berufung ist aber nicht begründet, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF".

Das Merkzeichen "RF" ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehinderten-Ausweis-Verordnung (SchwbAwV) zuzuerkennen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Nach § 1 der Verordnung der Landesregierung von Baden-Württemberg über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21. Juli 1992 (Ges.Bl. S. 573 ff.) in Verbindung mit den Fernmeldegebührenvorschriften werden wegen einer Behinderung von der Rundfunkgebührenpflicht befreit bzw. erhalten Gebührenermäßigung beim Fernsprechhauptanschluss u. a Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27 e Bundesversorgungsgesetz, Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Personen, bei denen der GdB wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung beträgt, Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist oder Behinderte, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.

Beim Kläger ist zwar rechtsverbindlich ein Behinderungsgrad von 100 festgestellt; er ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Unter öffentlichen Veranstaltungen in diesem Sinne sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 -, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2; Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 -, SozR 3-3780 § 4 Nr. 7). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom Bundessozialgericht (BSG) vertretenen Auslegung muss der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.11.2003 - L 10 SB 113/02). Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich RF tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird und ob es sozial geboten erscheine, bestimmten finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung von Funk und Fernsehen zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen RF festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - a.a.O.).

Zur Überzeugung des Senats steht angesichts der Tatsache, dass der Kläger sich beharrlich weigert, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und damit weitere Ermittlung des SG und des Senats unmöglich gemacht hat, nur fest, dass er an einem lymphozytischen Non-Hodgkin-Lymphom im Sinne einer chronischen lymphatischen Leukämie nach Erstdiagnose im August 2000 sowie einer im November 2004 aufgetretenen Zosterinfektion im Bereich des Nackens links mit Gesichts- und Unterkieferbeteiligung leidet. Darüber hinaus bestehen beim Kläger offenbar auch degenerative Veränderungen an der Lendenwirbelsäule mit einer dadurch bedingten ausgeprägten Schmerzsymptomatik.

Die dem Senat vorliegenden Arztbriefe und Atteste, die der Kläger zu den Akten gereicht hat, sind aber nicht ausreichend, um die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" zu rechtfertigen. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung des Widerspruchsbescheids folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 und 2 SGG).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das sozialrechtliche Verfahren vom Untersuchungsgrundsatz geprägt ist. Damit soll der Vorrang des öffentlichen Interesses an der Feststellung des wahren Sachverhalts vor den Privatinteresssen Beteiligter gesichert werden. Eine umfängliche Mitwirkung des beteiligten Anspruchstellers ist insbesondere im Schwerbehindertenrecht erforderlich, denn erst die durch ärztliche Unterlagen, Zeugenaussagen und/oder Gutachten nachgewiesene Behinderung berechtigt zur Anerkennung eines Grades der Behinderung oder eines Merkzeichens. Allein die Behauptung einer schwerwiegenden Erkrankung und damit verbundener Einbußen an körperlicher Bewegungsfähigkeit genügt demnach für die Zuerkennung sozialer Rechte nicht. Mitwirkungspflichten in sozialrechtlichen Angelegenheiten sind in den §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) geregelt. Danach muss, wer Sozialleistungen beantragt, alle Tatsachen angeben, die für die Leistung erheblich sind und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zustimmen und auf Verlangen Beweisurkunden vorlegen oder ihrer Vorlage zustimmen (§ 60 SGB I). Die Grenzen der Mitwirkung sind nach der im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Auflage, Rdz. 13 a zu § 103) Vorschrift des § 65 SGB I erst erreicht, wenn ihre Erfüllung in keinem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung steht oder ihre Erfüllung dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zugemutet werden kann oder der Leistungsträger sich die notwendigen Kenntnisse mit geringerem Aufwand selbst beschaffen kann. Das ist hier alles nicht der Fall. Der Kläger verweigert die Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung, weil er befürchtet, seine behandelnden Ärzte könnten - vom Verwaltungsaufwand für die Gerichte enerviert - seine Behandlung deswegen verschlechtern. Diese Vorstellung des Klägers ist fernliegend: Sie widerspricht ärztlichen Standesregeln und ärztlichem Ethos und sie macht angesichts der Tatsache, dass behandelnde Ärzte täglich für fast alle ihrer Patienten und nicht nur den Kläger Berichte für mitbehandelnde Fach- oder Hausärzte, Krankenhäuser, Versicherungen, Verwaltungen oder Gerichte zu verfassen haben, auch wenig Sinn. Der Senat verletzt demnach nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn er vom Kläger wie von allen anderen Anspruchstellern verlangt, er möge eine Überprüfung seiner Angaben durch Befragung seiner behandelnden Ärzte ermöglichen. Dies ist sachlich geboten und zumutbar, weil die vorliegenden ärztlichen Unterlagen zu unbestimmt sind und unklar bleibt, ob sie gegebenenfalls aus Gefälligkeit dem Kläger gegenüber ausgestellt wurden, wie es bei "Attesten" oft der Fall ist. Völlig offen bleibt für den Senat auch, ob dem Gericht alle für die Beurteilung der Zuerkennung des Merkzeichens "RF" relevanten ärztlichen Dokumente vorgelegt wurden, oder der Kläger ihm ungünstige möglicherweise zurückgehalten hat. Gerade weil der Kläger behauptet, es lohne sich für die streitigen Gebührenermäßigungen nicht, weitere Nachforschungen zu betreiben, diese so gering geschätzten Vorteile aber unbedingt haben will, hätte der Senat sich gern ein eigenes Bild vom Ausmaß der beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen gemacht, woran er sich mangels weitergehender Aufklärungsmöglichkeiten gehindert sah. Kommt der Kläger seiner Obliegenheit zur Mitwirkung am Verfahren ohne zureichenden Grund nicht nach und lassen sich die Anspruchsvoraussetzungen aufgrund der unberechtigt verweigerten Mitwirkung nicht beweisen, so geht das zu Lasten des für seinen Anspruch beweispflichtigen Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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