L 4 KR 229/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 670/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 229/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenerstattung für einen Krankentransport von W. (Österreich) nach N. in Höhe von 836,00 Euro.

Der 1988 geborene und über seinen Vater bei der Beklagten familienversicherte Kläger erlitt am Samstag, den 27. Dezember 2003, in W. (Österreich) beim Snowboardfahren einen Sportunfall mit distaler Tibiafraktur links. Er wurde von dem dort ansässigen Arzt für Allgemeinmedizin und Sportarzt Dr. B. am 27. Dezember 2003 medizinisch versorgt u.a. mit Arzneimitteln und Krücken. Der Arzt forderte hierfür 519,12 Euro.

Der Kläger ließ sich noch am 27. Dezember 2003 mit einem Fahrzeug des Samariter-Bundes (Rettungsstelle S.) liegend nach N. fahren; der Samariter-Bund berechnete hierfür am 14. Januar 2004 836,00 Euro. Der Kläger ließ mit Schreiben vom 19. Januar 2004 bei der Beklagten die Erstattung sämtlicher durch den Unfall herbeigeführten Behandlungs- und Fahrkosten beantragen. Die Beklagte kürzte die Fahrkosten zum behandelnden Arzt, die Behandlungskosten sowie die Kosten für Arznei-, Verband- und Hilfsmittel und lehnte die Kostenerstattung für den Krankentransport mittels Krankenwagen i.H.v. 836,00 Euro formlos ab (Gesamtkürzung 1.131,05 Euro). Hiergegen erhob der Vater des Klägers mit Schreiben vom 9. Februar 2004 Einwendungen.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2004 erläuterte die Beklagte die Kürzungen und lehnte die Kostenerstattung für den Rücktransport vom Ausland nachhause ab; diese Leistung sei von der Leistungspflicht der Krankenversicherung ausgeschlossen.

Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben vom 7. März 2004 Widerspruch einlegen. Am Unfalltag sei vorort nur eine Erstversorgung durch den Notfallarzt durchgeführt worden (Anlegen eines provisorischen Gipses durch den Allgemeinarzt). Eine weitere Behandlung, die mit Transport verbunden war, sei nötig gewesen.

Mit dem weiteren Bescheid vom 12. März 2004 erläuterte die Beklagte noch einmal ihren Standpunkt.

Auch hiergegen ließ der Kläger Widerspruch einlegen. Er legte das ärztliche Attest von Dr. B. vom 16. April 2004 vor, wonach er wegen der Tibiafraktur am 27. Dezember 2003 zur Behandlung nach N. transportiert werden musste und erinnerte an die Zahlung.

Die Beklagte wies mit dem Widerspruchsbescheid vom 24. November 2004 den Widerspruch zurück. Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB V) würden die Kosten des Rücktransports in das Inland nicht übernommen. Transportkosten vom Urlaubsort nachhause seien grundsätzlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die ärztliche Behandlung nur in Deutschland und nicht in Österreich möglich gewesen sein sollte.

Der Kläger hat hiergegen am 23. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erheben und Kostenerstattung für den Rücktransport nachhause i.H.v. 836,00 Euro beantragen lassen.

Das SG hat mit Urteil vom 23. Juni 2005 die Klage abgewiesen. Nach dem SGB V seien die Kosten für einen Rücktransport vom Ausland in das Inland von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Es sei Versicherten, die Urlaubsreisen machen, zuzumuten, sich gegen das mit einer am Urlaubsort auftretenden Erkrankung verbundene Transportrisiko durch den Abschluss einer Privatversicherung zu schützen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 8. August 2005, die trotz Hinweises des Senats nicht begründet worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Es spricht nichts dafür, dass der Rücktransport vom Wintersportort nach N. eine unaufschiebbare Leistung gewesen sein sollte. Zu den unaufschiebbaren Leistungen zählen krankenversicherungsrechtliche Notfälle, Versorgungslücken und Systemstörungen (Kassler Kommentar-Höfler, § 13 SGB V, Rdnr. 33 m.w.N. der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)). Es ist allgemein bekannt, dass an Wintersportorten die typischerweise auftretenden Knochenbrüche durch dort ansässige Ärzte und Krankenhäuser versorgt werden können. Der Kläger war also insoweit nicht darauf angewiesen, zur Behandlung an seinen Wohnort N. gefahren zu werden.

Selbst wenn eine schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung angenommen und mangelnde ärztliche Versorgungsmöglichkeiten am Wintersportort unterstellt werden, wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, entweder direkt oder über Dritte (Eltern, behandelnder Arzt) noch vor Inanspruchnahme des Rücktransports nach Deutschland (z.B. telefonischen) Kontakt mit der Krankenkasse aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten. Denn nach der oben genannten Anspruchsgrundlage ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Ablehnung der Krankenkasse und der Leistungsbeschaffung Voraussetzung für eine Kostenerstattung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG müssen sich in beiden Fällen (unaufschiebbare Leistung oder unrechtmäßige Leistungsablehnung) die Versicherten vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des Sachleistungssystems grundsätzlich an ihre Krankenkasse wenden, sich dort über die bestehenden Leistungsmöglichkeiten beraten lassen und entsprechend Anträge stellen. Dabei kommt es auf die Erfolgsaussichten des Antrags nicht an, zumal unklar ist und sich kaum abstrakt festlegen lässt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Versicherte von einer als sicher zu erwartenden Ablehnung ausgehen darf (BSG vom 15. April 1997 SozR 3-2500 § 13 Nr. 5; BSG vom 4. März 1999, B 1 KR 44/98 B, unveröffentlicht). Nach dem Urteil des BSG vom 20. Mai 2003 (SozR 4-2500 § 13 Nr. 1 m.w.N.) lassen Gesetzeswortlaut und -zweck die dahingehende Annahme nicht zu, dass eine vorherige Entscheidung der Kasse entbehrlich sein müsse, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststehe. Es ist weder unzumutbar, noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung in der Art des zwingenden Verfahrenserfordernisses davon abhängig gemacht wird, dass die Krankenkasse zuvor Gelegenheit hatte, über die Berechtigung der außervertraglichen Leistung zu befinden.

Überdies kommt eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 zweite Alternative SGB V wegen unrechtmäßiger Leistungsverweigerung auch deshalb nicht infrage, weil gemäß § 60 Abs. 4 SGB V die Kostenübernahme des Rücktransports in das Inland von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Zwar bleibt § 18 SGB V unberührt, aber ein derartiger Fall der Kostenerstattung für eine Auslandsbehandlung liegt hier bei der Behandlung in einem Mitgliedstaat der EU nicht vor. Es handelt sich hier um einen Rücktransport im Sinne des § 60 Abs. 4 SGB V, nämlich um die Rückreise von einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt in das Inland. Dieser Leistungsausschluss verstößt bei einem Rücktransport von einem Mitgliedsstaat der EU nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz), die Freizügigkeit innerhalb der EU oder ein europarechtliches Diskriminierungsverbot (BSG vom 23. Februar 1999, BSGE 83, 185).

Die Kostentscheidung beruht auf 193 SGG. Der Senat weist den Kläger noch auf folgendes hin: Gemäß § 192 SGG besteht die Möglichkeit, bei missbräuchlicher Fortführung des Rechtsstreits die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Falls der Kläger künftig ein derart aussichtslose Verfahren wieder betreibt, muss er mit einer Heranziehung zu den nicht unbeträchtlichen Verfahrenskosten rechnen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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