Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2656/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 975/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten für ein Liegedreirad des Typs "KettWiesel" in Höhe von EUR 1.980,00 zu erstatten hat.
Der am 1996 geborene Kläger ist bei der Beklagten über seinen Vater familienkrankenversichert und bei deren Pflegekasse familienpflegeversichert. Er leidet nach dem Arztbrief des Dr. S., Facharzt für Kinderheilkunde, vom 16. Dezember 2004 an einer komplexen Hirnfehlbildung mit Hemimegacephalie rechts und ausgeprägter Berührungsstörung links frontal, einer Hemiparese rechts, einer infantilen spastischen Lähmung und einer symptomatischen fokalen Epilepsie. Der Kläger bezieht von der Pflegekasse Leistungen nach Pflegestufe II (vgl. dazu Gutachten der Pflegefachkraft Se. von Medizinischen Dienst der Krankenversicherung [MDK] Baden-Württemberg in K. vom 02. Februar 2006). Der Kläger besucht seit 2004 eine Regelgrundschule. Die Beklagte hatte dem Kläger im August 2003 ein Haverich-Behindertendreirad (Preis EUR 1.236,33) zur Verfügung gestellt.
Wegen infantiler spastischer Lähmung verordnete Dr. S. dem Kläger am 11. Januar 2005 ein Liegedreirad. In dem zuvor genannten Arztbrief vom 16. Dezember 2004 führte Dr. S. dazu aus, der Kläger habe 2004 operiert werden müssen; seine alte Lauffähigkeit habe er nur schwer wiedererlangt. Zur weiteren Förderung der Muskelkraft und Koordination solle jetzt eine Erweiterung seines Aktionsradius außerhalb des Wohnbereichs erfolgen. Um eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit zu sichern, benötige der Kläger ein durch ihn zu betätigendes Fahrzeug mit kipp- und fahrsicherer Bauart. Dafür eigne sich das Spezialrad KettWiesel der Firma Hase sehr gut. Aufgrund der Ausstattung werde die Koordination der Körperhälften und der unteren sowie oberen Extremitäten gefördert und die Muskulatur werde gekräftigt und im Sinne einer neuen Bewegungsart geschult sowie optimiert. Kleine Besorgungen und Besuche könnten später selbstständig erledigt werden. Das physische und psychische Durchhaltevermögen werde gesteigert. Aufgrund der besonderen Konstruktion sei eine ergonomische und rückenfreundliche Fahrhaltung gewährleistet. Diese Bewegungshilfe wäre für den Kläger eine wertvolle, den ganzen Körper fördernde und fordernde Ergänzung zur krankengymnastischen Therapie. Aufgrund der dadurch erreichten Prävention im Hinblick auf Infekte, Gelenkversteifungen, Muskelfehlfunktionen sowie psychische Stabilität könnten therapeutische Maßnahmen reduziert werden und stationäre Aufenthalte würden unwahrscheinlich. In diesem Sinne sei die Kostenübernahme äußerst wirtschaftlich und gewähre dem Kläger ausreichende ganzheitliche Förderung. Unter Vorlage dieses Arztbriefs, der Verordnung sowie eines Kostenvoranschlags von Haasies Radschlag Siebecke und Lange GbR (GbR) vom 10. Januar 2005 über EUR 2.252,00 (Hase Spezial-Rad - Liegedreirad - KettWiesel EUR 1.980,00 sowie Zubehör EUR 272,00) beantragten die Eltern für den Kläger die Zurverfügungstellung des Liegedreirads KettWiesel. Sie machten geltend, mit dem bisherigen Behindertenfahrrad komme der Kläger in keiner Weise selbstständig zu recht; er könne es daher nicht nutzen; mit dem Liegedreirad der Marke KettWiesel, das sie für ein Wochenende ausgeliehen hätten, habe der Kläger völlig selbstständig große Strecken fahren können. Zur Herstellung und Aufrechterhaltung einer wesentlich größeren Mobilität müssten die Kosten für ein solches Liegedreirad übernommen werden. Die Beklagte holte eine Sozialmedizinische Beratung des Dr. W. vom MDK in K. vom 02. März 2005 ein. Dieser führte aus, aus den Unterlagen gehe hervor, dass dem Kläger ein Dreirad für Behinderte bereits 2003 von der Kasse zur Verfügung gestellt worden sei. Bei dem beantragten Spezialliegedreirad mit Neun-Gang-Schaltung handle es sich um ein Dreirad, dass das Maß des Notwendigen überschreite. Sicher sei damit auch langstreckige Fortbewegung möglich; dies zu ermöglichen liege aber nicht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Allein zur Ermöglichung der selbstständigen Fortbewegung, zur Schulung der Stütz- und Gleichgewichtsreaktionen und der Bewegungskoordination wie auch zur Vergrößerung des Aktionsraums sei ein Behindertenrad aus der Produktgruppe 22.51.02.0 ausreichend und zweckmäßig. Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2006, wovon auch die GdR unterrichtet wurde, die Zurverfügungstellung des Liegedreirads ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er vortrug, er habe nach § 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) im Rahmen einer Einzelfallentscheidung Anspruch auf ein Liegedreirad. Aufgrund der Parese falle es ihm sehr schwer, längere Zeit aufrecht zu sitzen; bei der Benutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Behindertenfahrrads mit Stützrädern verlasse ihn sehr rasch, spätestens nach ungefähr einem Kilometer, völlig die Kraft und er müsse dann überwiegend geschoben werden. Am gefährlichsten sei auch die starke Kippgefahr wegen des hohen Schwerpunkts und seinem mangelnden Gleichgewichtsgefühl. Er habe nun die Möglichkeit gehabt, ein KettWiesel-Liegedreirad für ein Wochenende gegen Gebühr auszuleihen. Dabei habe sich gezeigt, dass durch die liegende Haltung sich die durch die Parese bedingten Probleme wesentlich verkleinert hätten. Seine Handhabung sei kinderleicht. Er sei damit auch in der Lage, bis ins nächste Dorf zu fahren (fünf km als einfacher Weg), was eine Vervielfachung seines bisherigen Aktionsradius bedeuten würde. Mittels des Liegedreirads wäre er in der Lage, kleinere und mit etwas Übung bestimmt auch größere Radtouren mit seiner Familie sowie später sogar mit seinen Freunden zu unternehmen, was zu den elementaren Grundbedürfnissen in seinem Alter gehöre. Es sei ihm erstmals möglich geworden, selbstständig und ohne fremde Hilfe leichte, am zweiten Tag sogar schon etwas stärkere Steigungen zu bewältigen. Durch den sehr niedrigen Schwerpunkt sei das Liegedreirad KettWiesel extrem kippsicher. Bedingt durch den gegenüber einem Fahrrad mit sitzender Haltung extrem niedrigeren Einstieg sei er in der Lage, fast völlig ohne Hilfe auf das Liegedreirad aufzusitzen; er könne mit dem Liegedreirad völlig selbstständig und aus eigener Kraft Fahrrad fahren. Gegenüber einem Fahrrad mit sitzender Haltung sei auch der erheblich niedrigere Einstieg zu berücksichtigen, der ihm zugute komme. Die Zurverfügungstellung des KettWiesel werde ferner durch wichtige medizinische Aspekte gerechtfertigt, worauf auch Dr. S. hingewiesen habe. Mit dem Liegerad wäre endlich die Bewegungsart gefunden, die er ohne Widerstand auch längere Zeit und regelmäßig durchführen könnte. Durch das regelmäßige Training würde das physische und psychische Durchhaltevermögen gesteigert werden. Auch die Hand-Fuß-Koordination und die Rechts-Links-Koordination würden trainiert. Gleiches gelte für das Kreislauf- und Atmungssystem, zumal er sehr häufig an Infektionen leide. Eine starke Erweiterung und Anregung sei auch für seine psychosoziale Entwicklung von großer Bedeutung. Trainiert und gestärkt würde auch das gesamte Muskelsystem, vor allem das der Beinmuskeln. Ferner würden bei liegender Fahrhaltung die Handgelenke sehr geschont. Das Liegedreirad der Marke KettWiesel würde auch eine sinnvolle und wertvolle Unterstützung der Krankengymnastik darstellen. Es sprächen auch finanzielle Aspekte für eine Zurverfügungstellung des Liegedreirads. Weiter sei zu berücksichtigen, dass das KettWiesel bis zum Erwachsenenalter mit wachse und keine weitere Anschaffung mehr nötig machen wolle. Die Zurverfügungstellung sei zum Ausgleich seines behinderungsbedingten Nachteils, kein Fahrrad fahren zu können, notwendig. Im März 2006 schaffte sich der Kläger das Liegedreirad einschließlich Zubehör an, wofür ihm die GdR am 20. März 2006 insgesamt "EUR 2.252,00", richtig EUR 2.221,50 (EUR 1.980,00 für das Rad und EUR 241,50 für Zubehör) in Rechnung stellte. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 21. Juni 2005 zurückgewiesen.
Am 12. Juli 2005 erhob der Kläger deswegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er verwies auf die Begründung des Widerspruchs und trug ergänzend vor, bei dem neuen Dreirad benötige er lediglich beim Anschnallen Hilfe. Fahren könne er dann ohne Weiteres selbst. Es sei nicht erforderlich, ihn zu schieben oder zu halten. Im Verkehr verhalte er sich regelkonform. Bei ihm gehe es nicht um die Versorgung eines Erwachsenen mit einem Liegedreirad, bei ihm gehe es um den Anspruch eines zehnjährigen Kindes. Sein Fall sei im Lichte des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juli 2002 (B 3 KR 3/02 R) zu beurteilen. Sein Grundbedürfnis auf Teilnahme an den üblichen Betätigungen Gleichaltriger könne nur durch die Benutzung des Liegedreirads entsprochen werden. Nur die halb liegende Position gewährleiste eine stabile Lage und befähige ihn, seine Freizeit mit Fahrradfahren im Freundeskreis und mit den Eltern zu verbringen. Insoweit verweise er auch auf die vom SG eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärzte. Es stelle sich das Liegedreirad als einziges Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung dar, dass anerkannte Grundbedürfnis auf Kommunikation und Teilhabe zu realisieren. Er bestreite auch, dass es sich bei dem Liegedreirad um einen Gebrauchsgegenstand handele. Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 14. September 2006 bereit, die Kosten für die behindertengerechte Zusatzausstattung in Höhe von EUR 241,50 sowie auch die außergerichtlichen Kosten zu einem Neuntel zu erstatten. Mit weiterem Schriftsatz vom 04. Dezember 2006 gab sie ein entsprechendes Teilanerkenntnis ab. Der Kläger nahm dieses Teilanerkenntnis an. Im Übrigen trat die Beklagte der Klage entgegen. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als Sachverständige Zeugen des Dr. S. vom 19. April 2006, der auch zahlreiche weitere Arztbriefe einreichte, sowie der Dr. Sc., Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, vom 18. April 2006.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2007, der den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangesbekenntnis am 30. Januar 2007 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe dem Kläger ein Neuntel seiner außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Es führte aus, bei dem Liegedreirad KettWiesel handele es sich nicht um ein Hilfsmittel, sondern um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, wie sich aus dem Urteil des BSG vom 24. Mai 2006 (B 3 KR 16/05 R) ergebe. Denn wie das BSG in der genannten Entscheidung festgestellt habe, werde das Liegedreirad seit 1996 von der Firma Hase für den Gebrauch durch jedermann hergestellt und auch so beworben.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. Februar 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Kläger macht geltend, nach seiner Ansicht seien die vollständigen Kosten für das Liegedreirad zu übernehmen. Die Ablehnung könne nicht auf das Urteil des BSG vom 24. Mai 2006 (B 3 KR 16/05 R) gestützt werden. Nach Auskunft des Herstellers werde das streitgegenständliche Liegedreirad de facto so gut wie ausschließlich an Kinder mit Behinderungen verkauft. Deswegen handele es sich nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Dass der Hersteller bei der Bewerbung seines Produkts bemüht sei, auch andere Personenkreise zu erschließen, könne kein maßgebliches Beurteilungskriterium sein, dass müsse um so mehr gelten, als das BSG ausdrücklich von einer Geeignetheit des Liegedreirads der Marke Kettwiesel ausgegangen sei. Vor diesem Hintergrund erachte er auch die Berufung auf das ältere Urteil des BSG vom 23. Juli 2002 nach wie vor für zulässig und entscheidungsrelevant. Das angeschaffte Liegedreirad Kettwiesel diene der Integration in Gruppen Gleichaltriger und damit dem Behindertenausgleich. Das Rad sei durch den Ausgleich der behinderungsbedingten Nachteile durch seine Bauart für ihn ein Hilfsmittel. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass er in der vierten Klasse mit dem Liegedreirad den üblichen Fahrradführerschein erlangt habe. Ohne das Liegedreirad hätte er an den fest im Lehrplan verankerten Fahrradunterricht nicht teilnehmen können; das Rad sei insoweit eine wichtige und unverzichtbare Hilfe zum Gelingen schulischer Integration in der Regelgrundschule. Dadurch werde auch bestätigt, dass er sich umsichtig und altersgemäß im Straßenverkehr zu verhalten wisse. Auf die von den Eltern des Klägers vorgelegte Stellungnahme vom 08. Juli 2007 wird Bezug genommen. Der Kläger hat ebenfalls ein Werbeprospekt hinsichtlich des Liegedreirads Kettwiesel vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2005 zu verurteilen, ihm weitere Kosten in Höhe von EUR 1.980,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat eine Produktbeschreibung des von ihr dem Kläger im August 2003 zur Verfügung gestellten Haverich-Behindertendreirads vorgelegt. Ihr sei das angeschaffte Liegedreirad zur Teilnahme an Aktivitäten anderer Jugendlicher und damit zur Integration in Gruppen gleichaltriger Jugendlicher als einem anzuerkennenden Grundbedürfnis nicht geeignet. Aufgrund der Erkrankung des Klägers, nämlich der Epilepsie, sei die Anwesenheit eines Erwachsenen erforderlich, denn Jugendliche wären bei einem Anfall der Situation nicht gewachsen. Die Anwesenheit eines Erwachsenen werde von den Jugendlichen bei ihren Aktivitäten üblicherweise nicht akzeptiert. Das Radfahren als solches sei kein Grundbedürfnis des täglichen Lebens und führe daher auch nicht zu einem Anspruch des Behinderten auf ein Hilfsmittel. Gemeinsame Ausflüge mit der Familie oder im Freundeskreis seien für die soziale Integration des Klägers von unter geordneter Bedeutung. Der Kläger habe durch seine Geschwister und durch den Besuch der Schule gute und ausreichende Möglichkeiten der sozialen Integration und Kommunikation. Es stelle sich auch die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Erkrankung und der Einnahme der notwendigen Medikamente überhaupt am Verkehr teilnehmen könne und dürfe. Ferner stelle das Liegedreirad des Typs KettWiesel einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar. Denn dieses Rad werde vom Hersteller seit Jahren für den Gebrauch für jedermann vermarktet und verkauft. Dies werde auch dadurch deutlich, dass zusätzlich zahlreiches "Reha-Zubehör" angeboten werde. Also erst durch die zusätzliche Umrüstung werde das Fahrrad behinderten tauglich. Die Auskunft des Herstellers, dass das Liegedreirad de facto so gut wie ausschließlich an Behinderte Kinder verkauft würde, lasse keine anderen Schluss zu.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Streitig ist - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des Senats erörtert worden ist - noch die Erstattung von Kosten für das selbstbeschaffte Liegedreirad Delta des Models KettWiesel der Firma Hase in Höhe von EUR 1.980,00. Dieser "Betrag Fahrrad" ist in der vom Kläger beim SG eingereichten Rechnung der GbR vom 20. März 2006 aufgeführt und entspricht auch dem im Kostenvoranschlag vom 30. Januar 2005 für das Liegedreirad genannten Preis. Ein Betrag von EUR 2.010,50 für das Liegedreirad, wie ihn das SG im Gerichtsbescheid und der Kläger in der Berufungsbegründung genannt hat, ist nicht belegt. Der Berechnung dieses Betrages liegt als Ausgangspunkt der in der Rechnung der GbR vom 20. März 2006 fehlerhaft genannte Gesamtbetrag von EUR 2.252,00 zu Grunde. Bei Addition des Betrages Fahrrad von EUR 1.980,00 und der Summe Zubehör von EUR 241,50 ergibt sich ein Gesamtbetrag von EUR 2.221,50. Hinsichtlich des in der Rechnung vom 20. März 2006 insoweit genannten Betrags von EUR 241,50 als Summe des Zubehörs ist der Rechtsstreit durch angenommenes Teilanerkenntnis erledigt worden. Dass dem Kläger auch der weiter nur im Kostenvoranschlag genannte Zubehör, nämlich ein Spezialpedal, mit Haken und Riemen, links und ein Rückspiegel (Gesamtpreis EUR 30,50), auch ausgeliefert und damit in Rechnung gestellt wurde, ist nicht belegt.
Soweit die Beklagte die Zurverfügungstellung des Liegedreirads in dem Bescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2005 abgelehnt hat, sind die Bescheide rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hatte, wie das SG zutreffend entschieden hat, keinen nach § 33 SGB V (hier anwendbar in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung) zu beurteilenden Anspruch auf Zurverfügungstellung des Liegedreirads, weshalb er auch keine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V beanspruchen kann. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Zwar wird von der Rechtsprechung bei behinderten Jugendlichen zumindest bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres auch deren Integration in das Lebensumfeld nicht behinderter Gleichaltriger als Grundbedürfnis des täglichen Lebens anerkannt, zu dessen Ausgleich bzw. Befriedigung eine Hilfsmittelversorgung notwendig sein kann (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 27 und 46; zuletzt auch Urteil vom 24. Mai 2006 - B 3 KR 16/05 R). Danach kann es geboten sein, den behinderten Jugendlichen mittels eines Hilfsmittels zur Förderung der Integration im Kreise Gleichaltriger die Möglichkeiten zu verschaffen, die denjenigen nahekommen, die andere Jugendliche mit Hilfe eines Fahrrads realisieren könnten. Diesem Grundbedürfnis des Klägers, der unstreitig im Hinblick auf die bei ihm bestehenden Erkrankungen nicht in der Lage ist, ein normales Fahrrad zu benützen, hatte die Beklagte ersichtlich dadurch Rechnung getragen, dass sie ihm im August 2003 ein Haverich-Behindertendreirad zur Verfügung gestellt hatte. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob der Kläger, wie von seinem Vater im Erörterungstermin vor dem SG am 06. März 2006 geltend gemacht, mit diesem Behindertendreirad, sei es auch nach der im April 2004 operativ durchgeführten Spitzfußkorrektur, nicht (mehr) zurechtgekommen ist, weil er damit Steigungen praktisch nicht bewältigen konnte und Probleme mit dem Aufsteigen hatte, also Fahren in sitzender Haltung ihm nicht möglich ist. Umgekehrt braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger bei der Benutzung des Liegedreirads Hilfe nur beim Anschnallen benötigt, wozu Dr. Sc. in der Auskunft vom 18. April 2006 angegeben hat, der Kläger könne insoweit alleine aufsitzen, ob das beim Kläger 2004 festgestellte Anfallsleiden eine Benutzung des Liegedreirads im öffentlichen Verkehr ausschließt und ob mittels dieses Liegedreirads seine Integration im Kreise Gleichaltriger gefördert wird. Dazu haben die Eltern des Klägers in der schriftlichen Stellungnahme vom 08. Juli 2007 dargelegt, der Kläger habe mit dem KettWiesel-Liegedreirad in der vierten Grundschulklasse an dem Fahrradunterricht teilgenommen und die von der Polizei abgenommene Fahrradprüfung bestanden. Auch ist von kleineren Fahrten mit Freunden ohne Erwachsene die Rede.
Entgegen der Ansicht des Klägers schied ein Anspruch auf Versorgung mit dem Liegedreirad KettWiesel deswegen aus, weil es sich dabei in der Grundausstattung um einen Gebrauchsgegenstand des tätlichen Lebens handelt. Ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens liegt dann nicht vor, wenn er nicht speziell für die Bedürfnisse Behinderter konstruiert worden und nicht nur oder überwiegend von Behinderten eingesetzt wird (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 27, 33 und 46; auch Urteil vom 24. Mai 2006 - B 3 KR 16/05 R -). Insoweit hat das BSG im genannten Urteil vom 24. Mai 2006 festgestellt, dass das Liegedreirad KettWiesel seit 1996 von der Firma Hase für den Gebrauch durch jedermann ("Trike-Fans") hergestellt und so auch beworben ("der Favorit aller Trike-Fans", "das leichte Dreirad zum Spaß haben") wird; insoweit werde lediglich zusätzlich zahlreiches "Reha-Zubehör" für dieses Liegedreirad angeboten. Nur dieses Zubehör kann danach im Einzelfall in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallen, nämlich dann, wenn es dazu dient, das konventionelle Liegedreirad KettWiesel so umzurüsten und anzupassen, dass es von einem behinderten Menschen sicher und möglichst ohne fremde Hilfe beim Auf- und Absitzen benutzt werden kann. Dieses "Hase-Spezialzubehör" als "Lösungen für alle Fälle" "besonders im Reha-Bereich" wird durch den vom Kläger vorgelegten Prospekt über dieses Zubehör anschaulich gemacht. Dieser Prospekt über das Zubehör im Reha-Bereich bestätigt die Einschätzung, die das BSG im Urteil vom 24. Mai 2006 getroffen hat, weshalb sich der Senat der Einschätzung des BSG anschließt. Dass für die vom Kläger derzeit benutzte (mitwachsende) Kindervariante etwas anderes gelten soll, vermag der Senat nicht festzustellen. Auch der Umstand, dass diese Kindervariante tatsächlich überwiegend an behinderte Kinder verkauft wird, begründet seine Hilfsmitteleigenschaft anstelle eines Gebrauchsgegenstands des täglichen Lebens nicht.
Soweit sich der Kläger auf das Urteil des BSG vom 23. Juli 2002 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 46) beruft, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn bei dem dort zur Förderung der Teilnahme an der üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger streitigen "behindertengerechten Dreirad" wurde, so das BSG, "zutreffend davon ausgegangen, dass es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt, weil es speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert worden ist und nur von Behinderten eingesetzt wird". Damit scheidet eine besondere Abgrenzung des Hilfsmittels von dem Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens bei Jugendlichen aus.
Danach war die Berufung zurückzuweisen. Darauf, ob bei Bejahung des Liegedreirads als Hilfsmittel im Übrigen als Eigenanteil des Klägers ein Betrag in Höhe der durchschnittlichen Anschaffungskosten eines handelsüblichen Markenfahrrads in Abzug zu bringen wäre (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) kommt es nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten für ein Liegedreirad des Typs "KettWiesel" in Höhe von EUR 1.980,00 zu erstatten hat.
Der am 1996 geborene Kläger ist bei der Beklagten über seinen Vater familienkrankenversichert und bei deren Pflegekasse familienpflegeversichert. Er leidet nach dem Arztbrief des Dr. S., Facharzt für Kinderheilkunde, vom 16. Dezember 2004 an einer komplexen Hirnfehlbildung mit Hemimegacephalie rechts und ausgeprägter Berührungsstörung links frontal, einer Hemiparese rechts, einer infantilen spastischen Lähmung und einer symptomatischen fokalen Epilepsie. Der Kläger bezieht von der Pflegekasse Leistungen nach Pflegestufe II (vgl. dazu Gutachten der Pflegefachkraft Se. von Medizinischen Dienst der Krankenversicherung [MDK] Baden-Württemberg in K. vom 02. Februar 2006). Der Kläger besucht seit 2004 eine Regelgrundschule. Die Beklagte hatte dem Kläger im August 2003 ein Haverich-Behindertendreirad (Preis EUR 1.236,33) zur Verfügung gestellt.
Wegen infantiler spastischer Lähmung verordnete Dr. S. dem Kläger am 11. Januar 2005 ein Liegedreirad. In dem zuvor genannten Arztbrief vom 16. Dezember 2004 führte Dr. S. dazu aus, der Kläger habe 2004 operiert werden müssen; seine alte Lauffähigkeit habe er nur schwer wiedererlangt. Zur weiteren Förderung der Muskelkraft und Koordination solle jetzt eine Erweiterung seines Aktionsradius außerhalb des Wohnbereichs erfolgen. Um eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit zu sichern, benötige der Kläger ein durch ihn zu betätigendes Fahrzeug mit kipp- und fahrsicherer Bauart. Dafür eigne sich das Spezialrad KettWiesel der Firma Hase sehr gut. Aufgrund der Ausstattung werde die Koordination der Körperhälften und der unteren sowie oberen Extremitäten gefördert und die Muskulatur werde gekräftigt und im Sinne einer neuen Bewegungsart geschult sowie optimiert. Kleine Besorgungen und Besuche könnten später selbstständig erledigt werden. Das physische und psychische Durchhaltevermögen werde gesteigert. Aufgrund der besonderen Konstruktion sei eine ergonomische und rückenfreundliche Fahrhaltung gewährleistet. Diese Bewegungshilfe wäre für den Kläger eine wertvolle, den ganzen Körper fördernde und fordernde Ergänzung zur krankengymnastischen Therapie. Aufgrund der dadurch erreichten Prävention im Hinblick auf Infekte, Gelenkversteifungen, Muskelfehlfunktionen sowie psychische Stabilität könnten therapeutische Maßnahmen reduziert werden und stationäre Aufenthalte würden unwahrscheinlich. In diesem Sinne sei die Kostenübernahme äußerst wirtschaftlich und gewähre dem Kläger ausreichende ganzheitliche Förderung. Unter Vorlage dieses Arztbriefs, der Verordnung sowie eines Kostenvoranschlags von Haasies Radschlag Siebecke und Lange GbR (GbR) vom 10. Januar 2005 über EUR 2.252,00 (Hase Spezial-Rad - Liegedreirad - KettWiesel EUR 1.980,00 sowie Zubehör EUR 272,00) beantragten die Eltern für den Kläger die Zurverfügungstellung des Liegedreirads KettWiesel. Sie machten geltend, mit dem bisherigen Behindertenfahrrad komme der Kläger in keiner Weise selbstständig zu recht; er könne es daher nicht nutzen; mit dem Liegedreirad der Marke KettWiesel, das sie für ein Wochenende ausgeliehen hätten, habe der Kläger völlig selbstständig große Strecken fahren können. Zur Herstellung und Aufrechterhaltung einer wesentlich größeren Mobilität müssten die Kosten für ein solches Liegedreirad übernommen werden. Die Beklagte holte eine Sozialmedizinische Beratung des Dr. W. vom MDK in K. vom 02. März 2005 ein. Dieser führte aus, aus den Unterlagen gehe hervor, dass dem Kläger ein Dreirad für Behinderte bereits 2003 von der Kasse zur Verfügung gestellt worden sei. Bei dem beantragten Spezialliegedreirad mit Neun-Gang-Schaltung handle es sich um ein Dreirad, dass das Maß des Notwendigen überschreite. Sicher sei damit auch langstreckige Fortbewegung möglich; dies zu ermöglichen liege aber nicht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Allein zur Ermöglichung der selbstständigen Fortbewegung, zur Schulung der Stütz- und Gleichgewichtsreaktionen und der Bewegungskoordination wie auch zur Vergrößerung des Aktionsraums sei ein Behindertenrad aus der Produktgruppe 22.51.02.0 ausreichend und zweckmäßig. Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2006, wovon auch die GdR unterrichtet wurde, die Zurverfügungstellung des Liegedreirads ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er vortrug, er habe nach § 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) im Rahmen einer Einzelfallentscheidung Anspruch auf ein Liegedreirad. Aufgrund der Parese falle es ihm sehr schwer, längere Zeit aufrecht zu sitzen; bei der Benutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Behindertenfahrrads mit Stützrädern verlasse ihn sehr rasch, spätestens nach ungefähr einem Kilometer, völlig die Kraft und er müsse dann überwiegend geschoben werden. Am gefährlichsten sei auch die starke Kippgefahr wegen des hohen Schwerpunkts und seinem mangelnden Gleichgewichtsgefühl. Er habe nun die Möglichkeit gehabt, ein KettWiesel-Liegedreirad für ein Wochenende gegen Gebühr auszuleihen. Dabei habe sich gezeigt, dass durch die liegende Haltung sich die durch die Parese bedingten Probleme wesentlich verkleinert hätten. Seine Handhabung sei kinderleicht. Er sei damit auch in der Lage, bis ins nächste Dorf zu fahren (fünf km als einfacher Weg), was eine Vervielfachung seines bisherigen Aktionsradius bedeuten würde. Mittels des Liegedreirads wäre er in der Lage, kleinere und mit etwas Übung bestimmt auch größere Radtouren mit seiner Familie sowie später sogar mit seinen Freunden zu unternehmen, was zu den elementaren Grundbedürfnissen in seinem Alter gehöre. Es sei ihm erstmals möglich geworden, selbstständig und ohne fremde Hilfe leichte, am zweiten Tag sogar schon etwas stärkere Steigungen zu bewältigen. Durch den sehr niedrigen Schwerpunkt sei das Liegedreirad KettWiesel extrem kippsicher. Bedingt durch den gegenüber einem Fahrrad mit sitzender Haltung extrem niedrigeren Einstieg sei er in der Lage, fast völlig ohne Hilfe auf das Liegedreirad aufzusitzen; er könne mit dem Liegedreirad völlig selbstständig und aus eigener Kraft Fahrrad fahren. Gegenüber einem Fahrrad mit sitzender Haltung sei auch der erheblich niedrigere Einstieg zu berücksichtigen, der ihm zugute komme. Die Zurverfügungstellung des KettWiesel werde ferner durch wichtige medizinische Aspekte gerechtfertigt, worauf auch Dr. S. hingewiesen habe. Mit dem Liegerad wäre endlich die Bewegungsart gefunden, die er ohne Widerstand auch längere Zeit und regelmäßig durchführen könnte. Durch das regelmäßige Training würde das physische und psychische Durchhaltevermögen gesteigert werden. Auch die Hand-Fuß-Koordination und die Rechts-Links-Koordination würden trainiert. Gleiches gelte für das Kreislauf- und Atmungssystem, zumal er sehr häufig an Infektionen leide. Eine starke Erweiterung und Anregung sei auch für seine psychosoziale Entwicklung von großer Bedeutung. Trainiert und gestärkt würde auch das gesamte Muskelsystem, vor allem das der Beinmuskeln. Ferner würden bei liegender Fahrhaltung die Handgelenke sehr geschont. Das Liegedreirad der Marke KettWiesel würde auch eine sinnvolle und wertvolle Unterstützung der Krankengymnastik darstellen. Es sprächen auch finanzielle Aspekte für eine Zurverfügungstellung des Liegedreirads. Weiter sei zu berücksichtigen, dass das KettWiesel bis zum Erwachsenenalter mit wachse und keine weitere Anschaffung mehr nötig machen wolle. Die Zurverfügungstellung sei zum Ausgleich seines behinderungsbedingten Nachteils, kein Fahrrad fahren zu können, notwendig. Im März 2006 schaffte sich der Kläger das Liegedreirad einschließlich Zubehör an, wofür ihm die GdR am 20. März 2006 insgesamt "EUR 2.252,00", richtig EUR 2.221,50 (EUR 1.980,00 für das Rad und EUR 241,50 für Zubehör) in Rechnung stellte. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 21. Juni 2005 zurückgewiesen.
Am 12. Juli 2005 erhob der Kläger deswegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er verwies auf die Begründung des Widerspruchs und trug ergänzend vor, bei dem neuen Dreirad benötige er lediglich beim Anschnallen Hilfe. Fahren könne er dann ohne Weiteres selbst. Es sei nicht erforderlich, ihn zu schieben oder zu halten. Im Verkehr verhalte er sich regelkonform. Bei ihm gehe es nicht um die Versorgung eines Erwachsenen mit einem Liegedreirad, bei ihm gehe es um den Anspruch eines zehnjährigen Kindes. Sein Fall sei im Lichte des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juli 2002 (B 3 KR 3/02 R) zu beurteilen. Sein Grundbedürfnis auf Teilnahme an den üblichen Betätigungen Gleichaltriger könne nur durch die Benutzung des Liegedreirads entsprochen werden. Nur die halb liegende Position gewährleiste eine stabile Lage und befähige ihn, seine Freizeit mit Fahrradfahren im Freundeskreis und mit den Eltern zu verbringen. Insoweit verweise er auch auf die vom SG eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärzte. Es stelle sich das Liegedreirad als einziges Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung dar, dass anerkannte Grundbedürfnis auf Kommunikation und Teilhabe zu realisieren. Er bestreite auch, dass es sich bei dem Liegedreirad um einen Gebrauchsgegenstand handele. Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 14. September 2006 bereit, die Kosten für die behindertengerechte Zusatzausstattung in Höhe von EUR 241,50 sowie auch die außergerichtlichen Kosten zu einem Neuntel zu erstatten. Mit weiterem Schriftsatz vom 04. Dezember 2006 gab sie ein entsprechendes Teilanerkenntnis ab. Der Kläger nahm dieses Teilanerkenntnis an. Im Übrigen trat die Beklagte der Klage entgegen. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als Sachverständige Zeugen des Dr. S. vom 19. April 2006, der auch zahlreiche weitere Arztbriefe einreichte, sowie der Dr. Sc., Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, vom 18. April 2006.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2007, der den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangesbekenntnis am 30. Januar 2007 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe dem Kläger ein Neuntel seiner außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Es führte aus, bei dem Liegedreirad KettWiesel handele es sich nicht um ein Hilfsmittel, sondern um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, wie sich aus dem Urteil des BSG vom 24. Mai 2006 (B 3 KR 16/05 R) ergebe. Denn wie das BSG in der genannten Entscheidung festgestellt habe, werde das Liegedreirad seit 1996 von der Firma Hase für den Gebrauch durch jedermann hergestellt und auch so beworben.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. Februar 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Kläger macht geltend, nach seiner Ansicht seien die vollständigen Kosten für das Liegedreirad zu übernehmen. Die Ablehnung könne nicht auf das Urteil des BSG vom 24. Mai 2006 (B 3 KR 16/05 R) gestützt werden. Nach Auskunft des Herstellers werde das streitgegenständliche Liegedreirad de facto so gut wie ausschließlich an Kinder mit Behinderungen verkauft. Deswegen handele es sich nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Dass der Hersteller bei der Bewerbung seines Produkts bemüht sei, auch andere Personenkreise zu erschließen, könne kein maßgebliches Beurteilungskriterium sein, dass müsse um so mehr gelten, als das BSG ausdrücklich von einer Geeignetheit des Liegedreirads der Marke Kettwiesel ausgegangen sei. Vor diesem Hintergrund erachte er auch die Berufung auf das ältere Urteil des BSG vom 23. Juli 2002 nach wie vor für zulässig und entscheidungsrelevant. Das angeschaffte Liegedreirad Kettwiesel diene der Integration in Gruppen Gleichaltriger und damit dem Behindertenausgleich. Das Rad sei durch den Ausgleich der behinderungsbedingten Nachteile durch seine Bauart für ihn ein Hilfsmittel. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass er in der vierten Klasse mit dem Liegedreirad den üblichen Fahrradführerschein erlangt habe. Ohne das Liegedreirad hätte er an den fest im Lehrplan verankerten Fahrradunterricht nicht teilnehmen können; das Rad sei insoweit eine wichtige und unverzichtbare Hilfe zum Gelingen schulischer Integration in der Regelgrundschule. Dadurch werde auch bestätigt, dass er sich umsichtig und altersgemäß im Straßenverkehr zu verhalten wisse. Auf die von den Eltern des Klägers vorgelegte Stellungnahme vom 08. Juli 2007 wird Bezug genommen. Der Kläger hat ebenfalls ein Werbeprospekt hinsichtlich des Liegedreirads Kettwiesel vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2005 zu verurteilen, ihm weitere Kosten in Höhe von EUR 1.980,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat eine Produktbeschreibung des von ihr dem Kläger im August 2003 zur Verfügung gestellten Haverich-Behindertendreirads vorgelegt. Ihr sei das angeschaffte Liegedreirad zur Teilnahme an Aktivitäten anderer Jugendlicher und damit zur Integration in Gruppen gleichaltriger Jugendlicher als einem anzuerkennenden Grundbedürfnis nicht geeignet. Aufgrund der Erkrankung des Klägers, nämlich der Epilepsie, sei die Anwesenheit eines Erwachsenen erforderlich, denn Jugendliche wären bei einem Anfall der Situation nicht gewachsen. Die Anwesenheit eines Erwachsenen werde von den Jugendlichen bei ihren Aktivitäten üblicherweise nicht akzeptiert. Das Radfahren als solches sei kein Grundbedürfnis des täglichen Lebens und führe daher auch nicht zu einem Anspruch des Behinderten auf ein Hilfsmittel. Gemeinsame Ausflüge mit der Familie oder im Freundeskreis seien für die soziale Integration des Klägers von unter geordneter Bedeutung. Der Kläger habe durch seine Geschwister und durch den Besuch der Schule gute und ausreichende Möglichkeiten der sozialen Integration und Kommunikation. Es stelle sich auch die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Erkrankung und der Einnahme der notwendigen Medikamente überhaupt am Verkehr teilnehmen könne und dürfe. Ferner stelle das Liegedreirad des Typs KettWiesel einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar. Denn dieses Rad werde vom Hersteller seit Jahren für den Gebrauch für jedermann vermarktet und verkauft. Dies werde auch dadurch deutlich, dass zusätzlich zahlreiches "Reha-Zubehör" angeboten werde. Also erst durch die zusätzliche Umrüstung werde das Fahrrad behinderten tauglich. Die Auskunft des Herstellers, dass das Liegedreirad de facto so gut wie ausschließlich an Behinderte Kinder verkauft würde, lasse keine anderen Schluss zu.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Streitig ist - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des Senats erörtert worden ist - noch die Erstattung von Kosten für das selbstbeschaffte Liegedreirad Delta des Models KettWiesel der Firma Hase in Höhe von EUR 1.980,00. Dieser "Betrag Fahrrad" ist in der vom Kläger beim SG eingereichten Rechnung der GbR vom 20. März 2006 aufgeführt und entspricht auch dem im Kostenvoranschlag vom 30. Januar 2005 für das Liegedreirad genannten Preis. Ein Betrag von EUR 2.010,50 für das Liegedreirad, wie ihn das SG im Gerichtsbescheid und der Kläger in der Berufungsbegründung genannt hat, ist nicht belegt. Der Berechnung dieses Betrages liegt als Ausgangspunkt der in der Rechnung der GbR vom 20. März 2006 fehlerhaft genannte Gesamtbetrag von EUR 2.252,00 zu Grunde. Bei Addition des Betrages Fahrrad von EUR 1.980,00 und der Summe Zubehör von EUR 241,50 ergibt sich ein Gesamtbetrag von EUR 2.221,50. Hinsichtlich des in der Rechnung vom 20. März 2006 insoweit genannten Betrags von EUR 241,50 als Summe des Zubehörs ist der Rechtsstreit durch angenommenes Teilanerkenntnis erledigt worden. Dass dem Kläger auch der weiter nur im Kostenvoranschlag genannte Zubehör, nämlich ein Spezialpedal, mit Haken und Riemen, links und ein Rückspiegel (Gesamtpreis EUR 30,50), auch ausgeliefert und damit in Rechnung gestellt wurde, ist nicht belegt.
Soweit die Beklagte die Zurverfügungstellung des Liegedreirads in dem Bescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2005 abgelehnt hat, sind die Bescheide rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hatte, wie das SG zutreffend entschieden hat, keinen nach § 33 SGB V (hier anwendbar in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung) zu beurteilenden Anspruch auf Zurverfügungstellung des Liegedreirads, weshalb er auch keine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V beanspruchen kann. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Zwar wird von der Rechtsprechung bei behinderten Jugendlichen zumindest bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres auch deren Integration in das Lebensumfeld nicht behinderter Gleichaltriger als Grundbedürfnis des täglichen Lebens anerkannt, zu dessen Ausgleich bzw. Befriedigung eine Hilfsmittelversorgung notwendig sein kann (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 27 und 46; zuletzt auch Urteil vom 24. Mai 2006 - B 3 KR 16/05 R). Danach kann es geboten sein, den behinderten Jugendlichen mittels eines Hilfsmittels zur Förderung der Integration im Kreise Gleichaltriger die Möglichkeiten zu verschaffen, die denjenigen nahekommen, die andere Jugendliche mit Hilfe eines Fahrrads realisieren könnten. Diesem Grundbedürfnis des Klägers, der unstreitig im Hinblick auf die bei ihm bestehenden Erkrankungen nicht in der Lage ist, ein normales Fahrrad zu benützen, hatte die Beklagte ersichtlich dadurch Rechnung getragen, dass sie ihm im August 2003 ein Haverich-Behindertendreirad zur Verfügung gestellt hatte. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob der Kläger, wie von seinem Vater im Erörterungstermin vor dem SG am 06. März 2006 geltend gemacht, mit diesem Behindertendreirad, sei es auch nach der im April 2004 operativ durchgeführten Spitzfußkorrektur, nicht (mehr) zurechtgekommen ist, weil er damit Steigungen praktisch nicht bewältigen konnte und Probleme mit dem Aufsteigen hatte, also Fahren in sitzender Haltung ihm nicht möglich ist. Umgekehrt braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger bei der Benutzung des Liegedreirads Hilfe nur beim Anschnallen benötigt, wozu Dr. Sc. in der Auskunft vom 18. April 2006 angegeben hat, der Kläger könne insoweit alleine aufsitzen, ob das beim Kläger 2004 festgestellte Anfallsleiden eine Benutzung des Liegedreirads im öffentlichen Verkehr ausschließt und ob mittels dieses Liegedreirads seine Integration im Kreise Gleichaltriger gefördert wird. Dazu haben die Eltern des Klägers in der schriftlichen Stellungnahme vom 08. Juli 2007 dargelegt, der Kläger habe mit dem KettWiesel-Liegedreirad in der vierten Grundschulklasse an dem Fahrradunterricht teilgenommen und die von der Polizei abgenommene Fahrradprüfung bestanden. Auch ist von kleineren Fahrten mit Freunden ohne Erwachsene die Rede.
Entgegen der Ansicht des Klägers schied ein Anspruch auf Versorgung mit dem Liegedreirad KettWiesel deswegen aus, weil es sich dabei in der Grundausstattung um einen Gebrauchsgegenstand des tätlichen Lebens handelt. Ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens liegt dann nicht vor, wenn er nicht speziell für die Bedürfnisse Behinderter konstruiert worden und nicht nur oder überwiegend von Behinderten eingesetzt wird (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 27, 33 und 46; auch Urteil vom 24. Mai 2006 - B 3 KR 16/05 R -). Insoweit hat das BSG im genannten Urteil vom 24. Mai 2006 festgestellt, dass das Liegedreirad KettWiesel seit 1996 von der Firma Hase für den Gebrauch durch jedermann ("Trike-Fans") hergestellt und so auch beworben ("der Favorit aller Trike-Fans", "das leichte Dreirad zum Spaß haben") wird; insoweit werde lediglich zusätzlich zahlreiches "Reha-Zubehör" für dieses Liegedreirad angeboten. Nur dieses Zubehör kann danach im Einzelfall in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallen, nämlich dann, wenn es dazu dient, das konventionelle Liegedreirad KettWiesel so umzurüsten und anzupassen, dass es von einem behinderten Menschen sicher und möglichst ohne fremde Hilfe beim Auf- und Absitzen benutzt werden kann. Dieses "Hase-Spezialzubehör" als "Lösungen für alle Fälle" "besonders im Reha-Bereich" wird durch den vom Kläger vorgelegten Prospekt über dieses Zubehör anschaulich gemacht. Dieser Prospekt über das Zubehör im Reha-Bereich bestätigt die Einschätzung, die das BSG im Urteil vom 24. Mai 2006 getroffen hat, weshalb sich der Senat der Einschätzung des BSG anschließt. Dass für die vom Kläger derzeit benutzte (mitwachsende) Kindervariante etwas anderes gelten soll, vermag der Senat nicht festzustellen. Auch der Umstand, dass diese Kindervariante tatsächlich überwiegend an behinderte Kinder verkauft wird, begründet seine Hilfsmitteleigenschaft anstelle eines Gebrauchsgegenstands des täglichen Lebens nicht.
Soweit sich der Kläger auf das Urteil des BSG vom 23. Juli 2002 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 46) beruft, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn bei dem dort zur Förderung der Teilnahme an der üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger streitigen "behindertengerechten Dreirad" wurde, so das BSG, "zutreffend davon ausgegangen, dass es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt, weil es speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert worden ist und nur von Behinderten eingesetzt wird". Damit scheidet eine besondere Abgrenzung des Hilfsmittels von dem Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens bei Jugendlichen aus.
Danach war die Berufung zurückzuweisen. Darauf, ob bei Bejahung des Liegedreirads als Hilfsmittel im Übrigen als Eigenanteil des Klägers ein Betrag in Höhe der durchschnittlichen Anschaffungskosten eines handelsüblichen Markenfahrrads in Abzug zu bringen wäre (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) kommt es nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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