L 14 RA 27/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 An 71/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RA 27/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 53/98 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. März 1997 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente ab 01.04.1996.

Den Rentenantrag des Klägers vom 23.04.1987 lehnte die LVA Rheinprovinz mit Bescheid vom 14.09.1987 ab. In dem hiergegen eingeleiteten Klageverfahren - S 14 J 230/87 - vor dem Sozialgericht Düsseldorf verpflichtete sich die jetzige Beklagte (dort als Beigeladene) in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts am 02.10.1991, dem Kläger unter Anerkennung des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit im April 1987 Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Sitzungsniederschrift vom 02.10.1991 findet sich in der Verwaltungsakte der Beklagten ebenso wie ein handschriftlicher Vermerk der Terminsvertreterin Frau P., derzeit laufe eine berufliche Reha-Maßnahme durch das Arbeitsamt Mönchengladbach mit voraussichtlichem Abschluß im Juni 1992. In der Folgezeit ermittelte die Beklagte zunächst zum Leistungsbezug des Klägers von der Bundesanstalt für Arbeit. Sie bewilligte ihm schließlich mit Bescheid vom 08.07.1992 aufgrund des Vergleichs im sozialgerichtlichen Verfahren Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 25.11.1987. Ausweislich einer Teilnahmebescheinigung der F. Gesellschaft für berufliche Bildung Mönchengladbach mbH vom 13.07.1992 erreichte der Kläger das Ziel der Umschulung zum technischen Zeichner. Letzter Unterrichts- bzw. Prüfungstag sei der 08.07.1992 gewesen. Mit Schreiben vom 05.08.1992 teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei seit dem 03.08.1992 wieder berufstätig. Diesem Schreiben war eine Kopie des Einstellungsvertrages als technischer Zeichner mit einem monatlichen Bruttogehalt von DM 2.600,-- beigefügt. Mit einem weiteren Schreiben vom 18.11.1994 informierte er die Beklagte, daß sich sein Gehalt geändert habe, der Bruttoverdienst betrage nunmehr DM 3.120,--. Die Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 04.07.1995 mitzuteilen, ob und bejahendenfalls durch wen berufsfördernde Maßnahmen durchgeführt worden seien. Der Kläger antwortete, durch das Arbeitsamt Mönchengladbach sei in der Zeit von 1990 bis 1992 eine Umschulung zum technischen Zeichner bei der F. in Mönchengladbach durchgeführt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.08.1995 hob die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Nach Abschluß der berufsfördernden Maßnahmen am 03.08.1992 habe keine Berufsunfähigkeit mehr bestanden. Die Aufhebung werde ab 01. September 1995 wirksam. Nachdem der Kläger hiergegen am 21.08.1995 Widerspruch eingelegt hatte, gab die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17.11.1995 Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Einstellung der Rentenzahlung zum 31.08.1995 zu äußern. Für die beabsichtigte Entscheidung könne es erheblich sein, ob sie für den Betroffenen zu einer unbilligen Härte führe. Nachdem sich der Kläger hierzu nicht weiter geäußert hatte, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.1996 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 03.04.1996 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 20.05.1996 hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Zahlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit bis zum 31.03.1996 anerkannt.

Der Kläger hat vorgebracht, der angefochtene Bescheid leide an einem Mangel der Anhörung, die durch das Schreiben der Beklagten vom 17.11.1995 nicht wirksam habe nachgeholt werden können. Er habe im Vertrauen auf den Bewilligungsbescheid seine persönliche Lebensführung eingerichtet und Dispositionen in finanzieller Hinsicht getroffen. Zudem sei er im Jahre 1994 Vater eines Kindes geworden. Die Beklagte habe ihn nicht darüber aufgeklärt, daß seine Rente nach Abschluß der berufsfördernden Maßnahmen wegfallen würde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.1996 zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit auch über den 31.03.1996 hinaus weiterhin auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf ihre Bescheide Bezug genommen. Mit Urteil vom 13.03.1997, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit Ansprüche über das Anerkenntnis der Beklagten vom 20.05.1996 hinaus geltend gemacht werden und der Beklagten 1/20 der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.

Gegen dieses ihm am 13.05.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.05.1997 Berufung eingelegt. Die Beklagte könne entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ihre Entscheidung nicht auf § 48 SGB X stützen. Die Umschulung sei am 08.07.1992 abgeschlossen worden. Der Bescheid, der vom gleichen Tag datiere, sei ihm erst nach diesem Zeitpunkt zugegangen. Eine Umdeutung des nach § 48 SGB X erteilten Bescheides in einen solchen nach § 45 SGB X komme nicht in Betracht. Im übrigen sei im Juli 1995 jedenfalls die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X verstrichen gewesen. Eine wesentliche Änderung des Lebenssachverhaltes sei auch nicht insofern eingetreten, als beim Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für den Beruf des technischen Zeichners bestanden habe. Denn dieses habe bereits bei Erlaß des Bescheides vorgelegen. Auch wenn mit dem Bescheid vom 08.07.1992 der vor dem Sozialgericht Düsseldorf geschlossene Vergleich ausgeführt worden sei, habe die Beklagte dennoch mit diesem Bescheid eine Regelung über den Beginn und die Höhe und damit über die Leistungsbewilligung selbst getroffen. Im übrigen müßten auch bei Erlaß von Ausführungsbescheiden Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, wie hier der Abschluß der Umschulung zum technischen Zeichner, beachtet werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.03.1997 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 09.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozeßakte und der Prozeßakte des Sozialgerichts Düsseldorf S 14 J 230/87 und der Rehabilitations-Akte des Arbeitsamts Mönchengladbach - St.Nr ... - vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.08.1995 und der Widerspruchsbescheid vom 08.03.1996 in der Fassung des mit Schriftsatz vom 20.05.1996 abgegebenen Teilanerkenntnisses sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente ab 01.04.1996 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Denn die Voraussetzungen des hier entsprechend anzuwendenden § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt.

In den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Abschluß des Vergleiches in dem Verfahren S 14 J 230/87 vor dem Sozialgericht Düsseldorf am 02.10.1991 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Mit erfolgreichem Abschluß der Umschulungsmaßnahme zum technischen Zeichner im Juli 1992 hat der Kläger keinen Anspruch mehr auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, § 43 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI, § 23 Abs. 2 Satz 3 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

Entgegen der Auffassung des Klägers enthält der Ausführungsbescheid vom 08.07.1992 nicht eine selbständige Regelung über die Bewilligung von Rente wegen Berufsunfähigkeit dem Grunde nach. Denn diese Entscheidung war schon in der Selbstverpflichtung der Beklagten enthalten, die diese im gerichtlichen Vergleich vom 02.10.1991 eingegangen war. Materiellrechtlich wirkt nämlich der Prozeßvergleich wie ein Vertrag, der eine seinem Inhalt entsprechende Neuordnung der rechtlichen Beziehungen zwischen den am Vergleich Beteiligten zur Folge hat (BVerwGE 28, 332). Der Vergleich begründet zwischen den Parteien die Verpflichtung, einander nach seiner Maßgabe zu behandeln. Es soll so sein, als ob ein Anspruch auf die im Vergleich zugestandenen Leistungen bestünde. Beide Teile sollen fortan das Gegebensein der im Vergleich niedergelegten Ansprüche nicht mehr bestreiten. Sie vereinbaren gegenseitige Behandlung nach Maßgabe des Vergleichs (BayVGH, Beschluss vom 17.02.1987 in BayVBl. 1987, 309). Jedenfalls ist durch den zwischen dem Kläger und der Beklagten vor dem Sozialgericht Düsseldorf am 02.10.1991 geschlossenen Vergleich eine Regelung getroffen worden, die Beklagte werde dem Kläger unter Anerkennung des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit im April 1987 Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen gewähren. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 08.07.1992 auch nur Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 25.11.1987 "aufgrund des Vergleichs im sozialgerichtlichen Verfahren" bewilligt. Die Bewilligungsentscheidung dem Grunde nach wird somit lediglich deklaratorisch wiederholt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die mit diesem Bescheid getroffene Feststellung der Leistungshöhe und des Rentenbeginns mit dem Anspruch dem Grunde nach in einem inneren Zusammenhang steht (vgl. Bley in RVO Gesamtkommentar § 96 SGG Anm. 4 c zum Problem der Einbeziehung sogenannter Ausführungsbescheide in die Regelung des § 96 SGG sowie BSG-Urteil vom 29.01.1992 - 9a RV 2/91 - zur Verwaltungsaktqualität von Ausführungsbescheiden).

Die Aufhebung von Bescheiden für die Zukunft nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist an keine Frist gebunden. Daß die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Ablauf des Monats wirksam wird, in dem der Widerspruchsbescheid dem Kläger bekanntgegeben wird, ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da er der hier streitigen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Rechtskraft
Aus
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