L 10 AL 302/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 Al 649/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 302/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Juni 1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 24.09.1992 zusteht.

Die im Jahre 1939 geborene, ledige Klägerin war vom 01.09.1959 bis 30.09.1989 bei der S ... AG beschäftigt, zuletzt als Team-Assistentin bei einem monatlichen Brutto-Arbeitsentgelt von 4.033,00 DM. Sie schied mit einer Abfindung von 85.000,00 DM aus. Bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 23.09.1992 bezog sie Arbeitslosengeld.

Im Antrag auf Alhi vom 09.09.1992 gab die Klägerin an, sie habe Mieteinnahmen aus einer Eigentumswohnung (ETW), zwei unbebaute Grundstücke im Gesamtwert von 210.000,00 DM und ein eigengenutztes Haus. Sie halte die Verwertung der zwei unbebauten Grundstücke für nicht zumutbar, weil die Grundstücke nicht schuldenfrei seien, ein gewisses Kapital zur Anschaffung der Grundstücke von ihren inzwischen nicht mehr lebenden Eltern stamme, das Gartengrundstück vielleicht noch Bauland werden könne bei ohnehin steigenden Grundstückspreisen, die Grund- stücke für den Notfall im Alter sein sollten und sie schließlich gewisse Aussichten habe, von der Fa. S ... in absehbarer Zeit wieder eingestellt zu werden. Die Abfindung sei aufgebraucht, ihr Girokonto um 10.000,00 DM überzogen. Bis September 1989 habe sie wenig Gelegenheit gehabt, Geld auszugeben, danach um so mehr.

Mit Bescheid vom 10.05.1993 lehnte die Beklagte den Alhi-Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit ab. Sie stützte sich auf eine Stellungnahme des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Bereich der kreisfreien Stadt Erlangen. Danach betrug der Verkehrswert des unbebauten Baugrundstückes 163.590,00 DM und der des Gartengrundstückes 52.500,00 DM. Unter Berücksichtigung der Freigrenze von 8.000,00 DM verblieben 208.090,00 DM. Bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (1.010,00 DM), sei die Klägerin für einen Zeitraum von 206 Wochen nicht bedürftig.

Im Widerspruchsverfahren brachte die Klägerin vor, von den 216.000,00 DM müssten Darlehensschulden in Höhe von 56.400,00 DM abgezogen werden. Außerdem sei ihr Haus mit einer Sicherungshypothek von 75.000,00 DM zugunsten ihres Bruders belastet. Das Haus sei elterliches Erbe und ihrem Bruder stehe die Hälfte des Verkehrswertes von 300.000,00 DM, also 150.000,00 DM zu. Ihre Eigentumswohnung (ETW) habe einen Wert von 150.000,00 DM; dem stünden Schulden in Höhe von 150.000,00 DM gegenüber. Aus dem Baugrundstück habe sie noch Schulden in Höhe von 22.000,00 DM, aus dem Gartengrundstück in Höhe von 11.000,00 DM. Bislang habe ihr Bruder den Erbanteil noch nicht abverlangt. Bei der Abgabe ihres Antrags auf Alhi Anfang September 1992 sei ihr gesagt worden, dass man bisher Immobilien zur Ablehnung von Alhi nicht herangezogen habe. Falls ihr Antrag in angemessener Frist (Ende September 1992) abgelehnt worden wäre, hätte sie sofort um Rente wegen Erwerbsunfähigkeit einreichen können, die sie ab 01.06.1993 bekomme. Acht Monate ohne Bezüge bedeute für sie einen großen Verlust.

Der Rechtsbehelf blieb im Widerspruchsbescheid vom 06.03.1995 ohne Erfolg. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung seien nur die unbebauten Grundstücke im Gesamtverkehrswert von 216.090,00 DM berücksichtigt worden, abzüglich Darlehensschulden in Höhe von 33.000,00 DM und des Freibetrages von 8.000,00 DM. Die verbleibenden 175.090,00 DM ergäben keine Bedürftigkeit für die Dauer von 173 Wochen. Bei zusätzlicher Berücksichtigung des Erbanteiles des Bruders in Höhe von 75.000,00 DM wäre noch für einen Zeitraum von 99 Wochen Bedürftigkeit nicht gegeben.

Zur Begründung ihrer hiergegen am 20.04.1995 erhobenen Klage hat die Klägerin zusätzlich ausgeführt: Sie habe im Jahre 1993 mit dem Baugrundstück als Sicherheit weitere Darlehen von 30.000,00 DM aufgenommen. Die ETW habe sie im Mai 1987 ohne Einsatz von Eigenkapital zur Steuerersparnis für einen Kaufpreis von 150.000,00 DM erworben.

Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat mit Urteil vom 12.06.1996, der Klägerin zugestellt am 08.07.1996, die Klage abgewiesen. Die Verwertung des Baugrundstücks und des Gartengrundstücks sei zumutbar, weil die Klägerin im Alter ihren Lebensunterhalt durch das Wohngrundstück und die ETW sowie ihre Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gesichert habe. Die zwei verwertbaren Grundstücke sicherten auch nicht den Erbausgleichsanspruch des Bruders, vielmehr sei zu dessen Gunsten eine Sicherungshypothek auf dem Hausgrundstück eingetragen. Bei Berücksichtigung von weiteren 75.000,00 DM für den Erbausgleichsanspruch verblieben noch 90.000,00 DM, die zu einem Ruhen des Alhi-Anspruchs für 89 Wochen führten. Selbst bei 125.000,00 DM statt 75.000,00 DM Erbausgleichsanspruch verblieben 40.000,00 DM, die zu einem Wegfall des Alhi-Anspruchs für 39 Wochen führen würde mit der Folge, dass der Klägerin in der Zeit vom 24.09.1992 bis 31.05.1993 keine Alhi zustünde. Zwar sei die Klägerin bei der Antragstellung nicht über die Erforderlichkeit einer Rentenantragstellung aufgeklärt worden. Aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne sie aber nur so gestellt werden, wie sie bei richtiger Beratung gestanden hätte. In diesem Falle hätte möglicherweise ein Erwerbsunfähigkeitsrentenanspruch bereits ab September 1992 bestanden. Die Beklagte könne jedoch nicht zur Gewährung einer Rente verurteilt werden. Insoweit käme lediglich die Durchführung eines Amtshaftungsprozesses oder ein Verfahren gegen die BfA in Betracht, wobei fraglich wäre, ob das möglicherweise falsche Verhalten der Bediensteten des Arbeitsamtes der BfA zuzurechnen sei.

Am 08.08.1996 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die ETW sei mit langfristigen Darlehen (Laufzeit 30 Jahre) belastet, ein Gewinn für die Alterssicherung werde sich hieraus nicht erzielen lassen. Die Mieteinnahmen deckten nicht die Belastungen. Seit September 1992 habe sie monatlich 140,00 DM Verlust gehabt, inzwischen seien es 340,00 DM. Eine steuerliche Absetzung sei nicht mehr gegeben. Die Wertsteigerung der Wohnung gehe durch die nicht deckenden Kosten wieder verloren. Ein Verkauf der Wohnung sei auch nicht möglich, da Wohnungen in Hochhäusern nicht mehr gefragt seien. Die Verwertung der unbebauten Grundstücke sei auch hier nicht zumutbar. Ihre Rente betrage infolge des frühen Ausscheidens aus dem Berufsleben nur 2.015,00 DM von der BfA und 398,00 DM von S ... Ihre Schulden hätten, wie schon im Widerspruchsverfahren vorgetragen, außer den 150.000,00 DM Schulden für die ETW 57.988,49 DM betragen. Das Wohnhaus habe einen Gesamtwert von 380.000,00 bis 400.000,00 DM, als Erbausgleichsanspruch ihres Bruders müssten deshalb mindestens 180.000,00 bis 200.000,00 DM angesetzt werden, ihre Schulden überstiegen deshalb insgesamt den Wert der unbebauten Grundstücke.

Die Klägerin beantragt,

Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.06.1996 und des Bescheids der Beklagten vom 10.05.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1995 und Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 24.09.1991 bis 31.05.1993.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, es erscheine wenig glaubhaft, dass bis zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi noch keinerlei Erbansprüche des Bruders befriedigt worden seien. Anzumerken sei auch, dass die Klägerin offensichtlich in der Lage gewesen sei, im fraglichen Zeitraum ihren Lebensunterhalt auf andere Weise als durch die Alhi sicherzustellen, ohne hierfür auf vorhandene Vermögenswerte zurückgreifen zu müssen.

Zu dem am 22.10.1998 ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG - B 7 AL 118/97 R -) hat die Beklagte ausgeführt, nach ihrer Auffassung könnten unbebaute Grundstücke nicht als Alterssicherung anerkannt werden.

Beigezogen sind die die Klägerin betreffenden Akten der Beklagten und des SG. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin ist für die Zeit, für die sie Alhi begehrt (24.09.1992 bis 31.05.1993, danach erhielt sie Erwerbsunfähigkeitsrente) nicht bedürftig iSd §§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 137 Abs 1 und 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm §§ 6-9 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO). Das SG und die Beklagte haben zu Recht die zwei unbebauten Grundstücke der Klägerin für zumutbar verwertbar gehalten.

Diese Grundstücke fallen nicht unter den Privilegierungstatbestand des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 Alhi-VO, wonach die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist, nicht zumutbar ist. Im Gegensatz zu der Auffassung der Beklagten kann auch ein unbebautes Grundstück der Alterssicherung dienen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 25.03.1999 - B 7 AL 28/98 R - nicht zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken unterschieden. Es hat vielmehr festgestellt, dass ein Haus- und Grundbesitz (an anderer Stelle Haus- und Grundvermögen) zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung - sei es in Form des Verbrauchs des Verkaufserlöses, des Erzielens von Mieteinnahmen oder als Alterswohnsitz - bestimmt sein und damit den Privilegierungstatbestand des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 Alhi-VO erfüllen kann.

Die Privilegierung setzt jedoch eine subjektive Zweckbestimmung des Vermögens voraus ("zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist"). Die objektiven Begleitumstände müssen im Einklang mit dieser subjektiven Zweckbestimmung stehen und diese damit glaubhaft machen (BSG aaO). Wegen der Besonderheiten der "Anlageform" Haus- und Grundbesitz, bei der es im Gegensatz zur Anlage von Kapital keine hinreichend sicheren Kriterien gibt, dass das Eigentum zur Alterssicherung bestimmt ist, sind an die Glaubwürdigkeit der Zweckbestimmung besondere Anforderungen zu stellen. Aus den gesamten objektivierbaren Umständen muss dieser "Alterssicherungswille" erkennbar sein (BSG aaO).

Als subjektive Zweckbestimmung hat die Klägerin genannt, die zwei unbebauten Grundstücke sollten für den Notfall im Alter sein. Ein Notfall ist etwas Außergewöhnliches. Damit kann nicht der normale Lebensunterhalt, dem die angemessene Alterssicherung des § 6 Alhi-VO zu dienen bestimmt ist, gemeint sein. Außerdem ist es unverständlich, dass jemand für den Notfall "im Alter" vorsorgen will, nicht aber für den Notfall ganz allgemein. Von einer Alterssicherung und einer allgemeinen Notfallvorsorge kann bei dieser Zweckbestimmung nicht ausgegangen werden.

Hinzu kommt, dass die Klägerin ihre unbebauten Grundstücke bis jetzt noch nicht verwertet hat, obwohl sie seit Jahren Rentnerin ist. Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung in § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 Alhi-VO meint eine die gesetzliche Altersrente ergänzende - private - Alterssicherung (BSG, Urteil vom 22.10.1998 - B 7 AL 118/97 R -). Die Klägerin hätte deshalb schon seit Beginn ihrer gesetzlichen Altersrente auch vom Wert, also vom Verkaufserlös eines der Grundstücke leben müssen.

Insgesamt ist die für den Privilegierungstatbestand erforderliche subjektive Zweckbestimmung nicht glaubhaft gemacht. Die objektiven Begleitumstände sprechen dagegen. Das SG hat deshalb zu Recht die Entscheidung der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin in der gesamten Zeit, für die sie Anspruch auf Alhi erhebt, nicht bedürftig war. Die Berufung gegen das Urteil vom 12.06.1996 war folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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