Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 5 SB 176/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 12/05 -26
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab November 2002.
Bei dem 1962 geborenen Kläger war durch Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales B vom 03. Juni 1998 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 wegen "Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Lendenwirbelsäulensyndrom nach Bandscheibenoperation in der Höhe L5/S1 links (08/1997), Nervenwurzelreizerscheinungen bei Spondylolisthesis in der Höhe L5/S1" nebst einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit anerkannt worden.
Am 27. Dezember 2000 stellte er einen Verschlimmerungsantrag unter Hinweis auf eine zweite Operation im November 2000. Beigefügt waren ein MRT-Befund der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 16. Oktober 2000, aus dem sich ein Rezidivprolaps bei L5/S1 sowie eine Bandscheibenprotrusion bei L4/5 ergab, und ein Arztbrief des Klinikums B vom 21. November 2000 über eine Laminektomie L5, Adhäsiolyse und NpP-Entfernung L5/S1 links, Reposition, Fixation und PLIF L5/S1 am 29. November 2000.
Der Beklagte holte zunächst eine ärztliche Auskunft der behandelnden Orthopädin Dr. S vom 11. Februar 2001 nebst weiteren Befunden ein. Mit Bescheid vom 19. April 2001 lehnte er den Antrag ab, da keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Lediglich die Leidensbezeichnung sei wie folgt anzupassen: "Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule, Bandscheibenoperation und Versteifungsoperation L5/S1, Bandscheibenverlagerung L4/5, Beinnervenstörung".
Seinen Widerspruch begründete der Kläger mit einer Stellungnahme der Ärztin für Arbeitsmedizin vom Betriebsärztlichen Dienst des Klinikums B C vom 30. April 2001, wonach er infolge der Schmerzen unter anderem an einem algogenen Psychosyndrom leide. Der Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht der B-Klinik vom 18. April 2001 bei und holte noch eine ärztliche Auskunft der Arbeitsmedizinerin C vom 07. September 2001 ein. Danach erließ er am 04. April 2002 einen (Teil)Abhilfe-Bescheid und stellte nunmehr einen GdB von 40 ab Antragstellung fest wegen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen; psychische Störung". Im Übrigen wurde das Begehren des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04. Oktober 2002 zurückgewiesen.
Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 begehrt und unter anderem unter Vorlage der vorläufigen Epikrise des Klinikums B vom 19. November 2002 auf einen weiteren Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) verwiesen.
Das Sozialgericht hat daraufhin zunächst einen Befundbericht der Frau C vom 25. September 2003 nebst zahlreichen medizinischen Unterlagen eingeholt.
Anschließend hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines nervenfachärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. K. In seinem am 02. April 2004 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Schluss gekommen, beim Kläger seien folgende Diagnosen zu stellen: a) Bandscheibenprolaps L5/S1 links mit Zustand nach Operation b) Wirbelgleiten c) Rechtskonvexe Thorakolumbalskoliose d) Bandscheibenprolaps C5/C6 und C6/C7 mit Zustand nach Operation e) Osteochondrose C4 - C7. Der GdB für die lumbalen Bandscheibenveränderungen sei unter Berücksichtigung des Wirbelgleitens und der daraus folgenden Instabilität seit dem 29. November 2000 mit 40 anzusetzen. Der GdB für die Veränderungen im HWS-Bereich sei mit 30 zu veranschlagen, woraus ab dem 12. November 2002 ein Gesamt-GdB von 60 resultiere.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die vom Sachverständigen erhobenen Befunde rechtfertigten nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" (AHP) unter Beachtung der psychischen Störungen maximal einen GdB von 40.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30. September 2004 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Sachverständigen Dr. K gehört. Dieser hat ausgeführt, bei dem Kläger bestehe ein als selbständiges Krankheitsbild anzusehendes chronisches Schmerzsyndrom, das zu einer psychischen Störung führe, die mit einem GdB von 10 zu bewerten sei. Als schwere Schädigung im Sinne der AHP sehe er die Gesamtheit der vorliegenden Einschränkungen an, nämlich insbesondere die Auswirkungen der Schmerzen und der Schlaflosigkeit.
Mit Urteil vom 30. September 2004 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Beklagten verurteilt, unter Änderung der angefochtenen Bescheide ab November 2002 bei dem Kläger einen GdB von 50 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat es sich weitgehend auf die Ausführungen des Dr. K gestützt.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und führt zur Begründung aus, nach den AHP seien beim Kläger keine besonders schweren funktionellen Auswirkungen festzustellen. Nur unter Berücksichtigung der Schmerzen sowie einer über das übliche Maß hinausgehenden psychischen Beeinträchtigung sei ein GdB von 40 gerechtfertigt.
Der Senat hat zunächst ermittelt durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. R vom 18. April 2005 sowie der Orthopädin Dr. S vom 19. Mai 2005.
In seinen auf Veranlassung des Senats abgegebenen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 14. November 2005 und 25. Januar 2006 hat der Sachverständige Dr. K seine Beurteilung aufrechterhalten. Aus neurologischer Sicht hätten die beim Kläger als Ausdruck der Beeinträchtigung motorischer Anteile der Nervenwurzeln vorhandenen Defizite in der Fixation des Schulterblattes im Sinne einer Scapula alata sowie Beeinträchtigungen der Muskulatur des linksseitigen Schultergürtels einen höheren Stellenwert bei der GdB-Bemessung als eine fragliche Bewegungsbeeinträchtigung der HWS.
Der Beklagte hält dem weiterhin entgegen, dass sich der GdB nach den AHP primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung sowie –instabilität und der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte ergebe.
Daraufhin hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines neurochirurgischen Sachverständigengutachtens von Dr. R. In seinem Gutachten vom 07. September 2006 gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, bei dem Kläger lägen folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen und GdB-Werte vor:
Von 02/2001 bis 10/2002 a) Chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend L5/S1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes und Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei Spondylolisthesis vera, degenerativen sowie postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 links (1997/2000) zuletzt mit Versteifung (PLIF) und Entwicklung eines Postdiskotomiesyndroms Grad 2 - GdB 40 – b) Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom mit Schulter-Arm-Syndrom links mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule - GdB 10 – c) Rechts konvexe Thorakolumbalskoliose - GdB 10 – d) Chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen mit schmerzbedingter psychischer Störung - GdB 10 - - Gesamt-GdB 40 -. Von 10/2002 bis 03/2005 a) Chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend L5/S1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes und Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei Spondylolisthesis vera, degenerativen sowie postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 links (1997/2000) zuletzt mit Versteifung (PLIF) und Entwicklung eines Postdiskotomiesyndroms Grad 2 - GdB 40 – b) Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links mit sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Schulter-Nacken-Bereichs bei degenerativen, spondylotischen sowie postoperativen Veränderungen der Halswirbelsäule nach Bandscheibenoperation C6/7 links (Foraminotomie 11/2002) - GdB 20 – c) Rechts konvexe Thorakolumbalskoliose - GdB 10 – d) Chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen mit schmerzbedingter psychischer Störung - GdB 10 - - Gesamt-GdB 50 -. Von 03/2005 bis jetzt a) Chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend L5/S1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes und Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei Spondylolisthesis vera, degenerativen sowie postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 links (1997/2000) zuletzt mit Versteifung (PLIF) und Entwicklung eines Postdiskotomiesyndroms Grad 2 - GdB 40 – b) Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend C7/Th1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Schuler-Nacken-Bereichs bei degenerativen, spondylotischen sowie postoperativen Veränderungen der Halswirbelsäule nach Bandscheibenoperation C6/7 links (Foraminotomie 11/2002) sowie bei neu aufgetretenem Bandscheibenvorfall C7/Th1 links (seit 3/2005) - GdB 30 – c) Rechts konvexe Thorakolumbalskoliose - GdB 10 – d) Chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen mit schmerzbedingter psychischer Störung - GdB 10 - - Gesamt-GdB 60-.
Der Beklagte bemängelt, der Sachverständige habe sich nicht an Nr. 26.18 der AHP gehalten. Die erhobenen Befunde ergäben eine mittelgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule in zwei Abschnitten. Nur unter besonderer Berücksichtigung der Schmerzhaftigkeit, wobei kritisch anzumerken sei, dass eine adäquate Schmerztherapie bisher nicht durchgeführt werde, könne auch unter Einbeziehung der leichten psychischen Beeinträchtigung eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 40 unterstützt werden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Februar 2007 ist der Sachverständige bei seiner Beurteilung unter anderem unter Verweis auf einen Aufsatz von Dr. Th. H "Die gutachterliche Bewertung von Bandscheibenoperationen einschließlich des Postdiskotomie-Syndroms" in Versicherungsmedizin 1991 Heft 43, S. 4ff verblieben. Der Beklagte kann sich der Bewertung des Sachverständigen weiterhin nicht anschließen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Gemäß § 69 Abs. 1 des ab dem 01. Juli 2001 geltenden Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit § 48 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Wesentlich ist eine Änderung nur dann, wenn eine Beeinträchtigung hinzutritt oder wegfällt und sich der Grad der Behinderung durch Verschlechterung oder Besserung der Beeinträchtigung um wenigstens 10 nach oben oder unten ändert oder wenn die Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichs nachträglich eingetreten oder weggefallen sind.
Zwar ist es hier zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers auf orthopädischem Gebiet insbesondere durch das Hinzutreten weiterer Bandscheibenvorfälle mit entsprechenden Funktionseinschränkungen und damit einer Zunahme der Beeinträchtigung des Klägers an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gekommen. Dem ist jedoch bereits ausreichend Rechnung getragen worden durch eine Erhöhung des GdB von 30 auf 40 mit Bescheid des Beklagten vom 04. April 2002. Darüber hinausgehend ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten.
Bei dieser Beurteilung stützt sich das Gericht auf die vorliegenden medizinischen Befunde der behandelnden Ärzte und insbesondere die anlässlich der Begutachtung durch Dr. R am 07. August 2006 festgestellten Befunde. Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen und der Gutachten ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger zwar Behinderungen vorliegen, die durch sie bedingten Funktionsstörungen jedoch nicht so schwerwiegend sind, dass sie die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertigten. Denn ein Gesamt-GdB von 50 kann beispielsweise nur angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beins im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bei bereits leichter Belastung (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996" (AHP 1996) Nr. 19 Abs. 2 bzw. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" von 2004 (AHP 2004) bzw. 2005 (AHP 2005)- Nr. 19 Abs. 2). Der GdB ist dabei ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Die Bewertung des GdB ist - als Rechtsfrage - im Wege der Schätzung durch das Gericht durchzuführen, wobei das Gericht sich der Mitwirkung eines fachkundigen Arztes versichern darf.
Die Leiden des Klägers sind unter Auswertung der beigezogenen medizinischen Befunde umfassend geklärt worden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. R aufgrund seiner Untersuchung am 07. August 2006 leidet der Kläger unter folgenden konkreten funktionellen Beeinträchtigungen, die nach der Neutral-Null-Methode ermittelt worden sind:
Im Bereich der Wirbelsäule Ist Norm Beweglichkeit der HWS Vor/Rückneigen 40/0/50 35-45/0/34-45 Seitneigung 30/0/30 45/0/45 Rotation 50/0/40 60-80/0/60-80
Beweglichkeit der LWS Seitneigung 20/0/20 30-40/0/30-40 Rotation 35/0/35 30-40/0/30-40 Ott 30/32 30/32 Schober 10/14 10/15 Finger-Boden-Abstand 43 cm
Im Bereich der großen Gelenke Ist Norm Beweglichkeit der Schultern beiderseits normal Beweglichkeit der Hüftgelenke beiderseits normal Beweglichkeit der Kniegelenke beiderseits normal Beweglichkeit der Sprunggelenke beiderseits normal
Neurologische Auffälligkeiten • Empfindungsstörung Innenseite des Ober- und Unterarms sowie der Kleinfinger links (Dermatom C7/Th1) und im Bereich aller Fingerendglieder 1-5 links (nicht segmental) • Lasègue links positiv im Liegen und Sitzen • PSR (Nervenwurzel L3/4) beiderseits rechts betont auslösbar • ASR (Nervenwurzel S1) rechts normal, links schwach auslösbar • Tibialis-posterior-Reflex (Nervenwurzel L5) rechts normal, links nicht auslösbar • Minderung der Schmerz- und Berührungsempfindlichkeit im Bereich des gesamten linken Beins entsprechend Dermatom L5 und S1.
Muskelminderung • Muskelrelief des Arms links diskret reduziert, d. h. minus 1-2 cm • Geringe Kraftminderung des m. pectoralis major links sowie des m. triceps brachii links entsprechend Kraftgrad 4; Kraftminderung des m. seratus anterior links • Seitengleiches Muskelrelief der Beinmuskulatur • Geringe Kraftminderung des m. gluteus maximus links (Gesäßmuskel; Nervenwurzel S1) sowie des m. tibialis anterior links (Fußheber; Nervenwurzel L4/5) entsprechend Kraftgrad 4.
Wirbelsäulenverformung • Geringe S-förmige skoliotische Seitabweichung im Bereich der BWS und LWS • Im BWS-Bereich Flachrücken • Im LWS-Bereich verminderte Lordose und mäßige Steilstellung.
Damit sind Funktionsbeeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (HWS und LWS) im Sinne von Bewegungseinschränkungen um teilweise bis zu einem Drittel sowie Nervenwurzelreizerscheinungen (Dermatome C7/Th1, L3/4 und L5/S1) nachgewiesen. Eine schwerwiegende Wirbelsäulenverformung, -versteifung oder –instabilität sowie motorische Ausfallerscheinungen/Lähmungserscheinungen oder wiederkehrende Störungen infolge einer Spinalkanalstenose sind nicht festgestellt worden. Der Gang ist normal raumgreifend. In der Vergangenheit häufig wiederkehrende Wirbelsäulensyndrome sind bekannt.
Der GdB bei Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden) ergibt sich vorrangig aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und –instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte (vgl. Nr. 26.18 Seite 139 der AHP 1996 bzw. S. 115 der AHP 2004/2005). Nach den AHP Nr. 26.18 Seite 140 (AHP 1996) bzw. Seite 116 (AHP 2005/2005) bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose) rechtfertigen einen GdB von 50 bis 70 (AHP a. a. O.).
Die tatsächlich festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule erlauben nach diesen Maßgaben nur einen GdB von maximal 40, da besonders schwere funktionelle Auswirkungen nicht vorliegen.
Soweit Dr. R in seinem Gutachten vom 07. September 2006 jeweils Einzel-GdB-Werte für die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ansetzt, widerspricht dies der Systematik der AHP. Diese bilden im Allgemeinen zusammenfassend GdB-Werte für das Funktionssystem der Wirbelsäule (vgl. Nr. 18 Absatz 4 und die Systematik der Nr. 26.18). Die von Dr. R in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2007 vorgebrachte Begründung: "Unter Berücksichtigung der schweren funktionellen Auswirkungen im Lendenwirbelsäulen- und Halswirbelsäulenbereich, die für sich einen GdB von 40 (LWS) und 30 (HWS) bewirken, ist die auf Seite 116 der AHP 2004 formulierte Behinderung "mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, GdB 30-40" meines Erachtens nach nicht ausreichend ( )" rechtfertigt ebenso wenig eine Abweichung von der Systematik der AHP wie die Begründung in seinem Gutachten. Dort hat er ausgeführt: "Da der Krankheitsverlauf beider Abschnitte der Wirbelsäule völlig unabhängig voneinander zustande gekommen ist, wurden die Behinderungen einzeln erfasst und der Gesamt-GdB gebildet" (S. 23 des Gutachtens). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den AHP die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt und sie wie eine untergesetzliche Norm anzuwenden sind. Die Beachtlichkeit der AHP ergibt sich im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zum einen daraus, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur dann gewährleistet ist, wenn die verschiedenen Behinderungen nach gleichen Maßstäben beurteilt werden; zum anderen stellen die AHP ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB dar (vgl. u. a. BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 2; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 6; BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5; BVerfG SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Die AHP wirken insofern normähnlich. Ihre generelle Richtigkeit kann deshalb durch Einzelfallgutachten nicht widerlegt werden. Demnach binden die darin aufgestellten Bewertungen die Gerichte zwar nicht, eine Abweichung von diesen setzt jedoch das Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall voraus. Derartige besondere Umstände kann der Senat hier nicht erkennen, auch der Sachverständige hat solche nicht benannt. Der von ihm übersandte – schon ältere - Aufsatz über die "gutachterliche Bewertung von Bandscheibenoperationen einschließlich des Postdiskotomie-Syndroms" enthält keine Hinweise für die Notwendigkeit einer anderen Bewertung der Wirbelsäulenschäden des Klägers.
Auch die im Rahmen des Krankheitsbildes bestehenden Schmerzen führen zu keiner anderen GdB-Bewertung. Grundsätzlich schließen die in der GdB-Tabelle der AHP angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände (vgl. Nr. 18 Abs. 8 der AHP 1996 und 2004/2005). Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom (vgl. Nr. 18 Abs. 8 der AHP 1996 und 2004/2005 sowie Nr. 26.18 Seite 140 der AHP 1996 bzw. S. 116 der AHP 2004/2005), welches zu einer Erhöhung des GdB führen könnte, hat der Sachverständige Dr. R verneint. Zwar erkennt er ein therapiebedürftiges chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen, bewertet dies jedoch nicht mit einem eigenständigen GdB, weil die chronischen Schmerzen schon von dem GdB-Wert für das Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom (Postnukleotomiesyndrom) mit umfasst seien (S. 23 des Gutachtens). Im Übrigen besteht auch unter Zugrundelegung der eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. R kein Anlass zu einer höheren Bewertung. Danach nimmt der Kläger zwei- bis dreimal pro Woche 10 bis 15 Tropfen Tramal®, wenn es nicht mehr anders geht, sowie regelmäßig Ibuprofen-ähnliche Tabletten, jedoch nicht täglich. Er hat sich "daran gewöhnt, dass er Schmerzen hat" (s. Seite 7 des Gutachtens von Dr. R). Nachts hat er wegen der Schmerzen Schlafstörungen. Er ist beschäftigt als Hausmeister. Fünf Etagen Treppen können mit Pausen bewältigt werden. Ein häufiges oder zielloses Wechseln der Ärzte, eine spezielle Schmerztherapie oder eine psychologische/psychiatrische Behandlung finden nicht statt.
Soweit Dr. R eine schmerzbedingte psychische Störung diagnostiziert und mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet, mag dies so hingenommen werden. Der Einzel-GdB von 10 führt jedenfalls nicht zu einer Erhöhung des GdB von 40 auf insgesamt 50. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist in dem Fall, dass mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen, wobei sich nach Nr. 19 Abs. 1 der AHP 1996 sowie 2004/2005 die Anwendung jeglicher Rechenmethoden, d. h. insbesondere die schlichte Addition der Einzel-GdB-Werte verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Beeinträchtigungen überschneiden und damit ineinander aufgehen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen ggf. gegenseitig verstärken. Dabei ist gem. Nr. 19 Abs. 4 der AHP zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die lediglich einen Einzel-GdB von 10 bedingen, von Ausnahmefällen abgesehen nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigungen führen. Unter Beachtung des Additionsverbotes und des Umstandes, dass die angenommene psychische Beeinträchtigung nur geringgradig ist, rechtfertigt sich ein Gesamt-GdB von 50 nicht.
Abschließend kann auch Dr. K mit seinem Gutachten vom 02. April 2004, seiner mündlichen Anhörung vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) vom 30. September 2004 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 14. November 2005 sowie 25. Januar 2006 nicht überzeugen. Ebenso wie Dr. R berücksichtigt auch er nicht die Vorgaben der AHP. Der Beklagte hat außerdem zu recht bemängelt, dass das Gutachten nahezu keine Angaben zu den hier maßgeblichen Funktionseinschränkungen enthält. Soweit der Sachverständige überhaupt Befund erhoben hat, weichen diese im Übrigen nicht wesentlich von den später von Dr. R festgestellten ab.
Nach alldem war der Berufung daher stattzugeben und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2004 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab November 2002.
Bei dem 1962 geborenen Kläger war durch Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales B vom 03. Juni 1998 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 wegen "Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Lendenwirbelsäulensyndrom nach Bandscheibenoperation in der Höhe L5/S1 links (08/1997), Nervenwurzelreizerscheinungen bei Spondylolisthesis in der Höhe L5/S1" nebst einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit anerkannt worden.
Am 27. Dezember 2000 stellte er einen Verschlimmerungsantrag unter Hinweis auf eine zweite Operation im November 2000. Beigefügt waren ein MRT-Befund der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 16. Oktober 2000, aus dem sich ein Rezidivprolaps bei L5/S1 sowie eine Bandscheibenprotrusion bei L4/5 ergab, und ein Arztbrief des Klinikums B vom 21. November 2000 über eine Laminektomie L5, Adhäsiolyse und NpP-Entfernung L5/S1 links, Reposition, Fixation und PLIF L5/S1 am 29. November 2000.
Der Beklagte holte zunächst eine ärztliche Auskunft der behandelnden Orthopädin Dr. S vom 11. Februar 2001 nebst weiteren Befunden ein. Mit Bescheid vom 19. April 2001 lehnte er den Antrag ab, da keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Lediglich die Leidensbezeichnung sei wie folgt anzupassen: "Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule, Bandscheibenoperation und Versteifungsoperation L5/S1, Bandscheibenverlagerung L4/5, Beinnervenstörung".
Seinen Widerspruch begründete der Kläger mit einer Stellungnahme der Ärztin für Arbeitsmedizin vom Betriebsärztlichen Dienst des Klinikums B C vom 30. April 2001, wonach er infolge der Schmerzen unter anderem an einem algogenen Psychosyndrom leide. Der Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht der B-Klinik vom 18. April 2001 bei und holte noch eine ärztliche Auskunft der Arbeitsmedizinerin C vom 07. September 2001 ein. Danach erließ er am 04. April 2002 einen (Teil)Abhilfe-Bescheid und stellte nunmehr einen GdB von 40 ab Antragstellung fest wegen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen; psychische Störung". Im Übrigen wurde das Begehren des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04. Oktober 2002 zurückgewiesen.
Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 begehrt und unter anderem unter Vorlage der vorläufigen Epikrise des Klinikums B vom 19. November 2002 auf einen weiteren Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) verwiesen.
Das Sozialgericht hat daraufhin zunächst einen Befundbericht der Frau C vom 25. September 2003 nebst zahlreichen medizinischen Unterlagen eingeholt.
Anschließend hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines nervenfachärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. K. In seinem am 02. April 2004 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Schluss gekommen, beim Kläger seien folgende Diagnosen zu stellen: a) Bandscheibenprolaps L5/S1 links mit Zustand nach Operation b) Wirbelgleiten c) Rechtskonvexe Thorakolumbalskoliose d) Bandscheibenprolaps C5/C6 und C6/C7 mit Zustand nach Operation e) Osteochondrose C4 - C7. Der GdB für die lumbalen Bandscheibenveränderungen sei unter Berücksichtigung des Wirbelgleitens und der daraus folgenden Instabilität seit dem 29. November 2000 mit 40 anzusetzen. Der GdB für die Veränderungen im HWS-Bereich sei mit 30 zu veranschlagen, woraus ab dem 12. November 2002 ein Gesamt-GdB von 60 resultiere.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die vom Sachverständigen erhobenen Befunde rechtfertigten nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" (AHP) unter Beachtung der psychischen Störungen maximal einen GdB von 40.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30. September 2004 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Sachverständigen Dr. K gehört. Dieser hat ausgeführt, bei dem Kläger bestehe ein als selbständiges Krankheitsbild anzusehendes chronisches Schmerzsyndrom, das zu einer psychischen Störung führe, die mit einem GdB von 10 zu bewerten sei. Als schwere Schädigung im Sinne der AHP sehe er die Gesamtheit der vorliegenden Einschränkungen an, nämlich insbesondere die Auswirkungen der Schmerzen und der Schlaflosigkeit.
Mit Urteil vom 30. September 2004 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Beklagten verurteilt, unter Änderung der angefochtenen Bescheide ab November 2002 bei dem Kläger einen GdB von 50 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat es sich weitgehend auf die Ausführungen des Dr. K gestützt.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und führt zur Begründung aus, nach den AHP seien beim Kläger keine besonders schweren funktionellen Auswirkungen festzustellen. Nur unter Berücksichtigung der Schmerzen sowie einer über das übliche Maß hinausgehenden psychischen Beeinträchtigung sei ein GdB von 40 gerechtfertigt.
Der Senat hat zunächst ermittelt durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. R vom 18. April 2005 sowie der Orthopädin Dr. S vom 19. Mai 2005.
In seinen auf Veranlassung des Senats abgegebenen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 14. November 2005 und 25. Januar 2006 hat der Sachverständige Dr. K seine Beurteilung aufrechterhalten. Aus neurologischer Sicht hätten die beim Kläger als Ausdruck der Beeinträchtigung motorischer Anteile der Nervenwurzeln vorhandenen Defizite in der Fixation des Schulterblattes im Sinne einer Scapula alata sowie Beeinträchtigungen der Muskulatur des linksseitigen Schultergürtels einen höheren Stellenwert bei der GdB-Bemessung als eine fragliche Bewegungsbeeinträchtigung der HWS.
Der Beklagte hält dem weiterhin entgegen, dass sich der GdB nach den AHP primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung sowie –instabilität und der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte ergebe.
Daraufhin hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines neurochirurgischen Sachverständigengutachtens von Dr. R. In seinem Gutachten vom 07. September 2006 gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, bei dem Kläger lägen folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen und GdB-Werte vor:
Von 02/2001 bis 10/2002 a) Chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend L5/S1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes und Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei Spondylolisthesis vera, degenerativen sowie postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 links (1997/2000) zuletzt mit Versteifung (PLIF) und Entwicklung eines Postdiskotomiesyndroms Grad 2 - GdB 40 – b) Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom mit Schulter-Arm-Syndrom links mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule - GdB 10 – c) Rechts konvexe Thorakolumbalskoliose - GdB 10 – d) Chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen mit schmerzbedingter psychischer Störung - GdB 10 - - Gesamt-GdB 40 -. Von 10/2002 bis 03/2005 a) Chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend L5/S1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes und Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei Spondylolisthesis vera, degenerativen sowie postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 links (1997/2000) zuletzt mit Versteifung (PLIF) und Entwicklung eines Postdiskotomiesyndroms Grad 2 - GdB 40 – b) Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links mit sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Schulter-Nacken-Bereichs bei degenerativen, spondylotischen sowie postoperativen Veränderungen der Halswirbelsäule nach Bandscheibenoperation C6/7 links (Foraminotomie 11/2002) - GdB 20 – c) Rechts konvexe Thorakolumbalskoliose - GdB 10 – d) Chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen mit schmerzbedingter psychischer Störung - GdB 10 - - Gesamt-GdB 50 -. Von 03/2005 bis jetzt a) Chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend L5/S1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes und Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei Spondylolisthesis vera, degenerativen sowie postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach zweimaliger Bandscheibenoperation L5/S1 links (1997/2000) zuletzt mit Versteifung (PLIF) und Entwicklung eines Postdiskotomiesyndroms Grad 2 - GdB 40 – b) Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom mit radikulärer Schmerzausstrahlung links entsprechend C7/Th1 sowie motorischer und sensibler Funktionsstörung fortbestehend und belastungsabhängig verstärkt mit Minderung der Trage- und Bewegungsfunktion des Schuler-Nacken-Bereichs bei degenerativen, spondylotischen sowie postoperativen Veränderungen der Halswirbelsäule nach Bandscheibenoperation C6/7 links (Foraminotomie 11/2002) sowie bei neu aufgetretenem Bandscheibenvorfall C7/Th1 links (seit 3/2005) - GdB 30 – c) Rechts konvexe Thorakolumbalskoliose - GdB 10 – d) Chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen mit schmerzbedingter psychischer Störung - GdB 10 - - Gesamt-GdB 60-.
Der Beklagte bemängelt, der Sachverständige habe sich nicht an Nr. 26.18 der AHP gehalten. Die erhobenen Befunde ergäben eine mittelgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule in zwei Abschnitten. Nur unter besonderer Berücksichtigung der Schmerzhaftigkeit, wobei kritisch anzumerken sei, dass eine adäquate Schmerztherapie bisher nicht durchgeführt werde, könne auch unter Einbeziehung der leichten psychischen Beeinträchtigung eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 40 unterstützt werden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Februar 2007 ist der Sachverständige bei seiner Beurteilung unter anderem unter Verweis auf einen Aufsatz von Dr. Th. H "Die gutachterliche Bewertung von Bandscheibenoperationen einschließlich des Postdiskotomie-Syndroms" in Versicherungsmedizin 1991 Heft 43, S. 4ff verblieben. Der Beklagte kann sich der Bewertung des Sachverständigen weiterhin nicht anschließen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Gemäß § 69 Abs. 1 des ab dem 01. Juli 2001 geltenden Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit § 48 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Wesentlich ist eine Änderung nur dann, wenn eine Beeinträchtigung hinzutritt oder wegfällt und sich der Grad der Behinderung durch Verschlechterung oder Besserung der Beeinträchtigung um wenigstens 10 nach oben oder unten ändert oder wenn die Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichs nachträglich eingetreten oder weggefallen sind.
Zwar ist es hier zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers auf orthopädischem Gebiet insbesondere durch das Hinzutreten weiterer Bandscheibenvorfälle mit entsprechenden Funktionseinschränkungen und damit einer Zunahme der Beeinträchtigung des Klägers an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gekommen. Dem ist jedoch bereits ausreichend Rechnung getragen worden durch eine Erhöhung des GdB von 30 auf 40 mit Bescheid des Beklagten vom 04. April 2002. Darüber hinausgehend ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten.
Bei dieser Beurteilung stützt sich das Gericht auf die vorliegenden medizinischen Befunde der behandelnden Ärzte und insbesondere die anlässlich der Begutachtung durch Dr. R am 07. August 2006 festgestellten Befunde. Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen und der Gutachten ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger zwar Behinderungen vorliegen, die durch sie bedingten Funktionsstörungen jedoch nicht so schwerwiegend sind, dass sie die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertigten. Denn ein Gesamt-GdB von 50 kann beispielsweise nur angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beins im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bei bereits leichter Belastung (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996" (AHP 1996) Nr. 19 Abs. 2 bzw. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" von 2004 (AHP 2004) bzw. 2005 (AHP 2005)- Nr. 19 Abs. 2). Der GdB ist dabei ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Die Bewertung des GdB ist - als Rechtsfrage - im Wege der Schätzung durch das Gericht durchzuführen, wobei das Gericht sich der Mitwirkung eines fachkundigen Arztes versichern darf.
Die Leiden des Klägers sind unter Auswertung der beigezogenen medizinischen Befunde umfassend geklärt worden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. R aufgrund seiner Untersuchung am 07. August 2006 leidet der Kläger unter folgenden konkreten funktionellen Beeinträchtigungen, die nach der Neutral-Null-Methode ermittelt worden sind:
Im Bereich der Wirbelsäule Ist Norm Beweglichkeit der HWS Vor/Rückneigen 40/0/50 35-45/0/34-45 Seitneigung 30/0/30 45/0/45 Rotation 50/0/40 60-80/0/60-80
Beweglichkeit der LWS Seitneigung 20/0/20 30-40/0/30-40 Rotation 35/0/35 30-40/0/30-40 Ott 30/32 30/32 Schober 10/14 10/15 Finger-Boden-Abstand 43 cm
Im Bereich der großen Gelenke Ist Norm Beweglichkeit der Schultern beiderseits normal Beweglichkeit der Hüftgelenke beiderseits normal Beweglichkeit der Kniegelenke beiderseits normal Beweglichkeit der Sprunggelenke beiderseits normal
Neurologische Auffälligkeiten • Empfindungsstörung Innenseite des Ober- und Unterarms sowie der Kleinfinger links (Dermatom C7/Th1) und im Bereich aller Fingerendglieder 1-5 links (nicht segmental) • Lasègue links positiv im Liegen und Sitzen • PSR (Nervenwurzel L3/4) beiderseits rechts betont auslösbar • ASR (Nervenwurzel S1) rechts normal, links schwach auslösbar • Tibialis-posterior-Reflex (Nervenwurzel L5) rechts normal, links nicht auslösbar • Minderung der Schmerz- und Berührungsempfindlichkeit im Bereich des gesamten linken Beins entsprechend Dermatom L5 und S1.
Muskelminderung • Muskelrelief des Arms links diskret reduziert, d. h. minus 1-2 cm • Geringe Kraftminderung des m. pectoralis major links sowie des m. triceps brachii links entsprechend Kraftgrad 4; Kraftminderung des m. seratus anterior links • Seitengleiches Muskelrelief der Beinmuskulatur • Geringe Kraftminderung des m. gluteus maximus links (Gesäßmuskel; Nervenwurzel S1) sowie des m. tibialis anterior links (Fußheber; Nervenwurzel L4/5) entsprechend Kraftgrad 4.
Wirbelsäulenverformung • Geringe S-förmige skoliotische Seitabweichung im Bereich der BWS und LWS • Im BWS-Bereich Flachrücken • Im LWS-Bereich verminderte Lordose und mäßige Steilstellung.
Damit sind Funktionsbeeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (HWS und LWS) im Sinne von Bewegungseinschränkungen um teilweise bis zu einem Drittel sowie Nervenwurzelreizerscheinungen (Dermatome C7/Th1, L3/4 und L5/S1) nachgewiesen. Eine schwerwiegende Wirbelsäulenverformung, -versteifung oder –instabilität sowie motorische Ausfallerscheinungen/Lähmungserscheinungen oder wiederkehrende Störungen infolge einer Spinalkanalstenose sind nicht festgestellt worden. Der Gang ist normal raumgreifend. In der Vergangenheit häufig wiederkehrende Wirbelsäulensyndrome sind bekannt.
Der GdB bei Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden) ergibt sich vorrangig aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und –instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte (vgl. Nr. 26.18 Seite 139 der AHP 1996 bzw. S. 115 der AHP 2004/2005). Nach den AHP Nr. 26.18 Seite 140 (AHP 1996) bzw. Seite 116 (AHP 2005/2005) bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose) rechtfertigen einen GdB von 50 bis 70 (AHP a. a. O.).
Die tatsächlich festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule erlauben nach diesen Maßgaben nur einen GdB von maximal 40, da besonders schwere funktionelle Auswirkungen nicht vorliegen.
Soweit Dr. R in seinem Gutachten vom 07. September 2006 jeweils Einzel-GdB-Werte für die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ansetzt, widerspricht dies der Systematik der AHP. Diese bilden im Allgemeinen zusammenfassend GdB-Werte für das Funktionssystem der Wirbelsäule (vgl. Nr. 18 Absatz 4 und die Systematik der Nr. 26.18). Die von Dr. R in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2007 vorgebrachte Begründung: "Unter Berücksichtigung der schweren funktionellen Auswirkungen im Lendenwirbelsäulen- und Halswirbelsäulenbereich, die für sich einen GdB von 40 (LWS) und 30 (HWS) bewirken, ist die auf Seite 116 der AHP 2004 formulierte Behinderung "mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, GdB 30-40" meines Erachtens nach nicht ausreichend ( )" rechtfertigt ebenso wenig eine Abweichung von der Systematik der AHP wie die Begründung in seinem Gutachten. Dort hat er ausgeführt: "Da der Krankheitsverlauf beider Abschnitte der Wirbelsäule völlig unabhängig voneinander zustande gekommen ist, wurden die Behinderungen einzeln erfasst und der Gesamt-GdB gebildet" (S. 23 des Gutachtens). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den AHP die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt und sie wie eine untergesetzliche Norm anzuwenden sind. Die Beachtlichkeit der AHP ergibt sich im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zum einen daraus, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur dann gewährleistet ist, wenn die verschiedenen Behinderungen nach gleichen Maßstäben beurteilt werden; zum anderen stellen die AHP ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB dar (vgl. u. a. BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 2; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 6; BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5; BVerfG SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Die AHP wirken insofern normähnlich. Ihre generelle Richtigkeit kann deshalb durch Einzelfallgutachten nicht widerlegt werden. Demnach binden die darin aufgestellten Bewertungen die Gerichte zwar nicht, eine Abweichung von diesen setzt jedoch das Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall voraus. Derartige besondere Umstände kann der Senat hier nicht erkennen, auch der Sachverständige hat solche nicht benannt. Der von ihm übersandte – schon ältere - Aufsatz über die "gutachterliche Bewertung von Bandscheibenoperationen einschließlich des Postdiskotomie-Syndroms" enthält keine Hinweise für die Notwendigkeit einer anderen Bewertung der Wirbelsäulenschäden des Klägers.
Auch die im Rahmen des Krankheitsbildes bestehenden Schmerzen führen zu keiner anderen GdB-Bewertung. Grundsätzlich schließen die in der GdB-Tabelle der AHP angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände (vgl. Nr. 18 Abs. 8 der AHP 1996 und 2004/2005). Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom (vgl. Nr. 18 Abs. 8 der AHP 1996 und 2004/2005 sowie Nr. 26.18 Seite 140 der AHP 1996 bzw. S. 116 der AHP 2004/2005), welches zu einer Erhöhung des GdB führen könnte, hat der Sachverständige Dr. R verneint. Zwar erkennt er ein therapiebedürftiges chronisches Schmerzsyndrom Stadium 2 nach Gerbershagen, bewertet dies jedoch nicht mit einem eigenständigen GdB, weil die chronischen Schmerzen schon von dem GdB-Wert für das Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom (Postnukleotomiesyndrom) mit umfasst seien (S. 23 des Gutachtens). Im Übrigen besteht auch unter Zugrundelegung der eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. R kein Anlass zu einer höheren Bewertung. Danach nimmt der Kläger zwei- bis dreimal pro Woche 10 bis 15 Tropfen Tramal®, wenn es nicht mehr anders geht, sowie regelmäßig Ibuprofen-ähnliche Tabletten, jedoch nicht täglich. Er hat sich "daran gewöhnt, dass er Schmerzen hat" (s. Seite 7 des Gutachtens von Dr. R). Nachts hat er wegen der Schmerzen Schlafstörungen. Er ist beschäftigt als Hausmeister. Fünf Etagen Treppen können mit Pausen bewältigt werden. Ein häufiges oder zielloses Wechseln der Ärzte, eine spezielle Schmerztherapie oder eine psychologische/psychiatrische Behandlung finden nicht statt.
Soweit Dr. R eine schmerzbedingte psychische Störung diagnostiziert und mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet, mag dies so hingenommen werden. Der Einzel-GdB von 10 führt jedenfalls nicht zu einer Erhöhung des GdB von 40 auf insgesamt 50. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist in dem Fall, dass mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen, wobei sich nach Nr. 19 Abs. 1 der AHP 1996 sowie 2004/2005 die Anwendung jeglicher Rechenmethoden, d. h. insbesondere die schlichte Addition der Einzel-GdB-Werte verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Beeinträchtigungen überschneiden und damit ineinander aufgehen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen ggf. gegenseitig verstärken. Dabei ist gem. Nr. 19 Abs. 4 der AHP zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die lediglich einen Einzel-GdB von 10 bedingen, von Ausnahmefällen abgesehen nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigungen führen. Unter Beachtung des Additionsverbotes und des Umstandes, dass die angenommene psychische Beeinträchtigung nur geringgradig ist, rechtfertigt sich ein Gesamt-GdB von 50 nicht.
Abschließend kann auch Dr. K mit seinem Gutachten vom 02. April 2004, seiner mündlichen Anhörung vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) vom 30. September 2004 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 14. November 2005 sowie 25. Januar 2006 nicht überzeugen. Ebenso wie Dr. R berücksichtigt auch er nicht die Vorgaben der AHP. Der Beklagte hat außerdem zu recht bemängelt, dass das Gutachten nahezu keine Angaben zu den hier maßgeblichen Funktionseinschränkungen enthält. Soweit der Sachverständige überhaupt Befund erhoben hat, weichen diese im Übrigen nicht wesentlich von den später von Dr. R festgestellten ab.
Nach alldem war der Berufung daher stattzugeben und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2004 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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