Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KG 80/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 3/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten, über die Zahlung von Kindergeld (des Unterschiedsbetrags zwischen spanischen und deutschen Leistungen der Familienbeihilfe) für drei Kinder im Zeitraum von Januar 1996 bis einschließlich August 2000 ermessensgerecht zu entscheiden.
Die 1943 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im folgenden nur Klägerin genannt) mit Wohnsitz in Spanien ist Witwe eines am 13.07.1992 gestorbenen Wanderarbeitnehmers, der in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) von November 1970 bis März 1982 versicherungspflichtig beschäftigt war (134 Monate Pflichtbeiträge) und in Spanien von April 1982 bis Juni 1992 Beitragszeiten zurückgelegt hat. Aus der Ehe sind die Kinder M. , geb. 1981, C. , geb. 1983, und P., geb. 1984, hervorgegangen. Die älteste Tochter C. stand ab dem 18. Lebensjahr (1999/2000) in Berufsausbildung.
Am 24.07.1995 ging bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im folgenden nur Beklagte genannt) ein Antrag (Formblatt KG 51 R) auf Gewährung von Kindergeld für drei Kinder mit Hinweis auf den Bezug einer Rente von der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz und mit vom spanischen Leistungsträger auf Formblatt E 411 R bescheinigten Familienzuschlägen von 3.000,00 Peseta pro Kind zu einer Rente (gemeint: "spanisches" Kindergeld zur Hinterbliebenenrente der Klägerin) ein. Nach Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz vom 04.06.1996 über die Höhe der Waisenrenten nach deutschem Recht (z.B. 124,20 DM monatlich für ein Kind im Jahre 1992) und der von 1992 bis 1995 nahezu doppelt so hohen Waisenrenten nach spanischem Recht (z.B. 253,54 DM monatlich im Jahre 1992 für ein Kind) wurde von der LVA unter Anrechnung der spanischen Waisenrente (nicht des "spanischen" Kindergelds) lediglich eine kleine Teilsumme der Waisenrenten für Juli 1992 (Teilmonat) gezahlt; im Übrigen ergab sich (damals) ein Zahlbetrag von 0,00 DM.
Mit Schreiben vom 16.07.1996 forderte die Beklagte von der Klägerin unter Übersendung von fünf Formblättern in der Anlage an: a) Familienstandsbescheinigung (E 401) für die in Spanien lebenden Kinder, b) Ausfüllen von Fragebögen (nicht benannt, offensichtlich vier Fragebögen zum Einkommen der Eltern von 1990 bis 1993 wegen der Kindergeldhöhe von 1992 bis 1995); Nachweise seien nur über das Einkommen der Klägerin für die Jahre 1990 bis 1993 beizufügen), c) Beantwortung verschiedener Fragen ("Wo hat der verstorbene Ehemann zuletzt in Deutschland gewohnt und gearbeitet und bis wann? Wann sind er, sie und die Kinder nach Spanien zurückgekehrt?"). Zur Erledigung wurde der Klägerin eine Frist bis zum 30.10.1996 gesetzt und bei Nichteinhalten des Termins ohne wichtigen Grund angekündigt, das Kindergeld ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Teil I (SGB I) zu versagen, soweit die Voraussetzungen zwischenzeitlich nicht nachgewiesen seien.
Als die Klägerin nicht reagierte, erteilte die Beklagte im Anschluss an ein Mahnschreiben vom 13.11.1996 den Bescheid vom 21.01.1997, mit dem sie unter kurzer Anführung der fehlenden Unterlagen und Antworten der Klägerin (s. oben a bis c) das Kindergeld gemäß § 66 SGB I versagte und darauf hinwies, dass die Mitwirkung zur Vermeidung von Rechtsnachteilen umgehend zu erbringen oder die Beklagte zumindest über Hinderungsgründe zu unterrichten sei; bei einer späteren Nachholung der Mitwirkung komme eine Nachzahlung des Kindergelds nur in Ausnahmefällen in Betracht. Am 07.02.1997 ging bei der Beklagten ein unbeholfen verfasstes Schreiben der Klägerin mit Antworten zu den gestellten Fragen und mit drei amtlichen Bescheinigungen zu den Einkünften des verstorbenen Ehegatten in den Jahren 1991 und 1992 ein. Die Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 11.02.1997 mit, dass noch Unterlagen fehlten; sofern diese nicht bis zum 30.05.1997 eingingen, bleibe es bei dem Bescheid vom 21.01.1997. Vordrucke seien beigefügt.
Die Klägerin meldete sich hierauf längere Zeit nicht mehr. Am 04.09.2000 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Kindergeld für drei Kinder (auf Formblatt KG 51 R) ein, den die spanische Verbindungsstelle Instituto Nationale de la Securidad Social in H. (INSS H.) mit einem Eingangsstempel vom 16.06.2000 versehen hatte. Beigegeben waren von der Wohnortgemeinde beglaubigte Kopien der Personalausweise aller Familienangehörigen (mit Angabe von Wohnort und Straße), Ausbildungsbescheinigungen für drei Kinder, Kopien des Familienbuchs und eine Rentenanpassungs-Bescheinigung über die Erhöhung der Witwenrente der Klägerin ab 01.07.2000. Die Beklagte bat daraufhin mit Schreiben vom 12.09.2000 um die Unterlagen E 401 und E 411 R (gemeint: Familienstandsbescheinigung und Bescheinigung über den Kindergeldbezug nach spanischen Vorschriften) und wies darauf hin, dass erst ab dem Monat, in dem diese von Behörden bestätigten Vordrucke bei ihr eingegangen seien, ein Anspruch auf Kindergeld bestehe; auf den Versagungsbescheid vom 21.01.1997 werde hingewiesen.
Nach Eingang des Formblatts E 401 (mit Stempel des INSS vom 22.09.2000) und des unvollständigen Formblatts E 411 bei der Beklagten im September 2000 (das Formblatt E 411 wurde im Oktober/November 2000 vom INSS ergänzt), nach langwierigen Ermittlungen zur Ausbildung der Kinder und nach einer von der Beklagten eingeholten Auskunft der LVA Rheinprovinz über die zu zahlenden Waisenrenten bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2001 den Unterschiedsbetrag zwischen den deutschen und den spanischen Leistungen der Familienbeihilfe für drei Kinder ab 01.09.2000 "gemäß Art.78 EGVO 1408/71 in Verbindung mit dem BKGG und § 66 SGB I"; hierbei ging die Beklagte laut einem vorausgehenden Aktenvermerk davon aus, dass das (früher fehlende und daher zur Versagung führende) Formblatt E 401 am 22.09.2000 beim INSS (und damit auch bei der Beklagten) eingegangen sei und bei einem Anspruch ab September 2000 für die Zukunft Nachweise für das Einkommen der Klägerin nicht mehr erforderlich seien. In einem gesonderten Begleitschreiben vom 31.05.2001 zum Bescheid vom 31.05.2001 wies die Beklagte darauf hin, dass mit Nachholung der Mitwirkung das Kindergeld ab September 2000 bewilligt worden sei; die rückwirkende Zahlung des Kindergelds für die Zeit von August 1992 bis August 2000 komme in Betracht, wenn die Klägerin für die Versäumung der rechtzeitigen Mitwirkung einen wichtigen Grund gehabt hätte oder wenn die Versagung der rückwirkenden Kindergeldzahlung zu einer wirtschaftlichen Notlage führen würde (§ 67 SGB I). Die Klägerin könne sich hierzu äußern.
Am 04.07.2001 ging bei der Beklagten ein von dem INSS am 15.06.2001 bestätigtes Formblatt E 411 ein. Mit einem weiteren Schreiben der Klägerin vom 09.08.2001, eingegangen bei der Beklagten am 13.08.2001, bat sie die Beklagte, wegen geringen Einkommens ihr auch rückwirkend Kindergeld zu zahlen, und legte hierzu Nachweise über die Renten- und Erwerbseinkünfte von 1992 bis 2000 vor.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16.08.2001 lehnte die Beklagte die Zahlung des Kindergelds für die Zeit von August 1992 bis einschließlich August 2000 ab, weil die Mitwirkung erst nach "Rechtskraft" des Bescheids vom 21.01.1997 nachgeholt worden sei. Triftige Gründe für die verspätete Mitwirkung seien nicht dargelegt worden, und die Prüfung der eingereichten Einkommensbelege ergebe, dass der Lebensunterhalt sicher gestellt und eine wirtschaftliche Notlage nicht zu befürchten sei.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch - die Klägerin bediente sich erstmals einer Bevollmächtigten für Arbeits- und Sozialfragen bei der Spanischen Botschaft in B. - wurde geltend gemacht, die Klägerin hätte sich in der Vergangenheit wiederholt an das INSS in H. gewandt und um Hilfe gebeten und hätte wiederholt zur Auskunft erhalten, dass Deutschland kein Kindergeld zahle und demzufolge das INSS die Angelegenheit nicht bearbeiten werde. Die Rechtsbehelfsstelle der Beklagten erteilte daraufhin den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 16.10.2001. Dieser stützte sich u.a. drauf, dass bei nachgeholter Mitwirkung der Versagungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft gegenstandslos werde, aber für die Vergangenheit in seinem Bestand nicht berührt werde und die Rechtmäßigkeit allein danach zu beurteilen sei, ob die Voraussetzungen des § 66 SGB I bei seinem Erlass erfüllt gewesen seien. Über die rückwirkende Bewilligung sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Gründe für die Unterlassung der Mitwirkung sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zu berücksichtigen. Grundsätzlich komme die Ablehnung schon dann in Betracht, wenn die Angaben der Antragstellerin für das Unterlassen der fristgerechten Mitwirkung nicht als hinreichende Begründung anzusehen seien und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Antragstellerin durch die Versagung in wirtschaftliche Not geraten werde (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.1985 - 5 C 133.81).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg erstrebte die Klägerin eine Nachzahlung des Kindergelds im Zeitraum von August 1992 bis einschließlich August 2000 und wies nochmals darauf hin, dass sie auf die Informationen des spanischen Leistungsträgers INSS vertraut habe, dass vorliegend die BRD kein Kindergeld zahle und dass deshalb auch keine Formulare ausgefüllt würden.
Das Sozialgericht hob mit Urteil vom 29.09.2003 den Bescheid vom 16.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10. 2001 auf, soweit er den Zeitraum von Januar 1996 bis einschließlich August 2000 betraf, und verurteilte die Beklagte zur erneuten Verbescheidung für diesen Zeitraum unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Sozialgericht legte im Urteil dar, dass die Klägerin in der Zeit von 1992 bis 1995 mit der damaligen Staffelung des Kindergelds von 70,00 DM monatlich für das erste Kind, (maximal) 130,00 DM monatlich für das zweite Kind und (maximal) 220,00 DM monatlich für das dritte Kind nach den anzuwendenden europäischen Rechtsgrundsätzen (u.a. Anrechnung der spanischen auf die deutschen Leistungen) von der Beklagten allenfalls 30,00 bis 40,00 DM monatlich Kindergeld für das jüngste Kind zu erwarten gehabt hätte, sofern sich das ehemals in der Höhe einkommensabhängige Kindergeld wegen Einkommens der Eltern vor dem Tode des Ehemanns und Einkommens der Klägerin nach dem Tode des Ehemanns nicht von vornherein erheblich gemindert hätte. Aufgrund umfangreicher und schwieriger Berechnungen der Differenzleistungen auf der Grundlage der jeweiligen Umrechnungskurse, sonstiger Gesichtspunkte und des Umstands, dass bei einem im Jahre 2000 gestellten Antrag Leistungen bis zum 31.12.1995 bereits verjährt gewesen seien, halte die Ablehnung von nachträglich rückwirkend zu gewährenden Kindergeldleistungen bis Dezember 1995 eine gerichtlichen Nachprüfung stand. Über den Zeitraum ab Januar 1996 habe die Beklagte jedoch erneut zu entscheiden. Rechtsfehlerhaft sei es gewesen, dass die Beklagte den wichtigen Grund für das Unterlassen der fristgerechten Mitwirkung und die fehlenden Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Not bei Versagung von Leistungen in den Vordergrund ihrer Ermessensausübung gestellt habe. Es handele sich hier um zwei in die Abwägung einzubeziehenden Umstände, die aber weder allein noch in ihrem Zusammenwirken grundsätzlich die Ablehnung der rückwirkenden Leistungsgewährung rechtfertigen könnten. Das Erfordernis der wirtschaftlichen Notlage sei weder im Gesetz verankert noch gebe es hierfür eine der Kammer nachvollziehbare Rechtsprechung. Im Gegenteil gelte, dass versagte Leistungen grundsätzlich rückwirkend zu erbringen seien, wenn die Nichtgewährung zu einer wirtschaftlichen Notlage führe. Im Übrigen könnten in Anbetracht des § 2 Abs.2 SGB I nur schwerwiegende Umstände zur endgültigen Leistungsversagung führen und sei jeder Anschein einer Bestrafung zu vermeiden. § 67 SGB I sei keine Strafvorschrift. Damit könnten im Ergebnis einer rückwirkenden Leistungsgewährung nur wiederholte Verletzungen der Mitwirkungspflicht, das Geltendmachen von Leistungen für lange zurück liegenden Zeiträume oder unter Einbeziehung der Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie ein aufwendiges und umfangreiches Verwaltungsverfahren entgegenstehen.
Für die Zeit ab 01.01.1996 - das Kindergeld habe sich erheblich auf 200,00 bis 300,00 DM monatlich pro Kind erhöht, so dass Zahlbeträge für alle drei Kinder zu erwarten seien - sei zu beachten, dass die Höhe des Kindergelds nicht mehr vom Einkommen der Eltern abhängig sei und damit der bedeutsamste Grund für die Versagung des Kindergelds wegen fehlender Mitwirkung, die nicht eingereichten Einkommensnachweise, entfallen sei. Berücksichtigt werden müsse ferner, dass die Klägerin mit einem Antrag von Juni 2000 Kindergeld rückwirkend ab Juli 1997 hätte verwirklichen können; dies ergebe sich aus § 20 Abs.2 BKGG n.F. (Rechtsänderung - Aufhebung des Ausschlusses von verspätet beantragten Leistungen. Die Klägerin dürfe im Rahmen des Ermessens des § 67 SGB I nicht schlechter gestellt werden als derjenige, dessen Kindergeldantrag früher aus materiell-rechtlichen Gründen abgelehnt worden sei und der dann erneut einen Kindergeldantrag stelle. Insgesamt gesehen seien für den Zeitraum 1996 bis 2000 keine gravierenden Umstände ersichtlich, die die Ablehnung von Leistungen für die Vergangenheit bei Nachholung der Mitwirkung rechtfertigten.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung bringt die Beklagte vor, eine fehlerhafte Ermessensausübung vermöge sie nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin habe die Familienstandsbescheinigung, die auch für die Zeit ab 01.01.1996 notwendig gewesen sei, nicht vorgelegt. Die behauptete falsche Beratung der Klägerin durch das INSS könne nicht überzeugen, da die Klägerin davon ausgehen hätte müssen, dass die Agentur für Arbeit in N. , die die Unterlagen zur Anspruchsprüfung angefordert habe, kompetenter als die spanische Behörde sei. Im Übrigen hätte die Klägerin die Beklagte dann informieren sollen, dass sie von spanischen Behörden in ihrer Mitwirkung behindert werde. Allein der Umstand, dass die Klägerin triftige Gründe für die fehlende Mitwirkung nicht geltend gemacht habe, rechtfertige bereits die Ablehnung der rückwirkenden Bewilligung. Darüber hinaus habe sie eine wirtschaftliche Notlage nicht nachgewiesen. Richterlichen Hinweisen auf eine andere Rechtshandhabung folgt die Beklagte nicht. Sie ist u.a. der Ansicht, dass vorliegend eine Versagung wegen mangelnder Mitwirkung entscheidend gewesen sei und eine Wertung der später von der Klägerin vorgelegten Unterlagen als Neuantrag auf Kindergeld mit der Folge einer weitreichenden Rückwirkung nicht möglich sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil vom 29.09.2003 abzuändern, soweit der Bescheid vom 16.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2001 für die Zeit von Januar 1996 bis August 2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wurde, über diesen Zeitraum unter Beachtung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts Nürnberg erneut zu entscheiden, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin, die gegen das Urteil ebenfalls Berufung eingelegt und diese dann zurückgenommen hat, beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge, die zu Beweiszwecken beigezogene Kindergeldakte der Beklagten und die Dienstanweisungen der Beklagten zur Ausübung des Ermessens in § 67 SGB I (DA 109.63 bis 109.65 vom Juni 2000) vor. Zur Ergänzung des Tatbestands wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das erstinstanzliche Urteil war, soweit angefochten, in seinem Tenor und im Wesentlichen auch inhaltlich zu bestätigen. Die Beklagte hat ihr Ermessen fehlerhaft und daher rechtswidrig ausgeübt. Sie muss unter richtiger Handhabung des Ermessens über die Leistungen vom 01.01.1996 bis zum 30.06.1997 erneut befinden, wobei der Senat vorgibt, dass bisher wesentliche Gründe für eine endgültige Leistungsablehnung nicht erkennbar sind. Hinsichtlich der Leistungen vom 01.07.1997 bis zum 31.08.2000 war ihr Ermessen im Rahmen des § 67 SGB I auf Null geschrumpft; die Beklagte hatte über das von der Klägerin im Jahre 2000 geäußerte Leistungsbegehren wie über einen Neuantrag auf Leistungen, dem Rückwirkung bis zum 01.07.1997 - ohne Ermessensspielraum für die Gewährung rückwirkender Leistungen - beizulegen ist, zu entscheiden. Insoweit hätte das Sozialgericht die Beklagte zur Bewilligung von Leistungen (dem Grunde nach) verurteilen müssen, was der Senat im Rahmen des Berufungsbegehrens der Beklagten nicht nachholen und hierdurch die Beklagte über die durch das erstinstanzliche Urteil entstandene Beschwer hinaus belasten konnte.
In materiell-rechtlicher Hinsicht liegt (dem Grunde nach) ein Anspruch der Klägerin auf den sogenannten Differenzbetrag vor. Leistungen für Waisen im Sinne von Art.78 Abs.1 EG-VO 1408/71 sind unbeschadet des jeweiligen Anspruchsinhabers nach nationalem Recht Familienbeihilfen, worunter das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz fällt (Art.1 Buchst.u Ziffer ii EG-VO 1408/71) und gegebenenfalls zusätzliche oder besondere Bei- hilfen für Waisen sowie Waisenrenten mit Ausnahme der Waisenrenten aus der Versicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Aufgrund des Wohnsitzes der Waisen in Spanien bestand vorrangig ein Waisenrentenanspruch (der Waisen) und ein Kindergeldanspruch (der Klägerin) gegen den spanischen Leistungsträger (Art.78 Abs.2 Buchst.b Ziffer i EG-VO 1408/71). Der Anspruch auf Rentenleistungen und Kindergeld gegen die deutschen Leistungsträger (Nicht-Wohnsitzstaat) ist nach der den Wortlaut des Art.78 EG-VO 1408/71 erweiternden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht völlig untergegangen, weil der Anspruch auf Rentenleistungen allein nach innerstaatlichem Recht der BRD (z.B. ohne Zuhilfenahme anzurechnender Versicherungszeiten in Spanien) bestanden hat; der Nicht-Wohnsitzstaat hat dann von seinen Leistungen die Differenz zu den niedrigeren Leistungen des Wohnsitzstaates zu erbringen. Bei der wertmäßigen Bestimmung der Differenzleistung ist die Summe aller Leistungen für Waisen (z.B. Waisenrenten und Kindergeld) eines Staates der Summe aller Leistungen für Waisen des anderen Staates gegenüber zu stellen.
Nach nationalem deutschen Recht wird eine zu zahlende Differenzleistung dadurch abgewickelt, dass zunächst der inländische Rentenversicherungsträger die Beträge nur der deutschen Waisenrente mit der Summe der spanischen Waisenrente und des spanischen Kindergelds vergleicht und den sich hierbei eventuell ergebenden überschießenden Differenzbetrag zur Auszahlung bringt (ein solcher Differenzbetrag ergab sich für die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz vorliegend nicht). Anschließend nimmt die Kindergeldkasse bzw. Familienkasse eine Gesamtbetrachtung aller spanischen und aller deutschen Leistungen vor und zahlt allein (oder gegebenenfalls neben dem Rentenversicherungsträger) einen (weiteren) Differenzbetrag.
Die Ansprüche der Waisen auf Rente und der Klägerin auf Familienbeihilfe, d.h. Kindergeld, sind vorliegend nicht umstritten, ebensowenig der Anspruch der Klägerin auf den Differenzbetrag zu den zumindest ab 01.01.1996 (zeitweise oder dauernd) höheren deutschen Leistungen oder die nach deutschem innerstaatlichen Recht erfolgende Bestimmung des Leistungsträgers, der vorliegend (allein) Zahlungen an die Klägerin zu erbringen hat.
Vor diesem materiell-rechtlichen Hintergrund hat die Beklagte mit Bescheid vom 16.08.2001 unter unrichtigem Gebrauch des Ermessens entschieden, bei Nachholung der Mitwirkung Leistungen von August 1992 bis einschließlich August 2000 rückwirkend nicht zu zahlen, wobei im vorliegenden Rechtsstreit nur mehr der Zeitraum vom 01.01.1996 bis zum 31.08.2000 zu überprüfen war. § 67 SGB I bestimmt, dass der Leistungsträger, wenn die Mitwirkung nachgeholt wird und die Leistungsvoraussetzungen vorliegen, die nach § 66 SGB I versagten oder entzogenen Sozialleistungen nachträglich ganz oder teilweise erbringen kann. Mit dem Wort "kann" wird ein Ermessensspielraum eingeräumt; zu berücksichtigen sind hierbei stets alle wesentlichen Gründe des jeweiligen Einzelfalls und nicht nur zwei "genormte" Ermessensgründe in den Dienstanweisungen der Beklagten, mit denen die Sachbearbeiter der Beklagten alle Fälle zu regeln pfleen. Die Beklagte hat den Umfang der Ermessensausübung verkannt. Weiterhin ist im vorliegenden Fall zusätzlich zu beachten, dass das Ermessen im Sinne einer Abwägung aller in Frage kommenden Gesichtspunkte nicht nur stattfindet, sondern auch in der Begründung eines Bescheids nach § 67 SGB I oder spätestens im Widerspruchsbescheid vollständig und nachvollziehbar dargelegt sein muss; fehlt ein Teil der notwendigen Begründung, ist ein erteilter Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Es genügt nicht, wenn eine ergänzende Begründung - selbst wenn sie die Ablehnung der Leistungsbewilligung rechtfertigen könnte - lediglich in einem Schriftsatz der Beklagten im Prozess Erwähnung findet oder von Gerichten "gefunden" wird; andererseits sind der Beklagten nicht fehlende Ermessensgründe anzulasten, für die es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte gibt und auf die der Bürger auch nicht hingewiesen hat, obwohl er, falls erforderlich, hierzu richtig und vollständig befragt worden ist.
Die von der Beklagten in ihrem Anhörungsschreiben und in ihren später erteilten Bescheiden genannten Ermessensgründe, der wichtige Grund für die Versäumung der rechtzeitigen Mitwirkung und die wirtschaftliche Notlage infolge Ausbleibens der Sozialleistungen, waren für eine Ermessensausübung nicht hinreichend. Bestünde ein "wichtiger Grund" für das Unterlassen einer (rechtzeitigen) Mitwirkung, wäre bereits der Bescheid über die Versagung von Sozialleistungen vom 21.01.1997 rechtswidrig gewesen und hätte nicht erteilt werden dürfen. § 66 Abs.1 SGB I setzt u.a. voraus, dass ein Bürger seinen Mitwirkungspflichten gemäß den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Gemäß § 65 Abs.1 Nr.2 SGB I besteht eine Mitwirkungspflicht nicht, soweit ihre Erfüllung den Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann, wobei durch das Wort "soweit" auch eine zeitweise Nichterfüllung (Verzögerung) von Pflichten erfasst wird. Sinngemäß können die Entschuldigungsgründe im Sinne von § 67 SGB I nicht bzw. nicht nur solche sein, die zur Aufhebung oder Rücknahme des entziehenden oder versagenden Bescheids führen müssten, weil dieser Bescheid nicht ergehen durfte. Sind die Voraussetzungen für einen versagenden bzw. entziehenden Bescheid gemäß § 66 SGB I nicht gegeben, so kann hiergegen bereits mit Widerspruch oder Klage vorgegangen und die Aufhebung des belastenden Verwaltungsakts erwirkt werden; sollte dies versäumt worden sein, kommt noch die Rücknahme nach § 44 SGB X in Betracht. § 67 SGB I ist keine den § 44 SGB X ersetzende Vorschrift, wenn auch bei der Entscheidung nach § 67 SGB I zusätzlich Gründe berücksichtigt werden dürfen, bei denen auch die Rücknahme des gemäß § 66 SGB I erteilten Bescheids möglich wäre. § 67 SGB I kommt vor aber vor allem zur Anwendung, wenn der vorausgehende Versagungs- bzw. Entziehungsbescheid auf der Grundlage des § 66 SGB I rechtmäßig gewesen ist, d.h. z.B. auch dann, wenn ein (nicht oder nicht voll entschuldigender) Grund ("Motiv") für die Versäumung der Mitwirkung vorgelegen hat, der nicht so erheblich wie ein wichtiger Grund im Sinne von § 65 Abs.1 Nr.2 SGB I gewesen ist.
Die Beklagte hat insoweit die Ermessensgesichtspunkte im Rahmen des § 67 SGB I verkannt. Wurde bei der Anhörung der Klägerin und im Bescheid vom 16.08.2001 pauschal von einem "wichtigen Grund" gesprochen und dieser verneint, so konkretisierte und verschärfte der Widerspruchsbescheid vom 16.10.2001 die Anforderungen dahingehend, dass die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16.08.2001 gemäß § 67 SGB I allein danach zu beurteilen sei, ob die Voraussetzungen für den Versagungs- bzw. Entziehungsbescheid vom 21.01.1997 (also die Tatbestände des § 66 in Verbindung mit §§ 63 ff. SGB I) bei seinem Erlass erfüllt oder nicht erfüllt waren. Hier wird die notwendige Differenzierung verwischt, dass der wichtige Grund, bei dem eine Voraussetzung für den Erlass eines Bescheids gemäß § 66 SGB I nicht gegeben ist, nicht identisch ist mit den Gründen für eine fehlende Mitwirkung, die zur rückwirkenden Gewährung von Leistungen führen können.
Die Beklagte hat dann nur noch einen einzigen weiteren "echten" Ermessensgesichtspunkt, die wirtschaftliche Notlage, in ihre Erwägungen eingestellt, wobei sie mangels eines Vortrags der angehörten Partei hierzu nichts ermitteln musste und diesen nach Aktenlage anhand der von der Klägerin anderweitig angegebenen Einkünfte verneinen konnte. Nicht beachtet hatte die Beklagte aber in ihren Bescheiden vom 16.08.2001 und 16.10.2001, dass ins Ermessen alle bedeutsamen Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind. Nichts Anderes besagen die Dienstanweisungen der Beklagten: "Äußert sich der Antragsteller bzw. Kindergeldempfänger zu den Gründen für die unterlassene Mitwirkung bzw. seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, sind bei der zu treffenden Ermessensentscheidung alle Umstände des Einzelfalles abzuwägen. Grundsätzlich kann nach dem Zweck der Ermessensvorschrift die Ablehnung einer rückwirkenden Leistungserbringung angebracht sein, wenn der Antragsteller bzw. Kindergeldempfänger das Unterlassen der fristgerechten Mitwirkung nicht ausreichend begründen kann und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass er durch die zeitweise Unterbrechung der Leistung in wirtschaftliche Not geraten ist (BVerwG, Urteil vom 17.01.1985 - 5 C 133.81)". Dem ist nur hinzuzufügen, dass auch bei Nichtäußerung des Bürgers alle (bekannten) Umstände des Einzelfalles abzuwägen wären; das zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat im Übrigen Ermessensgründe nur flüchtig erwähnt und sich hiermit nicht besonders befasst, weil es sich nur im Hinblick auf eine hypothetisch unterstellte Klage gegen einen Bescheid gemäß § 67 SGB I (Versagung von Ausbildungsförderung) kurz äußerte. Insoweit sind die Gründe für das Urteil nicht tragend, und fundierte Ausführungen über ein in einem solchen gedachten Fall anzustellendes Ermessen sowie Ermessensgesichtspunkte fehlen ohnehin.
Laut Ansicht des Senats sind in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wozu u.a. Zweck und Art der Sozialleistung, Grad der Pflichtwidrigkeit, wirtschaftliche Situation des Betroffenen, Bedeutung der Leistung für ihn und alle Angehörigen, Gründe für die zeitweise Verweigerung der Mitwirkung usw. zählen; zu vermeiden bei der Abwägung ist der Anschein der Bestrafung/Sanktion (Seewald in Kasseler Kommentar, Rzn.8 und 9 zu § 67 SGB I); Grenzen setzt ohnehin die Verjährung (und eine Verzinsung hat in der Regel zu unterbleiben), so dass das Ermessen zugunsten des Bürgers praktisch weitgehend eingeschränkt ist (Seewald, a.a.O.). Ähnlich sind in anderen Urteilen Ermessensgründe umschrieben; der Bayerische Verwaltungsgerichtshof z.B. nennt in seiner Entscheidung vom 11.07.2002 - 12 B 01.200 zum Pflegegeld neben der wirtschaftlichen Not alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die Dauer der fehlenden Mitwirkung und die Motive hierfür. In anderen Quellen ist auch der Grad des Verschuldens des Antragstellers genannt.
Insoweit finden sich keine einschlägigen Feststellungen im Bescheid der Beklagten vom 16.08.2001. Hier wurde zunächst nur eine fehlende Mitwirkung der Klägerin erwähnt und die Berücksichtigung der nachgeholten Mitwirkung schon deswegen abgelehnt, weil dies erst nach "Rechtskraft" (gemeint wohl: Bestandskraft) des Bescheids vom 21.01.1997 erfolgt sei. Tatsache ist aber, dass die Klägerin innerhalb der im Bescheid vom 21.01.1997 genannten Dreimonatsfrist für die Einlegung des Widerspruchs immerhin die von der Beklagten gestellten Fragen beantwortet und Einkommensnachweise für den verstorbenen Ehemann in den Jahren 1991 und 1992 beigebracht hatte. Für die Höhe des Kindergelds von 1992 bis 1995 war nämlich grundsätzlich das Einkommen im jeweils vorletzten Kalenderjahr maßgebend, also das Einkommen der Klägerin und des Ehegatten für die Jahre 1990 und 1991 und das Einkommen der Witwe in den Jahren 1992 und 1993 (vgl. § 10 Abs.1 und Abs.2, § 11 Abs.3 BKGG in den damaligen bis Dezember 1995 geltenden Fassungen). Offenbar ist die Klägerin sowohl wegen fehlender Sprachkenntnisse als auch wegen fehlender Rechtskenntnisse nicht mit den diffizilen Anforderungen klar gekommen. Jedenfalls hätte die Beklagte (dies wäre bereits im Versagungsbescheid vom 21.01.1997 zu berücksichtigen gewesen) bei der Entscheidung über die nachträgliche Erbringung von Leistungen gemäß § 67 SGB I würdigen müssen, dass Angaben und Belege zu Einkommen für die Leistungszeit ab 01.01.1996 nicht mehr erforderlich waren, weil die Höhe des Kindergelds nicht mehr einkommensabhängig war. Auch hinsichtlich des dritten Punktes des Vorwurfs der mangelnden Mitwirkung kann (ab 01.01.1996) ein erhebliches Verschulden der Klägerin nicht angenommen werden, wenn auch der Senat durchaus sieht, dass eine Familienstandsbescheinigung (Formblatt E 401: Angaben zu den Familienangehörigen in einem Haushalt) von der Wohnortgemeinde ausgestellt wird, so dass die Klägerin sich insoweit nicht auf die verweigerte Mithilfe des INSS berufen kann. Vorliegend muss nicht erörtert werden, in welchen Fällen eine "Haushaltsbescheinigung" nicht erforderlich ist (z.B. bei Vorlage einer von dem INSS ausgestellten Ausbildungsbescheinigung). Die Beklagte hat jedenfalls bei ihrer Entscheidung über die nachträgliche Leistungsbewilligung unberücksichtigt gelassen, dass eine Familienstandsbescheinigung bereits beim Rentenversicherungsträger vorgelegen haben muss. Mithin hätte die Beklagte, die sich in der Zeit von August 1995 bis Juli 1996 dreimal an die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz wegen Unterlagen und wegen Angaben zu spanischen und deutschen Leistungen gewandt hatte, ohne Weiteres auch die dortige Familienstandsbescheinigung beiziehen können, und zwar mit geringerem Aufwand als die Klägerin, die mit dem auszufüllenden Formblatt E 401 zu ihrer Wohnortsgemeinde gehen hätte müssen. Insoweit lag höchstwahrscheinlich nicht einmal eine zur Versagung führende Mitwirkungspflicht vor, weil die Beklagte leichter als die Klägerin das Benötigte besorgen hätte können (§ 65 Abs.1 Nr.3 SGB I); zumindest hätte diese Überlegung in eine Entscheidung über die nachträgliche Erbringung von Leistungen einfließen müssen und nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen. Jedenfalls muss im Nachhinein gesehen werden, dass die Klägerin immerhin in den Jahren 1996 und 1997 nicht völlig untätig geblieben ist und einen Teil des von der Beklagten Geforderten erfüllt hat, weiterhin dass ein Teil der zur Versagung führenden Umstände für die Zeit ab 01.01.1996 keine Geltung mehr haben konnte.
Fehlerhaft war ferner die Rechtsansicht der Beklagten, bei bzw. trotz Nachholung der Mitwirkung grundsätzlich - bis auf die in ihrer Dienstanweisung genannten zwei Fälle (triftiger Grund für die fehlende Mitwirkung oder wirtschaftliche Notlage) - von der Ablehnung der Zahlung versagter oder entzogener Leistungen für die Vergangenheit auszugehen. Grundsätzlich aber ist, auch bei der Auslegung von Gesetzen und der Ausübung von Ermessen (so ausdrücklich § 2 Abs.2, 1. Halbsatz SGB I), sicher zu stellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs.2, 2. Halbsatz SGB I) und die Aufrechterhaltung einer unnötig gewordenen Sanktion nicht mit § 67 SGB I zu rechtfertigen ist. Als Grundsatz bei der Nachholung der Mitwirkung gilt der der Erbringung von Leistungen (das BSG äußerte in seinem Urteil vom 14.12.1982 - 10 RKg 29/81 in SozR 5870 § 20 Nr.3 sogar erhebliche Zweifel, ob die rückwirkende Gewährung einer von Art.6 Grundgesetz und von § 25 SGB I gebotenen Leistung wie das Kindergeld vom Ermessen der Verwaltung abhängig sein dürfe); Ausnahmen hiervon können nur aus besonders wichtigen Gründen gemacht werden, aber keinesfalls aus der Überlegung, dass aufgrund der ehemalig unterbliebenen und nicht völlig hinreichend entschuldigten unterlassenen Mitwirkung eine Strafe verbleiben muss. Dies kann aus § 67 SGB I selbst nicht hergeleitet werden.
Der Gesetzgeber hat öfters in spezialgesetzlichen Regelungen deutlich gemacht, dass er bei Verletzung der Mitwirkungspflicht in bestimmten Fällen eine wirksame Sanktion für geboten hält und nachträglich die Leistungen nicht mehr erbracht werden sollen (vgl. BSG vom 24.07.2003 - B 3 P 4/02 R in Breithaupt 2004, 21 zum Fall der wiederholten Versäumung des Pflegeeinsatzes; vgl. ferner BSG vom 17.08.2000 - B 10 LW 8/00 R in BSGE 87, 76 zum Ruhen von Beitragszuschüssen zur Alterssicherung der Landwirte bis zur Vorlage des benötigten, aber schuldhaft nicht vorgelegten Einkommensteuerbescheids gemäß der strengeren Regelung in § 32 ALG im Gegensatz zu der allgemeinen Regelung des § 67 SGB I). Liegt ein solcher besonderer Fall nicht vor, gilt § 67 Abs.1 SGB I mit dem darin enthaltenen Rechtsgedanken, dass die Verletzung von Mitwirkungspflichten keine entgültigen Rechtsverluste zur Folge haben soll, wenn der verhaltenssteuernde Effekt mit der Nachholung der Mitwirkung eingetreten ist (BSG vom 24.07.2003, a.a.O.).
Der Senat hält daher bereits aus den dargelegten Gründen einen Ermessensfehler der Beklagten für gegeben. Nicht in Frage kam aber - im Rahmen des umstrittenen Zeitraums vom 01.01.1996 bis zum 31.08.2000 - für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.08.2000 die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung bei neuer, freigestellter Ermessensausübung. Vielmehr bestand noch ein weiterer Ermessensgesichtspunkt, so dass das in § 67 SGB I vorgesehene Ermessen der Beklagten auf Null geschrumpft war und diese vom Sozialgericht zur Zahlung der Leistung hätte verurteilt werden müssen. Wenn der Senat auch Letzteres am Urteil des Sozialgerichts nicht ändern konnte, so weist er dennnoch darauf hin, dass ein maßgebender Ermessensspielraum für die Beklagte nicht mehr gesehen wird.
Der Senat hat sich bei der Bildung seiner Überzeugung an den Fristen orientiert, die bei Erst- und Neuanträgen auf Leistungen gelten. Bei Kindergeldanträgen war eine Frist von sechs Kalendermonaten vor dem Antragsmonat für die rückwirkende Erbringung von Leistungen vorgesehen (§ 9 Abs.2 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F. in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung: Ausschlussfrist für weiter zurück liegende Zeiträume); die Leistungen mussten demnach für die ersten sechs Monate nachgezahlt werden, wenn nur die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Dasselbe hat der Senat angenommen, wenn zugleich mit einem Neuantrag oder anstelle eines Neuantrags entweder ein Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakts (z.B. Versagung oder Entziehung von Kindergeld) und auf rückwirkende Erbringung von Leistungen (§ 44 SGB X) oder ein Antrag auf rückwirkende Leistungserbringung gemäß § 67 Abs.1 SGB I gestellt worden ist. In beiden der genannten Fälle sieht das Gesetz eine Ermessensentscheidung für die rückwirkende Leistungsgewährung vor. Im Bereich des § 67 SGB I ergibt sich das unmittelbar aus dem dortigen Gesetzeswortlaut ("kann"); im Bereich der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte folgt die Ermessensentscheidung aus § 44 Abs.2 Satz 2 SGB X und vor allem aus § 44 Abs.1 SGB X in Verbindung mit § 20 Abs.5 BKGG a.F. bzw. § 11 Abs.4 BKGG n.F.
Die rückwirkend für bis zu vier Kalenderjahren vor dem Jahre des Antrags (oder vor einer Entscheidung von Amts wegen) mögliche Leistung gemäß § 44 Abs.4 SGB X sah der 14. Senat in seiner ständigen Rechtsprechung zum BKGG insoweit als modifiziert an, als sie stets rückwirkend für sechs Monate vor der Antragstellung zu erbringen waren (Ermessensreduzierung auf Null). Sofern nicht ohnehin (mit dem Begehren auf gegenwärtiges und zukünftiges Kindergeld) zugleich neben dem Antrag gemäß § 44 SGB X ein eindeutiger Neuantrag vorlag, war ein solcher Antrag oft im Wege der Auslegung festzustellen. Wer Kindergeld rückwirkend (u.a.) bis zu sechs Monaten vor dem Monat der Antragstellung begehrt, wird dies vernünftigerweise auf die einfachste und mit den wenigsten Risiken behaftete Weise (Neuantrag) tun und nicht auf dem insoweit nicht erforderlichen und unter Umständen dornenreichen Weg des § 44 Abs.1 und Abs.2 SGB X (die anfängliche Unrichtigkeit des Bescheids muss festgestellt werden) mit der Schwäche, dass selbst Leistungen für sechs Monate zurück einer Ermessensentscheidung unterlägen. Zuletzt hat der 14. Senat dann, wenn eine Auslegung (auch) im Sinne eines Neuantrags nicht möglich gewesen ist, für die Entscheidung über einen Antrag gemäß § 44 SGB X eine Ermessensreduzierung auf Null im Bezug auf die ersten sechs Kalendermonate vor dem Monat der Antragstellung angenommen. Denn es bestand kein rechtfertigender Grund, die Bürger, die nicht besonders fach- und sachgerecht vorgingen und die dann gegebenenfalls sofort von der Behörde auf einen offenkundig bestehenden günstigeren Weg zum Erhalt von Leistungen hinzuweisen wären, schlechter zu behandeln als andere, die ausnahmsweise fachlich gut beraten waren.
Ähnliche Überlegungen sind auch im Rahmen des § 67 SGB I angebracht. Begehrte ein Bürger u.a. Kindergeld für die Gegenwart oder/und die Zukunft, lag ein Neuantrag vor, der nach § 9 Abs.2 BKGG a.F. bzw. § 5 Abs.2 BKGG n.F. für sechs Kalendermonate zurückwirkte.
Von einem Neuantrag war ebenfalls auszugehen, sofern sich ein Antrag auf Kindergeld auf die Vergangenheit bezog, und zwar hinsichtlich der vorausgehenden sechs Monate. Insoweit sah und sieht das Gesetz keine Ermessensentscheidung über die Leistungen vor. Sollte es aber dennnoch hinsichtlich der vorausgehenden sechs Monate zu einer Entscheidung gemäß § 67 SGB I kommen (die Nachholung der Mitwirkung kann ja allein in einem Realakt bestehen, der nicht als Antrag zu werten wäre), verbleibt es dabei, dass auch § 67 SGB I keine Ermessensleistungen für die ersten sechs Kalendermonate vor Nachholung der Mitwirkung, zumindest sofern diese im Beibringen von Antragsunterlagen besteht, zulässt.
Dies wird z.B. dann besonders deutlich, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Entziehung von Leistungen gemäß § 67 SGB I und dem erneuten Antrag auf Kindergeld (für Zukunft und Vergangenheit) mehr als sechs Monate liegen. Die ehemalige Entziehung von Kindergeld soll ja keine Strafaktion darstellen und beinhaltet keinen Ausschluss von Kindergeldleistungen für alle Zukunft. Nicht einmal der alte Kindergeldantrag gilt durch einen bestandskräftigen Bescheid gemäß § 66 SGB I verbraucht; die betroffenen Leistungsansprüche, die mangels Mitwirkung in Zweifel stehen, sind nicht untergegangen, und letztlich hat die Beklagte bis zur Klärung der Angelegenheit bei erforderlicher Mitwirkung des Bürgers lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht. Dieses kann und darf sich aber nur auf einen Antrag beziehen, Leistungen für die Vergangenheit gemäß § 67 SGB I zu erbringen, bzw. auf den Umstand, dass die Beklagte aus Anlass der Nachholung der Mitwirkung von Amts wegen über Leistungen für die Vergangenheit entscheidet. Der Bürger kann sich aber z.B. auf einen Neuantrag (mit Rückwirkung für die vorausgehenden sechs Monate) beschränken, und hinsichtlich eines solchen Antrags können sich Folgen aus einem vorausgehenden Verhalten, das sich auf einen anderen, früher gestellten Antrag bezieht, nicht auswirken. Ebensogut ist es möglich, bei einem Kindergeldbegehren, das Leistungen für die Vergangenheit und die Zukunft betrifft,zu differenzieren zwischen einem Neuantrag auf Leistungen für die vorausgehenden sechs Monate und die folgenden Monate und einem Antrag gemäß § 67 SGB I für Leistungen für die weiter zurück liegende Vergangenheit. Zu Recht hat daher das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 30.03.1995 - L 5 KG 101/94 entschieden: "Holt der Kindergeldberechtigte mehr als sechs Monate nach Entziehung des Kindergelds gemäß § 66 Abs.1 SGB I nicht nur die fehlende Mitwirkung nach, sondern beantragt darüber hinaus erneut Kindergeld, ist vorbehaltlich einer weitergehenden nachträglichen Zahlung gemäß § 67 SGB I in jedem Fall die Rückwirkung des Antrags nach § 9 Abs.2 BKGG zu beachten". Anzumerken bleibt hier nur, dass in den meisten Fällen der nachgeholten Mitwirkung im Kindergeldrecht (hier geht es fast ausschließlich um Beantwortung von Fragen, Ausfüllen von Formularen und vor allem Beibringung von Unterlagen) ein Begehren auf Leistungen für die Zeit bis zur Nachholung (sechs Monate und mehr) und ab Nachholung (Antrag) erkenntlich wird. In solchen Fällen kann in sachgerechter Vereinfachung eine Entscheidung gemäß § 67 SGB I als gebundene Entscheidung für die vorausgehenden sechs Kalendermonate und die Zukunft und als Ermessensentscheidung für darüber hinaus liegende Zeiten in der Vergangenheit angesehen werden. Die Beklagte hat zwar auf entsprechende Rechtshinweise des Senats eingewendet, aus dem u.a. vom Senat erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.02.1990 - 10 RKg 17/89 gehe hervor, dass eine Bewertung der nach einer Versagung von Kindergeld aufgrund fehlender Mitwirkung später vorgelegten Unterlagen als Neuantrag nicht möglich sei. Die Beklagte übersieht aber bei dieser Argumentation zwei wesentliche Punkte. Zum einen hat die Klägerin - nach Versagung von Leistungen im Jahre 1997 - gerade im September 2000 mit dem Formblatt KG 51 R, überschrieben mit "Antrag auf Kindergeld", einen Neuantrag ausdrücklich gestellt. Erst durch Hinweise der Beklagten auf die frühere Versagung und auf in der Vergangenheit fehlende Unterlagen sowie die Gründe für die damalige fehlende Mitwirkung wurde die Klägerin veranlasst, mit Schreiben vom 09.08.2001 Einkommensnachweise vorzulegen und auch um rückwirkende Zahlung von Kindergeld zu bitten. Der bloße Fall der Nachholung einer Mitwirkung lag hier ja gerade nicht vor; wenn die Beklagte aber nur gemäß § 67 SGB I entschieden hat (vgl. die Bescheide vom 31.05. und 16.08.2001), hat sie den Sachverhalt wesentlich verkürzt und unrichtig erfasst und den ausdrücklichen Neuantrag der Klägerin, der zurückwirkt, übersehen.
Weiterhin hat die Beklagte das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.02.1990 (a.a.O.) missverstanden. Zunächst hat das Bundessozialgericht in diesem Urteil zur Ermessensentscheidung bei der Rücknahme für die Vergangenheit gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 20 Abs.5 BKGG ausgeführt, dass das Ermessen vorliegend auf Null reduziert sei, weil die Beklagte § 9 Abs.2 BKGG (zu Unrecht!) als leistungsversagenden Grund angesehen hat und sonstige Ermessensgründe, die gegen die Rücknahme des Versagungsbescheids sprächen, nicht ersichtlich seien (die rückwirkende Bewilligung von Leistungen erscheint hier als Regelfall und nicht als Ausnahme). Angesprochen hat das Bundessozialgericht damit vor allem, dass im Rahmen der möglichen rückwirkenden Leistungsgewährung für vier Jahre (§ 44 Abs.1 und Abs.4 SGB X) nicht zu Ungunsten des Bürgers § 9 Abs.2 BKGG mit seinem Ausschluss von Ansprüchen für mehr als sechs Kalendermonate vor dem Antrag angewendet werden dürfe, also das grundsätzliche Ermessen bei rückwirkenden Leistungen nicht auf Null reduziert sei im Sinne der zwingenden Ablehnung von Leistungen für dreieinhalb von vier möglichen Jahren. Weiterhin hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 28.02.1990 auch im Rahmen der nachträglichen Leistungsgewährung gemäß § 67 SGB I entschieden, dass § 9 Abs.2 BKGG die Entscheidung über Leistungen für den gesamten zurückliegenden Zeitraum nicht dahingehend einschränke, dass die Bewilligung nachträglicher Leistungen für mehr als sechs Monate vor Nachholung der Mitwirkung stets abgelehnt werden müsse. § 9 Abs.2 BKGG gelte nur für Neuanträge ("neue Leistungsanträge"), wohingegen im Rahmen des § 67 SGB I ein Antrag auf Leistungen bei Nachholung der Mitwirkung nicht einmal erforderlich sei; ein Bescheid gemäß § 66 SGB X habe schließlich den alten Antrag nicht verbraucht. Außerdem sei § 9 Abs.2 BKGG auch nicht (Anmerkung: zu Ungunsten des Bürgers) analog anzuwenden. Diese Ansicht des Bundessozialgerichts kann die Meinung der Beklagten im jetzigen Rechtsstreit nicht stützen. Vorliegend geht es darum, dass für sechs Kalendermonate vor Nachholung der Mitwirkung (mit dem hierin deutlich gewordenen Leistungsbegehren = Antrag) das Ermessen der Beklagten sich zugunsten des Bürgers auf Null reduziert, so dass die Leistungen für diesen Zeitraum zu erbringen sind, wohingegen für die über sechs Monate hinausgehende Zeit in der Vergangenheit es zu einer Ermessensentscheidung käme. In dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall ist lediglich die Rechtshandhabung der Beklagten beanstandet worden, dass hinsichtlich der Leistungen für die unmittelbar vorausgehenden sechs Kalendermonate nach Ermessen entschieden wird und für die noch länger zurück liegende Zeit Leistungen zwingend abgelehnt werden.
Die Meinung des jetzt entscheidenden Senats wird weiterhin dadurch bestärkt, dass der Gesetzgeber durch Art.30 des Gesetzes vom 16.12.1997 (BGBl.I S. 2970) den § 5 Abs.2 BKGG (Nachfolgervorschrift des § 9 Abs.2 BKGG) mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben hat, wobei § 20 Abs.2 BKGG n.F. zur Klarstellung darlegt, dass § 5 Abs.2 BKGG a.F. letztmals für das Kalenderjahr 1997 anzuwenden ist, so dass Kindergeld auf einen nach dem 31.12.1997 gestellten Antrag rückwirkend längstens bis einschließlich Juli 1997 gezahlt wird. Damit gibt es für das Kindergeld nach dem BKGG ab dem 01.07.1997 keine Antrags- bzw. Ausschlussfristen mehr; die rückwirkende Gewährung von Leistungen (bei Neuanträgen) wird lediglich durch die Verjährung begrenzt. Dadurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er Leistungen für Kinder auch für die Vergangenheit ein ganz besonderes Gewicht beimisst und nach Art und Zweck der Leistung für Kinder keinen Ausschluss bei (schuldhaft wie auch unverschuldet) verspätetem Leistungsantrag der Eltern geben sollte. Im Kindergeldrecht geht der Gesetzgeber wesentlich weiter als selbst bei der existenzsichernden Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (aus eigener Versicherung), die unter bestimmten Umständen nur für drei Monate rückwirkend vor dem Antragsmonat gewährt wird (§ 99 Abs.1 SGB VI) und bei länger zurückliegender Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen ab Antragsmonat, weiterhin bei Hinterbliebenenrenten, die rückwirkend lediglich für zwölf Kalendermonate vor dem Antragsmonat geleistet werden. Gerade im Kindergeldrecht hat der Gesetzgeber ein besonderes Privileg vorgesehen; erstaunlich ist es, dass die Beklagte in diesem Bereich das Recht restriktiver anwendet als andere Leistungsträger, die bei Nachholung der Mitwirkung grundsätzlich rückwirkend die bereits von Anfang an möglichen Leistungen gewähren.
Dem (auch schuldhaft) an sich verspätet gestellten Antrag auf Kindergeld ist der Fall vergleichbar, dass verspätet Unterlagen nachgereicht werden. Grundsätzlich müssen rückwirkend Leistungen erbracht werden. Ganz besondere Umstände, die dies ausschließen könnten, sind vorliegend nach bisherigem Stand nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten, über die Zahlung von Kindergeld (des Unterschiedsbetrags zwischen spanischen und deutschen Leistungen der Familienbeihilfe) für drei Kinder im Zeitraum von Januar 1996 bis einschließlich August 2000 ermessensgerecht zu entscheiden.
Die 1943 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im folgenden nur Klägerin genannt) mit Wohnsitz in Spanien ist Witwe eines am 13.07.1992 gestorbenen Wanderarbeitnehmers, der in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) von November 1970 bis März 1982 versicherungspflichtig beschäftigt war (134 Monate Pflichtbeiträge) und in Spanien von April 1982 bis Juni 1992 Beitragszeiten zurückgelegt hat. Aus der Ehe sind die Kinder M. , geb. 1981, C. , geb. 1983, und P., geb. 1984, hervorgegangen. Die älteste Tochter C. stand ab dem 18. Lebensjahr (1999/2000) in Berufsausbildung.
Am 24.07.1995 ging bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im folgenden nur Beklagte genannt) ein Antrag (Formblatt KG 51 R) auf Gewährung von Kindergeld für drei Kinder mit Hinweis auf den Bezug einer Rente von der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz und mit vom spanischen Leistungsträger auf Formblatt E 411 R bescheinigten Familienzuschlägen von 3.000,00 Peseta pro Kind zu einer Rente (gemeint: "spanisches" Kindergeld zur Hinterbliebenenrente der Klägerin) ein. Nach Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz vom 04.06.1996 über die Höhe der Waisenrenten nach deutschem Recht (z.B. 124,20 DM monatlich für ein Kind im Jahre 1992) und der von 1992 bis 1995 nahezu doppelt so hohen Waisenrenten nach spanischem Recht (z.B. 253,54 DM monatlich im Jahre 1992 für ein Kind) wurde von der LVA unter Anrechnung der spanischen Waisenrente (nicht des "spanischen" Kindergelds) lediglich eine kleine Teilsumme der Waisenrenten für Juli 1992 (Teilmonat) gezahlt; im Übrigen ergab sich (damals) ein Zahlbetrag von 0,00 DM.
Mit Schreiben vom 16.07.1996 forderte die Beklagte von der Klägerin unter Übersendung von fünf Formblättern in der Anlage an: a) Familienstandsbescheinigung (E 401) für die in Spanien lebenden Kinder, b) Ausfüllen von Fragebögen (nicht benannt, offensichtlich vier Fragebögen zum Einkommen der Eltern von 1990 bis 1993 wegen der Kindergeldhöhe von 1992 bis 1995); Nachweise seien nur über das Einkommen der Klägerin für die Jahre 1990 bis 1993 beizufügen), c) Beantwortung verschiedener Fragen ("Wo hat der verstorbene Ehemann zuletzt in Deutschland gewohnt und gearbeitet und bis wann? Wann sind er, sie und die Kinder nach Spanien zurückgekehrt?"). Zur Erledigung wurde der Klägerin eine Frist bis zum 30.10.1996 gesetzt und bei Nichteinhalten des Termins ohne wichtigen Grund angekündigt, das Kindergeld ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Teil I (SGB I) zu versagen, soweit die Voraussetzungen zwischenzeitlich nicht nachgewiesen seien.
Als die Klägerin nicht reagierte, erteilte die Beklagte im Anschluss an ein Mahnschreiben vom 13.11.1996 den Bescheid vom 21.01.1997, mit dem sie unter kurzer Anführung der fehlenden Unterlagen und Antworten der Klägerin (s. oben a bis c) das Kindergeld gemäß § 66 SGB I versagte und darauf hinwies, dass die Mitwirkung zur Vermeidung von Rechtsnachteilen umgehend zu erbringen oder die Beklagte zumindest über Hinderungsgründe zu unterrichten sei; bei einer späteren Nachholung der Mitwirkung komme eine Nachzahlung des Kindergelds nur in Ausnahmefällen in Betracht. Am 07.02.1997 ging bei der Beklagten ein unbeholfen verfasstes Schreiben der Klägerin mit Antworten zu den gestellten Fragen und mit drei amtlichen Bescheinigungen zu den Einkünften des verstorbenen Ehegatten in den Jahren 1991 und 1992 ein. Die Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 11.02.1997 mit, dass noch Unterlagen fehlten; sofern diese nicht bis zum 30.05.1997 eingingen, bleibe es bei dem Bescheid vom 21.01.1997. Vordrucke seien beigefügt.
Die Klägerin meldete sich hierauf längere Zeit nicht mehr. Am 04.09.2000 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Kindergeld für drei Kinder (auf Formblatt KG 51 R) ein, den die spanische Verbindungsstelle Instituto Nationale de la Securidad Social in H. (INSS H.) mit einem Eingangsstempel vom 16.06.2000 versehen hatte. Beigegeben waren von der Wohnortgemeinde beglaubigte Kopien der Personalausweise aller Familienangehörigen (mit Angabe von Wohnort und Straße), Ausbildungsbescheinigungen für drei Kinder, Kopien des Familienbuchs und eine Rentenanpassungs-Bescheinigung über die Erhöhung der Witwenrente der Klägerin ab 01.07.2000. Die Beklagte bat daraufhin mit Schreiben vom 12.09.2000 um die Unterlagen E 401 und E 411 R (gemeint: Familienstandsbescheinigung und Bescheinigung über den Kindergeldbezug nach spanischen Vorschriften) und wies darauf hin, dass erst ab dem Monat, in dem diese von Behörden bestätigten Vordrucke bei ihr eingegangen seien, ein Anspruch auf Kindergeld bestehe; auf den Versagungsbescheid vom 21.01.1997 werde hingewiesen.
Nach Eingang des Formblatts E 401 (mit Stempel des INSS vom 22.09.2000) und des unvollständigen Formblatts E 411 bei der Beklagten im September 2000 (das Formblatt E 411 wurde im Oktober/November 2000 vom INSS ergänzt), nach langwierigen Ermittlungen zur Ausbildung der Kinder und nach einer von der Beklagten eingeholten Auskunft der LVA Rheinprovinz über die zu zahlenden Waisenrenten bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2001 den Unterschiedsbetrag zwischen den deutschen und den spanischen Leistungen der Familienbeihilfe für drei Kinder ab 01.09.2000 "gemäß Art.78 EGVO 1408/71 in Verbindung mit dem BKGG und § 66 SGB I"; hierbei ging die Beklagte laut einem vorausgehenden Aktenvermerk davon aus, dass das (früher fehlende und daher zur Versagung führende) Formblatt E 401 am 22.09.2000 beim INSS (und damit auch bei der Beklagten) eingegangen sei und bei einem Anspruch ab September 2000 für die Zukunft Nachweise für das Einkommen der Klägerin nicht mehr erforderlich seien. In einem gesonderten Begleitschreiben vom 31.05.2001 zum Bescheid vom 31.05.2001 wies die Beklagte darauf hin, dass mit Nachholung der Mitwirkung das Kindergeld ab September 2000 bewilligt worden sei; die rückwirkende Zahlung des Kindergelds für die Zeit von August 1992 bis August 2000 komme in Betracht, wenn die Klägerin für die Versäumung der rechtzeitigen Mitwirkung einen wichtigen Grund gehabt hätte oder wenn die Versagung der rückwirkenden Kindergeldzahlung zu einer wirtschaftlichen Notlage führen würde (§ 67 SGB I). Die Klägerin könne sich hierzu äußern.
Am 04.07.2001 ging bei der Beklagten ein von dem INSS am 15.06.2001 bestätigtes Formblatt E 411 ein. Mit einem weiteren Schreiben der Klägerin vom 09.08.2001, eingegangen bei der Beklagten am 13.08.2001, bat sie die Beklagte, wegen geringen Einkommens ihr auch rückwirkend Kindergeld zu zahlen, und legte hierzu Nachweise über die Renten- und Erwerbseinkünfte von 1992 bis 2000 vor.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16.08.2001 lehnte die Beklagte die Zahlung des Kindergelds für die Zeit von August 1992 bis einschließlich August 2000 ab, weil die Mitwirkung erst nach "Rechtskraft" des Bescheids vom 21.01.1997 nachgeholt worden sei. Triftige Gründe für die verspätete Mitwirkung seien nicht dargelegt worden, und die Prüfung der eingereichten Einkommensbelege ergebe, dass der Lebensunterhalt sicher gestellt und eine wirtschaftliche Notlage nicht zu befürchten sei.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch - die Klägerin bediente sich erstmals einer Bevollmächtigten für Arbeits- und Sozialfragen bei der Spanischen Botschaft in B. - wurde geltend gemacht, die Klägerin hätte sich in der Vergangenheit wiederholt an das INSS in H. gewandt und um Hilfe gebeten und hätte wiederholt zur Auskunft erhalten, dass Deutschland kein Kindergeld zahle und demzufolge das INSS die Angelegenheit nicht bearbeiten werde. Die Rechtsbehelfsstelle der Beklagten erteilte daraufhin den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 16.10.2001. Dieser stützte sich u.a. drauf, dass bei nachgeholter Mitwirkung der Versagungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft gegenstandslos werde, aber für die Vergangenheit in seinem Bestand nicht berührt werde und die Rechtmäßigkeit allein danach zu beurteilen sei, ob die Voraussetzungen des § 66 SGB I bei seinem Erlass erfüllt gewesen seien. Über die rückwirkende Bewilligung sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Gründe für die Unterlassung der Mitwirkung sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zu berücksichtigen. Grundsätzlich komme die Ablehnung schon dann in Betracht, wenn die Angaben der Antragstellerin für das Unterlassen der fristgerechten Mitwirkung nicht als hinreichende Begründung anzusehen seien und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Antragstellerin durch die Versagung in wirtschaftliche Not geraten werde (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.1985 - 5 C 133.81).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg erstrebte die Klägerin eine Nachzahlung des Kindergelds im Zeitraum von August 1992 bis einschließlich August 2000 und wies nochmals darauf hin, dass sie auf die Informationen des spanischen Leistungsträgers INSS vertraut habe, dass vorliegend die BRD kein Kindergeld zahle und dass deshalb auch keine Formulare ausgefüllt würden.
Das Sozialgericht hob mit Urteil vom 29.09.2003 den Bescheid vom 16.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10. 2001 auf, soweit er den Zeitraum von Januar 1996 bis einschließlich August 2000 betraf, und verurteilte die Beklagte zur erneuten Verbescheidung für diesen Zeitraum unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Sozialgericht legte im Urteil dar, dass die Klägerin in der Zeit von 1992 bis 1995 mit der damaligen Staffelung des Kindergelds von 70,00 DM monatlich für das erste Kind, (maximal) 130,00 DM monatlich für das zweite Kind und (maximal) 220,00 DM monatlich für das dritte Kind nach den anzuwendenden europäischen Rechtsgrundsätzen (u.a. Anrechnung der spanischen auf die deutschen Leistungen) von der Beklagten allenfalls 30,00 bis 40,00 DM monatlich Kindergeld für das jüngste Kind zu erwarten gehabt hätte, sofern sich das ehemals in der Höhe einkommensabhängige Kindergeld wegen Einkommens der Eltern vor dem Tode des Ehemanns und Einkommens der Klägerin nach dem Tode des Ehemanns nicht von vornherein erheblich gemindert hätte. Aufgrund umfangreicher und schwieriger Berechnungen der Differenzleistungen auf der Grundlage der jeweiligen Umrechnungskurse, sonstiger Gesichtspunkte und des Umstands, dass bei einem im Jahre 2000 gestellten Antrag Leistungen bis zum 31.12.1995 bereits verjährt gewesen seien, halte die Ablehnung von nachträglich rückwirkend zu gewährenden Kindergeldleistungen bis Dezember 1995 eine gerichtlichen Nachprüfung stand. Über den Zeitraum ab Januar 1996 habe die Beklagte jedoch erneut zu entscheiden. Rechtsfehlerhaft sei es gewesen, dass die Beklagte den wichtigen Grund für das Unterlassen der fristgerechten Mitwirkung und die fehlenden Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Not bei Versagung von Leistungen in den Vordergrund ihrer Ermessensausübung gestellt habe. Es handele sich hier um zwei in die Abwägung einzubeziehenden Umstände, die aber weder allein noch in ihrem Zusammenwirken grundsätzlich die Ablehnung der rückwirkenden Leistungsgewährung rechtfertigen könnten. Das Erfordernis der wirtschaftlichen Notlage sei weder im Gesetz verankert noch gebe es hierfür eine der Kammer nachvollziehbare Rechtsprechung. Im Gegenteil gelte, dass versagte Leistungen grundsätzlich rückwirkend zu erbringen seien, wenn die Nichtgewährung zu einer wirtschaftlichen Notlage führe. Im Übrigen könnten in Anbetracht des § 2 Abs.2 SGB I nur schwerwiegende Umstände zur endgültigen Leistungsversagung führen und sei jeder Anschein einer Bestrafung zu vermeiden. § 67 SGB I sei keine Strafvorschrift. Damit könnten im Ergebnis einer rückwirkenden Leistungsgewährung nur wiederholte Verletzungen der Mitwirkungspflicht, das Geltendmachen von Leistungen für lange zurück liegenden Zeiträume oder unter Einbeziehung der Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie ein aufwendiges und umfangreiches Verwaltungsverfahren entgegenstehen.
Für die Zeit ab 01.01.1996 - das Kindergeld habe sich erheblich auf 200,00 bis 300,00 DM monatlich pro Kind erhöht, so dass Zahlbeträge für alle drei Kinder zu erwarten seien - sei zu beachten, dass die Höhe des Kindergelds nicht mehr vom Einkommen der Eltern abhängig sei und damit der bedeutsamste Grund für die Versagung des Kindergelds wegen fehlender Mitwirkung, die nicht eingereichten Einkommensnachweise, entfallen sei. Berücksichtigt werden müsse ferner, dass die Klägerin mit einem Antrag von Juni 2000 Kindergeld rückwirkend ab Juli 1997 hätte verwirklichen können; dies ergebe sich aus § 20 Abs.2 BKGG n.F. (Rechtsänderung - Aufhebung des Ausschlusses von verspätet beantragten Leistungen. Die Klägerin dürfe im Rahmen des Ermessens des § 67 SGB I nicht schlechter gestellt werden als derjenige, dessen Kindergeldantrag früher aus materiell-rechtlichen Gründen abgelehnt worden sei und der dann erneut einen Kindergeldantrag stelle. Insgesamt gesehen seien für den Zeitraum 1996 bis 2000 keine gravierenden Umstände ersichtlich, die die Ablehnung von Leistungen für die Vergangenheit bei Nachholung der Mitwirkung rechtfertigten.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung bringt die Beklagte vor, eine fehlerhafte Ermessensausübung vermöge sie nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin habe die Familienstandsbescheinigung, die auch für die Zeit ab 01.01.1996 notwendig gewesen sei, nicht vorgelegt. Die behauptete falsche Beratung der Klägerin durch das INSS könne nicht überzeugen, da die Klägerin davon ausgehen hätte müssen, dass die Agentur für Arbeit in N. , die die Unterlagen zur Anspruchsprüfung angefordert habe, kompetenter als die spanische Behörde sei. Im Übrigen hätte die Klägerin die Beklagte dann informieren sollen, dass sie von spanischen Behörden in ihrer Mitwirkung behindert werde. Allein der Umstand, dass die Klägerin triftige Gründe für die fehlende Mitwirkung nicht geltend gemacht habe, rechtfertige bereits die Ablehnung der rückwirkenden Bewilligung. Darüber hinaus habe sie eine wirtschaftliche Notlage nicht nachgewiesen. Richterlichen Hinweisen auf eine andere Rechtshandhabung folgt die Beklagte nicht. Sie ist u.a. der Ansicht, dass vorliegend eine Versagung wegen mangelnder Mitwirkung entscheidend gewesen sei und eine Wertung der später von der Klägerin vorgelegten Unterlagen als Neuantrag auf Kindergeld mit der Folge einer weitreichenden Rückwirkung nicht möglich sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil vom 29.09.2003 abzuändern, soweit der Bescheid vom 16.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2001 für die Zeit von Januar 1996 bis August 2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wurde, über diesen Zeitraum unter Beachtung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts Nürnberg erneut zu entscheiden, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin, die gegen das Urteil ebenfalls Berufung eingelegt und diese dann zurückgenommen hat, beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge, die zu Beweiszwecken beigezogene Kindergeldakte der Beklagten und die Dienstanweisungen der Beklagten zur Ausübung des Ermessens in § 67 SGB I (DA 109.63 bis 109.65 vom Juni 2000) vor. Zur Ergänzung des Tatbestands wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das erstinstanzliche Urteil war, soweit angefochten, in seinem Tenor und im Wesentlichen auch inhaltlich zu bestätigen. Die Beklagte hat ihr Ermessen fehlerhaft und daher rechtswidrig ausgeübt. Sie muss unter richtiger Handhabung des Ermessens über die Leistungen vom 01.01.1996 bis zum 30.06.1997 erneut befinden, wobei der Senat vorgibt, dass bisher wesentliche Gründe für eine endgültige Leistungsablehnung nicht erkennbar sind. Hinsichtlich der Leistungen vom 01.07.1997 bis zum 31.08.2000 war ihr Ermessen im Rahmen des § 67 SGB I auf Null geschrumpft; die Beklagte hatte über das von der Klägerin im Jahre 2000 geäußerte Leistungsbegehren wie über einen Neuantrag auf Leistungen, dem Rückwirkung bis zum 01.07.1997 - ohne Ermessensspielraum für die Gewährung rückwirkender Leistungen - beizulegen ist, zu entscheiden. Insoweit hätte das Sozialgericht die Beklagte zur Bewilligung von Leistungen (dem Grunde nach) verurteilen müssen, was der Senat im Rahmen des Berufungsbegehrens der Beklagten nicht nachholen und hierdurch die Beklagte über die durch das erstinstanzliche Urteil entstandene Beschwer hinaus belasten konnte.
In materiell-rechtlicher Hinsicht liegt (dem Grunde nach) ein Anspruch der Klägerin auf den sogenannten Differenzbetrag vor. Leistungen für Waisen im Sinne von Art.78 Abs.1 EG-VO 1408/71 sind unbeschadet des jeweiligen Anspruchsinhabers nach nationalem Recht Familienbeihilfen, worunter das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz fällt (Art.1 Buchst.u Ziffer ii EG-VO 1408/71) und gegebenenfalls zusätzliche oder besondere Bei- hilfen für Waisen sowie Waisenrenten mit Ausnahme der Waisenrenten aus der Versicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Aufgrund des Wohnsitzes der Waisen in Spanien bestand vorrangig ein Waisenrentenanspruch (der Waisen) und ein Kindergeldanspruch (der Klägerin) gegen den spanischen Leistungsträger (Art.78 Abs.2 Buchst.b Ziffer i EG-VO 1408/71). Der Anspruch auf Rentenleistungen und Kindergeld gegen die deutschen Leistungsträger (Nicht-Wohnsitzstaat) ist nach der den Wortlaut des Art.78 EG-VO 1408/71 erweiternden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht völlig untergegangen, weil der Anspruch auf Rentenleistungen allein nach innerstaatlichem Recht der BRD (z.B. ohne Zuhilfenahme anzurechnender Versicherungszeiten in Spanien) bestanden hat; der Nicht-Wohnsitzstaat hat dann von seinen Leistungen die Differenz zu den niedrigeren Leistungen des Wohnsitzstaates zu erbringen. Bei der wertmäßigen Bestimmung der Differenzleistung ist die Summe aller Leistungen für Waisen (z.B. Waisenrenten und Kindergeld) eines Staates der Summe aller Leistungen für Waisen des anderen Staates gegenüber zu stellen.
Nach nationalem deutschen Recht wird eine zu zahlende Differenzleistung dadurch abgewickelt, dass zunächst der inländische Rentenversicherungsträger die Beträge nur der deutschen Waisenrente mit der Summe der spanischen Waisenrente und des spanischen Kindergelds vergleicht und den sich hierbei eventuell ergebenden überschießenden Differenzbetrag zur Auszahlung bringt (ein solcher Differenzbetrag ergab sich für die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz vorliegend nicht). Anschließend nimmt die Kindergeldkasse bzw. Familienkasse eine Gesamtbetrachtung aller spanischen und aller deutschen Leistungen vor und zahlt allein (oder gegebenenfalls neben dem Rentenversicherungsträger) einen (weiteren) Differenzbetrag.
Die Ansprüche der Waisen auf Rente und der Klägerin auf Familienbeihilfe, d.h. Kindergeld, sind vorliegend nicht umstritten, ebensowenig der Anspruch der Klägerin auf den Differenzbetrag zu den zumindest ab 01.01.1996 (zeitweise oder dauernd) höheren deutschen Leistungen oder die nach deutschem innerstaatlichen Recht erfolgende Bestimmung des Leistungsträgers, der vorliegend (allein) Zahlungen an die Klägerin zu erbringen hat.
Vor diesem materiell-rechtlichen Hintergrund hat die Beklagte mit Bescheid vom 16.08.2001 unter unrichtigem Gebrauch des Ermessens entschieden, bei Nachholung der Mitwirkung Leistungen von August 1992 bis einschließlich August 2000 rückwirkend nicht zu zahlen, wobei im vorliegenden Rechtsstreit nur mehr der Zeitraum vom 01.01.1996 bis zum 31.08.2000 zu überprüfen war. § 67 SGB I bestimmt, dass der Leistungsträger, wenn die Mitwirkung nachgeholt wird und die Leistungsvoraussetzungen vorliegen, die nach § 66 SGB I versagten oder entzogenen Sozialleistungen nachträglich ganz oder teilweise erbringen kann. Mit dem Wort "kann" wird ein Ermessensspielraum eingeräumt; zu berücksichtigen sind hierbei stets alle wesentlichen Gründe des jeweiligen Einzelfalls und nicht nur zwei "genormte" Ermessensgründe in den Dienstanweisungen der Beklagten, mit denen die Sachbearbeiter der Beklagten alle Fälle zu regeln pfleen. Die Beklagte hat den Umfang der Ermessensausübung verkannt. Weiterhin ist im vorliegenden Fall zusätzlich zu beachten, dass das Ermessen im Sinne einer Abwägung aller in Frage kommenden Gesichtspunkte nicht nur stattfindet, sondern auch in der Begründung eines Bescheids nach § 67 SGB I oder spätestens im Widerspruchsbescheid vollständig und nachvollziehbar dargelegt sein muss; fehlt ein Teil der notwendigen Begründung, ist ein erteilter Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Es genügt nicht, wenn eine ergänzende Begründung - selbst wenn sie die Ablehnung der Leistungsbewilligung rechtfertigen könnte - lediglich in einem Schriftsatz der Beklagten im Prozess Erwähnung findet oder von Gerichten "gefunden" wird; andererseits sind der Beklagten nicht fehlende Ermessensgründe anzulasten, für die es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte gibt und auf die der Bürger auch nicht hingewiesen hat, obwohl er, falls erforderlich, hierzu richtig und vollständig befragt worden ist.
Die von der Beklagten in ihrem Anhörungsschreiben und in ihren später erteilten Bescheiden genannten Ermessensgründe, der wichtige Grund für die Versäumung der rechtzeitigen Mitwirkung und die wirtschaftliche Notlage infolge Ausbleibens der Sozialleistungen, waren für eine Ermessensausübung nicht hinreichend. Bestünde ein "wichtiger Grund" für das Unterlassen einer (rechtzeitigen) Mitwirkung, wäre bereits der Bescheid über die Versagung von Sozialleistungen vom 21.01.1997 rechtswidrig gewesen und hätte nicht erteilt werden dürfen. § 66 Abs.1 SGB I setzt u.a. voraus, dass ein Bürger seinen Mitwirkungspflichten gemäß den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Gemäß § 65 Abs.1 Nr.2 SGB I besteht eine Mitwirkungspflicht nicht, soweit ihre Erfüllung den Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann, wobei durch das Wort "soweit" auch eine zeitweise Nichterfüllung (Verzögerung) von Pflichten erfasst wird. Sinngemäß können die Entschuldigungsgründe im Sinne von § 67 SGB I nicht bzw. nicht nur solche sein, die zur Aufhebung oder Rücknahme des entziehenden oder versagenden Bescheids führen müssten, weil dieser Bescheid nicht ergehen durfte. Sind die Voraussetzungen für einen versagenden bzw. entziehenden Bescheid gemäß § 66 SGB I nicht gegeben, so kann hiergegen bereits mit Widerspruch oder Klage vorgegangen und die Aufhebung des belastenden Verwaltungsakts erwirkt werden; sollte dies versäumt worden sein, kommt noch die Rücknahme nach § 44 SGB X in Betracht. § 67 SGB I ist keine den § 44 SGB X ersetzende Vorschrift, wenn auch bei der Entscheidung nach § 67 SGB I zusätzlich Gründe berücksichtigt werden dürfen, bei denen auch die Rücknahme des gemäß § 66 SGB I erteilten Bescheids möglich wäre. § 67 SGB I kommt vor aber vor allem zur Anwendung, wenn der vorausgehende Versagungs- bzw. Entziehungsbescheid auf der Grundlage des § 66 SGB I rechtmäßig gewesen ist, d.h. z.B. auch dann, wenn ein (nicht oder nicht voll entschuldigender) Grund ("Motiv") für die Versäumung der Mitwirkung vorgelegen hat, der nicht so erheblich wie ein wichtiger Grund im Sinne von § 65 Abs.1 Nr.2 SGB I gewesen ist.
Die Beklagte hat insoweit die Ermessensgesichtspunkte im Rahmen des § 67 SGB I verkannt. Wurde bei der Anhörung der Klägerin und im Bescheid vom 16.08.2001 pauschal von einem "wichtigen Grund" gesprochen und dieser verneint, so konkretisierte und verschärfte der Widerspruchsbescheid vom 16.10.2001 die Anforderungen dahingehend, dass die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16.08.2001 gemäß § 67 SGB I allein danach zu beurteilen sei, ob die Voraussetzungen für den Versagungs- bzw. Entziehungsbescheid vom 21.01.1997 (also die Tatbestände des § 66 in Verbindung mit §§ 63 ff. SGB I) bei seinem Erlass erfüllt oder nicht erfüllt waren. Hier wird die notwendige Differenzierung verwischt, dass der wichtige Grund, bei dem eine Voraussetzung für den Erlass eines Bescheids gemäß § 66 SGB I nicht gegeben ist, nicht identisch ist mit den Gründen für eine fehlende Mitwirkung, die zur rückwirkenden Gewährung von Leistungen führen können.
Die Beklagte hat dann nur noch einen einzigen weiteren "echten" Ermessensgesichtspunkt, die wirtschaftliche Notlage, in ihre Erwägungen eingestellt, wobei sie mangels eines Vortrags der angehörten Partei hierzu nichts ermitteln musste und diesen nach Aktenlage anhand der von der Klägerin anderweitig angegebenen Einkünfte verneinen konnte. Nicht beachtet hatte die Beklagte aber in ihren Bescheiden vom 16.08.2001 und 16.10.2001, dass ins Ermessen alle bedeutsamen Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind. Nichts Anderes besagen die Dienstanweisungen der Beklagten: "Äußert sich der Antragsteller bzw. Kindergeldempfänger zu den Gründen für die unterlassene Mitwirkung bzw. seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, sind bei der zu treffenden Ermessensentscheidung alle Umstände des Einzelfalles abzuwägen. Grundsätzlich kann nach dem Zweck der Ermessensvorschrift die Ablehnung einer rückwirkenden Leistungserbringung angebracht sein, wenn der Antragsteller bzw. Kindergeldempfänger das Unterlassen der fristgerechten Mitwirkung nicht ausreichend begründen kann und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass er durch die zeitweise Unterbrechung der Leistung in wirtschaftliche Not geraten ist (BVerwG, Urteil vom 17.01.1985 - 5 C 133.81)". Dem ist nur hinzuzufügen, dass auch bei Nichtäußerung des Bürgers alle (bekannten) Umstände des Einzelfalles abzuwägen wären; das zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat im Übrigen Ermessensgründe nur flüchtig erwähnt und sich hiermit nicht besonders befasst, weil es sich nur im Hinblick auf eine hypothetisch unterstellte Klage gegen einen Bescheid gemäß § 67 SGB I (Versagung von Ausbildungsförderung) kurz äußerte. Insoweit sind die Gründe für das Urteil nicht tragend, und fundierte Ausführungen über ein in einem solchen gedachten Fall anzustellendes Ermessen sowie Ermessensgesichtspunkte fehlen ohnehin.
Laut Ansicht des Senats sind in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wozu u.a. Zweck und Art der Sozialleistung, Grad der Pflichtwidrigkeit, wirtschaftliche Situation des Betroffenen, Bedeutung der Leistung für ihn und alle Angehörigen, Gründe für die zeitweise Verweigerung der Mitwirkung usw. zählen; zu vermeiden bei der Abwägung ist der Anschein der Bestrafung/Sanktion (Seewald in Kasseler Kommentar, Rzn.8 und 9 zu § 67 SGB I); Grenzen setzt ohnehin die Verjährung (und eine Verzinsung hat in der Regel zu unterbleiben), so dass das Ermessen zugunsten des Bürgers praktisch weitgehend eingeschränkt ist (Seewald, a.a.O.). Ähnlich sind in anderen Urteilen Ermessensgründe umschrieben; der Bayerische Verwaltungsgerichtshof z.B. nennt in seiner Entscheidung vom 11.07.2002 - 12 B 01.200 zum Pflegegeld neben der wirtschaftlichen Not alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die Dauer der fehlenden Mitwirkung und die Motive hierfür. In anderen Quellen ist auch der Grad des Verschuldens des Antragstellers genannt.
Insoweit finden sich keine einschlägigen Feststellungen im Bescheid der Beklagten vom 16.08.2001. Hier wurde zunächst nur eine fehlende Mitwirkung der Klägerin erwähnt und die Berücksichtigung der nachgeholten Mitwirkung schon deswegen abgelehnt, weil dies erst nach "Rechtskraft" (gemeint wohl: Bestandskraft) des Bescheids vom 21.01.1997 erfolgt sei. Tatsache ist aber, dass die Klägerin innerhalb der im Bescheid vom 21.01.1997 genannten Dreimonatsfrist für die Einlegung des Widerspruchs immerhin die von der Beklagten gestellten Fragen beantwortet und Einkommensnachweise für den verstorbenen Ehemann in den Jahren 1991 und 1992 beigebracht hatte. Für die Höhe des Kindergelds von 1992 bis 1995 war nämlich grundsätzlich das Einkommen im jeweils vorletzten Kalenderjahr maßgebend, also das Einkommen der Klägerin und des Ehegatten für die Jahre 1990 und 1991 und das Einkommen der Witwe in den Jahren 1992 und 1993 (vgl. § 10 Abs.1 und Abs.2, § 11 Abs.3 BKGG in den damaligen bis Dezember 1995 geltenden Fassungen). Offenbar ist die Klägerin sowohl wegen fehlender Sprachkenntnisse als auch wegen fehlender Rechtskenntnisse nicht mit den diffizilen Anforderungen klar gekommen. Jedenfalls hätte die Beklagte (dies wäre bereits im Versagungsbescheid vom 21.01.1997 zu berücksichtigen gewesen) bei der Entscheidung über die nachträgliche Erbringung von Leistungen gemäß § 67 SGB I würdigen müssen, dass Angaben und Belege zu Einkommen für die Leistungszeit ab 01.01.1996 nicht mehr erforderlich waren, weil die Höhe des Kindergelds nicht mehr einkommensabhängig war. Auch hinsichtlich des dritten Punktes des Vorwurfs der mangelnden Mitwirkung kann (ab 01.01.1996) ein erhebliches Verschulden der Klägerin nicht angenommen werden, wenn auch der Senat durchaus sieht, dass eine Familienstandsbescheinigung (Formblatt E 401: Angaben zu den Familienangehörigen in einem Haushalt) von der Wohnortgemeinde ausgestellt wird, so dass die Klägerin sich insoweit nicht auf die verweigerte Mithilfe des INSS berufen kann. Vorliegend muss nicht erörtert werden, in welchen Fällen eine "Haushaltsbescheinigung" nicht erforderlich ist (z.B. bei Vorlage einer von dem INSS ausgestellten Ausbildungsbescheinigung). Die Beklagte hat jedenfalls bei ihrer Entscheidung über die nachträgliche Leistungsbewilligung unberücksichtigt gelassen, dass eine Familienstandsbescheinigung bereits beim Rentenversicherungsträger vorgelegen haben muss. Mithin hätte die Beklagte, die sich in der Zeit von August 1995 bis Juli 1996 dreimal an die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz wegen Unterlagen und wegen Angaben zu spanischen und deutschen Leistungen gewandt hatte, ohne Weiteres auch die dortige Familienstandsbescheinigung beiziehen können, und zwar mit geringerem Aufwand als die Klägerin, die mit dem auszufüllenden Formblatt E 401 zu ihrer Wohnortsgemeinde gehen hätte müssen. Insoweit lag höchstwahrscheinlich nicht einmal eine zur Versagung führende Mitwirkungspflicht vor, weil die Beklagte leichter als die Klägerin das Benötigte besorgen hätte können (§ 65 Abs.1 Nr.3 SGB I); zumindest hätte diese Überlegung in eine Entscheidung über die nachträgliche Erbringung von Leistungen einfließen müssen und nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen. Jedenfalls muss im Nachhinein gesehen werden, dass die Klägerin immerhin in den Jahren 1996 und 1997 nicht völlig untätig geblieben ist und einen Teil des von der Beklagten Geforderten erfüllt hat, weiterhin dass ein Teil der zur Versagung führenden Umstände für die Zeit ab 01.01.1996 keine Geltung mehr haben konnte.
Fehlerhaft war ferner die Rechtsansicht der Beklagten, bei bzw. trotz Nachholung der Mitwirkung grundsätzlich - bis auf die in ihrer Dienstanweisung genannten zwei Fälle (triftiger Grund für die fehlende Mitwirkung oder wirtschaftliche Notlage) - von der Ablehnung der Zahlung versagter oder entzogener Leistungen für die Vergangenheit auszugehen. Grundsätzlich aber ist, auch bei der Auslegung von Gesetzen und der Ausübung von Ermessen (so ausdrücklich § 2 Abs.2, 1. Halbsatz SGB I), sicher zu stellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs.2, 2. Halbsatz SGB I) und die Aufrechterhaltung einer unnötig gewordenen Sanktion nicht mit § 67 SGB I zu rechtfertigen ist. Als Grundsatz bei der Nachholung der Mitwirkung gilt der der Erbringung von Leistungen (das BSG äußerte in seinem Urteil vom 14.12.1982 - 10 RKg 29/81 in SozR 5870 § 20 Nr.3 sogar erhebliche Zweifel, ob die rückwirkende Gewährung einer von Art.6 Grundgesetz und von § 25 SGB I gebotenen Leistung wie das Kindergeld vom Ermessen der Verwaltung abhängig sein dürfe); Ausnahmen hiervon können nur aus besonders wichtigen Gründen gemacht werden, aber keinesfalls aus der Überlegung, dass aufgrund der ehemalig unterbliebenen und nicht völlig hinreichend entschuldigten unterlassenen Mitwirkung eine Strafe verbleiben muss. Dies kann aus § 67 SGB I selbst nicht hergeleitet werden.
Der Gesetzgeber hat öfters in spezialgesetzlichen Regelungen deutlich gemacht, dass er bei Verletzung der Mitwirkungspflicht in bestimmten Fällen eine wirksame Sanktion für geboten hält und nachträglich die Leistungen nicht mehr erbracht werden sollen (vgl. BSG vom 24.07.2003 - B 3 P 4/02 R in Breithaupt 2004, 21 zum Fall der wiederholten Versäumung des Pflegeeinsatzes; vgl. ferner BSG vom 17.08.2000 - B 10 LW 8/00 R in BSGE 87, 76 zum Ruhen von Beitragszuschüssen zur Alterssicherung der Landwirte bis zur Vorlage des benötigten, aber schuldhaft nicht vorgelegten Einkommensteuerbescheids gemäß der strengeren Regelung in § 32 ALG im Gegensatz zu der allgemeinen Regelung des § 67 SGB I). Liegt ein solcher besonderer Fall nicht vor, gilt § 67 Abs.1 SGB I mit dem darin enthaltenen Rechtsgedanken, dass die Verletzung von Mitwirkungspflichten keine entgültigen Rechtsverluste zur Folge haben soll, wenn der verhaltenssteuernde Effekt mit der Nachholung der Mitwirkung eingetreten ist (BSG vom 24.07.2003, a.a.O.).
Der Senat hält daher bereits aus den dargelegten Gründen einen Ermessensfehler der Beklagten für gegeben. Nicht in Frage kam aber - im Rahmen des umstrittenen Zeitraums vom 01.01.1996 bis zum 31.08.2000 - für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.08.2000 die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung bei neuer, freigestellter Ermessensausübung. Vielmehr bestand noch ein weiterer Ermessensgesichtspunkt, so dass das in § 67 SGB I vorgesehene Ermessen der Beklagten auf Null geschrumpft war und diese vom Sozialgericht zur Zahlung der Leistung hätte verurteilt werden müssen. Wenn der Senat auch Letzteres am Urteil des Sozialgerichts nicht ändern konnte, so weist er dennnoch darauf hin, dass ein maßgebender Ermessensspielraum für die Beklagte nicht mehr gesehen wird.
Der Senat hat sich bei der Bildung seiner Überzeugung an den Fristen orientiert, die bei Erst- und Neuanträgen auf Leistungen gelten. Bei Kindergeldanträgen war eine Frist von sechs Kalendermonaten vor dem Antragsmonat für die rückwirkende Erbringung von Leistungen vorgesehen (§ 9 Abs.2 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F. in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung: Ausschlussfrist für weiter zurück liegende Zeiträume); die Leistungen mussten demnach für die ersten sechs Monate nachgezahlt werden, wenn nur die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Dasselbe hat der Senat angenommen, wenn zugleich mit einem Neuantrag oder anstelle eines Neuantrags entweder ein Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakts (z.B. Versagung oder Entziehung von Kindergeld) und auf rückwirkende Erbringung von Leistungen (§ 44 SGB X) oder ein Antrag auf rückwirkende Leistungserbringung gemäß § 67 Abs.1 SGB I gestellt worden ist. In beiden der genannten Fälle sieht das Gesetz eine Ermessensentscheidung für die rückwirkende Leistungsgewährung vor. Im Bereich des § 67 SGB I ergibt sich das unmittelbar aus dem dortigen Gesetzeswortlaut ("kann"); im Bereich der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte folgt die Ermessensentscheidung aus § 44 Abs.2 Satz 2 SGB X und vor allem aus § 44 Abs.1 SGB X in Verbindung mit § 20 Abs.5 BKGG a.F. bzw. § 11 Abs.4 BKGG n.F.
Die rückwirkend für bis zu vier Kalenderjahren vor dem Jahre des Antrags (oder vor einer Entscheidung von Amts wegen) mögliche Leistung gemäß § 44 Abs.4 SGB X sah der 14. Senat in seiner ständigen Rechtsprechung zum BKGG insoweit als modifiziert an, als sie stets rückwirkend für sechs Monate vor der Antragstellung zu erbringen waren (Ermessensreduzierung auf Null). Sofern nicht ohnehin (mit dem Begehren auf gegenwärtiges und zukünftiges Kindergeld) zugleich neben dem Antrag gemäß § 44 SGB X ein eindeutiger Neuantrag vorlag, war ein solcher Antrag oft im Wege der Auslegung festzustellen. Wer Kindergeld rückwirkend (u.a.) bis zu sechs Monaten vor dem Monat der Antragstellung begehrt, wird dies vernünftigerweise auf die einfachste und mit den wenigsten Risiken behaftete Weise (Neuantrag) tun und nicht auf dem insoweit nicht erforderlichen und unter Umständen dornenreichen Weg des § 44 Abs.1 und Abs.2 SGB X (die anfängliche Unrichtigkeit des Bescheids muss festgestellt werden) mit der Schwäche, dass selbst Leistungen für sechs Monate zurück einer Ermessensentscheidung unterlägen. Zuletzt hat der 14. Senat dann, wenn eine Auslegung (auch) im Sinne eines Neuantrags nicht möglich gewesen ist, für die Entscheidung über einen Antrag gemäß § 44 SGB X eine Ermessensreduzierung auf Null im Bezug auf die ersten sechs Kalendermonate vor dem Monat der Antragstellung angenommen. Denn es bestand kein rechtfertigender Grund, die Bürger, die nicht besonders fach- und sachgerecht vorgingen und die dann gegebenenfalls sofort von der Behörde auf einen offenkundig bestehenden günstigeren Weg zum Erhalt von Leistungen hinzuweisen wären, schlechter zu behandeln als andere, die ausnahmsweise fachlich gut beraten waren.
Ähnliche Überlegungen sind auch im Rahmen des § 67 SGB I angebracht. Begehrte ein Bürger u.a. Kindergeld für die Gegenwart oder/und die Zukunft, lag ein Neuantrag vor, der nach § 9 Abs.2 BKGG a.F. bzw. § 5 Abs.2 BKGG n.F. für sechs Kalendermonate zurückwirkte.
Von einem Neuantrag war ebenfalls auszugehen, sofern sich ein Antrag auf Kindergeld auf die Vergangenheit bezog, und zwar hinsichtlich der vorausgehenden sechs Monate. Insoweit sah und sieht das Gesetz keine Ermessensentscheidung über die Leistungen vor. Sollte es aber dennnoch hinsichtlich der vorausgehenden sechs Monate zu einer Entscheidung gemäß § 67 SGB I kommen (die Nachholung der Mitwirkung kann ja allein in einem Realakt bestehen, der nicht als Antrag zu werten wäre), verbleibt es dabei, dass auch § 67 SGB I keine Ermessensleistungen für die ersten sechs Kalendermonate vor Nachholung der Mitwirkung, zumindest sofern diese im Beibringen von Antragsunterlagen besteht, zulässt.
Dies wird z.B. dann besonders deutlich, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Entziehung von Leistungen gemäß § 67 SGB I und dem erneuten Antrag auf Kindergeld (für Zukunft und Vergangenheit) mehr als sechs Monate liegen. Die ehemalige Entziehung von Kindergeld soll ja keine Strafaktion darstellen und beinhaltet keinen Ausschluss von Kindergeldleistungen für alle Zukunft. Nicht einmal der alte Kindergeldantrag gilt durch einen bestandskräftigen Bescheid gemäß § 66 SGB I verbraucht; die betroffenen Leistungsansprüche, die mangels Mitwirkung in Zweifel stehen, sind nicht untergegangen, und letztlich hat die Beklagte bis zur Klärung der Angelegenheit bei erforderlicher Mitwirkung des Bürgers lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht. Dieses kann und darf sich aber nur auf einen Antrag beziehen, Leistungen für die Vergangenheit gemäß § 67 SGB I zu erbringen, bzw. auf den Umstand, dass die Beklagte aus Anlass der Nachholung der Mitwirkung von Amts wegen über Leistungen für die Vergangenheit entscheidet. Der Bürger kann sich aber z.B. auf einen Neuantrag (mit Rückwirkung für die vorausgehenden sechs Monate) beschränken, und hinsichtlich eines solchen Antrags können sich Folgen aus einem vorausgehenden Verhalten, das sich auf einen anderen, früher gestellten Antrag bezieht, nicht auswirken. Ebensogut ist es möglich, bei einem Kindergeldbegehren, das Leistungen für die Vergangenheit und die Zukunft betrifft,zu differenzieren zwischen einem Neuantrag auf Leistungen für die vorausgehenden sechs Monate und die folgenden Monate und einem Antrag gemäß § 67 SGB I für Leistungen für die weiter zurück liegende Vergangenheit. Zu Recht hat daher das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 30.03.1995 - L 5 KG 101/94 entschieden: "Holt der Kindergeldberechtigte mehr als sechs Monate nach Entziehung des Kindergelds gemäß § 66 Abs.1 SGB I nicht nur die fehlende Mitwirkung nach, sondern beantragt darüber hinaus erneut Kindergeld, ist vorbehaltlich einer weitergehenden nachträglichen Zahlung gemäß § 67 SGB I in jedem Fall die Rückwirkung des Antrags nach § 9 Abs.2 BKGG zu beachten". Anzumerken bleibt hier nur, dass in den meisten Fällen der nachgeholten Mitwirkung im Kindergeldrecht (hier geht es fast ausschließlich um Beantwortung von Fragen, Ausfüllen von Formularen und vor allem Beibringung von Unterlagen) ein Begehren auf Leistungen für die Zeit bis zur Nachholung (sechs Monate und mehr) und ab Nachholung (Antrag) erkenntlich wird. In solchen Fällen kann in sachgerechter Vereinfachung eine Entscheidung gemäß § 67 SGB I als gebundene Entscheidung für die vorausgehenden sechs Kalendermonate und die Zukunft und als Ermessensentscheidung für darüber hinaus liegende Zeiten in der Vergangenheit angesehen werden. Die Beklagte hat zwar auf entsprechende Rechtshinweise des Senats eingewendet, aus dem u.a. vom Senat erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.02.1990 - 10 RKg 17/89 gehe hervor, dass eine Bewertung der nach einer Versagung von Kindergeld aufgrund fehlender Mitwirkung später vorgelegten Unterlagen als Neuantrag nicht möglich sei. Die Beklagte übersieht aber bei dieser Argumentation zwei wesentliche Punkte. Zum einen hat die Klägerin - nach Versagung von Leistungen im Jahre 1997 - gerade im September 2000 mit dem Formblatt KG 51 R, überschrieben mit "Antrag auf Kindergeld", einen Neuantrag ausdrücklich gestellt. Erst durch Hinweise der Beklagten auf die frühere Versagung und auf in der Vergangenheit fehlende Unterlagen sowie die Gründe für die damalige fehlende Mitwirkung wurde die Klägerin veranlasst, mit Schreiben vom 09.08.2001 Einkommensnachweise vorzulegen und auch um rückwirkende Zahlung von Kindergeld zu bitten. Der bloße Fall der Nachholung einer Mitwirkung lag hier ja gerade nicht vor; wenn die Beklagte aber nur gemäß § 67 SGB I entschieden hat (vgl. die Bescheide vom 31.05. und 16.08.2001), hat sie den Sachverhalt wesentlich verkürzt und unrichtig erfasst und den ausdrücklichen Neuantrag der Klägerin, der zurückwirkt, übersehen.
Weiterhin hat die Beklagte das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.02.1990 (a.a.O.) missverstanden. Zunächst hat das Bundessozialgericht in diesem Urteil zur Ermessensentscheidung bei der Rücknahme für die Vergangenheit gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 20 Abs.5 BKGG ausgeführt, dass das Ermessen vorliegend auf Null reduziert sei, weil die Beklagte § 9 Abs.2 BKGG (zu Unrecht!) als leistungsversagenden Grund angesehen hat und sonstige Ermessensgründe, die gegen die Rücknahme des Versagungsbescheids sprächen, nicht ersichtlich seien (die rückwirkende Bewilligung von Leistungen erscheint hier als Regelfall und nicht als Ausnahme). Angesprochen hat das Bundessozialgericht damit vor allem, dass im Rahmen der möglichen rückwirkenden Leistungsgewährung für vier Jahre (§ 44 Abs.1 und Abs.4 SGB X) nicht zu Ungunsten des Bürgers § 9 Abs.2 BKGG mit seinem Ausschluss von Ansprüchen für mehr als sechs Kalendermonate vor dem Antrag angewendet werden dürfe, also das grundsätzliche Ermessen bei rückwirkenden Leistungen nicht auf Null reduziert sei im Sinne der zwingenden Ablehnung von Leistungen für dreieinhalb von vier möglichen Jahren. Weiterhin hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 28.02.1990 auch im Rahmen der nachträglichen Leistungsgewährung gemäß § 67 SGB I entschieden, dass § 9 Abs.2 BKGG die Entscheidung über Leistungen für den gesamten zurückliegenden Zeitraum nicht dahingehend einschränke, dass die Bewilligung nachträglicher Leistungen für mehr als sechs Monate vor Nachholung der Mitwirkung stets abgelehnt werden müsse. § 9 Abs.2 BKGG gelte nur für Neuanträge ("neue Leistungsanträge"), wohingegen im Rahmen des § 67 SGB I ein Antrag auf Leistungen bei Nachholung der Mitwirkung nicht einmal erforderlich sei; ein Bescheid gemäß § 66 SGB X habe schließlich den alten Antrag nicht verbraucht. Außerdem sei § 9 Abs.2 BKGG auch nicht (Anmerkung: zu Ungunsten des Bürgers) analog anzuwenden. Diese Ansicht des Bundessozialgerichts kann die Meinung der Beklagten im jetzigen Rechtsstreit nicht stützen. Vorliegend geht es darum, dass für sechs Kalendermonate vor Nachholung der Mitwirkung (mit dem hierin deutlich gewordenen Leistungsbegehren = Antrag) das Ermessen der Beklagten sich zugunsten des Bürgers auf Null reduziert, so dass die Leistungen für diesen Zeitraum zu erbringen sind, wohingegen für die über sechs Monate hinausgehende Zeit in der Vergangenheit es zu einer Ermessensentscheidung käme. In dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall ist lediglich die Rechtshandhabung der Beklagten beanstandet worden, dass hinsichtlich der Leistungen für die unmittelbar vorausgehenden sechs Kalendermonate nach Ermessen entschieden wird und für die noch länger zurück liegende Zeit Leistungen zwingend abgelehnt werden.
Die Meinung des jetzt entscheidenden Senats wird weiterhin dadurch bestärkt, dass der Gesetzgeber durch Art.30 des Gesetzes vom 16.12.1997 (BGBl.I S. 2970) den § 5 Abs.2 BKGG (Nachfolgervorschrift des § 9 Abs.2 BKGG) mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben hat, wobei § 20 Abs.2 BKGG n.F. zur Klarstellung darlegt, dass § 5 Abs.2 BKGG a.F. letztmals für das Kalenderjahr 1997 anzuwenden ist, so dass Kindergeld auf einen nach dem 31.12.1997 gestellten Antrag rückwirkend längstens bis einschließlich Juli 1997 gezahlt wird. Damit gibt es für das Kindergeld nach dem BKGG ab dem 01.07.1997 keine Antrags- bzw. Ausschlussfristen mehr; die rückwirkende Gewährung von Leistungen (bei Neuanträgen) wird lediglich durch die Verjährung begrenzt. Dadurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er Leistungen für Kinder auch für die Vergangenheit ein ganz besonderes Gewicht beimisst und nach Art und Zweck der Leistung für Kinder keinen Ausschluss bei (schuldhaft wie auch unverschuldet) verspätetem Leistungsantrag der Eltern geben sollte. Im Kindergeldrecht geht der Gesetzgeber wesentlich weiter als selbst bei der existenzsichernden Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (aus eigener Versicherung), die unter bestimmten Umständen nur für drei Monate rückwirkend vor dem Antragsmonat gewährt wird (§ 99 Abs.1 SGB VI) und bei länger zurückliegender Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen ab Antragsmonat, weiterhin bei Hinterbliebenenrenten, die rückwirkend lediglich für zwölf Kalendermonate vor dem Antragsmonat geleistet werden. Gerade im Kindergeldrecht hat der Gesetzgeber ein besonderes Privileg vorgesehen; erstaunlich ist es, dass die Beklagte in diesem Bereich das Recht restriktiver anwendet als andere Leistungsträger, die bei Nachholung der Mitwirkung grundsätzlich rückwirkend die bereits von Anfang an möglichen Leistungen gewähren.
Dem (auch schuldhaft) an sich verspätet gestellten Antrag auf Kindergeld ist der Fall vergleichbar, dass verspätet Unterlagen nachgereicht werden. Grundsätzlich müssen rückwirkend Leistungen erbracht werden. Ganz besondere Umstände, die dies ausschließen könnten, sind vorliegend nach bisherigem Stand nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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