L 14 RA 58/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 RA 57/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RA 58/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 54/99 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.10.1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Beginn der Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Hierbei geht es um die Frage, ob die Regelaltersrente auch für Zeiten zu zahlen ist, die länger als vier Jahre vor dem Jahr der Antragstellung liegen.

Die Klägerin ist am ... geboren. Sie hat zuletzt für die Zeit vom 01.01.1977 bis 31.12.1977 12 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Die Klägerin beantragte erstmalig am 15.12.1997 Regelaltersrente. In der Anlage zu diesem Antrag begehrte sie die rückwirkende Nachzahlung dieser Rente ab 01.11.1989 im "Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs". Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 24.03.1998 gewährte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab 01.01.1993. In der Anlage 10, S. 2, heißt es: "Der Rentenbeginn 01.01.1993 bestimmt sich unter Beachtung der vierjährigen Leistungsausschlußfrist des § 44 SGB X". Den hiergegen am 14.04.1998 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22.06.1998 zurück. Auf die Gründe wird verwiesen.

Mit der am 21.07.1998 beim SG Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung der Regelaltersrente bereits ab dem 01.11.1989 weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30.10.1998 den Bescheid vom 24.03.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.06.1998 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Altersrente ab dem 01.01.1992 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Beklagte die am 01.01.1992 in Kraft getretene Beratungspflicht gemäß § 115 Abs. 6 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) verletzt habe und sie die Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen habe, als hätte diese im Januar 1992 die Rente beantragt. Dann hätte die Rente gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI am 01.01.1992 begonnen. Die Rückwirkung der Rentennachzahlung sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch § 44 Abs. 4 SGB X auf die nicht von der Verjährung erfaßten letzten vier Jahre vor dem Jahr der Geltendmachung beschränkt. Die Verneinung der Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X sei nicht auf Fälle mit Anwendung des bis zum 31.12.1991 geltenden Rechts des AVG beschränkt. Zwar habe sich die Rechtslage insoweit geändert, als an die fristgemäße Rentenantragstellung gravierendere Folgen geknüpft würden, doch habe sich die Interessenlage nicht wesentlich geändert. Deshalb könne der Versicherungsträger sich bei Vorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nicht auf den Ablauf der Frist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI berufen. Die Entscheidung der Kammer stehe in Übereinstimmung mit den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.10.1996 - 13 RJ 17/96 - und - 13 RJ 23/95 -.

Nicht rechtswidrig sei der Bescheid, soweit die Leistung der Rente für die Zeit vor dem 01.01.1992 abgelehnt worden sei. Für diese Zeit liege keine einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösende Pflichtverletzung der Beklagten vor, weil die Beklagte keine konkrete Beratungspflichten sondern lediglich die Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI, die am 01.01.1992 in Kraft getreten sei, verletzt habe.

Gegen das ihr am 20.11.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.12.1998 Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, sie habe mit dem angefochtenen Bescheid der Verletzung ihrer Hinweispflicht Genüge getan. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe sie bei der rückwirkenden Erstfeststellung der Regelaltersrente der Klägerin den in § 44 Abs. 4 SGB X zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken beachten müssen und die Rente lediglich für vier Kalenderjahre rückwirkend, also ab 01.01.1993 gewähren dürfen. Die Beklagte stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 09.09.1986 - 11a RA 28/85 - und vom 21.01.1987 - 1 RA 27/86 -. Nach diesen Entscheidungen, die nach Auffassung der Beklagten zutreffend sind, verkörpere die Bestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X einen allgemeinen Rechtsgedanken des Inhalts, Leistungen nicht über vier Jahre hinaus rückwirkend zu gewähren. Die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X sei nicht nur unmittelbar dann zu beachten, wenn ein rechtswidriger belastender Bescheid eines Sozialleistungsträgers rückwirkend abgeändert werden müsse, vielmehr finde der Rechtsgedanke entsprechende Anwendung auf sonstiges hohheitliches Verwaltungshandeln. Dies gelte insbesondere im Rahmen einer Kompensation nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches infolge unrichtiger oder unvollständiger Beratung. Es mache aus der Sicht des Berechtigten keinen gravierenden Unterschied, ob er der Adressat eines rechtswidrigen Ablehnungsbescheides gewesen sei oder unrichtig beraten worden sei. Wie der 11a-Senat des BSG richtig festgestellt habe, sei der unrichtig beratene Berechtigte keinesfalls schutzwürdiger als der Adressat eines rechtswidrigen Ablehnungsbescheides. Die Rechtsähnlichkeit der Fallgruppen erfordere daher die Gleichbehandlung, die durch die entsprechende Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erreicht werde. Dieser Rechtsprechung des 11a-Senates des BSG sei auch der 1. Senat des BSG gefolgt, der darauf hingewiesen habe, daß der Herstellungsanspruch "auf gesetzlich zulässige Amtshandlungen beschränkt ist, bei der nachträglichen Leistungsgewährung sind deshalb auch die gesetzlichen Ausschlußfristen zu beachten." Übertrage man die zitierte Rechtsprechung des BSG auf die Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI, deren Verletzung nach den Gesichtspunkten des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kompensiert werde, sei auch hier der Rechtsgedanke des § 44 Abs. 4 SGB X zu beachten. Die davon abweichende Rechtsprechung des 13. Senats des BSG in seinem Urteil vom 23.10.1996 - 13 RJ 17/96 - halte sie nicht für zutreffend. Außerdem sei materiell-rechtlicher Hintergrund der Ausführungen des 13. Senates des BSG der Umstand, daß nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung bzw. des Angestelltenversicherungsgesetzes (RVO/AVG) anders als nach § 99 Abs. 1 SGB VI der Antrag auf Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nicht anspruchsbegründendes Merkmal in dem Sinne war, daß eine verspätete Antragstellung zu einem späteren Rentenbeginn (ab Antragsmonat) geführt hatte. Selbst wenn das vom Sozialgericht Aachen herangezogene Urteil des 13. Senates des BSG für die vom AVG und RVO bestimmte Rechtslage zutreffend gewesen wäre, so habe jedenfalls für die Rechtslage nach dem SGB VI, das für sämtliche Versicherungsrenten den Antrag als materielle Anspruchsvoraussetzung vorsehe, diese Entscheidung keine Bedeutung mehr. Hingegen müßten die von ihr zitierten Entscheidungen beachtet werden.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.10.1998 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das angefochtene Urteil entspreche der Sach- und Rechtslage. Die von der Beklagten angeführten BSG-Urteile (11a RA 28/85 und 1 RA 27/86) seien auf den vorliegenden Fall der Leistungsgewährung nicht anwendbar.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Verwaltungsakten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einvernehmen mit den Beteiligten konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Beklagte verurteilt, der Klägerin bereits ab dem 01.01.1992 die Altersrente zu zahlen.

Die am ... geborene Klägerin beantragte erstmalig am 15.12.1997 die Bewilligung von Regelaltersrente. Nach der gesetzlichen Regelung über den Rentenbeginn hätte die Klägerin Regelaltersrente erst ab Dezember 1997 beanspruchen können. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von den Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird, hier also im Hinblick auf den Rentenantrag vom 15.12.1997 ab Dezember 1997. Wenn jedoch der Versicherungsträger eine Pflicht zur Beratung aus § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt hat und die Versicherte deshalb die rechtzeitige Antragstellung versäumt hat, so hat der Versicherungsträger die Versicherte so zu behandeln, als hätte sie den Rentenantrag früher gestellt. Dementsprechend hat die Beklagte das grundsätzliche Vorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches aus § 115 Abs. 6 SGB VI anerkannt und der Klägerin rückwirkend unter Bezugnahme auf die Ausschlußfrist des § 44 Abs. 4 SGB X ab 01.01.1993 Altersruhegeld gewährt.

Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, konnte sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung jedoch nicht auf den Ausschlußtatbestand des § 44 Abs. 4 SGB X stützen. Die Rechtsmeinung der Beklagten wird zwar durch die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 09.09.1986 - 11a RA 28/85 und vom 21.01.1987 - 1 RA 27/86 - (SozR 1300 § 44 Nrn. 24 und 25) gestützt, in denen ausgeführt wird, § 44 Abs. 4 SGB X gelte auch in den Fällen, in denen die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen auf einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch beruht. Diese Entscheidungen beziehen sich jedoch auf die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen, die anschließend zu höheren Renten geführt hat.

Diesen Entscheidungen folgt der Senat im vorliegenden Fall nicht. § 44 Abs. 4 SGB X enthält keinen allgemeinen, die Verjährungsvorschrift des § 45 Abs. 1 SGB I verdrängenden Grundgedanken, die rückwirkende Erbringung von Leistungen durchweg auf vier Jahre zu begrenzen. Dies hat bereits das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 26.05.1987 - 4a RJ 49/86 - (BSGE 62, 10) und in seiner Entscheidung vom 22.06.1994 - 10 RKg 32/93 - (SozR 3 - 1200 § 45 Nr. 4) dargelegt.

Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung 4a RJ 49/86 vom 26.05.1987 ausgeführt hat, unterscheidet sich § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X in seiner Gestaltung und seinen Wirkungen grundlegend von den Verjährungsvorschriften des § 45 Abs. 1 SGB I. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X enthält eine materiell-rechtliche Einschränkung des nachträglich bewilligten Anspruchs auf Sozialleistungen, deren Wirkung über die Verjährung hinausgeht und einer Ausschlußfrist entspricht. Dies bedeutet, daß Leistungsträger und Gerichte die Vorschrift, wenn deren Voraussetzungen gegeben sind, ohne weiteres anzuwenden haben, daß der Leistungsträger keine Einrede zu erheben braucht und vor allem, daß gegen die Anwendung der Vorschrift weder der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben geltend gemacht werden kann. Wenn § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X stärker in die sozialen Rechte des Versicherten eingreift als die Verjährungsbestimmungen des SGB I bedarf es besonderer Prüfung, ob die Vorschrift "analogiefähig" ist. Die Annahme, § 44 SGB X enthalte einen allgemeinen Rechtssatz, entzöge, wie das BSG ausgeführt hat, überdies dem in § 45 SGB I geregelten Rechtsinstitut der Verjährung weitgehend seine Bedeutung. Sie verwehrt in Leistungsfällen dem Leistungsträger sein Recht, von der Einrede der Verjährung im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen abzusehen.

Wie das BSG in der genannten Entscheidung vom 26.05.1987 aaO ausgeführt hat, greift § 44 SGB X in bestandkräftige Bescheide zugunsten des Bürgers ein. "Die Vier-Jahres-Schranke kann in diesem Zusammenhang als ein Teilstück weiterbestehender Bestandskraftwirkung des rechtswidrigen und daher aufzuhebenen Verwaltungsaktes verstanden werden." Die Ausschlußfrist des § 44 ist vorgesehen für Fälle, in denen bereits ein Bescheid vorliegt, der rückwirkend zu korrigieren ist (vgl. BSG Urteil vom 22.10.1996 - 13 RJ 17/96 -, SozR 3-1200 § 45 Nr. 6). Anders ist es in den Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Beratungspflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt wurde. Beim Herstellungsanspruch aufgrund des § 115 Abs. 6 SGB VI liegt kein Fall vor, der dem § 44 Abs. 1 oder 48 SGB X zu vergleichen ist, weil durch die Entscheidung des Versicherungsträgers, eine Leistung zu erbringen, nicht korrigierend in ein bindend abgeschlossenes Verfahren eingegriffen wird, sondern erstmalig eine Leistung erbracht wird und zwar unter Nichtbeachtung der Ausschlußfrist des § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Der rückwirkenden Leistungserbringung steht die Ausschlußfrist des § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI als materielle Ausschlußfrist nicht mehr entgegen (vgl. BSG Urteil vom 09.12.1997 - 8 RKn 1/97 - SozR 3-2600 § 115 Nr. 2). Der rückwirkenden Leistungserbringung steht auch kein bindender Bescheid entgegen, in dessen Bestandskraft zugunsten des Bürgers rückwirkend eingegriffen werden soll. Eine Analogie zu § 44 Abs. 4 SGB X, die die Anwendung der Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I ausschließt, in Fällen, in denen rückwirkend in bestandskräftige Bescheide eingegriffen wird, bietet sich deshalb nicht an. Vielmehr spricht die Systematik dafür, in Fällen, in denen durch den Herstellungsanspruch des § 115 Abs. 6 SGB VI der Versicherte so gestellt wird, als stehe der Geltendmachung des Rentenanspruchs keine Ausschlußfrist aus § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI entgegen, den Wirkungsbereich des § 45 SGB I nicht weiter einzuschränken als sich aus dem Gesetz ergibt (vgl. für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 99 SGB VI BSG Urteile - 4a RJ 49/86 - 13 RJ 17/96 aaO.).

Wie das SG im angefochtenen Urteil zu Recht ausgeführt hat, ist der Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 17/96 - nicht zu entnehmen, daß die Nichtanwendbarkeit der Ausschlußfrist des § 44 Abs. 4 SGB X nur für das Recht der RVO und nicht für das Recht des SGB VI gelten soll. Auch aus der Entscheidung des BSG vom 30.07.1997 - 5 RJ 64/95 -, in der sich der 5. Senat des BSG ausdrücklich dem Urteil des 13. Senats vom 22.10.1996 - 13 RJ 17/96 - anschließt, daß die Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I nicht durch die Ausschlußfrist des § 44 Abs. 4 SGB X verdrängt werden soll, ist nicht zu entnehmen, daß das BSG einen Unterschied machen wollte, je nach dem, ob es sich um Zeiten vor Inkrafttreten des § 99 SGB VI handelt oder um Zeiten, in denen die Ausschlußfrist des § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI aufgrund des Herstellungsanspruches des § 115 Abs. 6 SGB VI unbeachtlich ist. Wie das BSG in den obengenannten Entscheidungen vom 26.05.1987 - 4a RJ 59/86 - und vom 22.10.1996 - 13 RJ 17/96 - hält auch der Senat eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X in Fällen, in denen nicht korrigierend in bestandskräftige Bescheide eingegriffen wird, nicht für gerechtfertigt. Damit gilt beim Herstellungsanspruch des § 115 Abs. 6 SGB VI, soweit dadurch die Ausschlußfrist des § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI unbeachtlich geworden ist, nach wie vor § 45 SGB I, der die Verjährung regelt. Insoweit gibt es keine gesetzliche Ausschlußfrist. Die Verjährung tritt allerdings nur ein, wenn eine entsprechende Einrede erhoben wird. Diese liegt im Ermessen des Sozialleistungsträgers. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ausdrücklich nicht die Einrede der Verjährung erhoben. Die Berufung auf die Ausschlußfrist des § 44 Abs. 4 SGB X enthält nicht die konkludente Erhebung der Einrede der Verjährung, da diese Einrede eine Ermessensentscheidung ist.

Da die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht erhoben hat, ist ohne weitere Prüfung die Entscheidung des Sozialgerichts zu bestätigen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG, weil der Senat von den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 09.09.1986 - 11a RA 28/85 - und vom 21.01.1987 - 1 RA 27/86 - abgewichen ist.
Rechtskraft
Aus
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