Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 285/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, wenn der Leistungsberechtigte zuvor auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.Ferner bedarf es dann einer Ermessensausübung.
I. Der Bescheid vom 08.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden. II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Bewilligung von orthopädischen Maßschuhen.
Der am ...1925 geborene Kläger wurde am 09.05.2000, 10.01.2001, 29.01.2003, 16.09.2003 und 29.09.2004 mit orthopädischen Schuhen versorgt. Unter Vorlage einer Verordnung der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. Z ... vom 02.11.2005 beantragte er erneut orthopädische Maßschuhe. Dipl.-Med. Z ... diagnostizierte einen Zustand nach Osteomyelitits mit Ancylose links, Sprunggelenk- und Beinverkürzung links, ein Paar orthopädische Maßschuhe V2 10 cm links und Schafthöhe 33 cm. Der Kläger sei mit Konfektionsschuhen nicht versorgbar. Ausweislich eines Kostenvoranschlages des Sanitätshauses ... O ... GmbH vom 23.11.2005 betragen die Kosten hierfür 1.174,73 EUR.
Durch Bescheid vom 08.12.2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Eine medizinische Notwendigkeit für eine vorzeitige Straßenschuhversorgung sei nicht zu erkennen. Ihm stünden orthopädische Straßenschuhe zur Verfügung, sodass er aus medizinischer Sicht ausreichend versorgt sei. Von einem Verschleiß der vorhandenen Schuhe könne nicht ausgegangen werden. Nach ihren Unterlagen seien bislang keine Reparaturen an den vorhandenen Schuhen, die er bei seinem Orthopädie-Schuhmachermeister durchführen lassen könne, vorgenommen worden.
Hiergegen legte der Kläger am 06.01.2006 Widerspruch ein. Er erhalte alle 2 Jahre Wechselschuhe. Mit weiterem Schreiben verwies er auf sein körperliches Leiden.
Unter dem 09.01.2006 wies die Beklagte darauf hin, dass ihre Hilfsmittelberaterin ihn zu einem Beratungsbesuch aufsuchen wolle. Sofern er keinen Hausbesuch wünsche, bitte sie um umgehende Information. Daraufhin teilte der Kläger am 12.01.2006 mit, dass er keinen Hausbesuch wünsche. Unter dem 19.01.2006 erklärte die Beklagte, dass Instandsetzungsarbeiten an vorhandenen orthopädischen Maßschuhen übernommen würden, wenn diese technisch möglich und wirtschaftlicher seien als eine Neuversorgung. Dies gelte allerdings nicht für Reparaturen aufgrund normaler Abnutzung an Absatz und Laufsohle. Mit Schreiben vom 09.03.2006 bat die Beklagte um Rücksendung des vorbereiteten Antwortbogens. Als Versicherter habe er die Pflicht, aktiv mitzuwirken und alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungsentscheidung erforderlich seien. Mit weiterem Schreiben vom 23.03.2006 erklärt die Beklagte, dass es ausreiche, wenn er den Fragebogen ausreichend ausfülle. Sie werde sich dann auf seine Angaben zu den Schuhen verlassen. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen ziehe sie eine mögliche Reparatur einer Neuversorgung vor, weshalb die abgeforderten Informationen wichtig für eine Entscheidung über eine weitere Schuhversorgung seien. Mit weiterem Schreiben vom 04.05.2006 wies sie darauf hin, dass eine Ersatzbeschaffung frühestens nach 2 Jahren erfolgen könne, wenn die Schuhe nicht mehr pass- und funktionsgerecht seien. Ein genereller Rechtsanspruch auf Neuversorgung nach Ablauf von 2 Jahren bestehe nicht. Die gegenwärtigen Informationen reichten nicht aus. Sie bedauere, dass er keinen Hausbesuch der Hilfsmittelberaterin wünsche.
Durch Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für orthopädische Maßschuhe zurück. Für ihre Entscheidung sei die Mitwirkung des Klägers erforderlich. Er habe weder einem Besuch der Hilfsmittelberaterin der Beklagten zugestimmt, noch Auskünfte über den Zustand der noch in seinem Besitz befindlichen Schuhe auf einem extra für ihn vorbereiteten Fragebogen abgelehnt. Insofern habe sie lediglich auf die vorhandenen vorliegenden Unterlagen zurückgreifen können. Wegen der Versorgungen in den letzten Jahren sei davon auszugehen, dass er ausreichend orthopädisches Maßschuhwerk erhalten habe. Zudem habe er in seinen Schreiben bestätigt, dass er auf Grund seiner Behinderung, des Alters und der Erkrankung nicht mehr viel laufe. Damit unterlägen die bislang bereit gestellten orthopädischen Straßenschuhe auch keinem außerordentlichen Verschleiß. Hinweise, dass die bestehenden Fußdeformitäten mit den vorhandenen orthopädischen Schuhen nicht mehr ordnungsgemäß ausgeglichen werden könnten, seien anhand der vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar, sodass die Kosten für ein weiteres Paar orthopädischer Schuhe nicht übernommen würden.
Der Kläger hat deswegen am 27.07.2006 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Er verwies insbesondere auf die bisherige Versorgung und seinen krankheitsbedingten Hilfsmittelbedarf.
Den ihm bei Klageeingang vom Gericht übersandten Fragebogen, einschließlich Entbindungserklärung, weigerte er sich auszufüllen und zurückzusenden.
Er beantragt in sachdienlicher Fassung,
den Bescheid vom 08.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen mit einem neuen Paar orthopädischer Maßschuhe zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, eine Gerichtsakte sowie einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher angehört worden. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil (§ 105 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Der Bescheid vom 08.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 war aufzuheben; denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit. Als Leistungen zur Behandlung einer Krankheit gilt nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V u. a. auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Versicherte haben u.a. Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens zählen Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet, also von einer großen Zahl von Personen üblicherweise regelmäßig benutzt werden (BSG SozR 3-2500, § 33 Nr. 5). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der das erkennende Gericht folgt, ist für die Abgrenzung entscheidend, ob der veränderte Gegenstand ausschließlich bei Behinderten bzw. Kranken Verwendung findet. Sofern er auch von Nichtbehinderten bzw. Gesunden genutzt und ohne Weiteres gegen einen demselben Zweck dienenden handelsüblichen Gegenstand ausgetauscht werden kann, ist die Hilfsmitteleigenschaft zu verneinen (wie hier: BSG, Urteil vom 25.01.1995, Az: 3/1 RK 63/93). Da orthopädische Schuhe nach Maß ausschließlich von Behinderten bzw. von Personen, deren Füße krankhaft verändert sind, benutzt werden, handelt es sich um keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Der Anspruch ist auch grundsätzlich nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen.
Die ärztliche Verordnung der Dipl.-Med. Zöllner vom 02.11.2005 allein ist indes noch nicht geeignet, die begehrte Hilfsmittelversorgung zu begründen; denn die Krankenkasse hat nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Anspruch auf Sachleistungen nur insoweit zu genügen, als dieser wirtschaftlich ist. Mithin ist sie nach § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V befugt, unabhängig von der Verordnung, die Erforderlichkeit des Hilfsmittels vorab vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen zu lassen. Dieser vom Gesetzgeber eingeräumten Befugnis hätte es aber dann nicht bedurft, wenn bereits die ärztliche Verordnung für die Krankenkasse bindend wäre.
Der Anspruch ist hier indes lediglich im Sinne einer bloßen Aufhebung der angefochtenen Bescheide begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 08.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 erweist sich insoweit als rechtswidrig, als die Beklagte die Ablehnung der Kostenübernahme für orthopädische Maßschuhe auf die fehlende Mitwirkung des Klägers im Verwaltungsverfahren gestützt hat.
Gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1 der Vorschrift), sowie Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (Nr. 2 der Vorschrift). § 60 SGB I legt jedoch keine Pflichten auf, auf deren Erfüllung der Sozialleistungsträger einen durchsetzbaren Anspruch hätte. Für den Antragsteller oder Leistungsberechtigten kann die Nichtbeachtung des § 60 SGB I lediglich zum Verlust des Anspruchs auf Sozialleistungen führen, ohne dass der Sozialleistungsträger Auskünfte oder die Benennung von Beweismitteln erzwingen kann. Insbesondere ist er nicht berechtigt, wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht seine Tätigkeit einzustellen (BSGE 75, 56 (59)).
Kommt indes derjenige, der eine Sozialleistung beantragt und erhält, seiner sich aus dieser Vorschrift ergebenden Mitwirkungspflicht nicht nach, bestimmen sich die Rechtsfolgen – abgesehen von den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 – nach den §§ 66 und 67 SGB I. Wenn – wie hier – die Beklagte die "Ablehnung" der Kostenübernahme darauf stützt, dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, im Wege eines Hausbesuches der Hilfsmittelberaterin der Beklagten zuzustimmen oder den ihm übersandten Fragebogen ausgefüllt zurückzusenden, wäre eine entsprechende Sanktion lediglich auf § 66 und § 67 SGB I zu stützen.
Gemäß § 66 Abs. 1 SGB I kann für den Fall, dass derjenige, der eine Sozialleistung beantragt und erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird, der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert. Nach Absatz 3 der Bestimmung dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung aber nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist (so auch: BSG, Urteil vom 26.08.1994, Az: 13 RJ 17/94; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.03.2006, Az: L 16 R 1139/05). Bereits daran fehlt es hier.
Nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 SGB I ist auch nur die Versagung oder Entziehung der Sozialleistung zulässig. Hierbei soll auf den Antragsteller oder Leistungsberechtigten kein Druck ausgeübt werden, weil es ihm freisteht, ob er seinen Mitwirkungspflichten nachkommen und die Sozialleistung in Anspruch nehmen will (so auch: Hauck/Noftz, SGB I, § 66 Rdnr. 14, 19. Lieferung). Durch die Versagung der beantragten Leistung auf Grund fehlender Mitwirkung wird indes über den Anspruch selbst noch nicht entschieden. Es handelt sich somit um keine abschließende Entscheidung über die Sozialleistung. Vorliegend hat aber die Beklagte gleichwohl die beantragte Leistung nicht versagt, sondern eine "Kostenübernahme abgelehnt". Die Beklagte wird mithin unter Nachholung der vorgenannten Voraussetzungen erneut über den Antrag auf Gewährung orthopädischer Maßschuhe zu befinden haben.
Des Weiteren ist – wie ausgeführt – der Beklagten ein Ermessen dahingehend eingeräumt, wie sie im Fall der Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten weiter verfahren will. Eine Ermessensausübung im Sinne des § 39 SGB I lässt sich dem Bescheid indes ebenfalls nicht entnehmen, so dass die Beklagte zur Neu-Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu verurteilen war.
Soweit der Kläger darüber hinaus eine Neu-Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen begehrt hat, war die Klage im Übrigen abzuweisen, weil mangels Mitwirkung des Klägers im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren nicht erkennbar war, ob die wirtschaftlichere Variante einer Reparatur der vorhandenen Schuhe in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Da sich die angegriffenen Bescheide insoweit als rechtswidrig erwiesen haben und die Beklagte endgültig über den geltend gemachten Anspruch noch zu befinden haben wird, hat der Kläger überwiegend obsiegt, sodass es der Billigkeit entspricht, wenn die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vollumfänglich trägt.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Bewilligung von orthopädischen Maßschuhen.
Der am ...1925 geborene Kläger wurde am 09.05.2000, 10.01.2001, 29.01.2003, 16.09.2003 und 29.09.2004 mit orthopädischen Schuhen versorgt. Unter Vorlage einer Verordnung der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. Z ... vom 02.11.2005 beantragte er erneut orthopädische Maßschuhe. Dipl.-Med. Z ... diagnostizierte einen Zustand nach Osteomyelitits mit Ancylose links, Sprunggelenk- und Beinverkürzung links, ein Paar orthopädische Maßschuhe V2 10 cm links und Schafthöhe 33 cm. Der Kläger sei mit Konfektionsschuhen nicht versorgbar. Ausweislich eines Kostenvoranschlages des Sanitätshauses ... O ... GmbH vom 23.11.2005 betragen die Kosten hierfür 1.174,73 EUR.
Durch Bescheid vom 08.12.2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Eine medizinische Notwendigkeit für eine vorzeitige Straßenschuhversorgung sei nicht zu erkennen. Ihm stünden orthopädische Straßenschuhe zur Verfügung, sodass er aus medizinischer Sicht ausreichend versorgt sei. Von einem Verschleiß der vorhandenen Schuhe könne nicht ausgegangen werden. Nach ihren Unterlagen seien bislang keine Reparaturen an den vorhandenen Schuhen, die er bei seinem Orthopädie-Schuhmachermeister durchführen lassen könne, vorgenommen worden.
Hiergegen legte der Kläger am 06.01.2006 Widerspruch ein. Er erhalte alle 2 Jahre Wechselschuhe. Mit weiterem Schreiben verwies er auf sein körperliches Leiden.
Unter dem 09.01.2006 wies die Beklagte darauf hin, dass ihre Hilfsmittelberaterin ihn zu einem Beratungsbesuch aufsuchen wolle. Sofern er keinen Hausbesuch wünsche, bitte sie um umgehende Information. Daraufhin teilte der Kläger am 12.01.2006 mit, dass er keinen Hausbesuch wünsche. Unter dem 19.01.2006 erklärte die Beklagte, dass Instandsetzungsarbeiten an vorhandenen orthopädischen Maßschuhen übernommen würden, wenn diese technisch möglich und wirtschaftlicher seien als eine Neuversorgung. Dies gelte allerdings nicht für Reparaturen aufgrund normaler Abnutzung an Absatz und Laufsohle. Mit Schreiben vom 09.03.2006 bat die Beklagte um Rücksendung des vorbereiteten Antwortbogens. Als Versicherter habe er die Pflicht, aktiv mitzuwirken und alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungsentscheidung erforderlich seien. Mit weiterem Schreiben vom 23.03.2006 erklärt die Beklagte, dass es ausreiche, wenn er den Fragebogen ausreichend ausfülle. Sie werde sich dann auf seine Angaben zu den Schuhen verlassen. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen ziehe sie eine mögliche Reparatur einer Neuversorgung vor, weshalb die abgeforderten Informationen wichtig für eine Entscheidung über eine weitere Schuhversorgung seien. Mit weiterem Schreiben vom 04.05.2006 wies sie darauf hin, dass eine Ersatzbeschaffung frühestens nach 2 Jahren erfolgen könne, wenn die Schuhe nicht mehr pass- und funktionsgerecht seien. Ein genereller Rechtsanspruch auf Neuversorgung nach Ablauf von 2 Jahren bestehe nicht. Die gegenwärtigen Informationen reichten nicht aus. Sie bedauere, dass er keinen Hausbesuch der Hilfsmittelberaterin wünsche.
Durch Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für orthopädische Maßschuhe zurück. Für ihre Entscheidung sei die Mitwirkung des Klägers erforderlich. Er habe weder einem Besuch der Hilfsmittelberaterin der Beklagten zugestimmt, noch Auskünfte über den Zustand der noch in seinem Besitz befindlichen Schuhe auf einem extra für ihn vorbereiteten Fragebogen abgelehnt. Insofern habe sie lediglich auf die vorhandenen vorliegenden Unterlagen zurückgreifen können. Wegen der Versorgungen in den letzten Jahren sei davon auszugehen, dass er ausreichend orthopädisches Maßschuhwerk erhalten habe. Zudem habe er in seinen Schreiben bestätigt, dass er auf Grund seiner Behinderung, des Alters und der Erkrankung nicht mehr viel laufe. Damit unterlägen die bislang bereit gestellten orthopädischen Straßenschuhe auch keinem außerordentlichen Verschleiß. Hinweise, dass die bestehenden Fußdeformitäten mit den vorhandenen orthopädischen Schuhen nicht mehr ordnungsgemäß ausgeglichen werden könnten, seien anhand der vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar, sodass die Kosten für ein weiteres Paar orthopädischer Schuhe nicht übernommen würden.
Der Kläger hat deswegen am 27.07.2006 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Er verwies insbesondere auf die bisherige Versorgung und seinen krankheitsbedingten Hilfsmittelbedarf.
Den ihm bei Klageeingang vom Gericht übersandten Fragebogen, einschließlich Entbindungserklärung, weigerte er sich auszufüllen und zurückzusenden.
Er beantragt in sachdienlicher Fassung,
den Bescheid vom 08.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen mit einem neuen Paar orthopädischer Maßschuhe zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, eine Gerichtsakte sowie einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher angehört worden. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil (§ 105 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Der Bescheid vom 08.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 war aufzuheben; denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit. Als Leistungen zur Behandlung einer Krankheit gilt nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V u. a. auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Versicherte haben u.a. Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens zählen Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet, also von einer großen Zahl von Personen üblicherweise regelmäßig benutzt werden (BSG SozR 3-2500, § 33 Nr. 5). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der das erkennende Gericht folgt, ist für die Abgrenzung entscheidend, ob der veränderte Gegenstand ausschließlich bei Behinderten bzw. Kranken Verwendung findet. Sofern er auch von Nichtbehinderten bzw. Gesunden genutzt und ohne Weiteres gegen einen demselben Zweck dienenden handelsüblichen Gegenstand ausgetauscht werden kann, ist die Hilfsmitteleigenschaft zu verneinen (wie hier: BSG, Urteil vom 25.01.1995, Az: 3/1 RK 63/93). Da orthopädische Schuhe nach Maß ausschließlich von Behinderten bzw. von Personen, deren Füße krankhaft verändert sind, benutzt werden, handelt es sich um keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Der Anspruch ist auch grundsätzlich nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen.
Die ärztliche Verordnung der Dipl.-Med. Zöllner vom 02.11.2005 allein ist indes noch nicht geeignet, die begehrte Hilfsmittelversorgung zu begründen; denn die Krankenkasse hat nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Anspruch auf Sachleistungen nur insoweit zu genügen, als dieser wirtschaftlich ist. Mithin ist sie nach § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V befugt, unabhängig von der Verordnung, die Erforderlichkeit des Hilfsmittels vorab vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen zu lassen. Dieser vom Gesetzgeber eingeräumten Befugnis hätte es aber dann nicht bedurft, wenn bereits die ärztliche Verordnung für die Krankenkasse bindend wäre.
Der Anspruch ist hier indes lediglich im Sinne einer bloßen Aufhebung der angefochtenen Bescheide begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 08.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 erweist sich insoweit als rechtswidrig, als die Beklagte die Ablehnung der Kostenübernahme für orthopädische Maßschuhe auf die fehlende Mitwirkung des Klägers im Verwaltungsverfahren gestützt hat.
Gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1 der Vorschrift), sowie Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (Nr. 2 der Vorschrift). § 60 SGB I legt jedoch keine Pflichten auf, auf deren Erfüllung der Sozialleistungsträger einen durchsetzbaren Anspruch hätte. Für den Antragsteller oder Leistungsberechtigten kann die Nichtbeachtung des § 60 SGB I lediglich zum Verlust des Anspruchs auf Sozialleistungen führen, ohne dass der Sozialleistungsträger Auskünfte oder die Benennung von Beweismitteln erzwingen kann. Insbesondere ist er nicht berechtigt, wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht seine Tätigkeit einzustellen (BSGE 75, 56 (59)).
Kommt indes derjenige, der eine Sozialleistung beantragt und erhält, seiner sich aus dieser Vorschrift ergebenden Mitwirkungspflicht nicht nach, bestimmen sich die Rechtsfolgen – abgesehen von den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 – nach den §§ 66 und 67 SGB I. Wenn – wie hier – die Beklagte die "Ablehnung" der Kostenübernahme darauf stützt, dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, im Wege eines Hausbesuches der Hilfsmittelberaterin der Beklagten zuzustimmen oder den ihm übersandten Fragebogen ausgefüllt zurückzusenden, wäre eine entsprechende Sanktion lediglich auf § 66 und § 67 SGB I zu stützen.
Gemäß § 66 Abs. 1 SGB I kann für den Fall, dass derjenige, der eine Sozialleistung beantragt und erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird, der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert. Nach Absatz 3 der Bestimmung dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung aber nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist (so auch: BSG, Urteil vom 26.08.1994, Az: 13 RJ 17/94; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.03.2006, Az: L 16 R 1139/05). Bereits daran fehlt es hier.
Nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 SGB I ist auch nur die Versagung oder Entziehung der Sozialleistung zulässig. Hierbei soll auf den Antragsteller oder Leistungsberechtigten kein Druck ausgeübt werden, weil es ihm freisteht, ob er seinen Mitwirkungspflichten nachkommen und die Sozialleistung in Anspruch nehmen will (so auch: Hauck/Noftz, SGB I, § 66 Rdnr. 14, 19. Lieferung). Durch die Versagung der beantragten Leistung auf Grund fehlender Mitwirkung wird indes über den Anspruch selbst noch nicht entschieden. Es handelt sich somit um keine abschließende Entscheidung über die Sozialleistung. Vorliegend hat aber die Beklagte gleichwohl die beantragte Leistung nicht versagt, sondern eine "Kostenübernahme abgelehnt". Die Beklagte wird mithin unter Nachholung der vorgenannten Voraussetzungen erneut über den Antrag auf Gewährung orthopädischer Maßschuhe zu befinden haben.
Des Weiteren ist – wie ausgeführt – der Beklagten ein Ermessen dahingehend eingeräumt, wie sie im Fall der Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten weiter verfahren will. Eine Ermessensausübung im Sinne des § 39 SGB I lässt sich dem Bescheid indes ebenfalls nicht entnehmen, so dass die Beklagte zur Neu-Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu verurteilen war.
Soweit der Kläger darüber hinaus eine Neu-Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen begehrt hat, war die Klage im Übrigen abzuweisen, weil mangels Mitwirkung des Klägers im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren nicht erkennbar war, ob die wirtschaftlichere Variante einer Reparatur der vorhandenen Schuhe in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Da sich die angegriffenen Bescheide insoweit als rechtswidrig erwiesen haben und die Beklagte endgültig über den geltend gemachten Anspruch noch zu befinden haben wird, hat der Kläger überwiegend obsiegt, sodass es der Billigkeit entspricht, wenn die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vollumfänglich trägt.
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