L 24 KR 147/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1772/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 147/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Versorgung mit dem Arzneimittel Pentosanpolysulfat SP 54 (PPS).

Die 1933 geborene Klägerin, die bei der Beklagten versichert ist, leidet an interstitieller Cystitis (IC). Es handelt sich um ein polyätiologisches Syndrom unklarer Genese, das sich in einer nichtbakteriellen chronischen Blasenentzündung manifestiert und in Schüben verläuft. Das Leiden geht mit starker Miktionshäufigkeit, Harndrang und Schmerzen im Unterleibs-, Harn- oder Vaginalbereich einher.

Am 14. März 2005 beantragte die Klägerin, ihr das Medikament PPS zur Behandlung der IC zu gewähren. Nach Aussage ihres behandelnden Arztes, der ihr dieses Arzneimittel seit 1995 verordnet habe, sei es seit der Gesundheitsreform nicht mehr verschreibungsfähig. Als Rentnerin könne sie die Kosten dafür, jeden Monat ungefähr 100,00 EUR, nicht selbst aufbringen. Dieses Arzneimittel, das zum Therapiestandard gehöre, sei zur Behandlung der äußerst schmerzhaften Blasenerkrankung zum Erhalt der Lebensqualität nötig. Andere Behandlungen seien erfolglos geblieben. Die Klägerin fügte verschiedene Informationen der ICA Deutschland e. V. Förderverein Interstitielle Cystitis und den Bericht des Facharztes für Urologie Dr. R vom 14. März 2005 bei.

Mit Bescheid vom 31. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. PPS dürfe als apothekenpflichtiges, aber rezeptfreies Arzneimittel ab 01. Januar 2004 nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Hinzu komme, dass mangels entsprechender Zulassung eine Verordnungsfähigkeit für die IC nie bestanden habe.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch verwies die Klägerin darauf, dass das in Deutschland von der Firma BENE hergestellte Arzneimittel in den USA unter dem Namen Elmiron eine Zulassung zur Behandlung bei IC besitze. Die IC sei eine unheilbare seltene Krankheit, die einer systematischen Erforschung nicht zugänglich sei und für die es keine andere Behandlungsmöglichkeit gäbe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Weder sei in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bestimmt, dass PPS ausnahmsweise verordnet werden könne, noch komme eine Versorgung nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum so genannten Off Label Gebrauch oder zu so genannten Seltenheitserkrankungen in Betracht. So stehe beispielsweise die Lasertherapie als Möglichkeit der zugelassenen Behandlungsmethode zur Verfügung. Auch bestehe kein Konsens in der Fachwelt über den klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken beim Einsatz von PPS zur Behandlung der IC.

Dagegen hat die Klägerin am 29. Juli 2005 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat unter anderem den Aufsatz von O, u. a. in Deutsches Ärzteblatt vom 25. Januar 2002 C 159, vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) des Dr. F vom 08. November 2005 eingeholt.

Mit Urteil vom 28. März 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Als nichtverschreibungspflichtiges Arzneimittel sei PPS von der Versorgung ausgeschlossen. In Ziffer 16.4 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMR) sei die Cystitis nicht als schwerwiegende Erkrankung und die Behandlung dieses Leidens mittels PPS als Standardtherapie nicht aufgeführt, so dass dieses Arzneimittel auch nicht ausnahmsweise verordnet werden könne. Jedenfalls scheitere der Anspruch daran, dass PPS zur Behandlung der Cystitis in Deutschland nicht zugelassen sei und die Kriterien, unter denen nach der Rechtsprechung des BSG die Versorgung mit einem Medikament für ein Anwendungsgebiet, zu dem es arzneimittelrechtlich nicht zugelassen sei, beansprucht werden könne, nicht vorlägen. Aus der Stellungnahme des MDK und dem Aufsatz von O gehe hervor, dass bisher für PPS weder die erweiterte Zulassung beantragt worden sei, noch dass Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht worden seien. Danach fehle es auch an außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnenen und veröffentlichten Erkenntnissen mit nachprüfbaren Aussagen in dem neuen Anwendungsgebiet, aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen bestehe. Schließlich handele es sich bei der IC nicht um eine unerforschbare singuläre Erkrankung, denn allein in Deutschland litten darunter wenigsten 25 000 Personen. Außerdem zeigten bereits durchgeführte Studien, dass die Krankheit systematisch erforscht werden könne.

Gegen das ihr am 03. April 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. April 2006 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie meint, dass auf ihre persönliche Situation nicht eingegangen werde. Es gäbe zuverlässige Erkenntnisse über die Anwendung von PPS zur Behandlung der IC. Aufgrund der Studienlage sei dieses Arzneimittel in den USA, Kanada, Australien und Ungarn zugelassen. Es werde auch von einschlägigen Fachkreisen zur Basisbehandlung empfohlen. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen in Deutschland sei völlig ungewiss. Das Krankheitsbild sei überhaupt erst ansatzweise erforscht. Es bestehe Uneinigkeit darüber, wie viele Formen der IC existierten, denn die Therapie mit PPS bewirke nicht in allen Fällen zufriedenstellende Behandlungserfolge. Die Definition des Krankheitsbildes sei daher eher unklarer geworden. Es handele sich um ein seltenes Krankheitsbild, welches von einer systematischen Erforschung weit entfernt sei. Die Klägerin hat einen Aufsatz von Hwang u. a. in Urology 1997, 39 43, eine Zusammenfassung von Nickel, u. a. in Urology 2005, 654 8, einen Auszug aus Guidelines on chronic pelvic pain der European Association of Urology von Februar 2003 sowie die Schreiben der ICA Deutschland e. V. vom 18. August 2006 und 30. August 2006 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2005 zu verurteilen, der Klägerin das Arzneimittel Pentosanpolysulfat SP 54 als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 26. Juli 2006, die Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 31. Juli 2006, den Befundbericht des Facharztes für Urologie Dr. R vom 07. August 2006 sowie die Auskünfte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 24. Januar 2007, 12. Februar 2007 und 15. Mai 2007 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 14. März 2007 eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 31. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2005 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel PPS zur Behandlung der IC, denn es gehört nicht zu den Leistungen der Krankenversicherung. Das Arzneimittel PPS ist derzeit als so genanntes Altarzneimittel mit fiktiver Zulassung zwar noch verkehrsfähig. Es ist jedoch nicht für die Behandlung der IC zugelassen. Die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Anwendung (Off label use) sind ebenso wenig erfüllt wie die im Falle einer so genannten Seltenheitserkrankung.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V).

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind.

§ 34 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 SGB V bestimmen: Nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Nach § 34 Abs. 6 Satz 1 SGB V können pharmazeutische Unternehmer beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 und 4 SGB V stellen.

Das Arzneimittel PPS ist, nachdem sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln (24 K 670/06 und 24 K 671/06) vergleichsweise verpflichtet hat, die dort angefochtenen Bescheide aufzuheben und über die Anträge auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) in den Applikationsformen Injektionslösung und Dragees erneut zu entscheiden (vgl. die Auskünfte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 15. Mai 2007 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 14. März 2007), weiter verkehrsfähig.

Nach der Rechtsprechung des BSG sind Präparate, die als Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) von der Grunddefinition des § 2 Abs. 1 AMG erfasst werden und nach § 21 Abs. 1 AMG der Arzneimittelzulassungspflicht unterliegen, grundsätzlich als Arzneimittel im Sinne der §§ 27, 31 SGB V anzusehen (BSG, Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R m. w. N.). Wenn ein bestimmtes Arzneimittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht besteht, mangelt es zugleich an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, so dass ein solches Arzneimittel nicht gewährt werden darf. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels muss es zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Dieser Wirksamkeitsnachweis ist im Rahmen eines Arzneimittelzulassungsverfahrens zu erbringen, so dass aus einer nicht bestehenden Zulassung auf eine nicht vorhandene Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit geschlossen werden kann (BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ; BSG, Urteil vom 27. September 2005 B 1 KR 6/04 R ). Diese Grundsätze finden auch Anwendung, wenn eine abschlägige Zulassungsentscheidung bei Verabreichung des Präparats noch nicht bestandskräftig ist; denn dann gebietet der Gesichtspunkt der Gewährleistung optimaler Arzneimittelsicherheit gleichermaßen, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit im Sinne von § 1 AMG, das heißt die Einhaltung der Mindestsicherheits- und Qualitätsstandards, in einem dafür vorgesehenen Verfahren nachgewiesen worden sind. Das Gleiche gilt, wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde oder weil der Hersteller die Zulassung überhaupt nicht beantragt hat. Anders als ein Arzneimittel, das der Zulassung nach Maßgabe des § 1 AMG bedarf, darf ein so genanntes fiktiv zugelassenes (Alt)Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden, obwohl es bisher einer arzneimittelrechtlichen Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach § 1 AMG nicht unterzogen wurde. Dies beruht darauf, dass das bis Ende 1977 geltende AMG vom 16. Mai 1961 AMG 1961 (BGBl. I 1961 Seite 533) lediglich eine formelle Registrierung der auf dem Markt befindlichen Präparate vorsah. Erst mit dem AMG vom 24. August 1976 AMG 1976 (BGBl. I 1976 Seite 2445) wurde ein vollständig umgestaltetes materielles Zulassungsverfahren für Arzneimittel eingeführt, das eine optimale Arzneimittelsicherheit gewährleisten sollte. Für bereits vor In Kraft Treten des AMG 1976 und in der Folgezeit auf dem deutschen Markt angebotene Fertigarzneimittel wurde den Arzneimittelherstellern durch Übergangsregelungen unter bestimmten Voraussetzungen ein befristeter Bestandsschutz eingeräumt. Nach § 105 Abs. 1 AMG gelten Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind und sich am 01. Januar 1978 im Verkehr befanden, als zugelassen, wenn sie sich bereits am 01. September 1976 im Verkehr befanden. § 105 Abs. 2 AMG normiert insoweit lediglich eine qualifizierte bis zum 30. Juni 1978 befristete Anzeigepflicht, deren Erfüllung es ermöglichte, das Fertigarzneimittel weiterhin in den Verkehr zu bringen. Nach § 105 Abs. 3 AMG erlosch die Zulassung eines nach § 105 Abs. 2 AMG fristgerecht angezeigten Arzneimittels am 30. April 1990, es sei denn, dass ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung gestellt worden war (oder ein ihm gleichgestellter Tatbestand vorlag). Während des Übergangszeitraumes war die Überprüfung der (Alt)Arzneimittel nach den Kriterien des § 1 AMG 1976 vorgesehen, so dass am Ende des Übergangszeitraumes nur noch solche Arzneimittel zugelassen sein sollten, die den Kriterien des § 1 AMG 1976 genügen. Wird ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) abgelehnt, bewirkt, sofern nicht die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet wird (§ 105 Abs. 5 b Satz 2 AMG), die Klage (ein Vorverfahren findet nach § 105 Abs. 5 b Satz 1 AMG nicht statt) aufschiebende Wirkung, so dass wegen dieses Schwebezustandes die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eines solchen (Alt)Arzneimittels zunächst aus verfahrensrechtlichen Gründen erhalten bleibt. Eine solche arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit begründet jedoch keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, denn diesem (Alt)Arzneimittel fehlt die nunmehr aber grundsätzlich erforderliche in einem Arzneimittelzulassungsverfahren nachzuweisende Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (so BSG, Urteil vom 27. September 2005 B 1 KR 6/04 R ).

Nach Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 24. Januar 2007 handelt es sich bei dem Arzneimittel PPS um ein so genanntes (Alt)Arzneimittel, das sich bereits vor 1978 im Verkehr befunden hat und deswegen gemäß den Vorschriften der §§ 105 ff. AMG (lediglich) über eine fiktive Zulassung verfügt. Im Rahmen des Verfahrens der Verlängerung der Zulassung traf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Entscheidung über die weitere Verkehrsfähigkeit, die mittels Klage angefochten wurde. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sah sich wegen der mit dieser Klage verbundenen aufschiebenden Wirkung gehindert, dem Senat den Inhalt seiner Entscheidung mitzuteilen (Auskunft vom 12. Februar 2007). Ob § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO tatsächlich der begehrten Auskunft des Senats entgegensteht und wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeint hat eine solche Auskunft "faktisch zu einer vorzeitigen Vollziehung der durch die Klageerhebung bewirkten Suspendierung der getroffenen Entscheidung, ob rechtlich oder wirtschaftlich, führen" würde, mag dahinstehen. Angesichts der bekannten Umstände liegt es nahe anzunehmen, dass es sich bei der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte genannten Entscheidung um die Ablehnung des Antrages auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) handelt. Dies hätte nach der oben genannten Rechtsprechung des BSG zur Folge, dass das Arzneimittel PPS nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden darf. Allerdings hat sich nach den Auskünften des Verwaltungsgerichts Köln vom 14. März 2007 und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 15. Mai 2007 letztgenannte Behörde außergerichtlich vergleichsweise verpflichtet, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und über die Anträge auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) erneut zu entscheiden. Damit ist das einer krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht entgegenstehende Hindernis, ein ablehnender Bescheid zum Antrag auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung), beseitigt worden, so dass nunmehr (zunächst) das Arzneimittel PPS aufgrund seiner ursprünglichen so genannten fiktiven Zulassung und damit nicht lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen weiterhin verkehrsfähig ist.

Nach der Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 24. Januar 2007 ist das Arzneimittel PPS zwar apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtig. Nach einem der Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 08. November 2005 beigefügt gewesenen Auszug aus der Datenbank "Arzneimittel-Informationssystem" (AMIS) des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) enthält dieses Arzneimittel den arzneilich wirksamen Bestandteil Pentosanpolysulfat Natrium.

Die Apothekenpflicht bestimmt sich nach den §§ 43 bis 47 a AMG. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs. 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Außerhalb der Apotheken darf außer in den Fällen des § 43 Abs. 4 AMG und des § 47 Abs. 1 AMG mit den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln kein Handel getrieben werden.

§ 43 Abs. 4 AMG betrifft die Abgabe von Arzneimitteln durch Tierärzte an Halter der von ihnen behandelten Tiere. § 44 Abs. 1 AMG bezieht sich auf Arzneimittel, die ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden zu dienen bestimmt sind. § 44 Abs. 2 AMG bezeichnet einzelne Präparate, die unter arzneimittelrechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich sind. § 47 AMG regelt die Vertriebswege an andere Einrichtungen, die nicht Endverbraucher sind. Diese Vorschriften als Ausnahme von der Apothekenpflicht sind vorliegend nicht einschlägig. In der nach § 45 Abs. 1 AMG erlassenen Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel vom 24. November 1988 (BGBl. I 1988 Seite 2150), berichtigt mit Bekanntmachung vom 17. Februar 1989 (BGBl. I 1989 Seite 254), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Dezember 2006 (BGBl. I 2006 Seite 3276), ist Pentosanpolysulfat nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben. Dieses Arzneimittel wird insbesondere nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 1 dieser Verordnung in Verbindung mit der Anlage 1 a erfasst. Die weiteren Vorschriften dieser Verordnung (§ 1 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 und Abs. 2, § 2 und § 4) treffen ihrem Wortlaut nach ersichtlich bereits nicht zu.

Damit ist PPS apothekenpflichtig.

Die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln bestimmt sich nach § 48 AMG. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG dürfen Arzneimittel, die durch Rechtsverordnung nach § 48 Abs. 2 AMG, auch in Verbindung mit § 48 Abs. 4 und 5 AMG, bestimmte Stoffe, Zubereitungen aus Stoffen oder Gegenstände sind oder denen solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zugesetzt sind, nur bei Vorliegen einer unter anderem ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden. Die dazu ergangene Arzneimittelverschreibungsverordnung AMVV (Art. 1 der Verordnung zur Neuordnung der Verschreibungspflicht von Arzneimitteln vom 21. Dezember 2005, BGBl. I 2005 Seite 3632), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I 2006 Seite 3465), regelt in § 1: Arzneimittel, 1. die in der Anlage zu dieser Verordnung bestimmte Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder 2. die Zubereitungen aus den in der Anlage bestimmten Stoffen oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder 3. denen die unter Nr. 1 oder 2 genannten Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen zugesetzt sind, dürfen nur bei Vorliegen unter anderem einer ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung abgegeben werden (verschreibungspflichtige Arzneimittel). Von Anlage 1 der AMVV wird zwar Pentosanpolysulfat erfasst. Die Verschreibungspflicht bezieht sich danach jedoch nur zur Anwendung beim Hund.

Damit ist PPS (zur Anwendung bei Menschen) nicht verschreibungspflichtig.

Nach der Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 24. Januar 2007 ist das Arzneimittel PPS nach den bis zum 01. Februar 2001 bei dieser Behörde eingereichten Unterlagen ausschließlich für die Anwendungsgebiete "subakute beziehungsweise chronische arteriosklerotische und thrombotische Gefäßerkrankungen, Nachbehandlung im Anschluss an Injektionstherapie akuter Zustände sowie Prophylaxe" zugelassen. Der Anwendungsbereich umfasst somit nicht die Behandlung der IC.

Es ist damit belanglos, dass das Arzneimittel PPS nicht als ausnahmsweise verordnungsfähig in den Arzneimittelrichtlinien unter Abschnitt F aufgelistet ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V zwar befugt, nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel als verordnungsfähig festzulegen; er darf dies jedoch nur im Rahmen der jeweiligen Zulassung, denn grundsätzlich kann ein Arzneimittel nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (BSG, Urteil vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R , abgedruckt in SozR 3 2500 § 31 Nr. 8).

Für die Abgabe von Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem AMG nicht zugelassen sind, beruft nach dem zum 01. Januar 2004 in Kraft getretenen § 35 b Abs. 3 SGB V das Bundesministerium für Gesundheit Expertengruppen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Bewertungen werden dem Gemeinsamen Bundesausschuss als Empfehlung zur Beschlussfassung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zugeleitet. Eine entsprechende Bewertung soll nur mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmens erstellt werden.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat daran anknüpfend mit Beschluss vom 18. April 2006 (Bundesanzeiger Nr. 134 Seite 5122 vom 20. Juli 2006) die Arzneimittelrichtlinien um den neuen Abschnitt "H. Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten (so genannter Off label use) mit den Ziffern 24 bis 29 ergänzt. Die Verordnung von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten ist danach zulässig a) mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmers, b) wenn die Expertengruppen nach § 35 b Abs. 3 Satz 1 SGB V eine positive Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung dieser Arzneimittel in den nicht zugelassenen Indikationen oder Indikationsbereichen als Empfehlung abgegeben haben und c) der Gemeinsame Bundesausschuss die Empfehlung in diese Richtlinie übernommen hat (Anlage 9 A) [Ziffer 24]. Arzneimittel zur Anwendung in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten, die nach Bewertung der Expertengruppen nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen oder die medizinisch nicht notwendig sind oder die unwirtschaftlich sind, werden in der Anlage 9 B indikationsbezogen aufgeführt (Ziffer 25). Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft in geeigneten Zeitabständen die in der Anlage 9 zusammengestellten Arzneimittel (Ziffer 29).

In der Anlage 9 der Arzneimittelrichtlinien wird das Arzneimittel PPS zur Behandlung der IC nicht erwähnt.

Mit § 35 b Abs. 3 SGB V hat sich der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BSG zum so genannten Off label use angenommen. Eine zulassungsüberschreitende Anwendung (Off label use) von Arzneimitteln ist in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausnahmslos ausgeschlossen. Wegen des Vorrangs des Arzneimittelrechts, das dazu dient, Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln sicherzustellen (§ 1 AMG), muss ein Off label use aber auf solche Fälle beschränkt bleiben, in denen einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneimitteltherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt sind. Die Verordnung eines Arzneimittels in einem anderen von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt deshalb nur in Betracht, wenn 1) es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Damit Letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (BSG, Urteil vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R , abgedruckt in SozR 3 2500 § 31 Nr. 8; BSG, Urteile vom 26. September 2006 B 1 KR 1/06 R und B 1 KR 14/06 R ).

Es kann dahinstehen, ob mit der Regelung des so genannten Off label use in § 35 b Abs. 3 SGB V die zitierte Rechtsprechung des BSG noch uneingeschränkt Geltung beanspruchen kann oder ob sich damit der ursprünglich gesehene Bedarf erübrigt oder zumindest verschoben haben könnte, Regeln für einen erweiterten, aber kontrollierten Off label use zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in der Rechtsprechung aufzustellen (so BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R ). Die genannten Voraussetzungen eines Off label use liegen jedenfalls nicht vor.

Die IC mag eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung sein.

Ob keine andere Therapie verfügbar ist, erscheint allerdings bereits zweifelhaft. Eine heilende Kausaltherapie gibt es nicht, da die Ursachen dieser Erkrankung nicht bekannt sind (vgl. O (a. a. O., C 160 und Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 08. November 2005). Angesichts dessen kommen ohnehin nur symptomatische Behandlungsmöglichkeiten in Betracht. Als eine solche erscheint die im Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 genannte Lasertherapie. Nach dem von der Beklagten in der Online Ärztezeitung vom 26. April 2002 ermittelten Aufsatz basiert diese Therapie darauf, dass als Ursache der Beschwerden eine Reizung von sensorischen Nervenzellen der Harnblase in Betracht kommt. Durch die Koagulation des Gewebes mittels Laser kann diese Fehlstimulation unterbunden werden. Darüber hinaus bietet sich nach dem Befundbericht des Facharztes für Urologie Dr. R vom 07. August 2006 eine bereits vor einigen Jahren bei der Klägerin angewandte medikamentöse Mehrfachtherapie aus Opiaten, Antidepressivum, Paracatemol und Spasmolytikum an, auch wenn diese Therapie um ein Vielfaches teurer und mit von diesem Arzt nicht näher bezeichneten gravierenden Nebenwirkungen verbunden sein sollte. Dr. F vom MDK verweist außerdem in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juli 2006 auf das von der Schleswig-Holsteinischen Landesbehörde als apotheken- und verschreibungspflichtig eingestufte Medizinprodukt Uropol S (Chondroitinsulfat), das mit der Indikation IC zertifiziert worden sei. Schließlich bleibt als Ultima ratio die Zystektomie mit Blasenaugmentation (O, a. a. O., C 162 und Befundbericht des Facharztes für Urologie Dr. R vom 07. August 2006).

Jedenfalls ist die letztgenannte Voraussetzung für einen Off label use, worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht erfüllt.

Nach der Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 08. November 2005 ist bisher eine Phase III Studie nicht veröffentlicht. Diese Aussage hat nach seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juli 2006 weiterhin Bestand. Eine Erweiterung der Zulassung ist danach gegenwärtig nicht beantragt. Dr. F hat in seiner Stellungnahme vom 08. November 2005 darüber hinaus dargelegt, dass bezogen auf das Arzneimittel Elmiron, das nach dem beigefügt gewesenen Auszug aus AMIS ebenfalls den arzneilich wirksamen Wirkstoff Pentosanpolysulfat Natrium enthält, einerseits ein Antrag auf Indikationserweiterung auf nichtbakterielle Blasenentzündungen am 26. Januar 1995 zurückgenommen und andererseits auf einen Antrag auf Indikationserweiterung auf IC mit Bescheid vom 21. Juni 1995 die Zulassung wegen fehlender beziehungsweise unzureichend begründeter therapeutischer Wirksamkeit versagt wurde. Der ICA Deutschland e. V. teilte dazu in seinem Schreiben vom 18. August 2006 mit, die 1995 beantragte Zulassungserweiterung sei wegen der Zulassung von Elmiron als orales Arzneimittel zur Behandlung der IC in den USA erfolgt. Die amerikanischen Studien seien jedoch von der deutschen Zulassungsbehörde nicht anerkannt worden. Deutsche Studien habe es nicht gegeben. Dr. F hat in seiner Stellungnahme vom 08. November 2005 auch mitgeteilt, dass eine Rücksprache mit dem Arzneimittelhersteller ergeben habe, dass keine solche Zulassungsstudie existiert und eine Zulassungserweiterung gegenwärtig nicht angestrebt wird. Bereits die Versagung der Zulassung des Arzneimittels Elmiron für den Anwendungsbereich IC dürfte einem Off label use des Arzneimittels PPS mit demselben arzneilich wirksamen Bestandteil Pentosanpolysulfat Natrium entgegenstehen.

Unabhängig davon fehlen zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen und ein Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über einen voraussichtlichen Nutzen in dem neuen Anwendungsgebiet.

In dem bereits vom Sozialgericht zitierten Aufsatz von O (a. a. O., C 161) heißt es: "Da in den wenigen randomisiert kontrollierten Doppelblinduntersuchungen zu Pentosanpolysulfat auch in Placebogruppen Schmerzlinderung erreicht wurde, ist schwer beurteilbar, inwieweit die mitunter statistisch signifikant bessere Wirkung ... klinisch relevant ist." Nach der Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 08. November 2005 zeigt eine Internet Recherche allenfalls eine Möglichkeit der Wirksamkeit. Einen Konsens in den einschlägigen Fachkreisen hat er daraus nicht erkennen können. Die im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren Aufsätze erbringen nach Dr. F keine zusätzlichen Informationen. Eine Metaanalyse zu Studien mit Pentosanpolysulfat, welche von der Cochrane Collaboration kommentiert wurde, untersuchte vier randomisierte, placebokontrollierte Studien mit insgesamt 448 Teilnehmern mit IC. Insgesamt zeigte sich, dass orales Pentosanpolysulfat effektiver als Placebo bei der Behandlung von Blasenschmerz, Harndrang und Miktionsfreqeunz war. Ein positiver Einfluss auf die Nykturie konnte nicht nachgewiesen werden (Hwang 1997, Cochrane Comment 2005). In einer weiteren placebokontrollierten Studie zu oralem Pentosanpolysulfat mit 121 Teilnehmern zeigte sich in 18 Monaten keine signifikante Verbesserung der subjektiven Krankheitseinschätzung im Vergleich zur Placebogruppe. Auch die sekundären Endpunkte Verbesserung im Symptomindex, im Schmerzerleben, Harndrang und Pollakisurie waren vergleichbar in Verum- und Placebogruppe (Sant 2003). Eine multizentrische doppelblinde Parallelgruppen-Studie ohne Placeboarm zur Dosisfindung an 380 Patienten über 32 Wochen zeigte am Endpunkt eine Abnahme der schwersymptomatischen Patienten unter Behandlung in zwei Beurteilungsskalen (Nickel 2005). Auch liegen den europäischen Leitlinien (Guidelines, Februar 2003) nach der ergänzenden Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 26. Juli 2006 keine neueren Studien zugrunde. Zum einen wird ein Level of evidence 1 b und ein Grad der Empfehlung A allein für die hier nicht in Frage stehende (so auch das Schreiben des ICA Deutschland e. V. vom 18. August 2006) intravesikale Applikation angenommen. Diese Einschätzung ist jedoch nach Dr. F aufgrund der geringen Patientenzahlen (20 Frauen, Bade 1997) schon fachlich in Frage zu stellen. Soweit dort Natrium(Sodium)Pentosanpolysulfat angesprochen wird, handelt es sich bei den entsprechenden Studien um die bereits von Hwang 1997 erwähnten und von Dr. F in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juli 2006 bewerteten Studien. Wenn dieser Arzt aufgrund dessen auch weiterhin keinen Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über einen Nutzen von PPS zur Behandlung der IC gesehen hat, weil es an zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen zur Qualität und Wirksamkeit dieses Arzneimittels in dem genannten Anwendungsgebiet fehlt, ist dies einleuchtend.

Das BSG hat im Urteil vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R seine Rechtsprechung hinsichtlich so genannter Seltenheitserkrankungen (singulärer Krankheitsfälle) modifiziert. Grund dafür ist, dass sich eine solche Erkrankung wegen ihrer Seltenheit regelmäßig einer systematischen wissenschaftlichen Untersuchung entzieht und für sie daher keine wissenschaftlich auf ihre Wirkung überprüfte Behandlungsmethode zur Verfügung stehen wird. Das Krankenversicherungsrecht, das bei der Arzneimittelversorgung anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels abhängig macht (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R ), kann bei einer Seltenheitserkrankung keine befriedigende Lösung bieten, weil die Regeln des Arzneimittelzulassungsverfahrens in einem solchen Fall versagen. Das BSG hat es daher für notwendig erachtet, die Leistungspflicht vom arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbot des § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG abzukoppeln. Ist das Arzneimittel in einem anderen Staat als Arzneimittel zugelassen, so besteht nach § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG die Möglichkeit, es individuell auf ärztliche Verordnung über eine Apotheke aus dem Ausland legal zu beschaffen. Die darin liegende Lockerung des arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbots begründet nach der Rechtsprechung des BSG nicht die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, denn eine Verwendung in einer unbestimmten Zahl von Fällen ist durch die genannte Vorschrift nicht gedeckt. Dies steht jedoch der Leistungspflicht zur Behandlung einer einzigartigen Krankheit in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation nicht entgegen.

Voraussetzung für die Leistungspflicht eines (nach innerstaatlichem Recht) nicht zugelassenen Arzneimittels ist nach dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R , dass 1. es sich um eine einzigartige Erkrankung handelt, die weltweit nur extrem selten auftritt, und die 2. deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann, 3. eine notstandsähnliche Situation vorliegt, also eine schwerwiegende lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung behandelt werden soll, für die keine andere Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht, 4. zuverlässige pharmakologisch-toxische Daten und aussagekräftige Studien vorliegen müssen, die Unbedenklichkeit und therapeutische Wirksamkeit des Mittels zumindest für andere Krankheiten belegen, und 5. die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse die Annahme rechtfertigen müssen, dass der voraussichtliche Nutzen des Arzneimittels die möglichen Risiken überwiegen wird, wobei anders als nach den Grundsätzen für einen Off label use im Urteil des BSG vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R bei einer unerforschbaren singulären Erkrankung positive Forschungsergebnisse beziehungsweise einem bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche Fachveröffentlichungen nicht vorzuliegen brauchen.

Wird dieser Maßstab herangezogen, kommt allerdings die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel PPS unter dem Produktnamen Elmiron, unter dem es in den USA und nach Angaben der Klägerin zwischenzeitlich auch in Kanada, Australien und Ungarn zugelassen ist, nicht in Betracht.

Der Senat geht davon aus, dass eine Erkrankung zu den Seltenheitserkrankungen rechnet, wenn von ihr nicht mehr als fünf von 10 000 Personen betroffen sind. Das BSG hat zwar in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R offen gelassen, bei welcher Prävalenzrate von einer einzigartigen Erkrankung auszugehen ist. Es hat allerdings in seiner Entscheidung auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. Nr. L 18 vom 22. Januar 2000 Seite 1) hingewiesen. Die Erwägung (Abs. 5 des Vorspanns der Verordnung [EG] Nr. 141/2000), die für die Festlegung des genannten Schwellenwertes im Rahmen dieser EG Verordnung geführt hat, kann in gleicher Weise für die Bestimmung des Vorliegens einer Seltenheitserkrankung herangezogen werden. Danach wird eine Prävalenz von nicht mehr als fünf von 10 000 Personen allgemein als geeigneter Schwellenwert angesehen.

Ob dieser Schwellenwert erreicht wird, ist völlig offen und damit unbewiesen. Wie die Klägerin vorträgt, besteht Uneinigkeit darüber, wie viele Formen der IC überhaupt existieren. Die Definition des Krankheitsbildes ist daher schon unklar. Dementsprechend gehen die Zahlen der von dieser Krankheit betroffenen Personen weit auseinander. Nach O (a. a. O., C 159) scheint einer amerikanischen Kohortenstudie zufolge ihre Prävalenz die für Finnland ermittelten 18,1 Erkrankungen auf 100 000 Frauen erheblich zu übertreffen. Eine Untersuchung der Harvard Medical School Boston geht von immerhin 60 Betroffenen unter 100 000 Frauen aus. Daraus ergäben sich für Deutschland annähernd 25 000 Erkrankte. In der vom ICA Deutschland e. V. im Jahre 2004 herausgegebenen Information werden sogar weit über 100 000 Betroffene vermutet. Allerdings wird im Schreiben des ICA Deutschland e. V. vom 18. August 2006 die Zahl der Betroffenen möglicherweise im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zur Seltenheitserkrankung interessensgeleitet mit weit unter 15 000 angegeben. Jedenfalls wird eingeräumt, dass es in Deutschland keine zuverlässigen epidemiologischen Zahlen über die Anzahl der IC Diagnosen gibt.

Fehlen jedoch solche gesicherten Zahlen, lässt sich bereits nicht feststellen, dass die Klägerin an einer einzigartigen Erkrankung leidet.

Die in der ergänzenden Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 26. Juli 2006 im Einzelnen diskutierten Studien mit 448 Teilnehmern, 121 Teilnehmern beziehungsweise 380 Teilnehmern lassen auch nicht den Schluss darauf zu, dass es sich bei der IC um eine systematisch nicht erforschbare (und deswegen systematisch nicht behandelbare) Erkrankung handelt. Sowohl die Anzahl der Teilnehmer als auch die Tatsache, dass tatsächlich Studien zur wirksamen Behandlung der IC durchgeführt werden, belegt hinreichend, dass die IC eine erforschbare Krankheit darstellt.

Schließlich ist auszuschließen, dass zuverlässige pharmakologisch-toxische Daten und aussagekräftige Studien vorliegen, die die Unbedenklichkeit und therapeutische Wirksamkeit des Arzneimittels PPS belegen. Wären solche vorhanden gewesen, wäre dem Arzneimittel PPS unter dem Produktnamen Elmiron die Erweiterung der Zulassung auf das Indikationsgebiet IC nicht durch Bescheid vom 21. Juni 1995 versagt worden. Es gibt unter Berücksichtigung der Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 08. November 2005 keine Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser Sachlage zwischenzeitlich etwas geändert haben könnte. Die von diesem Arzt veranlasste Rückfrage beim Arzneimittelhersteller ergab, dass keine Zulassungsstudie existiert. Auf die anderen Studien ist der Senat bereits im Rahmen der Erörterung des Off label use eingegangen. Aus ihnen lassen sich aus den genannten Gründen keine zuverlässigen und aussagekräftigen Erkenntnisse zur Unbedenklichkeit und therapeutischen Wirksamkeit gewinnen.

Die Berufung der Klägerin muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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