L 14 RA 59/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 4 RA 64/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RA 59/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07. Juli 1999 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.1996 und des Widerspruchsbescheides vom 25.02.1997 verurteilt, der Klägerin die von ihr entrichteten Beiträge in der Höhe, in der sie diese getragen hat, zu erstatten. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile der zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge gemäß § 210 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) hat.

Die am ... geborene Klägerin war vom 01.08.1979 bis zum 14.12.1983 und vom 03.07.1984 bis zum 31.10.1984 insgesamt 57 Kalendermonate versicherungspflichtig beschäftigt. Durch Urkunde des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 08.10.1984 wurde sie mit Wirkung vom 01.11.1984 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Fernmeldeassistentin ernannt. Durch weitere Urkunde vom 14.11.1989 erfolgte mit Wirkung vom 31.12.1989 die Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit als Fernmeldesekretärin. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin weiterhin als Beamtin bei der ... beschäftigt.

Nach den von der Beklagten für die Klägerin gespeichterten Daten (Kontospiegel vom 10.01.1996; Bl. 11 der Verwaltungsakten) war für die am ... geborene Tochter A. unter dem 22.03.1988 eine Kindererziehungszeit vom 01.03.1984 bis 28.02.1985 und unter dem 29.03.1990 für die am ... geborene Tochter S. eine Kindererziehungszeit vom 01.05.1987 bis zum 30.04.1988 vorgemerkt. Unterlagen über das Vormerkungsverfahren (Anträge bzw. Bescheide vom 22.03.1988 und 29.03.1990) existieren bei der Beklagten nicht mehr (Aktenvermerk Bl. 15 Verwaltungsakten). Auch die Klägerin konnte dem Senat keine entsprechenden Unterlagen vorlegen.

Am 22.12.1995 beantragte die Klägerin die Erstattung der von ihr entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 210 SGB VI. Am 06.11.1995 hatte bereits der Ehemann der Klägerin U. E. die Feststellung von Kindererziehungszeiten für die Töchter A. und S. für sein Versicherungskonto unter Vorlage einer gemeinsamen Erklärung mit der Klägerin vom 06.06.1995 beantragt. Mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 30.04.1996 hob die Beklagte gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) den Bescheid vom 22.03.1988 über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten gemäß § 56 SGB VI und § 28 a des Angestelltenversicherungsgesetzes a. F. (AVG a. F.) für die Tochter A. auf, da durch den Eingang der gemeinsamen Erklärung über die Zuordnung von Kindererziehungszeiten eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit für die Tochter S. sei hiervon nicht betroffen, da eine Abgabe einer gemeinsamen Erklärung für Kindererziehungszeiten ab Januar 1986 in dieser Form gesetzlich nicht möglich sei.

Mit weiterem Bescheid vom 30.04.1996 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für die Tochter A. könnten Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten nicht anerkannt werden, weil sie aufgrund einer übereinstimmenden Erklärung dem anderen Elternteil zuzuordnen seien. In einem aktualisierten Versicherungsverlauf ebenfalls vom 30.04.1996 (Bl. 19 der Verwaltungsakten) ist demgemäß neben den Pflichtbeiträgen für 57 Monate nur noch eine Zeit der Kindererziehung für die Tochter S. vom 01.05.1987 bis 30.04.1988 (12 Monate) aufgeführt.

Mit weiterem Bescheid vom 30.04.1996 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Beitragserstattung nach § 210 SGB VI mit der Begründung ab, die Klägerin sei zur freiwilligen Versicherung berechtigt. Dagegen erhob die Klägerin am 10.05.1996 Widerspruch und trug zur Begründung vor, die Kindererziehungszeiten für die Tochter S. hätten nicht anerkannt werden dürfen, da sie als Beamtin gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 2 SGB VI i. V. m. § 5 Abs. 1 SGB VI von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen gewesen sei. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.1997 mit der Begründung zurück, die Kindererziehungszeit für die Tochter S. vom 01.11.1987 bis 30.04.1988 sei zwar von der Beklagten fälschlicherweise anerkannt worden, da für die Zeit ab 01.11.1987 gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI Versicherungsfreiheit vorgelegen habe. Der Bescheid über die Bewilligung dieser Kindererziehungszeit sei am 29.03.1990 erteilt worden und gelte als am 01.04.1990 zugestellt. Die Rücknahme eines Nichtleistungsbescheides sei gemäß § 45 SGB X nur innerhalb einer Frist von zwei Jahren möglich. Die Zweijahresfrist sei am 01.04.1992 abgelaufen, so dass der Bescheid vom 29.03.1990 somit nicht zurückgenommen werden könne. Da keine Rücknahmemöglichkeit bestehe, seien die Kindererziehungszeiten für die Zeit vom 01.11.1987 bis 30.04.1988 weiterhin bei der Wartezeit zu berücksichtigen, so dass die Wartezeit erfüllt sei und eine Beitragserstattung entfalle.

Dagegen hat die Klägerin am 01.04.1997 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie erfülle nicht die Mindestversicherungszeit von 60 Kalendermonaten für eine freiwillige Weiterversicherung. Für sie seien lediglich 57 Kalendermonate Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden. Da sie Beamtin sei, hätte die Kindererziehungszeit für die Tochter S. nicht anerkannt werden dürfen. Die Auffassung der Beklagten, der Bescheid über die Vormerkung der Kindererziehungszeit vom 29.03.1990 könne wegen Ablauf der Zweijahresfrist gemäß § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden, könne unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks dieser Norm keinen Bestand haben. Intention dieser Vorschrift sei es nämlich, dem Adressaten eines rechtswidrig begünstigen Verwaltungsaktes insoweit Rechtssicherheit zu geben, als dass die Rücknahme nur unter engen Voraussetzungen möglich sei. Diese Regelung folge aus dem Gesichtpunkt des Vertrauensschutzes. Vorliegend liege der Sachverhalt jedoch anders. Die Klägerin sei durch den ursprünglich begünstigenden Verwaltungsakt nunmehr beschwert, da sie einen Erstattungsanspruch gemäß § 210 SGB VI nicht durchsetzen könne, wenn die fälschlicherweise anerkannte Kindererziehungszeit Bestand hätte. Zum jetzigen Zeitpunkt handele es sich vielmehr um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt, bei dem eine zumindest analoge Anwendbarkeit des § 44 SGB X interessengerecht sei.

Die Beklagte hat ihre angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.07.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung i. W. ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 SGB VI. Sie sie zur freiwilligen Rentenversicherung berechtigt, weil sie die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfülle. Sie weise Pflichtbeitragszeiten von 57 Kalendermonaten für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und von 12 Kalendermonaten wegen Kindererziehung für das Kind S. also insgesamt von 69 Kalendermonaten auf. Die Pflichtbeitrags zeiten wegen Kindererziehung für diese Tochter seien mit bindend gewordenem Bescheid der Beklagten vom 29.03.1990 anerkannt worden. Die Rückgängigmachung der Anerkennung dieser Kindererziehungszeit für das nach dem 01.01.1986 geborene Kind zu Gunsten des Vaters sei auch durch die gemeinsame Erklärung der Eltern vom 06.06.1995 nicht mehr möglich gewesen. Die Abgabe einer solchen gemeinsamen Erklärung sei nach § 2 a Abs. 2 AVG a. F. an eine Frist (bis zum Ablauf des 3. Kalendermonats nach der Geburt) gebunden gewesen, die seit langem abgelaufen sei. Der Ablauf der Drei-Monatsfrist führe grundsätzlich zum Verlust des Wahlrechts. Eine Rücknahme des von Anfang an unrichtigen Bescheides vom 29.03.1990 sei entgegen der Ansicht der Klägerin rechtlich nicht möglich. Bei dem Bescheid vom 29.03.1990 handelt es sich um einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X. Ob ein Verwaltungsakt begünstigend sei oder nicht, sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus der Sicht des Empfängers im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts zu beurteilen. Nach § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X dürfe ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Danach sei eine Rücknahme des Bescheides wegen Ablauf der Zweijahresfrist nicht mehr möglich. Die Fristenregelung des § 45 SGB X solle auch zur Rechtssicherheit beitragen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei § 44 SGB X weder direkt noch analog anwendbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides verwiesen.

Gegen den am 09.07.1999 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.08.1999 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie wiederholt insbesondere ihre Auffassung, der Bescheid über die Feststellung der Kindererziehungszeit für die Tochter S. vom 29.03.1990 könne analog § 44 SGB X zurückgenommen werden, mit der Folge, dass die Kindererziehungszeit nicht zu berücksichtigen sei und mit dann nur noch vorhandenen 57 Monaten Versicherungszeit keine Berechtigung zur freiwilligen Versicherung bestehe. Die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI lägen daher vor. Auf Befragen durch den Senat hat sie in der mündlichen Verhandlung ergänzend mitgeteilt, sie habe nach der Geburt ihrer Tochter S. 10 Monate Erziehungsurlaub in Anspruch genommen. Ihr Mann und sie selbst seien zur damaligen Zeit beide berufstätig gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07.07.1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.1996 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 25.02.1997 zu verurteilen, die von ihr zur gesetzlichen Rentenversicherung eingezahlten Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat die Beteiligten mit Richterbrief vom 12.02.2001 auf die Regelung in § 149 Abs. 5 letzter Satz SGB VI hingewiesen, wonach über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden wird. Dies könnte dafür sprechen, dass bei der Beurteilung der Beitragserstattung nach § 210 SGB VI die Kindererziehungszeit nicht zu berücksichtigen wäre und mit lediglich 57 Beitragsmonaten kein Recht zur freiwilligen Versicherung bestünde.

Die Beklagte hat dazu die Auffassung vertreten, die Regelungen in § 149 Abs. 5 SGB VI seien nicht einschlägig, sofern die Kindererziehungszeit mit Bescheid bindend festgestellt worden sei. Es bestehe keine nochmalige Anfechtungsmöglichkeit, da an sonsten die Bindungswirkung des Kindererziehungszeitbescheides umgangen würde. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ergänzend mitgeteilt, nach der Praxis der Beklagten würden im Falle zu Unrecht vorgemerkter Versicherungszeiten, deren Feststellung wegen Fristablauf nicht nach § 45 SGB X zurückgenommen werden könne, diese von der Beklagten auch im Falle einer Rentengewährung für die Erfüllung der Wartezeit und die Rentenhöhe zugrunde gelegt. Bei danach eintretenden Rentenerhöhungen würde von der Beklagten jedoch § 48 Abs. 3 SGB X angewandt mit der Folge, dass die dann neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen dürfe, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des unrichtigen Feststellungsbescheides ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch begründet. Die Klägerin erfüllt nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI.

Nach dieser Vorschrift werden Versicherten auf Antrag Beiträge erstattet, wenn sie nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben und seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist. Dies entspricht der früheren Regelung in § 82 AVG a. F ... Als Beamtin ist die Klägerin unstreitig nicht versicherungspflichtig und seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht sind auch 24 Kalendermonate abgelaufen.

Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin auch nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung. Gemäß § 7 Abs. 2 SGB VI können sich Personen, die versicherungsfrei oder von der Versicherung befreit sind, nämlich nur dann freiwillig versichern, wenn sie die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt haben. Bei der Klägerin sind aber nach Auffassung des Senats nur die für 57 Kalendermonate entrichteten Pflichtbeiträge aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu berücksichtigen.

Zwar ist im von der Beklagten für die Klägerin geführten Versicherungskonto auch gemäß dem damals anzuwendenden § 104 AVG a. F. eine Kindererziehungszeit für die Tochter S. vom 01.05.1987 bis 30.04.1988 entsprechend der nicht mehr vorliegen den Entscheidung der Beklagten vom 29.03.1990 vorgemerkt. Schon der damalige § 104 Abs. 3 letzter Satz AVG a. F. enthielt die Regelung, dass über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden wird. Dies entspricht wörtlich der seit 1992 geltenden Regelung in § 149 Abs. 5 letzter Satz SGB VI. Dieser Regelung entnimmt der Senat, dass trotz der Vormerkung der Kindererziehungszeit über deren Anrechnung in einem Leistungsfall noch nicht endgültig entschieden ist. Die Vormerkung der Kindererziehungszeit bedeutet demgegenüber die bloße tatbestandsmäßige Feststellung, dass die Klägerin, die damals Erziehungsurlaub hatte, ihre Tochter S. erzogen hat und die Kindererziehungszeit ihr und nicht dem Vater zuzurechnen ist. Über die Anrechnung und Bewertung dieser vorgemerkten Kinder erziehungszeit ist dagegen erst in einem Leistungsfall zu entscheiden.

Da die Klägerin als Beamtin unstreitig gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 2 SGB VI i. V. m. § 5 Abs. 1 SGB VI von der Anrechnung der streitigen Kindererziehungszeit ausgeschlossen ist, ist nach Auffassung des Senats eine Anrechnung der Kindererziehungszeit im Leistungsfall trotz der Vormerkung im Versicherungskonto entsprechend er o.g. Regelung in § 149 SGB VI nicht möglich. Eine Leistung, bei deren Feststellung über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entschieden wird, ist nicht nur die Gewährung einer Rente sondern auch eine Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 d des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I), auf die die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

Da die Kindererziehungszeit trotz der Vormerkung durch die Beklagte somit entsprechend der Regelung in § 149 Abs. 5 letzter Satz SGB VI nicht zu berücksichtigen ist, ist sie mit verbleibenden lediglich 57 Monaten Versicherungszeit nicht zur freiwilligen Versicherung berechtigt und erfüllt somit die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 SGB VI.

Aber selbst wenn entgegen dieser Auffassung des Senats die vorgemerkte Kindererziehungszeit von der Beklagten auch mit Wirkung für die Wartezeit festgestellt wäre, hätte die Klägerin einen Anspruch auf Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts hält der Senat eine Rücknahme des Vormerkungsbescheides vom 29.03.1990 nicht wegen Versäumung der Zweijahresfrist nach § 45 Abs. 3 SGB X für ausgeschlossen. Zwar handelt es sich bei dem Vormerkungsbescheid primär um einen begünstigenden Verwaltungsakt, dessen Rücknahme sich im Falle der Rechtswidrigkeit grundsätzlich nach § 45 SGB X richtet. Schon zum Zeitpunkt seines Erlasses war dieser Vormerkungsbescheid aber nicht nur günstig im Hinblick auf die Erfüllung der Wartezeit für eine spätere Rente. Schon damals enthielt der Vormerungsbescheid auch für die Klägerin ungünstige Elemente, weil schon damals durch diesen Bescheid - Verbindlichkeit für die Anrechnung hier unterstellt - die Möglichkeit einer Beitragserstattung nach § 210 SGB VI bzw. damals § 82 AVG a. F. entfiel. Diese für die Klägerin ungünstige Wirkung des Vormerkungsbescheides ergab sich unmittelbar zum Zeitpunkt seines Erlasses und nicht erst, wie das Sozialgericht ausgeführt hat, zum späteren Zeitpunkt des Antrags auf Beitragserstattung. Schon diese dem Vormerkungsbescheid von Anfang an anhaftende Doppelwirkung von günstigen und ungünstigen Rechtsfolgen gebietet es nach Auffassung des Senats, die Rücknahmemöglichkeit eines solchen Vormerkungsbescheides nicht nur nach § 45 SGB X im Hinblick auf den begünstigenden Teil zu beurteilen (vgl. dazu Schroeder- Printzen, SGB X, 3. Auflage 1996, Rdn. 6 zu § 44, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG).

Hinzu kommt, dass § 45 SGB X als Schutzvorschrift für die Betroffenen konzipiert ist. Nach Ablauf von zwei Jahren soll der Betroffene auf den Bestand eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich vertrauen dürfen. Zwar führt dies auch zu einer gewissen allgemeinen Rechtssicherheit, auf die das Sozialgericht hingewiesen hat. Primärer Zweck des § 45 SGB X ist je doch nach Auffassung des Senats der Vertrauensschutz der Betroffenen in die begünstigende Regelungen. Dieser Schutzzweck würde aber faktisch in sein Gegenteil verkehrt, wenn sich entgegen dem erklärten Willen der Betroffenen nunmehr Sozialleistungsträger auf die Zweijahresfrist gemäß § 45 Abs. 3 SGB X berufen könnten.

Im vorliegenden Fall, in dem der Vormerkungsbescheid vom 29.03.1990 wie dargelegt bereits von Anfang an sowohl für die Klägerin begünstigende als auch für sie ungünstige Rechtsfolgen hatte, steht der Ablauf der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 SGB X einer Rücknahme des Vormerkungsbescheides auf Antrag der Klägerin nicht entgegen. Wenn die Klägerin selbst auf den Schutz des § 45 SGB X hinsichtlich der sie begünstigenden Wirkungen des Vormerkungsbescheides verzichtet, hat der Senat keine Bedenken, eine Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Vormerkungsbescheides entsprechend § 44 SGB X anzunehmen (vgl. Schroeder- Printzen, a.a.O.). Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die die Klägerin belastenden Folgen des Vormerkungsbescheides eine unmittelbare Anwendung von § 44 SGB X möglich ist, oder ob nur eine analoge Anwendung in Betracht kommt. Eine Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X wäre allenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Vormerkungsbescheid auf Angaben beruht hätte, die die Klägerin vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hätte. Dies hatte die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren nicht feststellen können (vgl. Aktenvermerk Bl. 15 der Verwaltungsakten). Der wegen Verstoßes gegen § 28 a Abs. 4 AVG a. F. i.V.m. § 6 AVG a. F. rechtswidrige Vormerkungsbescheid vom 29.03.1990 ist daher entsprechend § 44 SGB X zurückzunehmen.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI erfüllt sind, weil die Kindererziehungszeit nicht auf die Wartezeit anzurechnen ist. Dies ergibt sich entweder aus § 149 Abs. 5 letzter Satz SGB VI, wonach durch die Vormerkung über die spätere Anrechnung der Kindererziehungszeit ohnehin noch nicht entschieden ist, oder daraus, dass der Vormerkungsbescheid entsprechend § 44 SGB X zurückzunehmen ist. Auf die Berufung der Klägerin war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts somit aufzuheben und die Beklagte gemäß § 210 Abs. 3 SGB VI zu verurteilen, der Klägerin die Beiträge in der Höhe zu erstatten, in der sie diese getragen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved