L 1 R 1563/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RA 5525/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 1563/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Zeit vom 01. September 1973 bis zum 30. Juni 1990 und Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Der 1950 geborene Kläger erwarb am 25. Juli 1973 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war beim volkseigenen Betrieb VEB Kombinat Elektro-Apparate-Werke E B im I, später "Zentrum für Forschung und Technologie" bis zu dessen Auflösung beschäftigt. Am 27. Juni 1990 wurde die Elektro-Apparate-Werke Berlin GmbH in das Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg als Rechtsnachfolgerin des VEB E B eingetragen und der Kläger setzte seine Tätigkeit dort zumindest bis 31. Dezember 1991 fort.

Das Kombinat (K VEB E B) war am 22. Juni 1990 durch die Eintragung der EAW-Automatisierung AG (HRB Amtsgericht Charlottenburg) erloschen.

Eine Versorgungszusage über Ansprüche auf Leistungen aus einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger bis zum 30. Juni 1990 nicht.

Auf den Antrag des Klägers auf Kontenklärung hin prüfte die Beklagte die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und lehnte dies mit Bescheid vom 17. Januar 2004 mit der Begründung ab, dass der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Betrieb, sondern in einem privatisierten Betrieb tätig gewesen sei und deshalb nicht zum Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten gehöre.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, Privatisierung sei kein Rechtsbegriff, auf den die Beklagte sich stützen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; es komme ausschließlich auf die amtliche Eintragung im Handelsregister und die Löschung im Register der volkseigenen Wirtschaft an.

Hiergegen hat sich die am 29. September 2004 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger vorgetragen hat, es sei nicht auf die Eintragung der GmbH abzustellen.

Die Beklagte ist dem unter Hinweis auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten und hat ergänzend vorgetragen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, aus der sich allein ein Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung in ein geschlossenes Zusatzversorgungssystem ergeben könne, komme es darauf an, ob am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen, also auch die Eintragung in das Register der volkseigenen Wirtschaft, vorgelegen hätten. Sie hat einen Auszug aus dem Handelsregister beim Amtsgerichts Charlottenburg zur E B GmbH beigebracht.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Betrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb, sondern in einer GmbH gearbeitet. Dies ergebe sich aus den beigezogenen Registerunterlagen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme es weder darauf an, aus welchen Gründen der Beschäftigungsbetrieb in die juristische Person einer GmbH umgewandelt worden, noch darauf, warum die Eintragung vor dem 30. Juni 1990 erfolgt sei.

Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Oktober 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich deren am 01. November 2006 eingelegte Berufung: Es liege keine ordnungsgemäße Eintragung der GmbH vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zugehörigkeit zur AVtI für die Zeit vom 01. September 1973 bis 30. Juni 1990 sowie die erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf den beigebrachten Gründungsbericht der Nachfolge GmbH.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündliche Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 17. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit vom 01. Juni 1973 bis zum 30. Juni 1990 unter Berücksichtigung der erzielten Arbeitsentgelte als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI feststellt, denn er hat eine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zur AVtI nicht erworben.

Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen sieht das Landessozialgericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 152 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).

Lediglich ergänzend sei auf Folgendes verwiesen:

Mit Beschluss zur Gründung der Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt) vom 01. März 1990 (GBl DDR I 1990, 107) - THA - B - (aufgehoben zum 01. Juli 1990 durch § 24 Abs. 2 und 3 Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens ([Treuhandgesetz] vom 17. Juni 1990, GBl DDR I 1990, 300) wurde zur Wahrung des Volkseigentums mit Wirkung vom 01. März 1990 die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums als Anstalt öffentlichen Rechts gegründet (Ziffer 1 Sätze 1 und 3 THA-B). Mit der Gründung übernahm die Treuhandanstalt die Treuhandschaft über das volkseigene Vermögen, das sich in Fondsinhaberschaft von Betrieben, Einrichtungen, Kombinaten sowie wirtschaftsleitenden Organen und sonstigen im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragenen Wirtschaftseinheiten befand (Ziffer 2 Satz 1 THA-B). Der Verantwortungsbereich der Anstalt umfasste nicht das volkseigene Vermögen, das sich in Rechtsträgerschaft der den Städten und Gemeinden unterstellten Betriebe und Einrichtungen befand sowie das volkseigene Vermögen der als Staatsunternehmen zu organisierenden Bereiche und durch LPG genutztes Volkseigentum (Ziffer 6 THA-B). Die Treuhandanstalt war berechtigt, juristische oder natürliche Personen zu beauftragen, als Gründer und Gesellschafter von Kapitalgesellschaften zu fungieren oder die sich aus den Beteiligungen ergebenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen (Ziffer 3 THA-B).

Die Umwandlung der volkseigenen Betriebe erfolgte aufgrund der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 01. März 1990 (GBl DDR I 1990, 107) - Umwandlungs-VO -, die für volkseigene Kombinate, Betriebe, juristisch selbständige Einrichtungen und wirtschaftsleitende Organe sowie sonstige, im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragene Wirtschaftseinheiten, nicht jedoch für das Staatsunternehmen Deutsche Post mit seiner Generaldirektion, die Eisenbahn, die Verwaltung der Wasserstraßen und die Verwaltung des öffentlichen Straßennetzes galt (§ 1 Abs. 1 und 2 Umwandlungs-VO). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Umwandlungs-VO waren Betriebe in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder in eine Aktiengesellschaft (AG) umzuwandeln. Die Geschäftsanteile bzw. Aktien der durch Umwandlung gebildeten Kapitalgesellschaft übernahm die Treuhandanstalt (§ 3 Abs. 1 Umwandlungs-VO). Nach § 3 Abs. 2 Umwandlungs-VO beauftragte die Treuhandanstalt entsprechend ihrem Statut juristische oder natürliche Personen als Gesellschafter zu fungieren bzw. die sich aus Beteiligungen ergebenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Umwandlungs-VO bedurfte es zur Umwandlung einer Umwandlungserklärung des umzuwandelnden Betriebes und der Treuhandanstalt als Übernehmender der Anteile, die notariell zu beurkunden waren (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Umwandlungs-VO). Nach § 4 Abs. 3 Umwandlungs-VO galt für die Gründung und Tätigkeit einer GmbH das GmbH-Gesetz, für die einer AG das Aktiengesetz. Nach § 6 Umwandlungs VO war die durch die Umwandlung entstandene Gesellschaft beim Staatlichen Vertragsgericht zur Eintragung in das Register anzumelden, welches nach Vorlage der beizufügenden Dokumente die Eintragung in das Register vornahm. Nach § 7 Umwandlungs VO wurde die Umwandlung mit der Eintragung der GmbH bzw. der AG in das Register wirksam. Mit der Eintragung wurde die GmbH bzw. AG Rechtsnachfolger des umgewandelten Betriebes. Der vor der Umwandlung bestehende Betrieb war damit erloschen. Das Erlöschen des Betriebes war von Amts wegen in das Register der volkseigenen Wirtschaft einzutragen.

§ 7 Umwandlungs-VO macht damit deutlich, dass mit der Eintragung in das Register der zuvor bestandene volkseigene Betrieb untergegangen und der neue Betrieb, die GmbH bzw. AG, kein volkseigener Betrieb mehr ist.

Nicht wesentlich ist, ausgehend von diesem neuen gesellschaftlichen Status bzw. dieser Gesellschaftsform, dass die Treuhandanstalt als Anstalt des öffentlichen Rechts die Treuhandschaft über das nach wie vor vorhandene volkseigene Vermögen inne hatte und zum Verkauf von Gesellschaftsanteilen bzw. Aktien (so genannte Privatisierung) nach § 10 Satz 1 Umwandlungs-VO nur befugt war, sofern das durch Gesetz geregelt war.

Der VEB E war am 27. Juni 1990 durch Umwandlung in die E-Werke B GmbH gelöscht worden (HRB Amtsgericht Charlottenburg).

Selbst wenn der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu den Umständen der Eintragung als richtig unterstellt wird, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Denn eine unter Umständen unter Verstoß gegen formelle Regeln vorgenommene Eintragung macht diese nicht unwirksam und erst recht nicht nichtig, sondern führt allenfalls zur Notwendigkeit der ergänzenden Berichtigung insoweit.

Denn der öffentliche Glaube der Handelsregister wäre andernfalls nicht mehr gegeben; er aber ist gerade Sinn und Zweck der öffentlichen Register.

Nach dem Normzweck des § 15 Handelsgesetzbuch (HGB) genießt das Handelsregister öffentlichen Glauben und die positive Publizität des § 15 Abs. 3 HGB (vgl. hierzu Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 32. Auflage, Rdnrn. 1, 16 23) bewirkt, dass sich der Dritte hier die Beklagte auf die Eintragung selbst dann berufen konnte, wenn sie unrichtig wäre. Bei der Eintragung einer AG oder GmbH kommt hinzu, dass dadurch nicht lediglich ihre Entstehung bezeugt wird; vielmehr entsteht die Kapitalgesellschaft überhaupt erst mit der Eintragung (§ 41 Abs. 1 Aktiengesetz, § 11 Abs. 1 GmbH Gesetz; Baumbach/Hopt, a. a. O., § 8 Rdnr. 11).

Eine weitergehende verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also von bundesdeutschem Recht, ist nicht geboten. Ein Wertungswiderspruch entsteht nicht dadurch, dass für den Kläger keine Zeiten der Zugehörigkeit zur AVtI festgestellt werden, denn er hatte nie eine Rechtsposition inne, die mit der der beiden oben genannten Personengruppen vergleichbar war. Das Verbot der Neueinbeziehung würde unterlaufen, wenn § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, ohne dass dies von Verfassungswegen geboten ist, erweiternd ausgelegt würde (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R).

Die so genannte "Stichtagsregelung", nach der eine nachträgliche Einbeziehung in die AVtl nur erfolgen kann, wenn am 30. Juni 1990 (noch) eine Tätigkeit in einem VEB ausgeübt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 26. Oktober 2005 (1 BvR 1921/04, 1 BvR 2002/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05) als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen.

Die Berufung des Klägers muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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