L 11 KR 3987/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 2545/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3987/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für die Präparate Coenzym Q 10, Thiamin, Riboflavin, Sukzinat, Ascorbinsäure, Alphaliponsäure, Pyridostigminbromid, Carnitin und Creatin in Höhe von 7.509,83 EUR bzw. die weitere Kostenübernahme für die Zukunft streitig.

Die 1961 geborene Klägerin, die seit 27.07.2000 Erwerbsminderungsrente bezieht, ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet u.a. an Impuls-Petit mal sowie einer langsam zunehmenden, proximal betonten Muskelschwäche bei mässiggradig ataktischen Koordinationsstörungen, Reflexverlust des ASR im Sinne einer Polyneuropathie und biochemisch verminderten Aktivitäten der Enzymkomplexe I und IV im Muskelgewebe.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin R. verordnete ihr deswegen am 16.08.2001 Q 10 Coenzym und Vitamine N3. Handschriftlich hinzugefügt sind Alphaliponsäure, Kreatin, Vitamin B2 und L-Carnitin. Erstmalig am 30.11.2001 bezog sie Coenzym Q 10 (vgl. zur Kostenaufstellung Bl. 33 ff. der LSG-Akte), ab September 2002 Riboflavin und Creatin, ab Dezember 2002 L-Carnitin und ab Juni 2005 Alphaliponsäure, wodurch ihr bis einschließlich 2007 Kosten in Höhe von 7.509.83 EUR entstanden. Die Mittel bezog sie mit Ausnahme der Alphaliponsäure und des L-Carnitin über die I. H. GmbH.

Am 09.10.2001 beantragte sie zunächst telefonisch, dann am 12.10.2001 schriftlich die Kostenübernahme für eine Untersuchung von Muskelgewebe und dessen Transport sowie die Behandlung mit Coenzym Q 10, Thiamin, Riboflavin, Sukzinat, Ascorbinsäure, Alphaliponsäure, Pyridostigminbromid, Carnitin und Creatin. Sie führte aus, bei ihr müsse zunächst eine gentechnisch bzw. molekulargenetische Untersuchung aus einer Muskelbiopsie durchgeführt werden. Da bisher keine eindeutig gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Therapie bestünden, sei sie auch mit einer Kostenübernahme nur für ein Jahr einverstanden. Nach diesem Zeitraum könne die Wirksamkeit wahrscheinlich eher beurteilt werden. Ihrem Kostenantrag beigefügt waren Befundberichte, u.a. Prof. Dr. G., Universitätsklinikum K. (am ehesten Vorliegen einer Mitochondrialen Myopathie, außerdem Verdacht auf das MERRF-Syndrom), Schmerzklinik K. (generalisierte, proximal betonte Muskel- und Gelenkschmerzen bei hochgradigem Verdacht auf eine mitochondriale Myopathie DD: MERRF-Syndrom), sowie Prof. Dr. S., C. G. (MERRF-Syndrom DD: mitochondriale Myopathie).

Die Beklagte informierte die Klägerin ausweislich des Telefonvermerks vom 09.10.2001 dahingehend, dass die Kostenübernahme von Vitaminpräparaten auf Krankenkassenkosten nicht möglich sei, sie solle ärztliche Atteste vorlegen, dann werde eine Vorlage beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erfolgen. Nach Eingang des schriftlichen Antrags veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den MDK. Dr. E. führte in seinem Gutachten nach Aktenlage aus, bei der Klägerin müsse zunächst eine genetische Untersuchung aus noch vorhandenem Muskelbiogtat durchgeführt werden. Die Konsequenzen aus dieser Diagnostik bestünden überwiegend in der genetischen Beratung. Eine spezifische Therapie der Störung sei derzeit noch nicht möglich, man müsse sich hauptsächlich auf symptomatische Maßnahmen beschränken. Eingesetzt würden diverse Vitamine, Nahrungsmittelergänzungen wie Coenzym Q 10 und Creatin sowie das anscheinend im Ausland für andere Indikationen zugelassene Präparat Idebenon. Für keine dieser Substanzen sei bislang in kontrollierten Studien eine sichere Wirksamkeit nachgewiesen. Eine solche Therapie stelle bestenfalls ein unreines Placebo zur Patientenführung dar.

Die Beklagte unterrichtete die Klägerin telefonisch am 30.11.2001 darüber, dass die Kosten für die Untersuchung des Muskelgewebes sowie der Transport übernommen würden. Mit Bescheid vom 12.02.2002 lehnte sie den Antrag auf Kostenübernahme von Coenzym Q 10 mit der Begründung ab, laut den geltenden Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen dürften Vitaminpräparate nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe nicht nur die Kostenübernahme für die Behandlung mit Coenzym Q 10, sondern auch für die anderen Medikamente beantragt. Ihre Erkrankung sei so selten, dass keine ausreichend umfangreichen Studien durchgeführt werden könnten. Dementsprechend könne bei keinem Medikament - auch nicht bei rezeptpflichtigen Substanzen - die ausreichende Wirksamkeit mit statistischer Sicherheit belegt werden. Folge hieraus wäre dann allerdings, dass ihre Krankheit auch nie behandelt werden könne. Ihr seien die Medikamente/Vitaminpräparate deswegen empfohlen worden, da es keine anderen Therapiemöglichkeiten gäbe und dies gängiger Therapiestandard wäre. In Anbetracht der Schwere ihrer Erkrankung und den nicht vorhandenen Behandlungsalternativen spreche zudem das Wirtschaftlichkeitsgebot für die Kostenübernahme.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung durch den MDK. Dr. S.-N. führte aus, die Klägerin müsse davon in Kenntnis gesetzt werden, dass die Versorgung mit Arzneimitteln zu Lasten der Krankenkasse allein ihrem behandelnden Vertragsarzt obliege, dem im System die Therapiehoheit zugewiesen wäre. Es verbliebe damit nur zu untersuchen, welche der gewünschten, aufgelisteten Substanzen nach geltender Rechtslage auf Kassenrezept verordnungsfähig wären. Für keine der beantragten Substanzen sei in kontrollierten Studien eine Wirksamkeit nachgewiesen. Coenzym Q 10 und Creatin seien keine zugelassenen Arzneimittel, den Nahrungsergänzungsmitteln zuzuordnen und als solche nicht verordnungsfähig. Thiamin, Riboflavin und Ascorbinsäure seien Vitamine (B1, B2, C), von denen es jedenfalls zugelassene Arzneimittel gäbe. Nach den Arzneimittelrichtlinien müsse der erwünschte therapeutische Erfolg sich nicht mit diätetischen Mitteln erreichen lassen. Hier seien die Richtlinien unpräzise und eröffneten die Möglichkeit von Ausnahmetatbeständen. Pyrodostigmin (Mestinon) sei als Arzneimittel zugelassen, u.a. für die Behandlung von Darmatonie, Harnverhaltung, Myasthenie etc ... Das Mittel könne bei der Klägerin durchaus symptomatisch gezielt eingesetzt werden. Dies müsse aber nicht die Klägerin selbst, sondern ihr behandelnder Arzt indizieren und dann auf Kassenrezept verordnen. Alphaliponsäure sei für die symptomatische diabetische Polyneuropathie als Arzneimittel zugelassen (Altzulassung ohne Wirksamkeitsnachweis). Da es sich bei einer Langzeittherapie um ein nicht ganz billiges Präparat handele, wäre schon ein Wirksamkeitsnachweis erforderlich. Carnitin (Biocarn) sei als Arzneimittel zugelassen zur Behandlung von Muskeldystrophie vom Typ Duchenne. Sollte bei der Klägerin ein nachweisbarer Carnitinmangel bestehen, wäre eine Substitution plausibel und sinnvoll. Bei Sukzinat sei nicht eindeutig identifizierbar, welches Arzneimittel bzw. welche Substanz gemeint sei. Zusammenfassend könne also festgestellt werden, dass bis auf das Mestinon bei entsprechender Symptomatik es für alle anderen benannten Substanzen keine Rechtsgrundlage gebe, diese zu Lasten der GKG zu verordnen. Eine andere Frage sei natürlich, inwieweit eine etwa erfolgende Kassenrezeptverordnung toleriert werden könne, solange es sich nicht um hochpreisige Arzneimittel handle.

Mit weiterem Bescheid vom 28.06.2002 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme mit der Begründung ab, bei der Klägerin liege zwar eine neurologische Erkrankung mit progredienten Muskelschmerzen vor, so dass vom MERRF-Syndrom ausgegangen werden müsse. Es fehle aber an der erforderlichen ärztlichen Verordnung oder Stellungnahme zu den Präparaten. Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kenne keine Selbstmedikation und nach den gesetzlichen Vorgaben sei die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse unzulässig. Der Vertragsarzt habe die Therapiefreiheit. Er sei verpflichtet, im Rahmen seiner fachlichen Kompetenz zu entscheiden, ob ein Arzneimittel unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Einzelfall indiziert sei. Stimme die Voraussetzung und werde das Präparat zulassungskonform eingesetzt, so sei eine vertragsärztliche Verordnung auszustellen. Da eine Verordnung in jedem Falle richtgrößenrelevant sei, müsse sich der behandelnde Arzt auch den Prüfmechanismen der vertragsärztlichen Selbstverwaltung stellen, ohne Nachteile befürchten zu müssen, wenn die Indikationsstellung wohlbegründet sei. Es werde der Klägerin empfohlen, die Frage der Verordnungsfähigkeit der beantragten Präparate unter Vorlage dieses Schreibens mit dem Behandler abzusprechen und mitzuteilen, ob und ggfs. in welchem Umfang sie den Widerspruch aufrecht erhalten wolle.

Hierauf hielt die Klägerin ihren Widerspruch aufrecht und wies darauf hin, dass sie eine Therapieempfehlung der behandelnden Ärzte vorgelegt habe, somit liege eine ärztliche Stellungnahme vor. Auch könne sie über die bisherige positive Wirkung der Medikamente berichten, die immerhin dazu geführt hätten, dass sie inzwischen auf die Beantragung von Leistungen aus der Pflegeversicherung verzichtet habe. Sie legte hierzu ein Attest des Stoffwechselzentrums M.-S. vor, wonach bei der Klägerin eine Mitochondriopathie vorliege, die durch einen in einer Muskelbiopsie biochemisch gesicherten Atmungskettendefekt bedingt sei. Bei der Mitochondriopathie sei bisher keine kausale Therapie bekannt. Allerdings werde seit mehreren Jahren eine supportive Therapie mit hochdosierten Cofaktoren durchgeführt. Diese Therapieempfehlung beruhe zum Teil auf deutlichen klinischen Verbesserungen in Einzelfällen. Allerdings lägen aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen und der genetischen Heterogenität keine Studien an größeren Fallzahlen vor und würden vermutlich auch nicht in absehbarer Zeit vorliegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, nicht zugelassene Arzneimittel bzw. nicht als Arzneimittel anerkannte Präparate könnten nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden. Die im Rahmen der MERFF-Therapie beantragten Präparate seien mehrheitlich nicht als Arzneimittel anzusehen, vielmehr handle es sich um Vitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel, die nicht verordnungsfähig seien. Soweit es sich um zugelassene Arzneimittel handle, falle die Verordnung in die Verantwortung des Vertragsarztes. Auch eine Kostenübernahme unter Berücksichtigung des BSG-Urteils vom 19.03.2002 (B 1 KR 37/00 R) sei nicht möglich. Die Voraussetzungen eines Off-Label-Uses seien bei der Klägerin nicht erfüllt.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, sie leide neben anderen Krankheiten an einer mitochondrialen Enzepalomyopathie vom juvenil-adulten Typ (MERRF-Syndrom). Eine kausale Behandlung dieser Erkrankung sei nicht absehbar, wohl eine symptomatische. Auf Veranlassung der sie behandelnden Ärzte habe sie daher die Kostenübernahme für die streitigen Präparate beantragt, die in medizinischen Fachkreisen zur Therapierung des MERRF-Syndroms anerkannt wären.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das Gericht die Klägerin zweimalig begutachten lassen.

Prof. Dr. W., Oberarzt der Abteilung Pädiatrie II, Schwerpunkt Neuropädiatrie der Universitäts-Kinderklinik der G.-A.-Universität G., führte in seinem Gutachten aus, die klinische Präsentation des Krankheitsverlaufs entspreche nicht einem typischen MERRF-Syndrom. Die auswärts gestellte Diagnose beruhe nur auf dem morphologischen Befund einer Muskelbiopsie, die andere stütze die Diagnose nicht. Ihr Beschwerdebild zeige keine pathognomischen Zeichen einer Mitochondriopathie. Er erachte daher insgesamt gesehen das Vorhandensein eines MERFF-Syndroms für eher unwahrscheinlich, ausgeschlossen sei es aber nicht. Bei den von der Klägerin genommenen Substanzen sei in keinem Fall ein positiver Effekt garantiert. Die wenigen Studien an Patientengruppen ergäben oft konträre Ergebnisse und seien wegen methodischer Unterschiede kaum vergleichbar. Dennoch seien sie bei nachgewiesener Mitochondriopathie indiziert, zumal viele dieser Erkrankungen progredient verliefen, zu erheblicher Einbuße von Lebensqualität, zu Berufsunfähigkeit, Hilfs- und Pflegebedürftigkeit und frühem Tod führten. Deswegen seien die meisten Zentren, die besondere Erfahrung in der Betreuung von Patienten mit Mitochondriopathie hätten, weltweit dazu übergegangen, eine Kombinationstherapie durchzuführen. Welche der aufgeführten Substanzen sinnvollerweise kombiniert werden sollten, werde von Zentrum zu Zentrum unterschiedlich sein.

Ergänzend führte der Gutachter aus, die typischen Symptome und Zeichen wie Schwerhörigkeit, Optikusatrophie, pyramidale Störungen, Kleinwuchs und diabetische Stoffwechsellage lägen bei der Klägerin nicht vor. Insbesondere fehlten auch Zeichen eines prozesshaften dementiellen Abbaus. Einzig eine neurophysiologisch nachgewiesene Polyneuropathie und die ataktische Koordinationsstörung seien mit dem MERRF-Syndrom vereinbar, aber auch sehr uncharakteristisch. Laborchemisch gäbe es bei der Klägerin keine die Diagnose eines MERRF-Syndroms oder allgemein einer Mitochondriopathie stützenden Befunde. Die Diagnose eines MERRF beruhe bei der Klägerin ausschließlich auf dem morphologischen Befund einer von zwei Muskelbiopsien (die andere Muskelbiopsie unterstütze die Diagnose nicht) und auf dem biochemischen Befund aus einer Muskelbiopsie. Das klinische Bild sei sehr ungewöhnlich. Eine Absicherung durch eine erweiterte DNA-Analyse und ggfs. eine dritte Muskelbiopsie sei daher medizinisch sinnvoll.

Der Facharzt für Labormedizin Dr. G. führte in seinem Gutachten, das er allein nach Aktenlage erstattete, aus, Familienanamnese, Klinik, Biochemie und Histologie sprächen eindeutig für das Vorliegen einer mitochondrialen Erkrankung, die sich am ehesten einem MERRF-Syndrom zuordnen ließe. Der Klägerin fehle es indessen an einem Nachweis einer MERRF-Mutation, trotzdem leide sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an einer mitochondrialen Myopathie. Es müsse von einem progredienten Verlauf der Muskelschwäche ausgegangen werden. Eine akute Lebensbedrohung bestehe derzeit wohl nicht. Patienten profitierten eindeutig von einer Therapie mit Q 10. Sinnvoll sei die wissenschaftliche Begleitung des Therapieversuchs mit Coenzym Q 10 durch einen erfahrenen Neurologen.

Mit Urteil vom 26.06.2007, der klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 16.07.2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, es fehle an einer überzeugenden Zuordnung des Beschwerdebildes zu einem Krankheitsbegriff im Sinne einer Diagnose. Dies ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. W. und dessen ergänzender Stellungnahme. Die streitgegenständlichen Substanzen seien zwar bei einer nachgewiesenen Mitochondriopathie indiziert, dass die Klägerin an einer solchen Krankheit leide, sei aber nicht nachgewiesen. Dr. G. habe, obwohl er ausdrücklich darauf hingewiesen worden wäre, dass eine Komplettierung der molekulargenetischen Diagnostik des beim Institut für Klinische Chemie Krankenhaus M.-S. noch vorhandenen Materials vorgenommen werden solle, dies nicht für erforderlich erachtet und mit einem nicht zu rechtfertigenden Aufwand abgelehnt. Damit sei ein Nachweis, dass trotz fehlender Nervenmutation eine mitochondriale Myopathie vorliege, nicht erbracht. Das Gutachten von Dr. G. sei auch nicht geeignet, die Aussagen von Prof. Dr. W. in Zweifel zu ziehen. Dr. G. habe die Klägerin weder persönlich untersucht noch eigene Untersuchungen vorgenommen, sich lediglich auf vorhandene Befunde gestützt und sich mit diesen nicht kritisch auseinandergesetzt, insbesondere nicht mit dem Gutachten von Prof. Dr. W ... Etwas anderes ergäbe sich auch aus den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Berichten, die ebenfalls überwiegend nur den Verdacht auf ein MERFF-Syndrom äußerten. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nach Vorlage des umfassenden Gutachtens von Prof. Dr. W. nicht erforderlich. Die Frage, ob eine Kostenübernahme als solche überhaupt zulässig sei, könne damit dahingestellt bleiben.

Mit ihrer dagegen am 15.08.2007 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, das Gericht habe selbst Zweifel an dem Gutachten von Prof. Dr. W. gehabt, deswegen einen zweiten Gutachtensauftrag erteilt. Die sich stellenden Fragen habe Dr. G. beantwortet. Er habe seine Diagnose auf das zusätzliche Vorliegen eines kombinierten Defekts der Atmungskettenkomplexe 1 und 4 gestützt. Eine erneute Untersuchung der Klägerin sei nicht erforderlich gewesen, da Familienanamnese, Klinik, Biochemie und Histologie bereits ausführlich erhoben worden wären. Der Zweitgutachter habe sich allein deswegen nicht mit dem Vorgutachten von Prof. Dr. W: auseinandergesetzt, weil ihm diese Aufgabe nicht gestellt worden wäre. Im April 2005 sei es einmal zu Lieferschwierigkeiten von Coenzym Q 10 gekommen, ihr Gesundheitszustand habe sich drastisch verschlechtert, so dass sie es nicht noch einmal wagen würde, auf die Einnahme des Mittels zu verzichten. Sie befinde sich in der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Notstandsituation und einer Ausnahmelage. Erschwerend käme hinzu, dass sie an erheblichen Schmerzen vor allem an Armen und Beinen, dem Rücken und Brustkorb leide, lediglich die Gesichtsmuskeln seien bislang noch nicht befallen. Sie leide auch unter ganz massiven Sehstörungen, auf dem rechten Auge weise sie nur noch ein Sehvermögen von 5 % auf, sei also nahezu erblindet, das linke Auge sehe 63 bis 70 %. Sie habe auch vor Einnahme der Medikamente die Beklagte mit ihrem Begehren auf Kostenübernahme vorab befasst. Allein dies sei bei nichtverschreibungspflichtigen Medikamenten erforderlich. Die Klägerin hat das Privatrezept von Allgemeinmediziner R:, eine Kostenaufstellung der selbstgezahlten Medikamente sowie die Rechnungen vorgelegt.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juni 2007 sowie die Bescheide vom 12. Februar 2002 und 28. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Präparate Coenzym Q 10, Thiamin, Riboflavin, Sukzinat, Ascorbinsäure, Alphaliponsäure, Pyridostigminbromid, Carnitin und Creatin zu erstatten und auch in Zukunft zu übernehmen, hilfsweise ein Obergutachten zum Beweis der Tatsache, dass sie an einer mitochondrialen Erkrankung leidet, die ohne die Gabe der benannten Substanzen letal verlaufen würde, einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass ihr ärztliche Verordnungen nicht vorlägen. Eine Kostenübernahmeverpflichtung läge bei der Klägerin schon deswegen nicht vor, weil die im Streit stehenden Präparate von der nach § 34 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erlassenen Richtlinie bei ihrer Indikation nicht erfasst gewesen wären.

Der Sachverhalt wurde mit den Beteiligten am 18.12.2007 erörtert.

Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft, da die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme in der Zukunft der in Kombinationstherapie genommenen Präparate.

Da sich die Klägerin die streitigen Präparate selbst beschafft hat, ist einzig denkbare Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach die Kosten zu erstatten sind, die für vom Versicherten selbst beschaffte notwendige Leistungen dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat. In § 13 Abs. 1 SGB V ist ausgesprochen, dass der Anspruch auf Kostenerstattung an die Stelle des Anspruchs auf die Sachleistung tritt. Ein entsprechender Sachleistungsanspruch der Klägerin kann aber grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Arzneimittel auf Rezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt. Denn der gesetzliche Anspruch auf Dienst- oder Sachleistungen zur Krankenbehandlung setzt - außer in Notfällen - voraus, dass ein an der kassenärztlichen (vertragsärztlichen) Versorgung teilnehmender Arzt pflichtgemäß den Eintritt des Versicherungsfalls durch Diagnose einer Krankheit feststellt und eine nach Zweck oder Art bestimmte Leistung verordnet (BSG, Urteil vom 16.12.1993, 4 RK 5/92, SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 4). § 31 SGB V begründet keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf "Versorgung" schlechthin mit irgendwelchen Arzneimitteln, sondern ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte. Der Versicherte kann ein bestimmtes Mittel erst beanspruchen, wenn es ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (so bereits BSG, Urteil vom 19.11.1996, 1 RK 15/96, SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 13). Die Kosten für selbstbeschaffte Arzneimittel, die nicht ärztlich verordnet sind, sind deswegen grundsätzlich nicht zu erstatten.

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V liegen bei der Klägerin nicht vor, denn die von ihr selbstbeschafften Arzneimittel wurden nicht ärztlich verordnet. Dass die sie behandelnden Ärzte eine solche Therapie befürworten, reicht nicht aus. Hiervon wurde die Klägerin von der Beklagten bereits mit dem Bescheid vom 28.06.2002 unterrichtet. Die Klägerin hat zwar auf Aufforderung des Senats eine ärztliche Verordnung vom 16.08.2001 vorgelegt, diese liegt aber weit vor ihrem Leistungsantrag und ist auch nur beschränkt auf Q 10 Coenzym und Vitamine N3 (die weiteren Präparate, die die Klägerin damals gar nicht eingenommen hatte, wurden nur handschriftlich hinzugefügt). Diese ärztliche Verordnung hat sie auch der Beklagten nicht vorgelegt. Für den gesamten streitigen Zeitraum fehlt es an jeglicher ärztlicher Verordnung. Darauf kann, auch wenn es sich weitestgehend um im Grundsatz nicht verschreibungspflichtige Präparate nach § 34 SGB V handelt, nicht verzichtet werden. Denn auch diese Arzneimittel können nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen ausnahmsweise verordnet werden, wenn sie als Therapiestandart gelten. Das gilt vorliegend um so mehr, als, wie Dr. S.-N. im MDK-Gutachten ausgeführt hat, bei Fehlen einer entsprechenden Therapiealternative eine Kassenrezeptverordnung hätte toleriert werden können. Die gesetzliche Krankenversicherung kann aber nicht für eine Selbstmedikation des Versicherten in Kostenerstattung treten.

Des weiteren steht der Kostenerstattung entgegen, dass der Klägerin die Kosten nicht dadurch entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat; es fehlt mithin an der erforderlichen Kausalität der Leistungsablehnung (BSG, Urteil vom 18.1.1996, SozR 3-2500 § 13 Nr. 10). Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Kostenaufstellung hat sie die Behandlung bereits im November 2001 aufgenommen. Sie hatte zwar am 09.10.2001 telefonisch Kontakt mit der Beklagten genommen, allerdings wurde anlässlich dieses Telefonats vereinbart, dass die Klägerin Atteste vorlegen soll und dann eine Vorlage beim MDK erfolgen wird. Die Klägerin konnte also bei Behandlungsbeginn nicht davon ausgehen, dass ihr Leistungsantrag bereits abschlägig beschieden war, sondern die Beklagte erst nach Einschaltung des MDK über den Antrag auf Kostenübernahme entscheiden wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (bestätigt auch für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel, BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R) kommt eine Kostenerstattung aber nur dann in Betracht, wenn die Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung über den Leistungsantrag entschieden hat. Der Versicherte muss daher vor einer Beschaffung des Arzneimittels der Krankenkasse die Möglichkeit einer Prüfung gegeben haben. Diese abschließende Prüfung ist vorliegend erst nach Einschaltung des MDK, der sich mit den von der Klägerin eingereichten Befunden befassen konnte, erfolgt und nicht bereits durch den Telefonkontakt. Die Klägerin hat daher auch das weitere formale Erfordernis der Entscheidung der Beklagten vor Leistungsbeschaffung nicht beachtet, so dass eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V auch aus diesem formalen Grund zwingend ausscheidet.

Des weiteren steht der Kostenerstattung entgegen, dass es sich größtenteils nicht um apothekenpflichtige Mittel im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt. Die Klägerin hat diese mit Ausnahme von Alphaliponsäure und L-Carnitin über die I.-H. GmbH oder L. bezogen, d.h. die Arzneimittel sind in Drogerien und nicht nur in Apotheken erhältlich.

Schließlich kann in Auswertung der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme nicht gesichert festgestellt werden, dass es sich um eine indizierte Behandlung gehandelt hat. Dass die Klägerin an einer mitochondrialen Myopathie bzw. einem MERRF-Syndrom leidet und dieses dann symptomatisch mit den streitigen Substanzen behandelt werden kann, hat das SG in Auswertung des Gutachtens von Prof. Dr. W. ausführlich begründet verneint. Diesen Ausführungen ist ebenso nichts hinzuzufügen wie dem Umstand, dass das Sachverständigengutachten von Dr. G. nicht das Gegenteil beweisen konnte. Der Senat schließt sich den Darlegungen des SG nach § 153 Abs. 2 SGG an und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Im Hinblick darauf, dass es bereits an den formalen Voraussetzungen für eine Kostenerstattung fehlt und es nicht Aufgabe der Gerichte ist, nicht schlüssige Gutachten durch weitere Nachfragen schlüssig zu machen oder Krankheitsbilder im Sinne eines Obergutachtens aufzuklären, hat der Senat von der beantragten Sachaufklärung Abstand genommen.

Die Berufung war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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