Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 11 RA 42/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 RA 12/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. März 2001 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 02.02.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.1998 verurteilt, die Zeit vom 12.04.1968 bis 30.04.1969 der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 des Wirtschaftsbereichs 6 der Anlage 14 zum SGB VI zuzuordnen. Die außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Beitrags- oder als Ausbildungszeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzuerkennen ist.
Der 1942 in Polen geborene Kläger absolvierte nach der Schulausbildung vom 01. September 1956 bis Mai 1961 erfolgreich eine Berufsausbildung im Technikum in Königshütte in der Fachrichtung "Technologie der Schweißkonstruktionen". Von Oktober 1961 bis März 1968 studierte er an der Technischen Hochschule in Tschenstochau Maschinenbau und legte dort am 26. März 1968 erfolgreich die Prüfung zum Diplom-Ingenieur Maschinenbau ab. Von April 1968 bis September 1984 war er bei dem Betrieb für technische Anlagen "ZGODA" in Polen beschäftigt. Am 12. September 1984 kam er ins Bundesgebiet. Hier ist er seit April 1986 wiederum versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 02. Februar 1998 erteilte die Beklagte dem Kläger gemäß § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) einen Vormerkungsbescheid und stellte in dem in der Anlage beigefügten Versicherungsverlauf die Zeiten bis zum 31. Dezember 1991 verbindlich fest. U.a. berücksichtigte sie die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Zeit der Berufsausbildung. Die Zeit vom 01. Mai 1969 bis 11. September 1984 stufte sie in die Qualifikationsgruppe 1 nach der Anlage 13 des Wirtschaftsbereichs 06 der Anlage 14 zum SGB VI ein. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 sei keine Zeit der Berufsausbildung, sondern eine Beitrags- und Beschäftigungszeit, die gleichfalls der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen sei. Auch in dieser Zeit habe er selbständig und eigenverantwortlich betriebliche Aufgaben als Diplom-Ingenieur erledigt. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. In Polen hätten Berufsanfänger zwischen 1958 und 1975 regelmäßig einen Vorbereitungsdienst absolvieren müssen, dessen Dauer zwischen 6 und 18 Monaten gelegen habe. Diese Zeiten seien als Lehrzeiten zu behandeln, auch wenn die eigentliche Ausbildung bereits erfolgreich abgeschlossen gewesen sei (Widerspruchsbescheid vom 07. April 1998).
Im Klageverfahren hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe sich bereits zu Beginn seiner Tätigkeit nach Abschluss des Studiums in einem regulären Beschäftigungsverhältnis in Polen befunden. Allerdings sei eine Probezeit vereinbart worden, wie es auch in der Bundesrepublik durchaus üblich sei. Er hat eine Bescheinigung des Betriebes für technische Einrichtungen "ZGODA" vom 15. Januar 1999 vorgelegt, wonach er in der Zeit vom 12. April 1968 bis 31. Oktober 1971 als Technologe beschäftigt gewesen ist. Hieraus sei ersichtlich, dass es sich von Beginn an um ein "normales" Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Ferner hat er eine Erklärung des früheren Leiters der Technologischen Abteilung bei seinem früheren Arbeitgeber Ing. J ... R ... vom 12. Juli 1999 vorgelegt. Darin heißt es, dass der Kläger nach mehrtägiger Einführung in die Arbeitsorganisation des Büros in seine Arbeit eingewiesen worden sei und den Posten des Technologen der Schweißkonstruktionen als einen selbständigen Arbeitsplatz übernommen habe.
Er hat im ersten Rechtszug beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. April 1998 zu verurteilen, die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Beitragszeit im Sinne des § 22 Abs. 1 FRG in die Qualifikationsgruppe 1 der Anlage zum FRG einzustufen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, die streitige Zeit zu Recht als Zeit der Berufsausbildung berücksichtigt zu haben, da der Kläger während dieser Zeit eine Probezeit absolviert habe. Die Verpflichtung zur Ableistung des in Polen 1958 eingeführten Vorbereitungspraktikums habe nicht nur für alle Jugendlichen gegolten, die eine berufliche Qualifikation in einer Schule, in einer betrieblichen Lehre oder Ausbildungsanstalt erworben hatten, sondern auch für alle Arbeitnehmer, unabhängig von ihrem Alter, die zum ersten Mal eine Beschäftigung in einem Beruf aufgenommen haben, für den sie ausgebildet worden sind. Vorbereitungspraktika seien grundsätzlich auch von allen Akademikern abzuleisten gewesen. Sie hat auf die Verordnung Nr. 364 des Ministerrats vom 26. September 1958 über die Beschäftigung von Jugendlichen in Betrieben zur Berufsausbildung, zur Anlernausbildung für eine bestimmte Arbeit und zur Ableistung des Vorbereitungspraktikums Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 24. Mai 1999 eingeholt, in der dieser mitgeteilt hat, dass in der Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 ein Arbeitsvertrag mit dem Kläger über die Abhaltung eines Antrittsarbeitspraktikums abgeschlossen worden sei. Dies sei ein Vertrag über eine Probezeit gewesen. Solche Verträge seien mit allen Schulabsolventen geschlossen worden. Am Ende der Zeit sei der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters, nachdem er die entsprechende Prüfung bestanden und eine positive Beurteilung der Probezeit erhalten habe, mit erhöhtem Lohnsatz auf unbefristete Zeit verlängert worden.
Mit Urteil vom 23. März 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die streitige Zeit sei als Zeit der beruflichen Ausbildung zu bewerten. Zwar sei der Kläger weder als Lehrling noch als Anlernling tätig gewesen. Die streitige Zeit sei jedoch als Praktikantenzeit anzusehen, da davon auszugehen sei, dass im ersten Jahr der beruflichen Tätigkeit das Sammeln praktischer Erfahrung im Vordergrund gestanden habe. Dementsprechend sei das erste Jahr der Beschäftigung als Probezeit betrachtet worden. Umstreitig sei auch, dass der Kläger in diesem ersten Jahr ein geringeres Gehalt bezogen habe als in den folgenden Jahren. Erst nach Ableistung dieser Probezeit sei der Arbeitsvertrag umgestaltet und mit erhöhtem Lohnsatz auf unbefristete Zeit verlängert worden.
Im Berufungsverfahren wendet der Kläger hiergegen ein, die durchlaufene Probezeit könne mit einer Praktikantenzeit nicht gleichgesetzt werden. Auch in Deutschland seien Probezeiten üblich, wobei ein Arbeitnehmer in der Probezeit seine Praktikanten- und Ausbildungszeit bereits abgeschlossen habe. Auch sei es üblich, dass ein Arbeitnehmer während der Probezeit weniger verdiene als in der Zeit nach der Bewährung. Jedenfalls habe er bereits von 1968 an wie jeder andere Arbeitsvorbereiter seine Arbeit verrichtet.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. März 2001 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine weitere Auskunft des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 01. Oktober 2001 eingeholt. Darin teilt er mit, dass die Beschäftigung von Hochschulabsolventen in Polen durch das Gesetz vom 20. Juli 1958 über die Berufsausbildung, Anlernen für bestimmte Tätigkeiten und Bedingungen für die Beschäftigung von Jugendlichen in Arbeitsbetrieben sowie über die Anfangszeit im Arbeitsverhältnis (Nr. 45), den Beschluss des Ministerrates vom 13. Juni 1958 über die Anfangszeit im Arbeitsverhältnis von Hochschulabsolventen (Nr. 47) und das Gesetz vom 25. Februar 1964 über die Beschäftigung von Hochschulabsolventen (Nr. 8) geregelt gewesen sei. Hochschulabsolventen seien bei der Aufnahme der ersten Berufstätigkeit im erlernten Beruf nach Abschluss der Hochschule dazu verpflichtet gewesen, eine Anfangszeit im Arbeitsverhältnis in einem zum Erwerb einer vollständigen praktischen Vorbereitung auf die Tätigkeit im Arbeitsbetrieb erforderlichen Umfang abzuleisten. Die Dauer der Anfangszeit im Arbeitsverhältnis, die je nach Beruf und Stellung des Hochschulabsolventen ein bis zwei Jahre betragen habe, sei auf die Dauer der Beschäftigungszeit angerechnet worden. Die Ausführungen des ehemaligen Leiters der Technologischen Abteilung Ing. J ... R ... vom 12. Juli 1999 seien zutreffend; Ziel der Ableistung einer Anfangszeit im Arbeitsverhältnis sei nicht das Erlernen des Berufs, sondern die selbstständige Ausübung einer bestimmten Tätigkeit gewesen. Die nach Ablauf eines Jahres abzulegende Prüfung habe eine Bewertung der Qualität der Ausübung dieser Tätigkeit sowie der Fähigkeit, die während des Studiums erlernten Kenntnisse in die Berufspraxis umzusetzen, dargestellt. Der über die Anfangszeit abzuschließende schriftliche Vertrag sei nach deren Ablauf kraft Gesetzes zu einem unbefristeten Vertrag geworden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger ist durch den Bescheid vom 02. Februar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. April 1998 insoweit beschwert, als die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Zeit der beruflichen Ausbildung berücksichtigt worden ist. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte den vorgenannten Zeitraum gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 8 SGB VI der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 des Wirtschaftsbereichs 06 der Anlage 14 zum SGB VI zuordnet.
Nach § 22 FRG werden für Zeiten der in § 15 und § 16 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 8 SGB VI in der Weise ermittelt, dass die Durchschnittsverdienste berücksichtigt werden, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche für dieses Kalenderjahr ergeben.
Bereits aus der den Qualifikationsgruppen vorangestellten Definition ("Präambel") ergibt sich, dass Versicherte in eine der (folgenden) Qualifikationsgruppen einzustufen sind, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Vorrangiges und wichtigstes Unterscheidungskriterium der einzelnen Qualifikationsgruppen ist die erworbene Qualifikation, denn die (höchste) Gruppe 1 setzt ein Studium an einer Universität, Hochschule, Ingenieur-Hochschule oder Akademie oder an einem Institut mit Hochschulcharakter voraus und den Erwerb eines Diploms oder das Erlangen eines staatlichen Examens, während die (niedrigste) Qualifikationsgruppe 5 nach den dort aufgeführten Qualifikationsmerkmalen lediglich eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes und damit angelernte oder ungelernte Tätigkeit erfasst.
Hier hat der Kläger nach Beendigung des Studiums an der Technischen Hochschule und nach dem Erwerb des Diploms in einem technischen Betrieb seiner Ausbildung entsprechend gearbeitet. Wie sich aus den im Tatbestand dargestellten Auskünften des Arbeitgebers ergibt, ist er nach einer kurzen Einweisung als Arbeitsvorbereiter tätig geworden und hat damit als Berufsanfänger die gleiche Tätigkeit verrichtet wie ein erfahrener Arbeitsvorbereiter. Die verrichtete Tätigkeit unterschied sich vom Arbeitsauftrag her nicht von der eines langjährig Beschäftigten. Insbesondere in der im Berufungsverfahren erteilten Auskunft hat der Arbeitgeber klargestellt, dass die Anfangszeit im Arbeitsverhältnis nicht vom Erlernen des Berufs, sondern von der selbständigen Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, hier des Technologen für Schweißkonstruktionen, geprägt war. Der Mitarbeiter sollte unter Beweis stellen, dass er in der Lage ist, die im Studium erlernten Kenntnisse in der täglichen praktischen Arbeit einzusetzen.
Bereits vom Wortlaut her kann ein Probearbeitsverhältnis oder - wieder Arbeitgeber es bezeichnet hat - die "Anfangszeit im Arbeitsverhältnis" nicht mit einer Lehre, Ausbildung oder Praktikantenzeit gleichgesetzt werden. Denn der Mitarbeiter sollte im Probearbeitsverhältnis seine bereits erworbenen Kenntnisse in der Praxis umsetzen und keine neuen Ausbildungsinhalte oder praktische Anschauung vermittelt bekommen, wie dies typischerweise in einer Lehre oder Praktikantenzeit der Fall ist. Dementsprechend ist die von der Beklagten vorgelegte Verordnung Nr. 364 vom 26. September 1958 nicht einschlägig und als Rechtsgrundlage für das mit dem Kläger geschlossene Probearbeitsverhältnis vom früheren Arbeitgeber auch nicht benannt worden. In § 1 Abs. 7 der vorgenannten Verordnung heißt es ausdrücklich, dass zur Berufsausbildung, zur Anlernausbildung oder zum Vorbereitungspraktikum eingestellte Jugendliche nicht zu der Ausbildung dienenden Arbeiten eingesetzt werden. Hier ist der Kläger jedoch zur vollwertigen Verrichtung der Tätigkeit des Technologen für Schweißkonstruktionen beschäftigt worden.
Sofern sich die Beklagte darauf stützt, dass nach der von ihr vorgelegten Verordnung auch Akademiker Vorbereitungspraktika zu durchlaufen hatten, steht auch dies nicht entgegen. Denn die genannte Vorschrift ist so zu verstehen, dass dann, wenn ein Akademiker eine Lehre durchlaufen hat und er vor Beginn der Tätigkeit im (durch die Lehre) erlernten Beruf tätig wird, ebenso wie andere Lehrlinge ein Vorbereitungspraktikum zu absolvieren hatte. Hier hat der Kläger jedoch keine Lehre absolviert sondern ein Hochschulstudium. Dieser Hochschulqualifikation entsprechend ist er beruflich eingesetzt worden. Gegen eine Anwendung dieser Vorschrift auf den Kläger spricht schließlich, dass die Vorschriften über den Abschluss und die Beendigung eines Lehrvertrages sinngemäß auch für Praktikantenverträge gelten. Der Kläger hat mit seinem Arbeitgeber jedoch keinen Lehr- oder Praktikantenvertrag, sondern einen auf den vom Arbeitgeber im Einzelnen genannten gesetzlichen Grundlagen über die Beschäftigung von Hochschulabsolventen beruhenden Vertrag über eine Anfangszeit im Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Dieser Vertrag wurde nach Ablauf der vereinbarten Anfangszeit kraft Gesetzes zu einem unbefristeten Vertrag, und die Dauer der Anfangszeit wurde auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses angerechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen gm. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Beitrags- oder als Ausbildungszeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzuerkennen ist.
Der 1942 in Polen geborene Kläger absolvierte nach der Schulausbildung vom 01. September 1956 bis Mai 1961 erfolgreich eine Berufsausbildung im Technikum in Königshütte in der Fachrichtung "Technologie der Schweißkonstruktionen". Von Oktober 1961 bis März 1968 studierte er an der Technischen Hochschule in Tschenstochau Maschinenbau und legte dort am 26. März 1968 erfolgreich die Prüfung zum Diplom-Ingenieur Maschinenbau ab. Von April 1968 bis September 1984 war er bei dem Betrieb für technische Anlagen "ZGODA" in Polen beschäftigt. Am 12. September 1984 kam er ins Bundesgebiet. Hier ist er seit April 1986 wiederum versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 02. Februar 1998 erteilte die Beklagte dem Kläger gemäß § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) einen Vormerkungsbescheid und stellte in dem in der Anlage beigefügten Versicherungsverlauf die Zeiten bis zum 31. Dezember 1991 verbindlich fest. U.a. berücksichtigte sie die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Zeit der Berufsausbildung. Die Zeit vom 01. Mai 1969 bis 11. September 1984 stufte sie in die Qualifikationsgruppe 1 nach der Anlage 13 des Wirtschaftsbereichs 06 der Anlage 14 zum SGB VI ein. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 sei keine Zeit der Berufsausbildung, sondern eine Beitrags- und Beschäftigungszeit, die gleichfalls der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen sei. Auch in dieser Zeit habe er selbständig und eigenverantwortlich betriebliche Aufgaben als Diplom-Ingenieur erledigt. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. In Polen hätten Berufsanfänger zwischen 1958 und 1975 regelmäßig einen Vorbereitungsdienst absolvieren müssen, dessen Dauer zwischen 6 und 18 Monaten gelegen habe. Diese Zeiten seien als Lehrzeiten zu behandeln, auch wenn die eigentliche Ausbildung bereits erfolgreich abgeschlossen gewesen sei (Widerspruchsbescheid vom 07. April 1998).
Im Klageverfahren hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe sich bereits zu Beginn seiner Tätigkeit nach Abschluss des Studiums in einem regulären Beschäftigungsverhältnis in Polen befunden. Allerdings sei eine Probezeit vereinbart worden, wie es auch in der Bundesrepublik durchaus üblich sei. Er hat eine Bescheinigung des Betriebes für technische Einrichtungen "ZGODA" vom 15. Januar 1999 vorgelegt, wonach er in der Zeit vom 12. April 1968 bis 31. Oktober 1971 als Technologe beschäftigt gewesen ist. Hieraus sei ersichtlich, dass es sich von Beginn an um ein "normales" Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Ferner hat er eine Erklärung des früheren Leiters der Technologischen Abteilung bei seinem früheren Arbeitgeber Ing. J ... R ... vom 12. Juli 1999 vorgelegt. Darin heißt es, dass der Kläger nach mehrtägiger Einführung in die Arbeitsorganisation des Büros in seine Arbeit eingewiesen worden sei und den Posten des Technologen der Schweißkonstruktionen als einen selbständigen Arbeitsplatz übernommen habe.
Er hat im ersten Rechtszug beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. April 1998 zu verurteilen, die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Beitragszeit im Sinne des § 22 Abs. 1 FRG in die Qualifikationsgruppe 1 der Anlage zum FRG einzustufen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, die streitige Zeit zu Recht als Zeit der Berufsausbildung berücksichtigt zu haben, da der Kläger während dieser Zeit eine Probezeit absolviert habe. Die Verpflichtung zur Ableistung des in Polen 1958 eingeführten Vorbereitungspraktikums habe nicht nur für alle Jugendlichen gegolten, die eine berufliche Qualifikation in einer Schule, in einer betrieblichen Lehre oder Ausbildungsanstalt erworben hatten, sondern auch für alle Arbeitnehmer, unabhängig von ihrem Alter, die zum ersten Mal eine Beschäftigung in einem Beruf aufgenommen haben, für den sie ausgebildet worden sind. Vorbereitungspraktika seien grundsätzlich auch von allen Akademikern abzuleisten gewesen. Sie hat auf die Verordnung Nr. 364 des Ministerrats vom 26. September 1958 über die Beschäftigung von Jugendlichen in Betrieben zur Berufsausbildung, zur Anlernausbildung für eine bestimmte Arbeit und zur Ableistung des Vorbereitungspraktikums Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 24. Mai 1999 eingeholt, in der dieser mitgeteilt hat, dass in der Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 ein Arbeitsvertrag mit dem Kläger über die Abhaltung eines Antrittsarbeitspraktikums abgeschlossen worden sei. Dies sei ein Vertrag über eine Probezeit gewesen. Solche Verträge seien mit allen Schulabsolventen geschlossen worden. Am Ende der Zeit sei der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters, nachdem er die entsprechende Prüfung bestanden und eine positive Beurteilung der Probezeit erhalten habe, mit erhöhtem Lohnsatz auf unbefristete Zeit verlängert worden.
Mit Urteil vom 23. März 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die streitige Zeit sei als Zeit der beruflichen Ausbildung zu bewerten. Zwar sei der Kläger weder als Lehrling noch als Anlernling tätig gewesen. Die streitige Zeit sei jedoch als Praktikantenzeit anzusehen, da davon auszugehen sei, dass im ersten Jahr der beruflichen Tätigkeit das Sammeln praktischer Erfahrung im Vordergrund gestanden habe. Dementsprechend sei das erste Jahr der Beschäftigung als Probezeit betrachtet worden. Umstreitig sei auch, dass der Kläger in diesem ersten Jahr ein geringeres Gehalt bezogen habe als in den folgenden Jahren. Erst nach Ableistung dieser Probezeit sei der Arbeitsvertrag umgestaltet und mit erhöhtem Lohnsatz auf unbefristete Zeit verlängert worden.
Im Berufungsverfahren wendet der Kläger hiergegen ein, die durchlaufene Probezeit könne mit einer Praktikantenzeit nicht gleichgesetzt werden. Auch in Deutschland seien Probezeiten üblich, wobei ein Arbeitnehmer in der Probezeit seine Praktikanten- und Ausbildungszeit bereits abgeschlossen habe. Auch sei es üblich, dass ein Arbeitnehmer während der Probezeit weniger verdiene als in der Zeit nach der Bewährung. Jedenfalls habe er bereits von 1968 an wie jeder andere Arbeitsvorbereiter seine Arbeit verrichtet.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. März 2001 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine weitere Auskunft des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 01. Oktober 2001 eingeholt. Darin teilt er mit, dass die Beschäftigung von Hochschulabsolventen in Polen durch das Gesetz vom 20. Juli 1958 über die Berufsausbildung, Anlernen für bestimmte Tätigkeiten und Bedingungen für die Beschäftigung von Jugendlichen in Arbeitsbetrieben sowie über die Anfangszeit im Arbeitsverhältnis (Nr. 45), den Beschluss des Ministerrates vom 13. Juni 1958 über die Anfangszeit im Arbeitsverhältnis von Hochschulabsolventen (Nr. 47) und das Gesetz vom 25. Februar 1964 über die Beschäftigung von Hochschulabsolventen (Nr. 8) geregelt gewesen sei. Hochschulabsolventen seien bei der Aufnahme der ersten Berufstätigkeit im erlernten Beruf nach Abschluss der Hochschule dazu verpflichtet gewesen, eine Anfangszeit im Arbeitsverhältnis in einem zum Erwerb einer vollständigen praktischen Vorbereitung auf die Tätigkeit im Arbeitsbetrieb erforderlichen Umfang abzuleisten. Die Dauer der Anfangszeit im Arbeitsverhältnis, die je nach Beruf und Stellung des Hochschulabsolventen ein bis zwei Jahre betragen habe, sei auf die Dauer der Beschäftigungszeit angerechnet worden. Die Ausführungen des ehemaligen Leiters der Technologischen Abteilung Ing. J ... R ... vom 12. Juli 1999 seien zutreffend; Ziel der Ableistung einer Anfangszeit im Arbeitsverhältnis sei nicht das Erlernen des Berufs, sondern die selbstständige Ausübung einer bestimmten Tätigkeit gewesen. Die nach Ablauf eines Jahres abzulegende Prüfung habe eine Bewertung der Qualität der Ausübung dieser Tätigkeit sowie der Fähigkeit, die während des Studiums erlernten Kenntnisse in die Berufspraxis umzusetzen, dargestellt. Der über die Anfangszeit abzuschließende schriftliche Vertrag sei nach deren Ablauf kraft Gesetzes zu einem unbefristeten Vertrag geworden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger ist durch den Bescheid vom 02. Februar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. April 1998 insoweit beschwert, als die Zeit vom 12. April 1968 bis 30. April 1969 als Zeit der beruflichen Ausbildung berücksichtigt worden ist. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte den vorgenannten Zeitraum gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 8 SGB VI der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 des Wirtschaftsbereichs 06 der Anlage 14 zum SGB VI zuordnet.
Nach § 22 FRG werden für Zeiten der in § 15 und § 16 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 8 SGB VI in der Weise ermittelt, dass die Durchschnittsverdienste berücksichtigt werden, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche für dieses Kalenderjahr ergeben.
Bereits aus der den Qualifikationsgruppen vorangestellten Definition ("Präambel") ergibt sich, dass Versicherte in eine der (folgenden) Qualifikationsgruppen einzustufen sind, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Vorrangiges und wichtigstes Unterscheidungskriterium der einzelnen Qualifikationsgruppen ist die erworbene Qualifikation, denn die (höchste) Gruppe 1 setzt ein Studium an einer Universität, Hochschule, Ingenieur-Hochschule oder Akademie oder an einem Institut mit Hochschulcharakter voraus und den Erwerb eines Diploms oder das Erlangen eines staatlichen Examens, während die (niedrigste) Qualifikationsgruppe 5 nach den dort aufgeführten Qualifikationsmerkmalen lediglich eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes und damit angelernte oder ungelernte Tätigkeit erfasst.
Hier hat der Kläger nach Beendigung des Studiums an der Technischen Hochschule und nach dem Erwerb des Diploms in einem technischen Betrieb seiner Ausbildung entsprechend gearbeitet. Wie sich aus den im Tatbestand dargestellten Auskünften des Arbeitgebers ergibt, ist er nach einer kurzen Einweisung als Arbeitsvorbereiter tätig geworden und hat damit als Berufsanfänger die gleiche Tätigkeit verrichtet wie ein erfahrener Arbeitsvorbereiter. Die verrichtete Tätigkeit unterschied sich vom Arbeitsauftrag her nicht von der eines langjährig Beschäftigten. Insbesondere in der im Berufungsverfahren erteilten Auskunft hat der Arbeitgeber klargestellt, dass die Anfangszeit im Arbeitsverhältnis nicht vom Erlernen des Berufs, sondern von der selbständigen Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, hier des Technologen für Schweißkonstruktionen, geprägt war. Der Mitarbeiter sollte unter Beweis stellen, dass er in der Lage ist, die im Studium erlernten Kenntnisse in der täglichen praktischen Arbeit einzusetzen.
Bereits vom Wortlaut her kann ein Probearbeitsverhältnis oder - wieder Arbeitgeber es bezeichnet hat - die "Anfangszeit im Arbeitsverhältnis" nicht mit einer Lehre, Ausbildung oder Praktikantenzeit gleichgesetzt werden. Denn der Mitarbeiter sollte im Probearbeitsverhältnis seine bereits erworbenen Kenntnisse in der Praxis umsetzen und keine neuen Ausbildungsinhalte oder praktische Anschauung vermittelt bekommen, wie dies typischerweise in einer Lehre oder Praktikantenzeit der Fall ist. Dementsprechend ist die von der Beklagten vorgelegte Verordnung Nr. 364 vom 26. September 1958 nicht einschlägig und als Rechtsgrundlage für das mit dem Kläger geschlossene Probearbeitsverhältnis vom früheren Arbeitgeber auch nicht benannt worden. In § 1 Abs. 7 der vorgenannten Verordnung heißt es ausdrücklich, dass zur Berufsausbildung, zur Anlernausbildung oder zum Vorbereitungspraktikum eingestellte Jugendliche nicht zu der Ausbildung dienenden Arbeiten eingesetzt werden. Hier ist der Kläger jedoch zur vollwertigen Verrichtung der Tätigkeit des Technologen für Schweißkonstruktionen beschäftigt worden.
Sofern sich die Beklagte darauf stützt, dass nach der von ihr vorgelegten Verordnung auch Akademiker Vorbereitungspraktika zu durchlaufen hatten, steht auch dies nicht entgegen. Denn die genannte Vorschrift ist so zu verstehen, dass dann, wenn ein Akademiker eine Lehre durchlaufen hat und er vor Beginn der Tätigkeit im (durch die Lehre) erlernten Beruf tätig wird, ebenso wie andere Lehrlinge ein Vorbereitungspraktikum zu absolvieren hatte. Hier hat der Kläger jedoch keine Lehre absolviert sondern ein Hochschulstudium. Dieser Hochschulqualifikation entsprechend ist er beruflich eingesetzt worden. Gegen eine Anwendung dieser Vorschrift auf den Kläger spricht schließlich, dass die Vorschriften über den Abschluss und die Beendigung eines Lehrvertrages sinngemäß auch für Praktikantenverträge gelten. Der Kläger hat mit seinem Arbeitgeber jedoch keinen Lehr- oder Praktikantenvertrag, sondern einen auf den vom Arbeitgeber im Einzelnen genannten gesetzlichen Grundlagen über die Beschäftigung von Hochschulabsolventen beruhenden Vertrag über eine Anfangszeit im Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Dieser Vertrag wurde nach Ablauf der vereinbarten Anfangszeit kraft Gesetzes zu einem unbefristeten Vertrag, und die Dauer der Anfangszeit wurde auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses angerechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen gm. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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