Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (9) RJ 2/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem EuGH werden gemäß Art. 234 EGV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1) Sind die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, auch auf das deutsche Pflegeversicherungssystem anwendbar, wenn die Absicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit gemäߧ§ 23 i.V.m. 110 Sozialgesetzbuch - soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) (ggf. teilweise) auf dem Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages beruht?
2) Handelt es sich bei dem gemäß § 44 SGB XI i.V.m. §§ 3 S. 1 Nr. 1 a i.V.m. 166 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) von den Trägern der Pflegeversicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichtenden Beiträgen um eine "Leistung bei Krankheit" im Sinne des Art. 4 Abs. 1 a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71? Falls ja: Kann eine derartige Leistung auch für Pflegepersonen erbracht werden, die im Land des zuständigen Trägers pflegen, jedoch in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen?
3) Sind Pflegepersonen im Sinne des § 19 SGB XI Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EGV? Falls ja: Ist es deshalb untersagt, ihnen die Leistung "Beitragszahlung zur Rentenversicherung" zu versagen, weil sie nicht im Gebiet des zuständigen Staates wohnen oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben?
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Klägerin wegen einer in Deutschland ausgeübten Pflegetätigkeit einen Anspruch auf Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu ihren Gunsten durch die Beigeladenen hat. Maßgeblich hierfür ist, ob sie als Pflegeperson der Rentenversicherungspflicht gemäß § 3 S. 1 Nr. 1 a SGB VI unterliegt. Die Beklagte und die Beigeladenen verneinen dies, weil die Klägerin nicht in Deutschland, sondern in Belgien ihren Wohnsitz hat.
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie wohnt in der grenznahen Gemeinde Kelmis in Belgien. Seit Juni 1998 pflegt sie einen in Aachen wohnenden pensionierten Studiendirektor (im folgenden: Pflegebedürftiger). Der Pflegebedürftige ist als pensionierter Beamter gegenüber dem Beigeladenen zu 2) beihilfeberechtigt und bei der Beigeladenen zu 1) - soweit die Aufwendungen für seine Pflege durch den Beigeladenen zu 2) nicht gedeckt werden - bei der Beigeladenen zu 1) privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert. Der Pflegebedürftige ist in Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI) eingestuft. Die Klägerin erhält vom Pflegebedürf tigen 800,00 DM monatlich für die Pflegetätigkeit. Sie pflegt den Pflegebedürftigen 18 Stunden wöchentlich, an sonsten übt sie keine weiteren Pflegetätigkeiten aus. Sie steht in keinem sonstigen Beschäftigungsverhältnis.
Nachdem die Beigeladenen zunächst Rentenversicherungsbei träge zu Gunsten der Klägerin entrichtet hatten, stellte die Beklagte mit jetzt angefochtenem Bescheid vom 13.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 sinngemäß fest, dass die Klägerin als Pflegeperson nicht versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten versicherung sei, weshalb die Beigeladenen bereits zum 31.08.1999 die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen eingestellt hatten.
Die Beklagte führte aus, Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehe für eine Pflegeperson im Sinne des SGB XI dann, wenn diese einen Pflegebedürftigen nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebungpflege und der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung habe. Dies gelte gemäߧ 3 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) jedoch nur, wenn die Pflegeperson ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB IV habe. Denn bei der nicht erwerbsmäßigen Pflege handele es sich nicht um eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 1 SGB IV, so dass der Wohnsitz im Ausland der Bejahung einer Versicherungspflicht entgegenstehe. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den Regelungen des überstaatlichen Rechts. Die nicht erwerbsmäßige Pflege eines Pflegebedürftigen falle nicht unter die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bzw. Verordnung (EWG) Nr. 1612/68, weil weder die Arbeitnehmereigenschaft erfüllt sei noch eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin ab 01.06.1998 als nicht erwerbsmäßigtätige Pflegeperson der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, ohne dass der Wohnsitz in Belgien dem entgegensteht.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
II.
Die dem Gerichtshof gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts sind zweifelhaft und entscheidungserheblich. Allein nach den Regelungen des deutschen Sozialversicherungsrechts steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Er scheitert daran, dass die Klägerin weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhn lichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB verfügt, sondern in Belgien wohnt.
Vorauszuschicken ist, dass Streitgegenstand des vorliegen den Verfahrens zwar grundsätzlich die Frage der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 S. 1 Nr. 1 a SGB VI ist. Diese Vorschrift unterwirft Personen in der Zeit, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sin ne des § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen) der Rentenversicherungspflicht, wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch um eine die Pflegeperson ausschließlich begünstigende Vorschrift, mithin letztlich um eine Leistung der Pflegeversicherung. Pflegepersonen werden im zweiten Kapitel des SGB XI unter der Überschrift "Leistungsberechtigter Personenkreis" durch § 19 SGB XI definiert. Hiernach sind Pflegepersonen Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Die Rentenversicherung dieser Personen wird in § 28 Abs. 1 Nr. 10 SGB XI zu den Leistungsarten der Pflegeversicherung gezählt. Die Entrichtung von Beiträgen richtet sich nach § 44 SGB XI. Hiernach entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird sowie die sonstigen in § 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI genannten Stellen zur Verbesserung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen im Sinne des § 19 Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Näheres regeln gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 SGB XI die §§ 13, 141, 166 und 170 SGB VI. Die Beitragszahlung zu Gunsten der Pflegeperson eines auch privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versicherten Beamten erfolgt in der Weise, dass gemäß § 170 Abs. 1 Nr. 6 c SGB VI die Beiträge von der Festsetzungsstelle für die Beihilfe oder vom Dienstherrn und dem privaten Versicherungsunternehmen anteilig gezahlt werden. Die der Beitragsbemessung zugrundeliegenden beitragspflichtigen Einnahmen richten sich gemäß § 166 Abs. 2 SGB VI nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit und einem Prozentsatz der Bezugsgröße (vgl. hierzu § 18 SGB IV).
Die Klägerin erfüllt ohne Berücksichtigung ihres Wohnsitzes alle Voraussetzungen dieser Vorschriften. Der von ihr gepflegte Pflegebedürftige ist pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI. Die Klägerin pflegt den Pflegebedürftigen wenigstens 14 Stunden (hier: 18 Stunden) wöchentlich. Der Pflegebedürftige erhält Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung, denn die Beigeladene zu 1) zahlt für ihn Leistungen wegen seiner Pflegebedürftigkeit.
Die Klägerin ist auch nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson. Sie erhält für ihre Tätigkeit 800,00 DM monatlich aus dem dem Pflegebedürftigen zur Verfügung gestellten Pflegegeld. Dieses bleibt gemäß § 3 S. 2 SGB VI bei der Prüfung, ob eine Pflegeperson als erwerbsmäßig oder nicht erwerbsmäßigtätig wird, unberücksichtigt. Nicht einschlägig ist auch der Ausschlusstatbestand des § 3 S. 3 SGB VI. Hiernach sind Pflegepersonen dann nicht nach S. 1 Nr. 1 a versicherungspflichtig, wenn sie daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbstständig tätig sind. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.
Diese grundsätzlichen Voraussetzungen für die Bejahung eines Versicherungsanspruches zu Gunsten der Klägerin sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
Nach den Regeln des deutschen Sozialversicherungsrechts sind die Beklagte und die Beigeladene zu Recht der Meinung, dass der Wohnsitz der Klägerin in Belgien der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen zu ihren Gunsten entgegensteht. Nach § 3 SGB VI gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, - nur soweit sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich des SGB IV beschäftigt oder selbstständig tätig sind (Nr. 1), - andernfalls, also soweit sie eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht voraussetzen, nur für die Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB IV haben (Nr. 2).
Die Tätigkeit als Pflegeperson gilt nach deutschem Sozialversicherungsrecht nicht als Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, so dass die Beklagte die Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts zutreffend angewandt hat.
Nach Auffassung der Kammer bestehen jedoch Zweifel, ob diese Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Wenn die im Tenor des Beschlusses genannten Fragen bejaht werden müssten, wäre dies nicht der Fall.
Zu Frage 1):
Der Kläger unterliegt als pensionierter Beamter nicht der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gemäß §§ 20, 21 SGB XI. Er unterliegt vielmehr der Regelung des § 23 SGB XI. Hiernach sind Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, verpflichtet, zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzu schließen und aufrechtzuerhalten. Der Vertrag muss ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für sie selbst und ihre Angehörigen oder Lebenspartner, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des 4. Kapitels des SGB XI gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sach leistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung.
Nähere Regelungen für die private Pflegeversicherung finden sich in § 110 SGB XI. Zu erwähnen ist insbesondere, dass die privaten Krankenversicherungsunternehmen durch diese Vorschrift verpflichtet werden, mit allen in § 23 Abs. 1 genannten versicherungspflichtigen Personen auf Antrag einen Versicherungsvertrag abzuschließen, der einen Versicherungsschutz im gesetzlich festgelegten Umfang vorsieht (Kontrahierungszwang). Diese Verträge dürfen keinen Ausschluss von Vorerkrankungen der Versicherten, keinen Ausschluss bereits pflegebedürftiger Personen sowie keine längeren Wartezeiten als in der sozialen Pflegeversicherung vorsehen. Die Prämien dürfen nicht nach Geschlecht und Gesundheitszustand der Versicherten gestaffelt werden, die Prämienhöhe darf den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung nicht übersteigen. Die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder muss unter denselben Voraussetzungen wie in der sozialen Pflegeversicherung festgelegt werden. Für Ehegatten oder Lebenspartner gilt eine Prämienhöchstgrenze in Höhe von 150 % des Höchstbeitrages der sozialen Pflegeversicherung.
Gemäß § 23 Abs. 6 SGB VI ist das private Versicherungsunternehmen verpflichtet, für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie für die Zuordnung einer Pflegestufe dieselben Maßstäbe wie in der sozialen Pflegeversicherung anzulegen.
Da im vorliegenden Fall der Pflegebedürftige nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit auch Anspruch auf Beihilfe hat, ist er gemäß § 23 Abs. 3 SGB VI lediglich zum Abschluss einer entsprechenden anteiligen beihilfekonformen Versicherung im Sinne des § 23 Abs. 1 verpflichtet. Diese beihilfekonforme Versicherung ist gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XI so auszugestalten, dass ihre Vertragsleistungen zusammen mit den Beihilfeleistungen den gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungsschutz gewährleist.
Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 05.03.1998 - Rs C - 160/96 - Molenaar - (Slg. 1998, I 880 f) entschieden, dass das System der deutschen Pflegeversicherung dem Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unterfällt. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt waren die dortigen Kläger gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit gesetzlich in der sozialen Pflegeversicherung versichert.
Nach Auffassung der Kammer dürfte sich aus der genannten Entscheidung des Gerichtshofs ergeben, dass auch das hier betroffene private Pflegeversicherungssystem dem Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unterfällt. Denn wie aus den geannten Vorschriften ersichtlich ist, hat der deutsche Gesetzgeber das private Pflegeversicherungssystem im Ergebnis der gesetzlichen sozialen Pflegeversicherung annähernd gleichgestellt. Zu erwähnen sind hierbei insbesondere der Kontrahierungszwang, die fehlende Befugnis zum Ausschluss von Vorerkrankungen oder bereits pflegebedürftiger Personen, die Verpflichtung, den Versicherungsvertrag leistungsrechtlich den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichzustellen sowie die Verpflichtung, zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit dieselben Maßstäbe wie in der sozialen Pflegeversicherung anzulegen. Damit erfüllt auch die private Pflegeversicherung die Voraussetzungen, die der Gerichtshof in der genannten Entscheidung für die Einbeziehung eines Versicherungssystems in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 aufgestellt hat. Der rein rechtstechnische Unterschied dahingehend, dass Grundlage des Versicherungsschutzes nicht das Gesetz, sondern ein Versicherungsvertrag ist, dürfte unbeachtlich sein.
Zu Frage 2)
Der Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass die Leistungen der Pflegeversicherung im Wesentlichen eine Ergänzung der Leistungen der Krankenversicherung darstellen, um den Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen der Pflegedürftigen zu verbessern und diese daher ungeachtet gewisser Besonderheiten "Leistungen bei Krankheit" im Sinne von Art. 4 I lit. a Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 sind. Für das Pflegegeld hat der Gerichtshof entschieden, dass dieses sich als eine finanzielle Unterstützung darstellt, die es ermöglicht, den Lebensstandard der Pflegebedürftigen insgesamt durch einen Ausgleich der durch ihren Zustand verursachten Mehrkosten zu verbessern und daher eine solche Leistung zu den in den Art. 19 I lit. b, 25 I lit. b und 28 I lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 genannten Geldleistungen der Krankenversicherung zählt. Die der Entscheidung zugrunde liegenden Vorlagefragen hat der Gerichtshof dahingehend beantwortet, dass es gegen diese Vorschriften verstößt, den Anspruch auf eine Leistung wie das Pflegegeld davon abhängig zu machen, dass der Versicherte in dem Staat wohnt, in dem er der Versicherung angeschlossen ist.
Nach Auffassung der Kammer könnten die hier aufgestellten Grundsätze jedenfalls analog auf die vorliegende Fallge staltung übertragen werden:
Die Leistung "Rentenversicherung der Pflegeperson" hat eine Doppelnatur. Sie kommt einerseits der Pflegeperson zugute, die - ohne eigene Beitragsleistung - Pflichtbeitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet erhält. Diese Pflichtbeitragszeiten wirken sich nicht nur bei der Alterssicherung günstig aus, sondern führen zu einer Berücksichtigung bei allen Rentenarten, also auch bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und wegen Todes und darüber hinaus auch beim Anspruch auf Reha-Maßnahmen. Die Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist unabhängig davon, ob ein Versicherungsverhältnis bereits begründet war. Pflichtbeitragszeiten aus der Pflegetätigkeit können für sich allein bereits Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung begründen.
Andererseits handelt es sich auch um eine Leistung, die dem Pflegebedürftigen zugute kommt. Denn dieser wird regelmäßig leichter eine qualifizierte Pflegekraft finden, wenn er dieser eine gesetzliche Rentenversicherung aufgrund der Pflegetätigkeit garantieren kann. Zudem entbindet die Rentenversicherung auf Kosten der Pflegekassen sowie privaten Versicherungsunternehmen und gegebenenfalls des Trägers der Beihilfe den Pflegebedürftigen davon, seinerseits - eventu ell aus den ihm gezahlten Pflegegeld - für die Altersversorgung der Pflegeperson aufzukommen oder gar die Stellung als Arbeitgeber der Pflegeperson einzunehmen, was bei einer entsprechenden Vertragsgestaltung möglich wäre.
Sinn und Zweck der Pflegeversicherung ist gemäß § 1 Abs. 1 SGB XI die soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit. Sie hat gemäß § 1 Abs. 4 SGB XI die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. Gemäß § 3 SGB XI soll die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Auch hieraus ergibt sich, dass die Leistung "soziale Sicherung der Pflegeperson" letztlich eine Leistung zu Gunsten des Pflegebedürftigen ist.
Diese Leistung ist zwar - anders als das Pflegegeld - keine direkte Geldleistung an den Pflegebedürftigen, sondern sie wird gemäß § 44 SGB XI in Form der Beitragszahlung an die gesetzliche Rentenversicherung der Pflegeperson erbracht. Dies dürfte aber nach Auffassung der Kammer nicht die analoge Anwendung der für das Pflegegeld in der genannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze hindern. Letztlich ist es nur eine technische Frage, ob das Pflegegeld um einen zweckgebundenen Zuschlag für die soziale Absicherung der Pflegeperson erhöht wird oder ob die Träger der Pflegeversicherung eine direkte Beitragszahlung zu Gunsten der gesetzlichen Rentenversicherung der Pflegeperson vornehmen. In diesem Zusammenhang verweist die Kammer auf das Urteil des Gerichtshofs vom 06.07.2000 in der Rechtssache C - 73/99 - Movrin - (Slg. 2000, I 5638), in der der Gerichtshof festgestellt hat, dass der Umstand, dass der Zuschuss zur Krankenversicherung der Rentner unmittelbar an den Krankenversicherungsträger und nicht an den in der fraglichen Krankenversicherung pflichtversicherten Rentenempfänger geleistet wird, nichts an der entscheidenden Feststellung ändert, dass diese Zahlungen zu Gunsten des Rentenempfängers geleistet werden und als Zuschlag zu seiner Rente wirken. Hieraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass auch der Gerichtshof Leistungen an Dritte zu Gunsten des Berechtigten als möglich ansieht.
Schließlich dürfte auch die Tatsache, dass vorliegend die Zahlung von Versicherungsbeiträgen streitig ist, nichts daran ändern, dass die in der genannten Entscheidung für das Pflegegeld aufgestellten Grundsätze anwendbar sind. Denn nach Auffassung der Kammer ist es, wenn eine Geldleistung direkt in den Staat des Wohnortes gezahlt werden kann, erst Recht geboten, eine Zahlung von Versicherungsbeiträgen an einen Rentenversicherungsträger im Geltungsbereich des zuständigen Staates zuzulassen, wenn lediglich die Pflegeperson im Ausland wohnt.
Zu Frage 3):
Die Kammer hat nicht nur Zweifel, ob die Ablehnung der Versicherungspflicht aufgrund des Wohnortes der Klägerin in Belgien aus Sicht des Pflegebedürftigen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, sondern auch, ob dies aus Sicht der Pflegeperson der Fall ist.
Vorauszuschicken ist, dass nach Auffassung der Kammer einer Entscheidung des Gerichtshofes nicht entgegenstehen dürfte, dass es nach der Judikatur des Gerichtshofs (Rs 110/79 - Coonan -, Slg. 1980, 1445 ff) Sache jedes Mitgliedstaates ist, durch den Erlaß von Rechtsvorschriften die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Person einem System der sozialen Sicherheit oder einem bestimmten Zweig eines solchen Systems beitreten kann oder muß. Denn vorliegend geht es nur rechtstechnisch um eine Frage der Versicherungspflicht, während es sich - wie dargelegt - der Sache nach um die Zubilligung eines Leistungsanspruchs zugunsten der Pflegeperson handelt.
Die nach dem Wohnort der Klägerin vorgenommene Differenzierung könnte gegen Art. 39 Abs. 2 EGV verstoßen. Hiernach umfasst die durch Art. 39 Abs. 1 EGV gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedsstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
Zu den Arbeitsbedingungen im Sinne dieser Vorschrift gehören auch soziale Vergünstigungen: Insgesamt wird der Kreis der sozialen Vergünstigungen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes sehr weit gezogen. Die Definition der sozialen Vergünstigung ist eine Leistung "die den in ländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnsitzes im Inland gewährt wird und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern (ständige Rechtssprechung des Gerichtshofs, vergl. EuGH Rs 207/78 - Even -, Slg. 1979, 2019; Rs c -85/96 - Sala -, Slg. 1998, I 2691 f).
Wie dargelegt, handelt es sich bei der Versicherung von Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung um eine Leistung zur sozialen Sicherung der Pflegeperson (§§ 28 Abs. 1 Nr. 10, 44 Abs. 1 S. 1 SGB XI).
Artikel 39 EGV verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur offensichtliche Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen. Diskriminierend ist daher die Anwendung scheinbar neutraler Kritieren, Regelungen oder Praktiken, die sich tatsächlich auf ausländische Arbeitnehmer nachteilig auswirken. Eine typische Anknüpfung, die zu versteckten Diskriminierungen führt, ist daher das Abstellen auf den Wohnsitz, was sich insbesondere bei Grenzgängern nachteilig auswirken kann (vgl. hierzu insbesondere: EuGH Rs C - 57/96 - Meints -, Slg. 1997, I - 6689).
Allerdings ist - wie bereits dargelegt - festzuhalten, dass die Klägerin nach den Vorschriften des deutschen Sozialgesetzbuches nicht als Arbeitnehmerin anzusehen ist. Dies ist gerade Grund für deren Anspruch auf soziale Sicherung. Pflegepersonen sind nämlich in der Regel Familienangehörige, aber auch Nachbarn, Freunde und sonstige Helfer, deren Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich gefördert und anerkannt werden soll und deren oftmals ganzer oder teilweiser Verzicht auf eine eigene Berufstätigkeit sozial abgesichert werden soll (Bundestagsdrucksache 12/5262 S. 82, 100 ff.). Dies dürfte indes für die Anwendung von Art. 39 EGV unbeachtlich sein. Denn in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts (EuGH, Rs 75/63 - Unger -, Slg. 1964, 379 f). Dieser Begriff wird vom Gerichtshof weit ausgelegt. Maßgeb lich ist zwar eine tatsächliche und echte Erwerbstätigkeit, jedoch darf kein Mindestumfang festgelegt werden, so dass selbst eine nicht existenzsichernde Teilzeitbeschäftigung ausreicht (vergl. EuGH, Rs 53/81 - Levin -, Slg. 1982, 1035 und Rs 139/85 - Kempf -, Slg. 1986, 1741).
Die Klägerin könnte unter diesen weiten gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen. Denn es ist nicht zu verkennen, dass ihre Pflegetätigkeit auch wesentliche Gemeinsamkeiten mit der Tätigkeit von Arbeitnehmern aufweist. Die Klägerin erhält für ihre Tätigkeit einen Betrag von etwa 400,00 EUR monatlich, was einen nicht unerheblichen Beitrag zu ihrem Familieneinkommen darstellen dürfte und in wirtschaftlicher Hinsicht einer nicht existenzsichernden Teilzeitbeschäf tigung gleichkommt. Auch arbeitet die Klägerin lediglich für einen Auftraggeber - den Pflegebedürftigen - und übt daneben keine weiteren Pflegetätigkeiten oder sonstige Beschäftigungen aus.
Auch nach deutschem Sozialversicherungsrecht führt die Tatsache allein, dass die betroffene Person einer Pflegetätigkeit nachgeht, nicht zur Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft. Vielmehr ist die Abgrenzung zwischen erwerbsmäßiger Pflegetätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbstständigen Tä tigkeit einerseits und ihren amtlichen Pflegetätigkeiten mit finanzieller Anerkennung andererseits unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Diese vom nationalen Versicherungsrecht geprägte Abgrenzung könnte nach Auffassung der Kammer gemeinschaftsrechtlich unbeachtlich sein.
Sofern die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin im Sinne des Art. 39 EGV bejaht würde, könnte sie auch als eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, im Sinne des Art. 13 Abs. 2 a Verordnung (EWG) 1408/71 anzusehen sein, mit der Folge, dass auch aus diesem Gesichtspunkt der ausländische Wohnsitz einem Anspruch auf Rentenversicherung nicht entgegensteht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
1) Sind die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, auch auf das deutsche Pflegeversicherungssystem anwendbar, wenn die Absicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit gemäߧ§ 23 i.V.m. 110 Sozialgesetzbuch - soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) (ggf. teilweise) auf dem Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages beruht?
2) Handelt es sich bei dem gemäß § 44 SGB XI i.V.m. §§ 3 S. 1 Nr. 1 a i.V.m. 166 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) von den Trägern der Pflegeversicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichtenden Beiträgen um eine "Leistung bei Krankheit" im Sinne des Art. 4 Abs. 1 a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71? Falls ja: Kann eine derartige Leistung auch für Pflegepersonen erbracht werden, die im Land des zuständigen Trägers pflegen, jedoch in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen?
3) Sind Pflegepersonen im Sinne des § 19 SGB XI Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EGV? Falls ja: Ist es deshalb untersagt, ihnen die Leistung "Beitragszahlung zur Rentenversicherung" zu versagen, weil sie nicht im Gebiet des zuständigen Staates wohnen oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben?
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Klägerin wegen einer in Deutschland ausgeübten Pflegetätigkeit einen Anspruch auf Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu ihren Gunsten durch die Beigeladenen hat. Maßgeblich hierfür ist, ob sie als Pflegeperson der Rentenversicherungspflicht gemäß § 3 S. 1 Nr. 1 a SGB VI unterliegt. Die Beklagte und die Beigeladenen verneinen dies, weil die Klägerin nicht in Deutschland, sondern in Belgien ihren Wohnsitz hat.
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie wohnt in der grenznahen Gemeinde Kelmis in Belgien. Seit Juni 1998 pflegt sie einen in Aachen wohnenden pensionierten Studiendirektor (im folgenden: Pflegebedürftiger). Der Pflegebedürftige ist als pensionierter Beamter gegenüber dem Beigeladenen zu 2) beihilfeberechtigt und bei der Beigeladenen zu 1) - soweit die Aufwendungen für seine Pflege durch den Beigeladenen zu 2) nicht gedeckt werden - bei der Beigeladenen zu 1) privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert. Der Pflegebedürftige ist in Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI) eingestuft. Die Klägerin erhält vom Pflegebedürf tigen 800,00 DM monatlich für die Pflegetätigkeit. Sie pflegt den Pflegebedürftigen 18 Stunden wöchentlich, an sonsten übt sie keine weiteren Pflegetätigkeiten aus. Sie steht in keinem sonstigen Beschäftigungsverhältnis.
Nachdem die Beigeladenen zunächst Rentenversicherungsbei träge zu Gunsten der Klägerin entrichtet hatten, stellte die Beklagte mit jetzt angefochtenem Bescheid vom 13.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 sinngemäß fest, dass die Klägerin als Pflegeperson nicht versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten versicherung sei, weshalb die Beigeladenen bereits zum 31.08.1999 die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen eingestellt hatten.
Die Beklagte führte aus, Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehe für eine Pflegeperson im Sinne des SGB XI dann, wenn diese einen Pflegebedürftigen nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebungpflege und der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung habe. Dies gelte gemäߧ 3 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) jedoch nur, wenn die Pflegeperson ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB IV habe. Denn bei der nicht erwerbsmäßigen Pflege handele es sich nicht um eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 1 SGB IV, so dass der Wohnsitz im Ausland der Bejahung einer Versicherungspflicht entgegenstehe. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den Regelungen des überstaatlichen Rechts. Die nicht erwerbsmäßige Pflege eines Pflegebedürftigen falle nicht unter die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bzw. Verordnung (EWG) Nr. 1612/68, weil weder die Arbeitnehmereigenschaft erfüllt sei noch eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin ab 01.06.1998 als nicht erwerbsmäßigtätige Pflegeperson der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, ohne dass der Wohnsitz in Belgien dem entgegensteht.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
II.
Die dem Gerichtshof gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts sind zweifelhaft und entscheidungserheblich. Allein nach den Regelungen des deutschen Sozialversicherungsrechts steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Er scheitert daran, dass die Klägerin weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhn lichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB verfügt, sondern in Belgien wohnt.
Vorauszuschicken ist, dass Streitgegenstand des vorliegen den Verfahrens zwar grundsätzlich die Frage der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 S. 1 Nr. 1 a SGB VI ist. Diese Vorschrift unterwirft Personen in der Zeit, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sin ne des § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen) der Rentenversicherungspflicht, wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch um eine die Pflegeperson ausschließlich begünstigende Vorschrift, mithin letztlich um eine Leistung der Pflegeversicherung. Pflegepersonen werden im zweiten Kapitel des SGB XI unter der Überschrift "Leistungsberechtigter Personenkreis" durch § 19 SGB XI definiert. Hiernach sind Pflegepersonen Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Die Rentenversicherung dieser Personen wird in § 28 Abs. 1 Nr. 10 SGB XI zu den Leistungsarten der Pflegeversicherung gezählt. Die Entrichtung von Beiträgen richtet sich nach § 44 SGB XI. Hiernach entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird sowie die sonstigen in § 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI genannten Stellen zur Verbesserung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen im Sinne des § 19 Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Näheres regeln gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 SGB XI die §§ 13, 141, 166 und 170 SGB VI. Die Beitragszahlung zu Gunsten der Pflegeperson eines auch privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versicherten Beamten erfolgt in der Weise, dass gemäß § 170 Abs. 1 Nr. 6 c SGB VI die Beiträge von der Festsetzungsstelle für die Beihilfe oder vom Dienstherrn und dem privaten Versicherungsunternehmen anteilig gezahlt werden. Die der Beitragsbemessung zugrundeliegenden beitragspflichtigen Einnahmen richten sich gemäß § 166 Abs. 2 SGB VI nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit und einem Prozentsatz der Bezugsgröße (vgl. hierzu § 18 SGB IV).
Die Klägerin erfüllt ohne Berücksichtigung ihres Wohnsitzes alle Voraussetzungen dieser Vorschriften. Der von ihr gepflegte Pflegebedürftige ist pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI. Die Klägerin pflegt den Pflegebedürftigen wenigstens 14 Stunden (hier: 18 Stunden) wöchentlich. Der Pflegebedürftige erhält Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung, denn die Beigeladene zu 1) zahlt für ihn Leistungen wegen seiner Pflegebedürftigkeit.
Die Klägerin ist auch nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson. Sie erhält für ihre Tätigkeit 800,00 DM monatlich aus dem dem Pflegebedürftigen zur Verfügung gestellten Pflegegeld. Dieses bleibt gemäß § 3 S. 2 SGB VI bei der Prüfung, ob eine Pflegeperson als erwerbsmäßig oder nicht erwerbsmäßigtätig wird, unberücksichtigt. Nicht einschlägig ist auch der Ausschlusstatbestand des § 3 S. 3 SGB VI. Hiernach sind Pflegepersonen dann nicht nach S. 1 Nr. 1 a versicherungspflichtig, wenn sie daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbstständig tätig sind. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.
Diese grundsätzlichen Voraussetzungen für die Bejahung eines Versicherungsanspruches zu Gunsten der Klägerin sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
Nach den Regeln des deutschen Sozialversicherungsrechts sind die Beklagte und die Beigeladene zu Recht der Meinung, dass der Wohnsitz der Klägerin in Belgien der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen zu ihren Gunsten entgegensteht. Nach § 3 SGB VI gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, - nur soweit sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich des SGB IV beschäftigt oder selbstständig tätig sind (Nr. 1), - andernfalls, also soweit sie eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht voraussetzen, nur für die Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB IV haben (Nr. 2).
Die Tätigkeit als Pflegeperson gilt nach deutschem Sozialversicherungsrecht nicht als Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, so dass die Beklagte die Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts zutreffend angewandt hat.
Nach Auffassung der Kammer bestehen jedoch Zweifel, ob diese Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Wenn die im Tenor des Beschlusses genannten Fragen bejaht werden müssten, wäre dies nicht der Fall.
Zu Frage 1):
Der Kläger unterliegt als pensionierter Beamter nicht der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gemäß §§ 20, 21 SGB XI. Er unterliegt vielmehr der Regelung des § 23 SGB XI. Hiernach sind Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, verpflichtet, zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzu schließen und aufrechtzuerhalten. Der Vertrag muss ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für sie selbst und ihre Angehörigen oder Lebenspartner, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des 4. Kapitels des SGB XI gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sach leistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung.
Nähere Regelungen für die private Pflegeversicherung finden sich in § 110 SGB XI. Zu erwähnen ist insbesondere, dass die privaten Krankenversicherungsunternehmen durch diese Vorschrift verpflichtet werden, mit allen in § 23 Abs. 1 genannten versicherungspflichtigen Personen auf Antrag einen Versicherungsvertrag abzuschließen, der einen Versicherungsschutz im gesetzlich festgelegten Umfang vorsieht (Kontrahierungszwang). Diese Verträge dürfen keinen Ausschluss von Vorerkrankungen der Versicherten, keinen Ausschluss bereits pflegebedürftiger Personen sowie keine längeren Wartezeiten als in der sozialen Pflegeversicherung vorsehen. Die Prämien dürfen nicht nach Geschlecht und Gesundheitszustand der Versicherten gestaffelt werden, die Prämienhöhe darf den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung nicht übersteigen. Die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder muss unter denselben Voraussetzungen wie in der sozialen Pflegeversicherung festgelegt werden. Für Ehegatten oder Lebenspartner gilt eine Prämienhöchstgrenze in Höhe von 150 % des Höchstbeitrages der sozialen Pflegeversicherung.
Gemäß § 23 Abs. 6 SGB VI ist das private Versicherungsunternehmen verpflichtet, für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie für die Zuordnung einer Pflegestufe dieselben Maßstäbe wie in der sozialen Pflegeversicherung anzulegen.
Da im vorliegenden Fall der Pflegebedürftige nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit auch Anspruch auf Beihilfe hat, ist er gemäß § 23 Abs. 3 SGB VI lediglich zum Abschluss einer entsprechenden anteiligen beihilfekonformen Versicherung im Sinne des § 23 Abs. 1 verpflichtet. Diese beihilfekonforme Versicherung ist gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XI so auszugestalten, dass ihre Vertragsleistungen zusammen mit den Beihilfeleistungen den gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungsschutz gewährleist.
Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 05.03.1998 - Rs C - 160/96 - Molenaar - (Slg. 1998, I 880 f) entschieden, dass das System der deutschen Pflegeversicherung dem Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unterfällt. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt waren die dortigen Kläger gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit gesetzlich in der sozialen Pflegeversicherung versichert.
Nach Auffassung der Kammer dürfte sich aus der genannten Entscheidung des Gerichtshofs ergeben, dass auch das hier betroffene private Pflegeversicherungssystem dem Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unterfällt. Denn wie aus den geannten Vorschriften ersichtlich ist, hat der deutsche Gesetzgeber das private Pflegeversicherungssystem im Ergebnis der gesetzlichen sozialen Pflegeversicherung annähernd gleichgestellt. Zu erwähnen sind hierbei insbesondere der Kontrahierungszwang, die fehlende Befugnis zum Ausschluss von Vorerkrankungen oder bereits pflegebedürftiger Personen, die Verpflichtung, den Versicherungsvertrag leistungsrechtlich den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichzustellen sowie die Verpflichtung, zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit dieselben Maßstäbe wie in der sozialen Pflegeversicherung anzulegen. Damit erfüllt auch die private Pflegeversicherung die Voraussetzungen, die der Gerichtshof in der genannten Entscheidung für die Einbeziehung eines Versicherungssystems in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 aufgestellt hat. Der rein rechtstechnische Unterschied dahingehend, dass Grundlage des Versicherungsschutzes nicht das Gesetz, sondern ein Versicherungsvertrag ist, dürfte unbeachtlich sein.
Zu Frage 2)
Der Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass die Leistungen der Pflegeversicherung im Wesentlichen eine Ergänzung der Leistungen der Krankenversicherung darstellen, um den Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen der Pflegedürftigen zu verbessern und diese daher ungeachtet gewisser Besonderheiten "Leistungen bei Krankheit" im Sinne von Art. 4 I lit. a Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 sind. Für das Pflegegeld hat der Gerichtshof entschieden, dass dieses sich als eine finanzielle Unterstützung darstellt, die es ermöglicht, den Lebensstandard der Pflegebedürftigen insgesamt durch einen Ausgleich der durch ihren Zustand verursachten Mehrkosten zu verbessern und daher eine solche Leistung zu den in den Art. 19 I lit. b, 25 I lit. b und 28 I lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 genannten Geldleistungen der Krankenversicherung zählt. Die der Entscheidung zugrunde liegenden Vorlagefragen hat der Gerichtshof dahingehend beantwortet, dass es gegen diese Vorschriften verstößt, den Anspruch auf eine Leistung wie das Pflegegeld davon abhängig zu machen, dass der Versicherte in dem Staat wohnt, in dem er der Versicherung angeschlossen ist.
Nach Auffassung der Kammer könnten die hier aufgestellten Grundsätze jedenfalls analog auf die vorliegende Fallge staltung übertragen werden:
Die Leistung "Rentenversicherung der Pflegeperson" hat eine Doppelnatur. Sie kommt einerseits der Pflegeperson zugute, die - ohne eigene Beitragsleistung - Pflichtbeitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet erhält. Diese Pflichtbeitragszeiten wirken sich nicht nur bei der Alterssicherung günstig aus, sondern führen zu einer Berücksichtigung bei allen Rentenarten, also auch bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und wegen Todes und darüber hinaus auch beim Anspruch auf Reha-Maßnahmen. Die Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist unabhängig davon, ob ein Versicherungsverhältnis bereits begründet war. Pflichtbeitragszeiten aus der Pflegetätigkeit können für sich allein bereits Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung begründen.
Andererseits handelt es sich auch um eine Leistung, die dem Pflegebedürftigen zugute kommt. Denn dieser wird regelmäßig leichter eine qualifizierte Pflegekraft finden, wenn er dieser eine gesetzliche Rentenversicherung aufgrund der Pflegetätigkeit garantieren kann. Zudem entbindet die Rentenversicherung auf Kosten der Pflegekassen sowie privaten Versicherungsunternehmen und gegebenenfalls des Trägers der Beihilfe den Pflegebedürftigen davon, seinerseits - eventu ell aus den ihm gezahlten Pflegegeld - für die Altersversorgung der Pflegeperson aufzukommen oder gar die Stellung als Arbeitgeber der Pflegeperson einzunehmen, was bei einer entsprechenden Vertragsgestaltung möglich wäre.
Sinn und Zweck der Pflegeversicherung ist gemäß § 1 Abs. 1 SGB XI die soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit. Sie hat gemäß § 1 Abs. 4 SGB XI die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. Gemäß § 3 SGB XI soll die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Auch hieraus ergibt sich, dass die Leistung "soziale Sicherung der Pflegeperson" letztlich eine Leistung zu Gunsten des Pflegebedürftigen ist.
Diese Leistung ist zwar - anders als das Pflegegeld - keine direkte Geldleistung an den Pflegebedürftigen, sondern sie wird gemäß § 44 SGB XI in Form der Beitragszahlung an die gesetzliche Rentenversicherung der Pflegeperson erbracht. Dies dürfte aber nach Auffassung der Kammer nicht die analoge Anwendung der für das Pflegegeld in der genannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze hindern. Letztlich ist es nur eine technische Frage, ob das Pflegegeld um einen zweckgebundenen Zuschlag für die soziale Absicherung der Pflegeperson erhöht wird oder ob die Träger der Pflegeversicherung eine direkte Beitragszahlung zu Gunsten der gesetzlichen Rentenversicherung der Pflegeperson vornehmen. In diesem Zusammenhang verweist die Kammer auf das Urteil des Gerichtshofs vom 06.07.2000 in der Rechtssache C - 73/99 - Movrin - (Slg. 2000, I 5638), in der der Gerichtshof festgestellt hat, dass der Umstand, dass der Zuschuss zur Krankenversicherung der Rentner unmittelbar an den Krankenversicherungsträger und nicht an den in der fraglichen Krankenversicherung pflichtversicherten Rentenempfänger geleistet wird, nichts an der entscheidenden Feststellung ändert, dass diese Zahlungen zu Gunsten des Rentenempfängers geleistet werden und als Zuschlag zu seiner Rente wirken. Hieraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass auch der Gerichtshof Leistungen an Dritte zu Gunsten des Berechtigten als möglich ansieht.
Schließlich dürfte auch die Tatsache, dass vorliegend die Zahlung von Versicherungsbeiträgen streitig ist, nichts daran ändern, dass die in der genannten Entscheidung für das Pflegegeld aufgestellten Grundsätze anwendbar sind. Denn nach Auffassung der Kammer ist es, wenn eine Geldleistung direkt in den Staat des Wohnortes gezahlt werden kann, erst Recht geboten, eine Zahlung von Versicherungsbeiträgen an einen Rentenversicherungsträger im Geltungsbereich des zuständigen Staates zuzulassen, wenn lediglich die Pflegeperson im Ausland wohnt.
Zu Frage 3):
Die Kammer hat nicht nur Zweifel, ob die Ablehnung der Versicherungspflicht aufgrund des Wohnortes der Klägerin in Belgien aus Sicht des Pflegebedürftigen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, sondern auch, ob dies aus Sicht der Pflegeperson der Fall ist.
Vorauszuschicken ist, dass nach Auffassung der Kammer einer Entscheidung des Gerichtshofes nicht entgegenstehen dürfte, dass es nach der Judikatur des Gerichtshofs (Rs 110/79 - Coonan -, Slg. 1980, 1445 ff) Sache jedes Mitgliedstaates ist, durch den Erlaß von Rechtsvorschriften die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Person einem System der sozialen Sicherheit oder einem bestimmten Zweig eines solchen Systems beitreten kann oder muß. Denn vorliegend geht es nur rechtstechnisch um eine Frage der Versicherungspflicht, während es sich - wie dargelegt - der Sache nach um die Zubilligung eines Leistungsanspruchs zugunsten der Pflegeperson handelt.
Die nach dem Wohnort der Klägerin vorgenommene Differenzierung könnte gegen Art. 39 Abs. 2 EGV verstoßen. Hiernach umfasst die durch Art. 39 Abs. 1 EGV gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedsstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
Zu den Arbeitsbedingungen im Sinne dieser Vorschrift gehören auch soziale Vergünstigungen: Insgesamt wird der Kreis der sozialen Vergünstigungen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes sehr weit gezogen. Die Definition der sozialen Vergünstigung ist eine Leistung "die den in ländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnsitzes im Inland gewährt wird und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern (ständige Rechtssprechung des Gerichtshofs, vergl. EuGH Rs 207/78 - Even -, Slg. 1979, 2019; Rs c -85/96 - Sala -, Slg. 1998, I 2691 f).
Wie dargelegt, handelt es sich bei der Versicherung von Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung um eine Leistung zur sozialen Sicherung der Pflegeperson (§§ 28 Abs. 1 Nr. 10, 44 Abs. 1 S. 1 SGB XI).
Artikel 39 EGV verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur offensichtliche Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen. Diskriminierend ist daher die Anwendung scheinbar neutraler Kritieren, Regelungen oder Praktiken, die sich tatsächlich auf ausländische Arbeitnehmer nachteilig auswirken. Eine typische Anknüpfung, die zu versteckten Diskriminierungen führt, ist daher das Abstellen auf den Wohnsitz, was sich insbesondere bei Grenzgängern nachteilig auswirken kann (vgl. hierzu insbesondere: EuGH Rs C - 57/96 - Meints -, Slg. 1997, I - 6689).
Allerdings ist - wie bereits dargelegt - festzuhalten, dass die Klägerin nach den Vorschriften des deutschen Sozialgesetzbuches nicht als Arbeitnehmerin anzusehen ist. Dies ist gerade Grund für deren Anspruch auf soziale Sicherung. Pflegepersonen sind nämlich in der Regel Familienangehörige, aber auch Nachbarn, Freunde und sonstige Helfer, deren Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich gefördert und anerkannt werden soll und deren oftmals ganzer oder teilweiser Verzicht auf eine eigene Berufstätigkeit sozial abgesichert werden soll (Bundestagsdrucksache 12/5262 S. 82, 100 ff.). Dies dürfte indes für die Anwendung von Art. 39 EGV unbeachtlich sein. Denn in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts (EuGH, Rs 75/63 - Unger -, Slg. 1964, 379 f). Dieser Begriff wird vom Gerichtshof weit ausgelegt. Maßgeb lich ist zwar eine tatsächliche und echte Erwerbstätigkeit, jedoch darf kein Mindestumfang festgelegt werden, so dass selbst eine nicht existenzsichernde Teilzeitbeschäftigung ausreicht (vergl. EuGH, Rs 53/81 - Levin -, Slg. 1982, 1035 und Rs 139/85 - Kempf -, Slg. 1986, 1741).
Die Klägerin könnte unter diesen weiten gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen. Denn es ist nicht zu verkennen, dass ihre Pflegetätigkeit auch wesentliche Gemeinsamkeiten mit der Tätigkeit von Arbeitnehmern aufweist. Die Klägerin erhält für ihre Tätigkeit einen Betrag von etwa 400,00 EUR monatlich, was einen nicht unerheblichen Beitrag zu ihrem Familieneinkommen darstellen dürfte und in wirtschaftlicher Hinsicht einer nicht existenzsichernden Teilzeitbeschäf tigung gleichkommt. Auch arbeitet die Klägerin lediglich für einen Auftraggeber - den Pflegebedürftigen - und übt daneben keine weiteren Pflegetätigkeiten oder sonstige Beschäftigungen aus.
Auch nach deutschem Sozialversicherungsrecht führt die Tatsache allein, dass die betroffene Person einer Pflegetätigkeit nachgeht, nicht zur Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft. Vielmehr ist die Abgrenzung zwischen erwerbsmäßiger Pflegetätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbstständigen Tä tigkeit einerseits und ihren amtlichen Pflegetätigkeiten mit finanzieller Anerkennung andererseits unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Diese vom nationalen Versicherungsrecht geprägte Abgrenzung könnte nach Auffassung der Kammer gemeinschaftsrechtlich unbeachtlich sein.
Sofern die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin im Sinne des Art. 39 EGV bejaht würde, könnte sie auch als eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, im Sinne des Art. 13 Abs. 2 a Verordnung (EWG) 1408/71 anzusehen sein, mit der Folge, dass auch aus diesem Gesichtspunkt der ausländische Wohnsitz einem Anspruch auf Rentenversicherung nicht entgegensteht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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