Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 201/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 418/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Berufsgenossenschaft kann sich auf den Ablauf der Anmeldefrist i.S.d. § 1546 RVO in der Fassung vom 30.04.1963 nicht berufen, wenn die den Kläger behandelnden Ärzte ihre gemäß § 5 Abs.1 BKVO bzw. ab 01.01.1997 § 202 SGB VII bestehenden Verpflichtung versäumen, ihr unverzüglich eine festgestellte Berufskrankheit oder den ernsthaften Verdacht darauf, zu melden.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.07.1996 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.02.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.1994 verurteilt, dem Kläger Rente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente auch für die Zeit vom 01.08.1980 bis 31.08.1988 zu gewähren.
II. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am ...1955 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 27.09.1988, eingegangen bei der Bayerischen Bau-BG am 30.09.1988, eine Rente wegen einer Erkrankung des rechten Handgelenkes. Die Bau-BG leitete den Antrag mit Schreiben vom 31.01.1989 an die Beklagte weiter.
Beigezogen wurden Unterlagen des Krankenhauses Passau, des Klinikums rechts der Isar mit Kernspintomographie vom 26.10.1988, der AOK München sowie Auskünfte der Arbeitgeber des Klägers.
Der Kläger hatte den Beruf des Metzgers erlernt, war dann aber anschließend ab 12.11.1973 als Hilfsmonteur, Schlosserhelfer, Schmiedehelfer und Tiefbauhelfer beschäftigt. Vom 12.11.1973 bis 24.02.1974, vom 25.03.1974 bis 03.07.1974 und vom 19.08.1974 bis 31.10.1974 arbeitete er mit einem Schlagschrauber. Im Februar 1977, vom 23.05.1977 bis 19.08.1977, vom 29.08.1977 bis 31.07.1979 und vom 03.09.1979 bis 16.10.1979 arbeitete er mit Hammer, Schlagschrauber und Kompressor. Am 12.11.1979 wurde er wegen einer Tendovaginitis des rechten Handgelenkes arbeitsunfähig krank. Der behandelnde Arzt, der Allgemeinarzt Dr ..., überwies ihn an den Orthopäden Dr ..., der mitteilte, der Kläger sei erstmalig am 07.01. 1980 in seine ambulante Behandlung gekommen. Er habe damals angegeben, seit zwei bis drei Jahren Schmerzen im Bereich des rechten Handgelenkes zu haben, besonders bei Belastung. Ein Unfallereignis habe nicht vorgelegen. Wegen der röntgenologisch festgestellten Lunatummalazie rechts sei der Kläger zum Klinikum rechts der Isar überwiesen worden. Dort wurde der Kläger vom 12.08. bis 26.08.1980 stationär behandelt. Am 13.08.1980 erfolgte eine Radiusverkürzungsosteotomie rechts bei Lunatummalazie. Mit Schreiben vom 11.09.1980 teilten die Ärzte des Klinikums Dr ... mit, der Patient habe seit zwei bis drei Jahren Schmerzen im rechten Handgelenk bei Arbeiten im Kabelbau. Es handele sich um eine Lunatummalazie.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten stellte am 28.08.1989 fest, der Kläger habe vom 12.03.1973 mit Unterbrechungen bis zum 31.12.1984 ca. 14 Monate lang Arbeiten ausgeführt, bei denen die Verwendung von Schlagschraubern und Handhämmern erforderlich gewesen sei; ca. 44 Monate sei er auf Kabel- und Wasserleitungsbaustellen tätig gewesen und habe dabei neben gelegentlicher Bedienung eines Abbauhammers auch mit einem Bodenverdichtungsgerät gearbeitet. Es könne mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeiten auf der Kabelbaustelle geeignet gewesen seien, eine Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage zur BKVO zu verursachen.
Im Gutachten vom 13.02.1990 kam Prof.Dr ... zu dem Ergebnis, beim Kläger liege mit Wahrscheinlichkeit eine Berufskrankheit i.S. der Nr.2103 vor. Vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit bis 31.07.1980 liege eine MdE von 10 v.H. vor, vom 01.08.1980 bis 31.05.1989 von 20 v.H. (hier sei die 1980 durchgeführte erste Operation zu berücksichtigen), seit 01.06.1989 (Handgelenksversteifung vom 25.06.1989) eine MdE von 30 v.H ...
In der gutachtlichen Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes Dr ... vom 04.04.1990 wird erklärt, aufgrund der vorliegenden Unterlagen und des Gutachtens von Prof ... sei eine berufliche Verursachung wahrscheinlich.
Im Gutachten vom 26.04.1991 führte der Chirurg Dr ... aus, der Eintritt des Versicherungsfalles müsse auf den 12.11.1979 gelegt werden. Ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach dieser erstmaligen Behandlung im ursächlichen Zusammenhang mit dem Mondbeintod dürfe eine MdE von 10 v.H. bestanden haben bis zum 31.07.1980, danach ab 01.08.1980 eine MdE von 20 v.H. durchgehend bis zum 31.05.1989 und ab dem 01.06.1989 bis heute und weiterhin eine MdE von 30 v.H.
Mit Bescheid vom 26.02.1993 stellte die Beklagte fest, beim Kläger bestehe eine operativ versorgte Mondbeinerkrankung am rechten Handgelenk. Es handele sich um eine Berufskrankheit nach Nr.2103 der Anlage der BKVO. Als Folgen der Berufskrankheit wurden anerkannt: Weitestgehend schmerzhafte Einsteifung des rechten Handgelenkes in Mittelstellung, leichte Drehbehinderung des rechten Unterarmes, Muskel- und Kraftminderung des rechten Armes und der Hand, leichte Kalksalzminderung und formverbildende Veränderungen im Speichengelenk rechts sowie glaubhafte Beschwerden bei Zustand nach operativ versorgter Mondbeinerkrankung des rechten Handgelenks. Nicht anerkannt wurden Chronisches Cervikal- und Lumbalsyndrom nebst einer diskreten Nacken-Schulter-Armsymptomatik links. Die Rente beginne mit dem Ersten des Antragsmonats (§ 1546 RVO), also am 01.09.1988. Die Krankheit habe im Sinne der Krankenversicherung am 12.11.1979 begonnen.
Mit Widerspruch vom 25.03.1993 wandte der Kläger ein, der Versicherungsfall sei im November 1979 eingetreten. Er habe bereits früher einen Antrag gestellt. Der Kläger bezog sich dabei auf einen Aktenvermerk vom 21.12.1988 sowie auf die Ausführungen des Bediensteten der Beklagten, Herrn ..., vom 30.12. 1988 gegenüber der Bau-BG. Herr ... hatte erklärt, dass die Freundin des Versicherten, Frau ..., angerufen und erklärt habe, es sei bereits früher ein Antrag gestellt worden, und zwar habe es sich um einen telefonischen Kontakt mit Herrn ... von der Bau-BG gehandelt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Einer Vorverlegung des Rentenbeginns stehe § 1546 RVO entgegen. Die Entschädigung sei weder von Amts wegen festgestellt, noch sei ein Anspruch spätestens zwei Jahre nach Eintritt des Versicherungsfalles angemeldet worden. Daher komme als Zeitpunkt des Rentenbeginns nur der Erste des Antragsmonats in Betracht.
Mit der Klage vom 04.08.1994 hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, seine Erkrankung habe am 12.11.1979 erstmals ärztlicher Behandlung bedurft. Der Rentenbeginn sei jedenfalls vor dem 01.09.1988 festzustellen. Die Beklagte hätte bereits 1979 ein Feststellungsverfahren einleiten müssen. Die verspätete Anmeldung sei durch Verhältnisse begründet, die außerhalb des Willens des Klägers gelegen hätten. Der Kläger hätte die medizinischen Zusammenhänge nicht erkennen können.
Das SG hat dienstliche Stellungnahmen der Herren ... und ... eingeholt. In der Stellungnahme vom 25.06.1996 hat Herr ... von der Beklagten ausgeführt, die Freundin des Klägers habe ihn über eine Kontaktaufnahme mit der Bau-BG informiert. In der Stellungnahme vom gleichen Tag hat Herr ... erklärt, er könne sich nicht mehr erinnern, mit dem Kläger ein Telefongespräch geführt zu haben.
Mit Urteil vom 23.07.1996 hat das SG die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe den Antrag erst am 30.09.1988 gestellt. Er sei nicht durch außerhalb seines Willens liegende Verhältnisse gehindert gewesen, den Antrag früher zu stellen. Eine Anmeldung bei der BG vor September 1988 sei nicht erwiesen. § 1546 RVO gehe § 45 SGB I vor. Ein Herstellungsanspruch sei ebenfalls nicht zu begründen, denn es liege kein Fehlverhalten der Beklagten vor. Eine frühere Kontaktaufnahme des Klägers mit der Beklagten oder der Bau-BG sei nicht bewiesen. Die Beklagte habe nicht ahnen können, dass beim Kläger eine Berufskrankheit vorliege. Weder der AOK noch einer BG sei 1979 oder 1980 der Verdacht auf Berufskrankheit angezeigt worden.
Mit der Berufung vom 23.12.1996 macht der Kläger geltend, der Rentenbeginn sei auf einen Zeitpunkt vor dem 01.09.1988 festzulegen. Es könne ihm nicht angelastet werden, die genauen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nicht gekannt zu haben. Jedenfalls habe Frau ... bereits vor September 1988 Kontakt mit der Berufskrankheitenstelle der BG aufgenommen. Zumindest wäre gemäß § 45 SGB I von einer weiteren vierjährigen Anspruchsdauer auszugehen. Der Kläger habe schon 1980 gegenüber den Ärzten und dem Vertrauensarzt der Krankenkasse darauf hingewiesen, dass seine Erkrankung mit dem Beruf zusammenhänge. Insofern sei ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben. Gemäß § 5 der BKVO hätten Ärzte den begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit unverzüglich anzuzeigen. Dies könne nicht zu Lasten des Klägers gehen. Auch aus den Mitteilungen der AOK sei ersichtlich, dass 1979 und 1981 Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen der Erkrankung des rechten Handgelenks vorgelegen hätten. Es sei sogar ein Arbeitsunfall als Krankheitsursache angegeben. Hier hätte die AOK die Verpflichtung gehabt, dies mit der BG zu klären.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 04.10.1999 gab Herr ... von der Bau-BG als Zeuge an, er könne sich an ein Gespräch bzw. Telefongespräch mit dem Kläger oder Frau ... vor dem 30.09.1988 nicht mehr erinnern. Herr ... von der Beklagten erklärte als Zeuge, etwa Mitte Dezember 1988 habe ihn Frau ... angerufen und sich nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Sie habe ihm erzählt, dass sie zunächst bei der Bau-BG angerufen und dort erfahren habe, dass kein Antragsverfahren anhängig sei. Deshalb habe sie wissen wollen, ob ein Antrag bei der Tiefbau-BG vorliege. Über den Zeitpunkt der Antragstellung sei nicht gesprochen worden.
Die Zeugin ... erklärte, 1987 sei sie mit dem Kläger zusammengezogen. Von diesem Zeitpunkt an habe sie Behördenangelegenheiten für ihn erledigt und Mitte 1987 bei der Bau-BG angerufen und sich erkundigt, was zu unternehmen sei, damit der Kläger zu einer Anerkennung seiner Berufskrankheit komme. Ihr sei die Auskunft erteilt worden, die BG werde ihre Zuständigkeit prüfen. Da sie von der BG nichts mehr gehört habe, habe sie 1988 den schriftlichen Antrag verfasst.
Mit Schreiben vom 06.10.1999 wendet die Beklagte ein, es dürfte vielmehr so gewesen sein, dass die Zeugin durch den Prozessbevollmächtigten auf die Zuständigkeitsproblematik und das Erfordernis einer Antragstellung hingewiesen worden sei. Im Übrigen sei allgemein bekannt, dass für Sozialleistungen in der Regel ein schriftlicher Antrag erforderlich sei. Die Beweisaufnahme habe die Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestätigt. Für die Beklagte komme eine vergleichsweise Erledigung nicht in Betracht.
Auf Anfrage des Senats haben der Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik rechts der Isar sowie Dr ... mitgeteilt, Unterlagen über die Behandlung des Klägers 1980 lägen nicht mehr vor.
Der Kläger erklärt mit Schreiben vom 21.10.1999, die Zeugin habe eindeutig angegeben, dass sie auf die Notwendigkeit einer schriftlichen Antragstellung nicht hingewiesen worden sei. Die Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit der Angaben der Zeugin seien unangebracht. 1980 habe der Vertrauensarzt der AOK dem Kläger mitgeteilt, die Stellung eines Rentenantrags wäre sinnlos. Im vorliegenden Fall seien gravierende Pflichtverletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsträger zu verzeichnen. Dadurch sei die sofortige Anmeldung der Ansprüche unterblieben. Dies sei demnach durch Verhältnisse begründet, die außerhalb des Willens des Klägers gelegen hätten. Es könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, dass er falsch bzw. nicht informiert worden sei.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 26.02.1993 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.07.1994 den Rentenbeginn im Hinblick auf den Eintritt des Versicherungsfalles auf eine Zeit vor dem 01.09.1988 festzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden war (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII in Verbindung mit § 580 RVO).
Streitig ist im vorliegenden Fall der Rentenbeginn, den die Beklagte zu Unrecht auf den 01.09.1988 gelegt hat. Unstreitig besteht beim Kläger eine Berufskrankheit im Sinne der Nr.2103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung, nämlich eine Lunatummalazie als Folge der Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen. Dies ist durch die ärztlichen Gutachten der Chirurgen Prof.Dr ... und Dr ... vom 13.02.1990 und 26.04.1991 festgestellt, ebenso, dass der Versicherungsfall am 12.11.1979 eingetreten ist und ab 01.08.1980 eine MdE um mindestens 20 v.H. vorgelegen hat.
Gemäß § 580 Abs.1 und 2 RVO erhält ein Versicherter eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Die Rente beginnt mit dem Tage nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung. Weder zum 12.11.1979 noch zum 01.08.1980 hat die Beklagte aber Feststellungen bezüglich der Berufskrankheit getroffen. Gemäß § 1546 RVO, der für Versicherungsfälle nach dem 01.07.1963 gilt (inzwischen gestrichen durch Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 07.08.1996 - BGBl.I S.1254, Art.35 Nr.1), ist der Anspruch auf Unfallentschädigung spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wird. Wird der Anspruch später angemeldet, so beginnen die Leistungen mit dem Ersten des Antragsmonats, es sei denn, dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. Als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls im Sinne dieser Vorschrift gilt bei einer Berufskrankheit das Ende der sie verursachenden Beschäftigung, wenn die Krankheit oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit während der Beschäftigung des Versicherten in dem Unternehmen eingetreten ist, in dem er zuletzt Arbeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen.
Die Beklagte hat von der Berufskrankheit des Klägers erst 1988 durch dessen Antrag Kenntnis erlangt und daher eine Entschädigung nicht früher von Amts wegen festgestellt. Der Kläger hat den Anspruch auch nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Eintritt des Versicherungsfalles - 12.11.1979 - angemeldet. Gefährdende Tätigkeiten hat er nach Eintritt des Versicherungsfalles von 1981 bis 1983 bei der Firma ... sowie ab August 1984 bis September 1988 bei der Firma ... und zuletzt wieder bei der Firma ... verrichtet.
Die Geltendmachung seiner Ansprüche später als zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles war aber durch Verhältnisse begründet, die außerhalb des Willens des Klägers lagen, nämlich durch die falschen Auskünfte seiner behandelnden Ärzte und der Krankenkasse.
Unkenntnis der Rechtsvorschriften hindert grundsätzlich den Fristablauf nicht (vgl. BSGE 16, 7; 71, 38). Der Kläger hat aber die Anmeldung aufgrund einer unzutreffenden Beurteilung des Ursachenzusammenhangs durch seine Ärzte unterlassen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 20.01.1993, Breithaupt 1993, 621, 625; Pickel, Kommentar zum Sechsten Buch der RVO, § 1546 Anm.3 f; Gesamtkommentar zur RVO, § 1546 Anm.5; BSGE 83, 30; BSG SozR § 1547 RVO Nr.3).
Der behandelnde Arzt, der Orthopäde Dr ..., hat den Kläger an das Klinikum rechts der Isar überwiesen, wo er am 13.08.1980 operiert wurde. Spätestens durch den Arztbrief der Klinik vom 06.06.1980, in dem die Verdachtsdiagnose Lunatummalazie bestätigt wurde, hätten entweder Dr ... oder Prof.Dr ... von der Orthopädischen Klinik rechts der Isar der Beklagten den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit mitteilen müssen. Prof.Dr ... hat in den Arztbriefen an Dr ... vom 06.06.1980 und 11.09.1980 lediglich darauf hingewiesen, dass dem Patienten ein echtes Trauma des rechten Handgelenkes nicht erinnerlich sei und dass er seit zwei bis drei Jahren Schmerzen im rechten Handgelenk bei Arbeiten im Kabelbau habe. Gerade die zweite Bemerkung über die Tätigkeit des Klägers deutet auf einen Zusammenhang der Erkrankung mit der Berufstätigkeit hin, so dass ernsthafte und konkrete Anhaltspunkte für eine Krankheit nach der Berufskrankheitenliste vorlagen (vgl. Kass.Komm.§ 202 SGB VII, Rdnr.3). Dass die behandelnden Ärzte die gemäß § 5 Abs.1 BKVO - ab 01.01.1997 § 202 SGB VII - bestehende Verpflichtung bei der Feststellung von Berufskrankheiten mitzuwirken, versäumt und die Beklagte nicht unverzüglich über die Erkrankung unterrichtet haben, hindert den Ablauf der Frist des § 1546 RVO. Dem Kläger blieb nämlich die Erkenntnis des ursächlichen Zusammenhangs infolge der unzutreffenden medizinischen Beurteilung durch die behandelnden Ärzte verschlossen (vgl. BSG SozR § 1547 RVO Nr.3). Einer falschen Belehrung durch den behandelnden Arzt, wie sie das BSG erwähnt, steht der unterlassene Hinweis auf einen wahrscheinlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der Berufskrankheit gleich. Damit war dem Kläger die rechtzeitige Anmeldung seines Anspruchs unmöglich.
Der Kläger hat außerdem geltend gemacht, sowohl von der Krankenkasse als auch vom Vertrauensarzt der Krankenkasse falsch beraten worden zu sein. Dieses Vorbringen ist insofern glaubhaft, als die AOK München in ihren Unterlagen für die Zeit vom 12.11.1979 bis 17.11.1979 Arbeitsunfähigkeit wegen eines Arbeitsunfalles (wenn auch nicht wegen einer Berufskrankheit) vermerkt hat, ohne diesen Tatbestand der Beklagten mitzuteilen. Im Hinweis des Klägers auf den Zusammenhang zwischen Krankheit und Berufstätigkeit ist eine Antragstellung auf Leistungen der Unfallversicherung zu sehen. Infolge der falschen Auskünfte bzw. der unterlassenen Information der Beklagten durch die Ärzte und die Krankenkasse ist die Ausschlussfrist des § 1546 Abs.1 RVO nicht abgelaufen. Gemäß § 18 Abs.2 SGB I sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Dabei ist der unzuständige Leistungsträger verpflichtet, den zuständigen Leistungsträger zu ermitteln (Kass.Komm. § 17 SGB I, RdNr.8). Soweit der Antrag, wie im Fall des § 1546 Abs.1 RVO, von Bedeutung für die von Amts wegen zu erbringende Leistung ist, gilt er als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei der unzuständigen Stelle eingegangen ist. Dies hat zur Folge, dass die Leistungspflicht spätestens mit dem 01.08.1980 beginnt (vgl. Gesamtkommentar zur RVO, § 1546 Anm.5; Pickel, Kommentar zum Sechsten Buch der RVO, § 1546 Anm.3 f).
Da die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht, auch nicht hilfsweise, geltend gemacht hat und die Verjährung nicht von Amts wegen, sondern nur auf die Einrede hin zu beachten ist, ist von einem Leistungsbeginn am 01.08.1980 auszugehen (vgl. Kass.Komm. § 45 SGB I RdNr.14).
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn die Folgen der Pflichtverletzung eines Leistungsträgers bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Gesetz weder speziell geregelt, noch darin in anderer Weise, etwa durch Härteklauseln, Wiedereinsetzungsregeln oder Fiktion konzeptionell mitbedacht sind (BSG vom 15.12.1994, SozR 3-2600 § 58 SGB VI Nr.2). Da der Kläger gemäß § 1546 Abs.1 2. Halbsatz RVO ein Wiedereinsetzungsrecht hat, kommt also der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht zum Zuge.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revison gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am ...1955 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 27.09.1988, eingegangen bei der Bayerischen Bau-BG am 30.09.1988, eine Rente wegen einer Erkrankung des rechten Handgelenkes. Die Bau-BG leitete den Antrag mit Schreiben vom 31.01.1989 an die Beklagte weiter.
Beigezogen wurden Unterlagen des Krankenhauses Passau, des Klinikums rechts der Isar mit Kernspintomographie vom 26.10.1988, der AOK München sowie Auskünfte der Arbeitgeber des Klägers.
Der Kläger hatte den Beruf des Metzgers erlernt, war dann aber anschließend ab 12.11.1973 als Hilfsmonteur, Schlosserhelfer, Schmiedehelfer und Tiefbauhelfer beschäftigt. Vom 12.11.1973 bis 24.02.1974, vom 25.03.1974 bis 03.07.1974 und vom 19.08.1974 bis 31.10.1974 arbeitete er mit einem Schlagschrauber. Im Februar 1977, vom 23.05.1977 bis 19.08.1977, vom 29.08.1977 bis 31.07.1979 und vom 03.09.1979 bis 16.10.1979 arbeitete er mit Hammer, Schlagschrauber und Kompressor. Am 12.11.1979 wurde er wegen einer Tendovaginitis des rechten Handgelenkes arbeitsunfähig krank. Der behandelnde Arzt, der Allgemeinarzt Dr ..., überwies ihn an den Orthopäden Dr ..., der mitteilte, der Kläger sei erstmalig am 07.01. 1980 in seine ambulante Behandlung gekommen. Er habe damals angegeben, seit zwei bis drei Jahren Schmerzen im Bereich des rechten Handgelenkes zu haben, besonders bei Belastung. Ein Unfallereignis habe nicht vorgelegen. Wegen der röntgenologisch festgestellten Lunatummalazie rechts sei der Kläger zum Klinikum rechts der Isar überwiesen worden. Dort wurde der Kläger vom 12.08. bis 26.08.1980 stationär behandelt. Am 13.08.1980 erfolgte eine Radiusverkürzungsosteotomie rechts bei Lunatummalazie. Mit Schreiben vom 11.09.1980 teilten die Ärzte des Klinikums Dr ... mit, der Patient habe seit zwei bis drei Jahren Schmerzen im rechten Handgelenk bei Arbeiten im Kabelbau. Es handele sich um eine Lunatummalazie.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten stellte am 28.08.1989 fest, der Kläger habe vom 12.03.1973 mit Unterbrechungen bis zum 31.12.1984 ca. 14 Monate lang Arbeiten ausgeführt, bei denen die Verwendung von Schlagschraubern und Handhämmern erforderlich gewesen sei; ca. 44 Monate sei er auf Kabel- und Wasserleitungsbaustellen tätig gewesen und habe dabei neben gelegentlicher Bedienung eines Abbauhammers auch mit einem Bodenverdichtungsgerät gearbeitet. Es könne mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeiten auf der Kabelbaustelle geeignet gewesen seien, eine Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage zur BKVO zu verursachen.
Im Gutachten vom 13.02.1990 kam Prof.Dr ... zu dem Ergebnis, beim Kläger liege mit Wahrscheinlichkeit eine Berufskrankheit i.S. der Nr.2103 vor. Vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit bis 31.07.1980 liege eine MdE von 10 v.H. vor, vom 01.08.1980 bis 31.05.1989 von 20 v.H. (hier sei die 1980 durchgeführte erste Operation zu berücksichtigen), seit 01.06.1989 (Handgelenksversteifung vom 25.06.1989) eine MdE von 30 v.H ...
In der gutachtlichen Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes Dr ... vom 04.04.1990 wird erklärt, aufgrund der vorliegenden Unterlagen und des Gutachtens von Prof ... sei eine berufliche Verursachung wahrscheinlich.
Im Gutachten vom 26.04.1991 führte der Chirurg Dr ... aus, der Eintritt des Versicherungsfalles müsse auf den 12.11.1979 gelegt werden. Ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach dieser erstmaligen Behandlung im ursächlichen Zusammenhang mit dem Mondbeintod dürfe eine MdE von 10 v.H. bestanden haben bis zum 31.07.1980, danach ab 01.08.1980 eine MdE von 20 v.H. durchgehend bis zum 31.05.1989 und ab dem 01.06.1989 bis heute und weiterhin eine MdE von 30 v.H.
Mit Bescheid vom 26.02.1993 stellte die Beklagte fest, beim Kläger bestehe eine operativ versorgte Mondbeinerkrankung am rechten Handgelenk. Es handele sich um eine Berufskrankheit nach Nr.2103 der Anlage der BKVO. Als Folgen der Berufskrankheit wurden anerkannt: Weitestgehend schmerzhafte Einsteifung des rechten Handgelenkes in Mittelstellung, leichte Drehbehinderung des rechten Unterarmes, Muskel- und Kraftminderung des rechten Armes und der Hand, leichte Kalksalzminderung und formverbildende Veränderungen im Speichengelenk rechts sowie glaubhafte Beschwerden bei Zustand nach operativ versorgter Mondbeinerkrankung des rechten Handgelenks. Nicht anerkannt wurden Chronisches Cervikal- und Lumbalsyndrom nebst einer diskreten Nacken-Schulter-Armsymptomatik links. Die Rente beginne mit dem Ersten des Antragsmonats (§ 1546 RVO), also am 01.09.1988. Die Krankheit habe im Sinne der Krankenversicherung am 12.11.1979 begonnen.
Mit Widerspruch vom 25.03.1993 wandte der Kläger ein, der Versicherungsfall sei im November 1979 eingetreten. Er habe bereits früher einen Antrag gestellt. Der Kläger bezog sich dabei auf einen Aktenvermerk vom 21.12.1988 sowie auf die Ausführungen des Bediensteten der Beklagten, Herrn ..., vom 30.12. 1988 gegenüber der Bau-BG. Herr ... hatte erklärt, dass die Freundin des Versicherten, Frau ..., angerufen und erklärt habe, es sei bereits früher ein Antrag gestellt worden, und zwar habe es sich um einen telefonischen Kontakt mit Herrn ... von der Bau-BG gehandelt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Einer Vorverlegung des Rentenbeginns stehe § 1546 RVO entgegen. Die Entschädigung sei weder von Amts wegen festgestellt, noch sei ein Anspruch spätestens zwei Jahre nach Eintritt des Versicherungsfalles angemeldet worden. Daher komme als Zeitpunkt des Rentenbeginns nur der Erste des Antragsmonats in Betracht.
Mit der Klage vom 04.08.1994 hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, seine Erkrankung habe am 12.11.1979 erstmals ärztlicher Behandlung bedurft. Der Rentenbeginn sei jedenfalls vor dem 01.09.1988 festzustellen. Die Beklagte hätte bereits 1979 ein Feststellungsverfahren einleiten müssen. Die verspätete Anmeldung sei durch Verhältnisse begründet, die außerhalb des Willens des Klägers gelegen hätten. Der Kläger hätte die medizinischen Zusammenhänge nicht erkennen können.
Das SG hat dienstliche Stellungnahmen der Herren ... und ... eingeholt. In der Stellungnahme vom 25.06.1996 hat Herr ... von der Beklagten ausgeführt, die Freundin des Klägers habe ihn über eine Kontaktaufnahme mit der Bau-BG informiert. In der Stellungnahme vom gleichen Tag hat Herr ... erklärt, er könne sich nicht mehr erinnern, mit dem Kläger ein Telefongespräch geführt zu haben.
Mit Urteil vom 23.07.1996 hat das SG die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe den Antrag erst am 30.09.1988 gestellt. Er sei nicht durch außerhalb seines Willens liegende Verhältnisse gehindert gewesen, den Antrag früher zu stellen. Eine Anmeldung bei der BG vor September 1988 sei nicht erwiesen. § 1546 RVO gehe § 45 SGB I vor. Ein Herstellungsanspruch sei ebenfalls nicht zu begründen, denn es liege kein Fehlverhalten der Beklagten vor. Eine frühere Kontaktaufnahme des Klägers mit der Beklagten oder der Bau-BG sei nicht bewiesen. Die Beklagte habe nicht ahnen können, dass beim Kläger eine Berufskrankheit vorliege. Weder der AOK noch einer BG sei 1979 oder 1980 der Verdacht auf Berufskrankheit angezeigt worden.
Mit der Berufung vom 23.12.1996 macht der Kläger geltend, der Rentenbeginn sei auf einen Zeitpunkt vor dem 01.09.1988 festzulegen. Es könne ihm nicht angelastet werden, die genauen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nicht gekannt zu haben. Jedenfalls habe Frau ... bereits vor September 1988 Kontakt mit der Berufskrankheitenstelle der BG aufgenommen. Zumindest wäre gemäß § 45 SGB I von einer weiteren vierjährigen Anspruchsdauer auszugehen. Der Kläger habe schon 1980 gegenüber den Ärzten und dem Vertrauensarzt der Krankenkasse darauf hingewiesen, dass seine Erkrankung mit dem Beruf zusammenhänge. Insofern sei ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben. Gemäß § 5 der BKVO hätten Ärzte den begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit unverzüglich anzuzeigen. Dies könne nicht zu Lasten des Klägers gehen. Auch aus den Mitteilungen der AOK sei ersichtlich, dass 1979 und 1981 Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen der Erkrankung des rechten Handgelenks vorgelegen hätten. Es sei sogar ein Arbeitsunfall als Krankheitsursache angegeben. Hier hätte die AOK die Verpflichtung gehabt, dies mit der BG zu klären.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 04.10.1999 gab Herr ... von der Bau-BG als Zeuge an, er könne sich an ein Gespräch bzw. Telefongespräch mit dem Kläger oder Frau ... vor dem 30.09.1988 nicht mehr erinnern. Herr ... von der Beklagten erklärte als Zeuge, etwa Mitte Dezember 1988 habe ihn Frau ... angerufen und sich nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Sie habe ihm erzählt, dass sie zunächst bei der Bau-BG angerufen und dort erfahren habe, dass kein Antragsverfahren anhängig sei. Deshalb habe sie wissen wollen, ob ein Antrag bei der Tiefbau-BG vorliege. Über den Zeitpunkt der Antragstellung sei nicht gesprochen worden.
Die Zeugin ... erklärte, 1987 sei sie mit dem Kläger zusammengezogen. Von diesem Zeitpunkt an habe sie Behördenangelegenheiten für ihn erledigt und Mitte 1987 bei der Bau-BG angerufen und sich erkundigt, was zu unternehmen sei, damit der Kläger zu einer Anerkennung seiner Berufskrankheit komme. Ihr sei die Auskunft erteilt worden, die BG werde ihre Zuständigkeit prüfen. Da sie von der BG nichts mehr gehört habe, habe sie 1988 den schriftlichen Antrag verfasst.
Mit Schreiben vom 06.10.1999 wendet die Beklagte ein, es dürfte vielmehr so gewesen sein, dass die Zeugin durch den Prozessbevollmächtigten auf die Zuständigkeitsproblematik und das Erfordernis einer Antragstellung hingewiesen worden sei. Im Übrigen sei allgemein bekannt, dass für Sozialleistungen in der Regel ein schriftlicher Antrag erforderlich sei. Die Beweisaufnahme habe die Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestätigt. Für die Beklagte komme eine vergleichsweise Erledigung nicht in Betracht.
Auf Anfrage des Senats haben der Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik rechts der Isar sowie Dr ... mitgeteilt, Unterlagen über die Behandlung des Klägers 1980 lägen nicht mehr vor.
Der Kläger erklärt mit Schreiben vom 21.10.1999, die Zeugin habe eindeutig angegeben, dass sie auf die Notwendigkeit einer schriftlichen Antragstellung nicht hingewiesen worden sei. Die Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit der Angaben der Zeugin seien unangebracht. 1980 habe der Vertrauensarzt der AOK dem Kläger mitgeteilt, die Stellung eines Rentenantrags wäre sinnlos. Im vorliegenden Fall seien gravierende Pflichtverletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsträger zu verzeichnen. Dadurch sei die sofortige Anmeldung der Ansprüche unterblieben. Dies sei demnach durch Verhältnisse begründet, die außerhalb des Willens des Klägers gelegen hätten. Es könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, dass er falsch bzw. nicht informiert worden sei.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 26.02.1993 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.07.1994 den Rentenbeginn im Hinblick auf den Eintritt des Versicherungsfalles auf eine Zeit vor dem 01.09.1988 festzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden war (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII in Verbindung mit § 580 RVO).
Streitig ist im vorliegenden Fall der Rentenbeginn, den die Beklagte zu Unrecht auf den 01.09.1988 gelegt hat. Unstreitig besteht beim Kläger eine Berufskrankheit im Sinne der Nr.2103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung, nämlich eine Lunatummalazie als Folge der Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen. Dies ist durch die ärztlichen Gutachten der Chirurgen Prof.Dr ... und Dr ... vom 13.02.1990 und 26.04.1991 festgestellt, ebenso, dass der Versicherungsfall am 12.11.1979 eingetreten ist und ab 01.08.1980 eine MdE um mindestens 20 v.H. vorgelegen hat.
Gemäß § 580 Abs.1 und 2 RVO erhält ein Versicherter eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Die Rente beginnt mit dem Tage nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung. Weder zum 12.11.1979 noch zum 01.08.1980 hat die Beklagte aber Feststellungen bezüglich der Berufskrankheit getroffen. Gemäß § 1546 RVO, der für Versicherungsfälle nach dem 01.07.1963 gilt (inzwischen gestrichen durch Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 07.08.1996 - BGBl.I S.1254, Art.35 Nr.1), ist der Anspruch auf Unfallentschädigung spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wird. Wird der Anspruch später angemeldet, so beginnen die Leistungen mit dem Ersten des Antragsmonats, es sei denn, dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. Als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls im Sinne dieser Vorschrift gilt bei einer Berufskrankheit das Ende der sie verursachenden Beschäftigung, wenn die Krankheit oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit während der Beschäftigung des Versicherten in dem Unternehmen eingetreten ist, in dem er zuletzt Arbeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen.
Die Beklagte hat von der Berufskrankheit des Klägers erst 1988 durch dessen Antrag Kenntnis erlangt und daher eine Entschädigung nicht früher von Amts wegen festgestellt. Der Kläger hat den Anspruch auch nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Eintritt des Versicherungsfalles - 12.11.1979 - angemeldet. Gefährdende Tätigkeiten hat er nach Eintritt des Versicherungsfalles von 1981 bis 1983 bei der Firma ... sowie ab August 1984 bis September 1988 bei der Firma ... und zuletzt wieder bei der Firma ... verrichtet.
Die Geltendmachung seiner Ansprüche später als zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles war aber durch Verhältnisse begründet, die außerhalb des Willens des Klägers lagen, nämlich durch die falschen Auskünfte seiner behandelnden Ärzte und der Krankenkasse.
Unkenntnis der Rechtsvorschriften hindert grundsätzlich den Fristablauf nicht (vgl. BSGE 16, 7; 71, 38). Der Kläger hat aber die Anmeldung aufgrund einer unzutreffenden Beurteilung des Ursachenzusammenhangs durch seine Ärzte unterlassen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 20.01.1993, Breithaupt 1993, 621, 625; Pickel, Kommentar zum Sechsten Buch der RVO, § 1546 Anm.3 f; Gesamtkommentar zur RVO, § 1546 Anm.5; BSGE 83, 30; BSG SozR § 1547 RVO Nr.3).
Der behandelnde Arzt, der Orthopäde Dr ..., hat den Kläger an das Klinikum rechts der Isar überwiesen, wo er am 13.08.1980 operiert wurde. Spätestens durch den Arztbrief der Klinik vom 06.06.1980, in dem die Verdachtsdiagnose Lunatummalazie bestätigt wurde, hätten entweder Dr ... oder Prof.Dr ... von der Orthopädischen Klinik rechts der Isar der Beklagten den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit mitteilen müssen. Prof.Dr ... hat in den Arztbriefen an Dr ... vom 06.06.1980 und 11.09.1980 lediglich darauf hingewiesen, dass dem Patienten ein echtes Trauma des rechten Handgelenkes nicht erinnerlich sei und dass er seit zwei bis drei Jahren Schmerzen im rechten Handgelenk bei Arbeiten im Kabelbau habe. Gerade die zweite Bemerkung über die Tätigkeit des Klägers deutet auf einen Zusammenhang der Erkrankung mit der Berufstätigkeit hin, so dass ernsthafte und konkrete Anhaltspunkte für eine Krankheit nach der Berufskrankheitenliste vorlagen (vgl. Kass.Komm.§ 202 SGB VII, Rdnr.3). Dass die behandelnden Ärzte die gemäß § 5 Abs.1 BKVO - ab 01.01.1997 § 202 SGB VII - bestehende Verpflichtung bei der Feststellung von Berufskrankheiten mitzuwirken, versäumt und die Beklagte nicht unverzüglich über die Erkrankung unterrichtet haben, hindert den Ablauf der Frist des § 1546 RVO. Dem Kläger blieb nämlich die Erkenntnis des ursächlichen Zusammenhangs infolge der unzutreffenden medizinischen Beurteilung durch die behandelnden Ärzte verschlossen (vgl. BSG SozR § 1547 RVO Nr.3). Einer falschen Belehrung durch den behandelnden Arzt, wie sie das BSG erwähnt, steht der unterlassene Hinweis auf einen wahrscheinlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der Berufskrankheit gleich. Damit war dem Kläger die rechtzeitige Anmeldung seines Anspruchs unmöglich.
Der Kläger hat außerdem geltend gemacht, sowohl von der Krankenkasse als auch vom Vertrauensarzt der Krankenkasse falsch beraten worden zu sein. Dieses Vorbringen ist insofern glaubhaft, als die AOK München in ihren Unterlagen für die Zeit vom 12.11.1979 bis 17.11.1979 Arbeitsunfähigkeit wegen eines Arbeitsunfalles (wenn auch nicht wegen einer Berufskrankheit) vermerkt hat, ohne diesen Tatbestand der Beklagten mitzuteilen. Im Hinweis des Klägers auf den Zusammenhang zwischen Krankheit und Berufstätigkeit ist eine Antragstellung auf Leistungen der Unfallversicherung zu sehen. Infolge der falschen Auskünfte bzw. der unterlassenen Information der Beklagten durch die Ärzte und die Krankenkasse ist die Ausschlussfrist des § 1546 Abs.1 RVO nicht abgelaufen. Gemäß § 18 Abs.2 SGB I sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Dabei ist der unzuständige Leistungsträger verpflichtet, den zuständigen Leistungsträger zu ermitteln (Kass.Komm. § 17 SGB I, RdNr.8). Soweit der Antrag, wie im Fall des § 1546 Abs.1 RVO, von Bedeutung für die von Amts wegen zu erbringende Leistung ist, gilt er als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei der unzuständigen Stelle eingegangen ist. Dies hat zur Folge, dass die Leistungspflicht spätestens mit dem 01.08.1980 beginnt (vgl. Gesamtkommentar zur RVO, § 1546 Anm.5; Pickel, Kommentar zum Sechsten Buch der RVO, § 1546 Anm.3 f).
Da die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht, auch nicht hilfsweise, geltend gemacht hat und die Verjährung nicht von Amts wegen, sondern nur auf die Einrede hin zu beachten ist, ist von einem Leistungsbeginn am 01.08.1980 auszugehen (vgl. Kass.Komm. § 45 SGB I RdNr.14).
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn die Folgen der Pflichtverletzung eines Leistungsträgers bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Gesetz weder speziell geregelt, noch darin in anderer Weise, etwa durch Härteklauseln, Wiedereinsetzungsregeln oder Fiktion konzeptionell mitbedacht sind (BSG vom 15.12.1994, SozR 3-2600 § 58 SGB VI Nr.2). Da der Kläger gemäß § 1546 Abs.1 2. Halbsatz RVO ein Wiedereinsetzungsrecht hat, kommt also der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht zum Zuge.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revison gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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