Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 17 RA 1200/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 117/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1948 geborene Klägerin stand als Friseurin und Erzieherin sowie zuletzt von 1985 bis 1996 als Arzthelferin in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Im November 1995 erlitt sie bei einem Verkehrsunfall als Pkw Fahrerin eine Distorsion (Verstauchung) der Halswirbelsäule. Dies führte wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. Juni 1996.
Im Juli 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente und gab zur Begründung an, sie halte sich seit ihrem Autounfall wegen Wirbelsäulenbeschwerden, Schmerzen im rechten Arm, in der rechten Hüfte bis zum Knie, Übelkeit und Kraftlosigkeit des rechten Armes für erwerbsgemindert. Die Beklagte ließ ein orthopädisches Gutachten von Dr. M (vom 23. Juli 2001) und im Widerspruchverfahren ein nervenärztliches Gutachten von dem Neurologen und Psychiater K (vom 19. November 2001, Diagnose: anhaltende somatoforme Schmerzstörung) erstatten. Beide Gutachter kamen zum Ergebnis, dass die Klägerin jedenfalls leichte Arbeiten in wechselnden Haltungsarten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Dies führte zur Ablehnung des Rentenantrags (Bescheid vom 27. August 2001, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2002).
Im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei als Arzthelferin berufsunfähig, darüber hinaus aber auch voll erwerbsgemindert.
Das Sozialgericht hat bei dem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. A ein orthopädisches Gutachten (vom 17. März 2003, nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 01. Oktober 2003) sowie eine Arbeitgeberauskunft eingeholt und eine in einem anderen Verfahren erteilte schriftliche berufskundliche Auskunft des damaligen Landessarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2003 unter anderem zu den Tätigkeiten einer Arzthelferin und einer Arztsekretärin begezogen, die es den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2004 abschriftlich zur Kenntnis gegeben hat.
Durch Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung seit August 2001 gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch SGB VI ), letzteres auch nicht wegen Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Sie genieße zwar in ihrem bisherigen Beruf als Arzthelferin, den sie nach der vorliegenden Arbeitgeberauskunft auch ohne reguläre Ausbildung vollwertig ausgeübt habe, den Berufsschutz einer Angestellten mit einer länger als zweijährigen Ausbildung. Sie könne ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen auch nicht mehr ausüben. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem gerichtsärztlichen Gutachten, seien der Klägerin keine körperlich schweren bis mittelschweren Arbeiten, Arbeiten unter einseitiger körperlicher Belastung, unter Zeitdruck oder an laufenden Maschinen mehr zuzumuten. Sie könne auch keine Lasten von mehr als 5 kg heben. Bei der Tätigkeit der Arzthelferin handele es sich um zeitweise mittelschwere Arbeiten, die auch in körperlicher Hinsicht zeitweise mit Zeitdruck verbunden seien. Diesen Belastungen dürfe die Klägerin nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht mehr ausgesetzt werden. Gleichwohl sei sie noch nicht berufsunfähig. Denn sie könne noch körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen in wechselnder Körperhaltung ohne einseitige körperliche Belastung (vollschichtig) verrichten. Dabei könne offen bleiben, ob sie mit dem festgestellten Leistungsvermögen als Arzthelferin ausschließlich im verwaltungsorganisatorischen Bereich, wie die Beklagte meine, tätig sein könne. Dafür sprächen die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der in Kenntnis des Berufsbildes aus eigener Erfahrung die Klägerin als Arzthelferin mit entsprechend begrenztem Aufgabenbereich in einer Arztpraxis für einsetzbar halte. Die Klägerin könne nämlich sozial zumutbar noch als Arztsekretärin tätig sein. Der Schwerpunkt dieser Tätigkeit liege im verwaltend-organisatorischen Bereich, insbesondere im Schriftverkehr. Es handele sich um eine körperlich leichte Arbeit ohne besondere Belastung der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten. Soweit auch diese Tätigkeit mit Zeitdruck verbunden sei, schließe die diesbezüglich vom Gerichtsgutachter festgestellte Leistungseinschränkung einen entsprechenden Arbeitseinsatz der Klägerin nicht aus. Denn der Gutachter habe sich zur Frage geäußert, wie sich die festgestellten körperlichen Beschwerden auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin auswirkten, und damit zu erkennen gegeben, dass die Klägerin körperliche Bewegungsabläufe nicht unter Zeitdruck verrichten sollte. Solche Bewegungsabläufe kennzeichneten aber nicht die Tätigkeit einer Arztsekretärin. Der herangezogenen berufskundlichen Auskunft sei schließlich ausreichend das Vorhandensein entsprechender Stellen zu entnehmen. Sei die Klägerin nach allem schon nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGB VI, sei sie auch nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI, weil Letzteres noch weitergehende Leistungseinschränkungen voraussetze.
Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, entgegen der Darstellung des Sozialgerichts sei sie auch als Arztsekretärin nicht mehr einsetzbar. Denn es handele sich um eine überwiegend im Sitzen zu verrichtende Tätigkeit, die mit Zeitdruck einhergehe und stetige Konzentration erfordere. Sie könne aber nicht überwiegend im Sitzen arbeiten, sondern nur jeweils zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen, also unter etwa gleichgewichtigem Wechsel der Haltungsarten, ohne dass eine der drei Haltungsarten deutlich überwiege. Davon sei die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren selbst ausgegangen (Stellungnahme des Beratungsärztlichen Dienstes vom 02. August 2001). Sie könne auch nicht mehr unter Zeitdruck arbeiten. Das habe der Gerichtsgutachter festgestellt. Nach der berufskundlichen Stellungnahme vom Juli 2003 seien aber auch die Aufgaben einer Arztsekretärin zeitweise unter Zeitdruck zu verrichten. Dies gelte dann in gleicher Weise für die Aufgaben einer im Bereich der Organisation und Verwaltung tätigen Arzthelferin, auf die die Beklagte sie nach wie vor verweisen wolle. Die Auffassung, dass die vom Gerichtsgutachter für erforderlich gehaltene Leistungseinschränkung "ohne Zeitdruck" insoweit nicht zum Tragen komme, sei konstruiert und überzeuge nicht. Schließlich könne sie im Hinblick auf ihre dauernden Schmerzzustände auch keine Arbeiten mehr verrichten, die eine stetige Konzentration erforderten. Diese Schmerzzustände bedingten darüber hinaus ihre volle Erwerbsminderung. Auch könne sie nur mit einem Hilfsmittel, nämlich einem höhenverstellbaren Schreibtisch, arbeiten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2004 sowie den Bescheid vom 27. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr seit August 2001 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf verbleiben könne, da der arbeitsteilige Einsatz von Arzthelferinnen für den Bereich Organisation und Verwaltung innerhalb der Praxen durchaus arbeitsmarktgängig sei. Hierfür verweist sie auf Urteile der Landessozialgerichte Berlin und Niedersachsen aus den Jahren 1996 und 1999. Das Sozialgericht habe in zulässiger Weise geschlussfolgert, dass die Leistungseinschränkung "nicht unter Zeitdruck" einer Tätigkeit in diesem Bereich nicht entgegenstehe. Im Übrigen sei zwar davon auszugehen, dass in fast allen Berufsbereichen gelegentlich Zeitdruck auftreten könne, als immanenter Bestandteil des Berufsbildes sei Zeitdruck aber nur selten anzutreffen.
Die Klägerin ist diesem Vortrag entgegengetreten. Insbesondere bestreitet sie, dass die vorgelegten Urteile aus den Jahren 1996 und 1999 noch die augenblickliche Wirklichkeit des Arbeitslebens widerspiegelten.
Der Senat hat daraufhin Herrn M L zum berufskundlichen Sachverständigen ernannt.
Dieser ist in seinem Gutachten vom 07. November 2007 zu der Auffassung gelangt, die Klägerin könne sowohl als Arzthelferin mit Einschränkungen als auch in anderen Bürotätigkeiten, die von Fachkräften ausgeübt werden, ohne solche vollschichtig arbeiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens auch des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände, einschließlich der Akte des Sozialgericht S 38 RA 1200/02 ) und der Verwaltungsakten der Beklagten () verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 27. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2002 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Rente wegen Berufs- noch wegen Erwerbsunfähigkeit. Ihr steht auch Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu.
Als Anspruchsgrundlagen kommen auch weiterhin die §§ 43 und 44 Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der Fassung vor dem am 01. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgesetz) vom 20. Dezember 2000 in Betracht. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im Juli 2001 gestellt.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und weitere beitragsbezogene Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 SGB VI).
Die Klägerin ist hiernach nicht berufsunfähig. Sie kann zwar nicht mehr den Beruf einer Arzthelferin ausüben. Sie ist jedoch noch in der Lage, als Arztsekretärin und in anderen qualifizierten Büroberufen vollschichtig zu arbeiten. Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130).
Der Beruf der Arzthelferin ist hiernach maßgeblicher Beruf. Die Klägerin hat diesen Beruf über zehn Jahre wie eine regelgerecht ausgebildete Kollegin ausgeübt und ist entsprechend entlohnt worden, so dass ihr der entsprechende Berufsschutz zusteht.
Den Beruf der Arzthelferin kann die Klägerin nicht mehr in vollem Umfang ausüben, da dafür nach der Beschreibung auch mittelschwere Arbeiten unter Zeitdruck maßgeblich sind. Dem darf sich die Klägerin jedoch nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme nicht mehr aussetzen.
Diese mangelnde Möglichkeit, den Beruf der Arzthelferin wettbewerbsfähig auszuüben, begründet jedoch noch keine Berufsunfähigkeit. Denn die Klägerin muss sich ausgehend von diesem Beruf auf die Tätigkeit Arztsekretärin sowie auf andere Bürotätigkeiten verweisen lassen, für die eine Anlernzeit erforderlich ist. Dies begründet für sie keinen unzumutbaren sozialen Abstieg und ist ihr auch gesundheitlich noch möglich.
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI können Versicherten grundsätzlich solche Tätigkeiten zugemutet werden, die in ihrer Wertigkeit dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 50 m. w. N.). Nach dem vom BSG zur Bestimmung der Wertigkeit eines Berufes entwickelten Mehrstufenschema werden die Angestelltenberufe in fünf Gruppen eingeteilt, nämlich die mit dem Leitberuf der unausgebildeten Angestellten, der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren, der Angestellten mit einer längeren Ausbildung, der Angestellten, für die über eine längere, durchschnittlich dreijährige Ausbildung hinaus zusätzliche Zugangsvoraussetzungen wie etwa die Ablegung einer Meisterprüfung, der erfolgreiche Besuch einer Fachschule oder das abgeschlossene Studium an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule erforderlich sind, sowie der Angestellten, die mit ihrem Bruttogehalt oberhalb oder in der Nähe unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen (BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 1). Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas dürfen Versicherte ausgehend von einer hiernach erfolgten Einstufung ihres bisherigen Berufes nur auf die jeweils nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden. Dabei bedarf es ab der Stufe der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren, die innerhalb ihrer Gruppe dem oberen Bereich (Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten bis zu zwei Jahren) angehören, der konkreten Benennung mindestens einer in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 132; BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 45) durch den Rentenversicherungsträger (BSG SozR 3 2600 § 43 Nrn. 13 und 14).
Davon ausgehend ist die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit einer Arzthelferin der Gruppe der Angestellten einzuordnen, die eine mehr als zweijährige Ausbildung durchlaufen haben.
Nach dem Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen L vom 07. November 2007 ist die Klägerin in der Lage, nach einer Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten wettbewerbsfähig als Arztsekretärin und in anderen Büroberufen, die eine Anlernzeit erfordern, zu arbeiten. Es handele sich dabei um eine Tätigkeit, für die eine Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren erforderlich ist. Mithin ist diese Tätigkeit der Klägerin sozial zumutbar. Dass die Klägerin diese Tätigkeit fachlich ausüben kann, ergibt sich aus der abgeschlossenen Ausbildung und der Tatsache, dass die Tätigkeit einer Arztsekretärin Teil der Tätigkeit der Arzthelferin ist und sie diesen Beruf ausgeübt hat.
Diesem Beruf ist die Klägerin auch gesundheitlich gewachsen. Der berufskundliche Sachverständige L hat ausgeführt, dass dies mit den Einschränkungen, die sich aus dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme ergeben, möglich sei.
Der Senat hat weder Veranlassung, insoweit an den Darlegungen des Sachverständigen Dr. A noch an denen des Sachverständigen L zu zweifeln. Deren Aussagen sind in sich schlüssig. Die Arbeitsplatzbeschreibung des berufskundlichen Sachverständigen ist mit den medizinischen Feststellungen in Einklang zu bringen.
Auch die Notwendigkeit eines höhenverstellbaren Schreibtisches ändert daran nichts: Diese gehören nach der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung wegen der Höhe der Bildschirme zur Bürostandardausstattung.
Kann die Klägerin jedoch als Arztsekretärin und qualifizierte Büromitarbeitern tätig sein, so liegt Berufsunfähigkeit nicht vor.
Der Klägerin ist auch keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 SGB VI zu gewähren.
Nach § 44 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Bei dem bereits dargelegten vollschichtigen Leistungsvermögen liegen diese Voraussetzungen, die noch weitergehende Leistungseinschränkungen als bei der Berufsunfähigkeit erfordern, nicht vor.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass insoweit anders als bei der Berufsunfähigkeit eine unbeschränkte Verweisbarkeit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes besteht, ohne dass eine konkrete Tätigkeit zu benennen ist. Dass die Klägerin leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten kann, haben alle medizinischen Sachverständigen festgestellt, so dass Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegt.
Schließlich kann der Klägerin auch keine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der Fassung der EM Reformgesetzes (SGB VI n. F.) gewährt werden, denn sie ist noch nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n. F. sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Voraussetzung kann notwendigerweise bei einem sogar noch vollschichtigen Leistungsvermögen nicht vorliegen.
Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1948 geborene Klägerin stand als Friseurin und Erzieherin sowie zuletzt von 1985 bis 1996 als Arzthelferin in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Im November 1995 erlitt sie bei einem Verkehrsunfall als Pkw Fahrerin eine Distorsion (Verstauchung) der Halswirbelsäule. Dies führte wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. Juni 1996.
Im Juli 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente und gab zur Begründung an, sie halte sich seit ihrem Autounfall wegen Wirbelsäulenbeschwerden, Schmerzen im rechten Arm, in der rechten Hüfte bis zum Knie, Übelkeit und Kraftlosigkeit des rechten Armes für erwerbsgemindert. Die Beklagte ließ ein orthopädisches Gutachten von Dr. M (vom 23. Juli 2001) und im Widerspruchverfahren ein nervenärztliches Gutachten von dem Neurologen und Psychiater K (vom 19. November 2001, Diagnose: anhaltende somatoforme Schmerzstörung) erstatten. Beide Gutachter kamen zum Ergebnis, dass die Klägerin jedenfalls leichte Arbeiten in wechselnden Haltungsarten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Dies führte zur Ablehnung des Rentenantrags (Bescheid vom 27. August 2001, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2002).
Im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei als Arzthelferin berufsunfähig, darüber hinaus aber auch voll erwerbsgemindert.
Das Sozialgericht hat bei dem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. A ein orthopädisches Gutachten (vom 17. März 2003, nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 01. Oktober 2003) sowie eine Arbeitgeberauskunft eingeholt und eine in einem anderen Verfahren erteilte schriftliche berufskundliche Auskunft des damaligen Landessarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2003 unter anderem zu den Tätigkeiten einer Arzthelferin und einer Arztsekretärin begezogen, die es den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2004 abschriftlich zur Kenntnis gegeben hat.
Durch Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung seit August 2001 gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch SGB VI ), letzteres auch nicht wegen Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Sie genieße zwar in ihrem bisherigen Beruf als Arzthelferin, den sie nach der vorliegenden Arbeitgeberauskunft auch ohne reguläre Ausbildung vollwertig ausgeübt habe, den Berufsschutz einer Angestellten mit einer länger als zweijährigen Ausbildung. Sie könne ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen auch nicht mehr ausüben. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem gerichtsärztlichen Gutachten, seien der Klägerin keine körperlich schweren bis mittelschweren Arbeiten, Arbeiten unter einseitiger körperlicher Belastung, unter Zeitdruck oder an laufenden Maschinen mehr zuzumuten. Sie könne auch keine Lasten von mehr als 5 kg heben. Bei der Tätigkeit der Arzthelferin handele es sich um zeitweise mittelschwere Arbeiten, die auch in körperlicher Hinsicht zeitweise mit Zeitdruck verbunden seien. Diesen Belastungen dürfe die Klägerin nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht mehr ausgesetzt werden. Gleichwohl sei sie noch nicht berufsunfähig. Denn sie könne noch körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen in wechselnder Körperhaltung ohne einseitige körperliche Belastung (vollschichtig) verrichten. Dabei könne offen bleiben, ob sie mit dem festgestellten Leistungsvermögen als Arzthelferin ausschließlich im verwaltungsorganisatorischen Bereich, wie die Beklagte meine, tätig sein könne. Dafür sprächen die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der in Kenntnis des Berufsbildes aus eigener Erfahrung die Klägerin als Arzthelferin mit entsprechend begrenztem Aufgabenbereich in einer Arztpraxis für einsetzbar halte. Die Klägerin könne nämlich sozial zumutbar noch als Arztsekretärin tätig sein. Der Schwerpunkt dieser Tätigkeit liege im verwaltend-organisatorischen Bereich, insbesondere im Schriftverkehr. Es handele sich um eine körperlich leichte Arbeit ohne besondere Belastung der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten. Soweit auch diese Tätigkeit mit Zeitdruck verbunden sei, schließe die diesbezüglich vom Gerichtsgutachter festgestellte Leistungseinschränkung einen entsprechenden Arbeitseinsatz der Klägerin nicht aus. Denn der Gutachter habe sich zur Frage geäußert, wie sich die festgestellten körperlichen Beschwerden auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin auswirkten, und damit zu erkennen gegeben, dass die Klägerin körperliche Bewegungsabläufe nicht unter Zeitdruck verrichten sollte. Solche Bewegungsabläufe kennzeichneten aber nicht die Tätigkeit einer Arztsekretärin. Der herangezogenen berufskundlichen Auskunft sei schließlich ausreichend das Vorhandensein entsprechender Stellen zu entnehmen. Sei die Klägerin nach allem schon nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGB VI, sei sie auch nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI, weil Letzteres noch weitergehende Leistungseinschränkungen voraussetze.
Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, entgegen der Darstellung des Sozialgerichts sei sie auch als Arztsekretärin nicht mehr einsetzbar. Denn es handele sich um eine überwiegend im Sitzen zu verrichtende Tätigkeit, die mit Zeitdruck einhergehe und stetige Konzentration erfordere. Sie könne aber nicht überwiegend im Sitzen arbeiten, sondern nur jeweils zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen, also unter etwa gleichgewichtigem Wechsel der Haltungsarten, ohne dass eine der drei Haltungsarten deutlich überwiege. Davon sei die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren selbst ausgegangen (Stellungnahme des Beratungsärztlichen Dienstes vom 02. August 2001). Sie könne auch nicht mehr unter Zeitdruck arbeiten. Das habe der Gerichtsgutachter festgestellt. Nach der berufskundlichen Stellungnahme vom Juli 2003 seien aber auch die Aufgaben einer Arztsekretärin zeitweise unter Zeitdruck zu verrichten. Dies gelte dann in gleicher Weise für die Aufgaben einer im Bereich der Organisation und Verwaltung tätigen Arzthelferin, auf die die Beklagte sie nach wie vor verweisen wolle. Die Auffassung, dass die vom Gerichtsgutachter für erforderlich gehaltene Leistungseinschränkung "ohne Zeitdruck" insoweit nicht zum Tragen komme, sei konstruiert und überzeuge nicht. Schließlich könne sie im Hinblick auf ihre dauernden Schmerzzustände auch keine Arbeiten mehr verrichten, die eine stetige Konzentration erforderten. Diese Schmerzzustände bedingten darüber hinaus ihre volle Erwerbsminderung. Auch könne sie nur mit einem Hilfsmittel, nämlich einem höhenverstellbaren Schreibtisch, arbeiten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2004 sowie den Bescheid vom 27. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr seit August 2001 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf verbleiben könne, da der arbeitsteilige Einsatz von Arzthelferinnen für den Bereich Organisation und Verwaltung innerhalb der Praxen durchaus arbeitsmarktgängig sei. Hierfür verweist sie auf Urteile der Landessozialgerichte Berlin und Niedersachsen aus den Jahren 1996 und 1999. Das Sozialgericht habe in zulässiger Weise geschlussfolgert, dass die Leistungseinschränkung "nicht unter Zeitdruck" einer Tätigkeit in diesem Bereich nicht entgegenstehe. Im Übrigen sei zwar davon auszugehen, dass in fast allen Berufsbereichen gelegentlich Zeitdruck auftreten könne, als immanenter Bestandteil des Berufsbildes sei Zeitdruck aber nur selten anzutreffen.
Die Klägerin ist diesem Vortrag entgegengetreten. Insbesondere bestreitet sie, dass die vorgelegten Urteile aus den Jahren 1996 und 1999 noch die augenblickliche Wirklichkeit des Arbeitslebens widerspiegelten.
Der Senat hat daraufhin Herrn M L zum berufskundlichen Sachverständigen ernannt.
Dieser ist in seinem Gutachten vom 07. November 2007 zu der Auffassung gelangt, die Klägerin könne sowohl als Arzthelferin mit Einschränkungen als auch in anderen Bürotätigkeiten, die von Fachkräften ausgeübt werden, ohne solche vollschichtig arbeiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens auch des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände, einschließlich der Akte des Sozialgericht S 38 RA 1200/02 ) und der Verwaltungsakten der Beklagten () verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 27. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2002 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Rente wegen Berufs- noch wegen Erwerbsunfähigkeit. Ihr steht auch Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu.
Als Anspruchsgrundlagen kommen auch weiterhin die §§ 43 und 44 Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der Fassung vor dem am 01. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgesetz) vom 20. Dezember 2000 in Betracht. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im Juli 2001 gestellt.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und weitere beitragsbezogene Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 SGB VI).
Die Klägerin ist hiernach nicht berufsunfähig. Sie kann zwar nicht mehr den Beruf einer Arzthelferin ausüben. Sie ist jedoch noch in der Lage, als Arztsekretärin und in anderen qualifizierten Büroberufen vollschichtig zu arbeiten. Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130).
Der Beruf der Arzthelferin ist hiernach maßgeblicher Beruf. Die Klägerin hat diesen Beruf über zehn Jahre wie eine regelgerecht ausgebildete Kollegin ausgeübt und ist entsprechend entlohnt worden, so dass ihr der entsprechende Berufsschutz zusteht.
Den Beruf der Arzthelferin kann die Klägerin nicht mehr in vollem Umfang ausüben, da dafür nach der Beschreibung auch mittelschwere Arbeiten unter Zeitdruck maßgeblich sind. Dem darf sich die Klägerin jedoch nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme nicht mehr aussetzen.
Diese mangelnde Möglichkeit, den Beruf der Arzthelferin wettbewerbsfähig auszuüben, begründet jedoch noch keine Berufsunfähigkeit. Denn die Klägerin muss sich ausgehend von diesem Beruf auf die Tätigkeit Arztsekretärin sowie auf andere Bürotätigkeiten verweisen lassen, für die eine Anlernzeit erforderlich ist. Dies begründet für sie keinen unzumutbaren sozialen Abstieg und ist ihr auch gesundheitlich noch möglich.
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI können Versicherten grundsätzlich solche Tätigkeiten zugemutet werden, die in ihrer Wertigkeit dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 50 m. w. N.). Nach dem vom BSG zur Bestimmung der Wertigkeit eines Berufes entwickelten Mehrstufenschema werden die Angestelltenberufe in fünf Gruppen eingeteilt, nämlich die mit dem Leitberuf der unausgebildeten Angestellten, der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren, der Angestellten mit einer längeren Ausbildung, der Angestellten, für die über eine längere, durchschnittlich dreijährige Ausbildung hinaus zusätzliche Zugangsvoraussetzungen wie etwa die Ablegung einer Meisterprüfung, der erfolgreiche Besuch einer Fachschule oder das abgeschlossene Studium an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule erforderlich sind, sowie der Angestellten, die mit ihrem Bruttogehalt oberhalb oder in der Nähe unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen (BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 1). Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas dürfen Versicherte ausgehend von einer hiernach erfolgten Einstufung ihres bisherigen Berufes nur auf die jeweils nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden. Dabei bedarf es ab der Stufe der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren, die innerhalb ihrer Gruppe dem oberen Bereich (Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten bis zu zwei Jahren) angehören, der konkreten Benennung mindestens einer in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 132; BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 45) durch den Rentenversicherungsträger (BSG SozR 3 2600 § 43 Nrn. 13 und 14).
Davon ausgehend ist die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit einer Arzthelferin der Gruppe der Angestellten einzuordnen, die eine mehr als zweijährige Ausbildung durchlaufen haben.
Nach dem Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen L vom 07. November 2007 ist die Klägerin in der Lage, nach einer Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten wettbewerbsfähig als Arztsekretärin und in anderen Büroberufen, die eine Anlernzeit erfordern, zu arbeiten. Es handele sich dabei um eine Tätigkeit, für die eine Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren erforderlich ist. Mithin ist diese Tätigkeit der Klägerin sozial zumutbar. Dass die Klägerin diese Tätigkeit fachlich ausüben kann, ergibt sich aus der abgeschlossenen Ausbildung und der Tatsache, dass die Tätigkeit einer Arztsekretärin Teil der Tätigkeit der Arzthelferin ist und sie diesen Beruf ausgeübt hat.
Diesem Beruf ist die Klägerin auch gesundheitlich gewachsen. Der berufskundliche Sachverständige L hat ausgeführt, dass dies mit den Einschränkungen, die sich aus dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme ergeben, möglich sei.
Der Senat hat weder Veranlassung, insoweit an den Darlegungen des Sachverständigen Dr. A noch an denen des Sachverständigen L zu zweifeln. Deren Aussagen sind in sich schlüssig. Die Arbeitsplatzbeschreibung des berufskundlichen Sachverständigen ist mit den medizinischen Feststellungen in Einklang zu bringen.
Auch die Notwendigkeit eines höhenverstellbaren Schreibtisches ändert daran nichts: Diese gehören nach der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung wegen der Höhe der Bildschirme zur Bürostandardausstattung.
Kann die Klägerin jedoch als Arztsekretärin und qualifizierte Büromitarbeitern tätig sein, so liegt Berufsunfähigkeit nicht vor.
Der Klägerin ist auch keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 SGB VI zu gewähren.
Nach § 44 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Bei dem bereits dargelegten vollschichtigen Leistungsvermögen liegen diese Voraussetzungen, die noch weitergehende Leistungseinschränkungen als bei der Berufsunfähigkeit erfordern, nicht vor.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass insoweit anders als bei der Berufsunfähigkeit eine unbeschränkte Verweisbarkeit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes besteht, ohne dass eine konkrete Tätigkeit zu benennen ist. Dass die Klägerin leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten kann, haben alle medizinischen Sachverständigen festgestellt, so dass Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegt.
Schließlich kann der Klägerin auch keine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der Fassung der EM Reformgesetzes (SGB VI n. F.) gewährt werden, denn sie ist noch nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n. F. sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Voraussetzung kann notwendigerweise bei einem sogar noch vollschichtigen Leistungsvermögen nicht vorliegen.
Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved