Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 Kr 992/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 Kr 955/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. „Dieselbe” Krankheit i.S. des § 48 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn es sich nicht um eine gleichartige, sondern im medizinischen Sinne um ein und dieselbe Erkrankung handelt.
2. Maßgeblich ist der medizinische Krankheitsbegriff, wonach sowohl eine identische Krankheitsursache als auch eine medizinisch als Einheit zu wertende Erscheinungsform vorliegen muß.
3. Der für das Vorliegen von (ein und) derselben Krankheit erforderliche „innere Zusammenhang” kann sowohl durch eine fortlaufende Behandlungsbedürftigkeit hergestellt sein, als auch dadurch, daß eine spätere – zur Arbeitsunfähigkeit führende – Erkrankung auf dieselbe Entstehungsursache zurückgeführt wird.
4. Die medizinische Betrachtungsweise erfordert zusätzlich, daß auch in Bezug auf Behandlungsbedürftigkeit und -möglichkeit eine einheitliche Erscheinungsform gegeben ist. Arbeitsunfähigkeit, die wegen der in längerem zeitlichem Abstand erforderlichen Behandlung an unterschiedlichen Gelenken auftritt (z.B. beim Austausch zunächst des einen und dann des anderen Hüftgelenks), beruht nicht auf ein und derselben Krankheit i.S. von § 48 Abs. 1 SGB V.
2. Maßgeblich ist der medizinische Krankheitsbegriff, wonach sowohl eine identische Krankheitsursache als auch eine medizinisch als Einheit zu wertende Erscheinungsform vorliegen muß.
3. Der für das Vorliegen von (ein und) derselben Krankheit erforderliche „innere Zusammenhang” kann sowohl durch eine fortlaufende Behandlungsbedürftigkeit hergestellt sein, als auch dadurch, daß eine spätere – zur Arbeitsunfähigkeit führende – Erkrankung auf dieselbe Entstehungsursache zurückgeführt wird.
4. Die medizinische Betrachtungsweise erfordert zusätzlich, daß auch in Bezug auf Behandlungsbedürftigkeit und -möglichkeit eine einheitliche Erscheinungsform gegeben ist. Arbeitsunfähigkeit, die wegen der in längerem zeitlichem Abstand erforderlichen Behandlung an unterschiedlichen Gelenken auftritt (z.B. beim Austausch zunächst des einen und dann des anderen Hüftgelenks), beruht nicht auf ein und derselben Krankheit i.S. von § 48 Abs. 1 SGB V.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Juli 1993 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1991 verurteilt, der Klägerin Krankengeld auch für die Zeit ab 10. Juni 1991 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen weiterzuzahlen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Krankengeld und hierbei insbesondere um die Frage, ob eine bei der Klägerin innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist erneut aufgetretene Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruht.
Die 1938 geborene Klägerin ist ausgebildete Industriekauffrau und seit 1. Juli 1969 Pflichtmitglied der Beklagten. Zuletzt war sie in der von ihrem Ehemann geführten Gaststätte unter anderem im Service tätig. Etwa seit 1979 sind bei ihr vermehrte Verschleißveränderungen an beiden Hüftgelenken (Arthrosis deformans), links wesentlich stärker als rechts, mit zunehmenden Beschwerden bekannt, deretwegen sie bei den Ärzten Dres. Kl. und Me., Da., in Behandlung war. Nach einer ersten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 24. April 1989 war die Klägerin ab 1. Juni 1989 (bei der Beklagten gemeldet am 8. Juni 1989) arbeitsunfähig erkrankt und auf Veranlassung der behandelnden Ärzte stationär im Krankenhaus "E.” in DX. aufgenommen worden. Bis 12. Juli 1989 erhielt sie Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, danach Krankengeld von der Beklagten.
Am 2. Juni 1989 wurde die Klägerin in der Chirurgischen Klinik des "E.” am linken Hüftgelenk operiert und ihr eine sogenannte Totalendoprothese (TEP) eingesetzt. Im Befundbericht für die KX-klinik, in der die Klägerin im Anschluß an die Entlassung aus dem "E.” am 21. Juni 1989 vom 23. Juni bis 21. Juli 1989 auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Anschlußheilbehandlung (AHB) weilte, beschrieb der Chefarzt der Chirurgischen Klinik des "E.” Dr. G., Krankheitsbeginn und Verlauf wie folgt: "Bei der Patientin besteht seit 10 Jahren eine Arthrosis deformans beider Hüftgelenke, links mehr als rechts. Erheblicher Bewegungsschmerz. Rotation beider Hüften nur noch angedeutet möglich”.
Nach der Operation und der AHB trat bei der Klägerin zunächst eine Besserung ein. Die Klägerin wurde jedoch auch am linken Hüftgelenk nicht völlig beschwerdefrei, weshalb auch ab 24. Juli 1989 (festgestellt am 31. Juni 1989) von den behandelnden Ärzten weiterhin Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde.
Vertrauensärztliche Untersuchungen zur Klärung der Arbeitsunfähigkeit beim Sozialärztlichen Dienst der LVA Hessen bzw. dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) erfolgten am 27. November 1989 sowie am 17. Januar, 9. Februar und 22. März 1990, wobei jeweils das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde.
Bereits mit einem Schreiben vom 2. August 1989 sprach die Beklagte die Klägerin erstmals auf die Notwendigkeit einer Beratung wegen einer weiteren Rehabilitationsmaßnahme bzw. eines Rentenfeststellungsverfahrens wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an. Anläßlich der vertrauensärztlichen Untersuchung am 9. Februar 1990 wies Dr. Rü. darauf hin, daß bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit für die letzte Tätigkeit vermutlich auf Dauer entstehen könnte.
Nachfolgend wurde festgestellt, daß sich bei der Klägerin anläßlich der Operation am linken Hüftgelenk eine sogenannte Faszienlücke gebildet hatte. Die Klägerin wurde deshalb in der Zeit vom 26. März bis 12. April 1990 erneut stationär im Krankenhaus "E.” behandelt, wo die Faszienlücke operativ verschlossen wurde. Im Anschluß daran blieb die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig, was bei vertrauensärztlichen Begutachtungen beim Sozialärztlichen Dienst am 18. April, 30. Mai und 2. Juli 1990 bestätigt wurde. Am 30. Mai 1990 empfahl Dr. P. einen Auffrischungskurs mit dem Ziel der Rückkehr der Klägerin in eine Tätigkeit im Büro. Ein förmlicher Antrag auf Durchführung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen wurde von der Klägerin am 5. Juni 1990 gestellt und von der Beklagten an die zuständige BfA weitergeleitet.
In den ärztlichen Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit hieß es meist "Coxarthrose beidseits” und "Zustand nach TEP links”; teilweise finden sich aber auch Hinweise auf die "von Anfang an” stärkere Betroffenheit des linken Hüftgelenkes. Diese erste Arbeitsunfähigkeit endete am 7. Oktober 1990. Nach den Angaben der Klägerin meldete sie sich arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld.
Erneut wurde am 18. April 1991, nunmehr wegen Beschwerden am rechten Hüftgelenk, Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Die Klägerin befand sich ab 29. Mai 1991 zur stationären Behandlung im Krankenhaus "E.”, wo am 31. Mai 1991 eine weitere Operation durchgeführt wurde, bei der das rechte Hüftgelenk ausgetauscht und durch eine TEP ersetzt wurde. Am 10. Juni 1991 wurde die Klägerin nach erfolgreicher Operation entlassen und begann am 9. Juli 1991 wiederum eine AHB.
Durch Bescheid vom 11. Juni 1991 teilte die Beklagte der Klägerin mit, Krankengeld könne über den 9. Juni 1991 hinaus nicht gezahlt werden, weil die erneute Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruhe. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch (Eingang 26. Juni 1989) und berief sich auf ärztliche Äußerungen von Dr. Kl., der zunächst am 21. Juni 1989 die neue Zeit der Arbeitsunfähigkeit als auf derselben Krankheit beruhend bezeichnet hatte, mit einer Stellungnahme vom 26. Juni 1989 aber die Frage danach, ob die Arbeitsunfähigkeit auf Deiner gemeinsamen Krankheitsursache beruhe, verneint hatte. Die Beklagte holte noch eine Stellungnahme des MDK vom 7. Juni 1991 ein, der einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beiden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bestätigte. Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 1991 unter anderem mit der Begründung zurück, ein Krankengeldanspruch bestehe längstens für 78 Wochen innerhalb einer Zeit von drei Jahren seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit, wenn die erneut auftretende Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruhe.
Am 8. August 1991 hat die Klägerin Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Darmstadt gestellt und sich in diesem Verfahren auf eine ärztliche Stellungnahme von Dr. KY. dem Leitenden Oberarzt der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses "E.” in DX. vom 9. September 1991 berufen. In einer auf Anforderung des Sozialgerichts am 17. Januar 1992 erteilten Auskunft hat Dr. KY. mitgeteilt, die Klägerin habe (erstens) an einer Arthrose des linken Hüftgelenks gelitten, weswegen eine Hüft-Endoprothese im Jahre 1989 eingesetzt worden sei. Weiter habe die Klägerin (zweitens) an einer Arthrose im rechten Hüftgelenk gelitten, weswegen 1990 eine Hüft-Endoprothese eingesetzt worden sei. Im Falle einer Arthrose (z.B.) im Schultergelenk, würde das Leiden, als (drittens) "Arthrose im Schultergelenk” bezeichnet, wenn dort eine Behandlung hätte durchgeführt werden müssen; dies sei bei der Klägerin glücklicherweise nicht der Fall. Es verdeutliche aber die Ansicht, daß es sich bei den zwei erstgenannten um getrennte Erkrankungen gehandelt habe; es lägen zwei verschiedene, unabhängig voneinander auftretende, Hüftgelenksarthrosen vor, wie sie bei vielen Menschen auftreten würden, und die dann jeweils zum Hüftgelenksersatz geführt hätten. Ein Zusammenhang könne deshalb zwischen den beiden Erkrankungen nicht konstruiert werden (Stellungnahme von Dr. KY. vom 9. September 1991).
Die zweite Arbeitsunfähigkeit der Klägerin dauerte bis zum 1. Oktober 1991. Am 2. Oktober 1991 meldete sich die Klägerin nach ihren Angaben wieder arbeitslos und bezog Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit.
Am 4. Oktober 1991 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben und unter Berufung auf eine ärztliche Stellungnahme von Dr. Kl. vom 13. Oktober 1992 geltend gemacht, es habe sich einmal um eine Operation des linken und sodann des rechten Hüftgelenkes gehandelt, weshalb nicht von einer – einheitlichen – Erkrankung ausgegangen werden könne.
Das Sozialgericht hat Stellungnahmen von Dr. Kl. vom 30. Oktober 1992 und – erneut – von Dr. KY. vom 23. Februar 1993 zu der Frage angefordert, ob die Krankheitszustände an dem rechten und dem linken Hüftgelenk der Klägerin in einem inneren Zusammenhang stünden, was beide Ärzte verneint haben. Durch Urteil vom 20. Juli 1993 hat das Sozialgericht Darmstadt sodann die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Klägerin sei, nachdem sie ab 1. Juni 1989 arbeitsunfähig erkrankt war, ab dem 18. April 1991 erneut innerhalb des 3-Jahres-Zeitraumes wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig erkrankt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches 5. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) bestehe ein erneuter Anspruch auf Krankengeld innerhalb des 3-Jahres-Zeitraumes nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruhe. Dieselbe Krankheit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V liege vor, wenn es sich um dasselbe, medizinisch nicht ausgeheilte einheitliche Grundleiden handele, das immer wieder zu Arbeitsunfähigkeit bedingenden Krankheitserscheinungen führe. Bei der Klägerin habe wegen beiderseitiger Coxarthrose im Juni 1989 auch an beiden Hüftgelenken nur noch eine angedeutete Rotation mit erheblichen Bewegungsschmerzen bestanden, weshalb sie ab 1. Juni 1989 arbeitsunfähig erkrankt war. Die am 18. April 1991 bei fortbestehender Coxarthrose im rechten Hüftgelenk und wegen einer Verschlimmerung der rechtsseitigen arthrotischen Beschwerden erneut aufgetretene Arbeitsunfähigkeit gehe deshalb auf dieselbe, diesbezüglich nicht behobene Krankheitsursache zurück, wie die Arbeitsunfähigkeit, die ab 1. Juni 1989 in Form der beidseitigen Coxarthrose bereits festgestellt worden war. Da die ab dem 18. April 1991 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit dieselbe Krankheitsursache und Entstehungsbedingung habe, gleichförmige Symptome und denselben Krankheitsverlauf zeige, wie die ab 1. Juni 1989 bestätigte Arbeitsunfähigkeit, habe es sich um dieselbe Krankheit gehandelt, wobei dann wegen zunehmender Verschlimmerung der Beschwerden am 31. Mai 1991 auch die rechte Hüfte der Klägerin totalendoprothetisch versorgt werden mußte. Zu Recht habe deshalb die Beklagte die weitere Zahlung von Krankengeld verweigert.
Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 1. September 1993 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 27. September 1993 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Die Klägerin macht – insbesondere unter Berufung auf die ärztlichen Stellungnahmen von Dr. Kl. vom 30. Oktober 1992 und Dr. KY. vom 23. Februar 1993 – geltend, daß es sich angesichts der Entstehungsursache und der unterschiedlichen Krankheitsverläufe nicht um ein und dieselbe Krankheit habe handeln können. Sie sei nach erfolgreicher Operation des linken Hüftgelenkes, nachdem die nachfolgenden Komplikationen überwunden gewesen seien, zunächst auch wieder arbeitsfähig gewesen. Bei der Operation des anderen Hüftgelenkes habe es sich deshalb um eine vollständig andere Erkrankung auch im Rechtssinne gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Juli 1993 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 9. Juni 1991 hinaus Krankengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, das sie für richtig hält.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung ein medizinisches Sachverständigengutachten von Prof. Ro., Universität He., eingeholt. Zur Fertigstellung dieses Gutachtens sind dem Sachverständigen Röntgenbilder des Krankenhauses "E.” sowie weitere ärztliche Unterlagen aus diesem Krankenhaus zur Verfügung gestellt worden. In dem zusammen mit Dr. C. erstellten Gutachten vom 9. Januar 1996 und der abschließenden gutachterlichen Stellungnahme vom 9. September 1996 kommt der Sachverständigen Prof. Dr. Ro. zu dem Ergebnis, daß bei der Klägerin nach den vorgelegten Röntgenbildern im Bereich des linken wie auch des rechten Hüftgelenks erhebliche Verschleißprozesse (Coxarthrose) vorgelegen haben. Die vom Senat aufgeworfene Frage danach, ob es sich dann jeweils um dieselbe Krankheit gehandelt habe, könne jedoch nicht vom medizinischen Sachverständigen beantwortet werden, weil es sich insoweit um eine Rechtsfrage handele und deswegen eine juristische und nicht eine ärztliche abschließende Entscheidung getroffen werden müsse. Die Notwendigkeit zum Einsetzen von künstlichen Hüftgelenken bei der Klägerin habe sich infolge von arthrotischen (Verschleiß-)Prozessen ergeben. Dieser Verschleißprozeß, die sogenannte Arthrose, sei bei Menschen dieses Alters sehr häufig im Bereich der Hüftgelenke nachzuweisen. Entsprechende Verschleißerscheinungen seien bei der Klägerin auch in anderen Abschnitten des Haltungs- und Bewegungsapparates zu finden gewesen. Auch die auf der Beckenübersichtsaufnahme abgebildeten kleinen Wirbelgelenke der unteren Lendenwirbelsäule zeigten ebenfalls deutliche Aufbraucherscheinungen. Solche seien auch im Bereich der Brustwirbelsäule nachzuweisen. Grundsätzlich könne eine Arthrose aus innerer Ursache heraus an allen Gelenken des menschlichen Körpers entstehen. Bei der Klägerin seien vor allem die beiden Hüftgelenke betroffen gewesen. Die Beweisfrage des Gerichts habe unter diesem Gesichtspunkt grundsätzliche Bedeutung. Gehe man nämlich davon aus, daß die mit zunehmendem Lebensalter wachsende Degenerationstendenz des menschlichen Körpers die dem Verschleißprozeß in beiden Hüftgelenken zugrunde liegende gemeinsame Ursache sei, so würde sich hieraus die Konsequenz ergeben, daß auch mögliche, später noch auftretende Verschleißprozesse in anderen Gelenken des menschlichen Körpers (Knie, Wirbelsäule, etc.), dieser gemeinsamen Krankheitsursache untergeordnet werden müßten. Aus medizinischer Sicht jedoch müsse in diesen Fällen (wie auch im vorliegenden) die Entwicklung von Verschleißprozessen in allen Gelenken selbständig und unabhängig voneinander betrachtet werden, auch wenn im vorliegenden Fall eine zufällige Koinzidenz vorgelegen habe.
Die Beteiligten sehen sich in ihren Stellungnahmen zu dem Gutachten der Sachverständigen Dres. Prof. Ro. und C. jeweils in den von ihnen vertretenen, gegensätzlichen, Auffassungen bestätigt.
Für den Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Leistungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats am 28. November 1996 waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und an sich statthaft und somit insgesamt zulässig (§§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Juli 1993 kann nach der vom Senat durchgeführten weiteren Beweiserhebung nicht aufrechterhalten werden. Die Klägerin hatte auch über den 9. Juni 1991 hinaus Anspruch auf Krankengeld in gesetzlichem Umfang, weshalb der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1991 und der Widerspruchsbescheid vom 10. September 1991 rechtswidrig sind und die Klägerin beschweren.
Anspruch auf Krankengeld haben nach § 44 SGB V Versicherte, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Die Klägerin war – was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist – auch über den 9. Juni 1991 hinaus bis einschließlich 1. Oktober 1991 arbeitsunfähig erkrankt. Ihr stand für diese Zeit auch noch Krankengeld zu, weil die längstmögliche Bezugsdauer noch nicht abgelaufen war.
Nach § 48 Abs. 1 SGB V besteht der Anspruch auf Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch ist ein Anspruch für längstens 78 Wochen innerhalb der sogenannten Rahmenfrist von je drei Jahren gegeben, welche vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an gerechnet wird. Dabei verlängert sich die Leistungsdauer nicht, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzutritt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Die Zeit der ersten Arbeitsunfähigkeit bei der Klägerin wird, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht umstritten ist, auf den 1. Juni 1989 festzulegen sein, den Tag der stationären Aufnahme der Klägerin in das Krankenhaus "E.” zur Durchführung der ersten TEP-Operation am linken Hüftgelenk. Im Anschluß daran war die Klägerin bis einschließlich 7. Oktober 1990 und mithin 70 Wochen und 3 Tage arbeitsunfähig erkrankt. Zur Bezugszeit im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB V zählen auch Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld wegen der Fortzahlung des Arbeitsentgeltes oder aus anderen Gründen ruhte (BSG, Urteil vom 11. Juli 1967 – 3 RK 92/65 = BSGE 27, 66 ff. – noch zu der früheren Vorschrift des § 183 Abs. 2 RVO). Ausgehend von der erneuten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 18. April 1991 war dann am 9. Juni 1991 die längstmögliche Bezugsdauer von 78 Wochen für das Krankengeld abgelaufen, wenn die am 18. April 1991 bescheinigte erneute Arbeitsunfähigkeit auf "derselben” Krankheit beruhte.
Was unter "derselben” Krankheit zu Verstehen ist, wird in § 48 SGB V – wie auch schon bei der früher geltenden Vorschrift des § 183 Abs. 2 RVO – nicht näher erläutert. Nach übereinstimmender Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25. Mai 1966 – 3 RK 8/63 – = BSGE 25, 37 ff.; BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 – 3/8 RK 28/87 –) und der Kommentarliteratur muß es sich dabei um (ein und) dieselbe, nicht aber (bloß) um die gleiche oder gleichartige Krankheit handeln (Kasseler Kommentar – Höfler –, § 48 SGB V Rdz. 4). Dieselbe Krankheit geht danach auf ein und dieselbe, nicht behobene Krankheitsursache zurück, die auch die frühere Arbeitsunfähigkeit bereits zur Folge hatte. Es muß eine identische Krankheitsursache vorliegen, was bei nur gleichen oder gleichartigen Krankheiten (z.B. einer ausgeheilten und später erneut auftretenden Angina) nicht gegeben ist. Der Terminus "dieselbe Krankheit” steht daher dem medizinischen Krankheitsbegriff nahe (Kasseler Kommentar – Höfler, a.a.O.). Dabei kann sich auch ein sogenanntes Grundleiden in unterschiedlichen Erscheinungsformen zeigen, sofern es nur medizinisch als Einheit zu werten ist (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, Kommentar, SGB V, § 48 Rdz. 6 unter Hinweis auf Vogel, Die Leistungen, 1982, S. 289).
Nicht ausreichend ist es, wie dies die Klägerin etwa meint, wenn bei einem einheitlichen, weiterbestehenden Grundleiden nur vorübergehend Arbeitsunfähigkeit entfällt, die dann später bei Fortbestehen der Krankheit erneut wegen ein und derselben Krankheit festgestellt werden muß (vgl. BSGE 25, 37 ff.).
Allerdings wird nicht für erforderlich gehalten, daß der "innere” Zusammenhang der Krankheit auch durch eine fortlaufende Behandlung nachgewiesen wird. Von derselben Krankheit wird gesprochen, wenn der zu beurteilende Zustand dieselbe Ursache und dasselbe Erscheinungsbild hat. Erforderlich ist demnach ein sogenannter "innerer Zusammenhang”, der – einerseits – durch eine fortlaufende Behandlung dokumentiert werden kann oder aber – andererseits – durch eine gemeinsame Bedingung herbeigeführt oder begünstigt wird (Gemeinschaftskommentar – SGB V – Wagner, Lose Blatt, Stand Juni 1994 § 48 Rdz. 5; Krasney, MedSach 1989, S. 188; Krauskopf/Marburger, MedSach 1989, S. 190, BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 – 3/8 RK 20/87 – = NZA 1989, S. 287).
So ist beispielsweise entschieden worden, daß sogenannte degenerative Wirbelsäulenveränderungen eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen, sobald sie der Behandlung bedürfen und Arbeitsunfähigkeit bedingen; als dieselbe Krankheit bestehen sie dann jedenfalls solange fort, als Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nicht für eine längere Zeit behoben sind und deshalb noch nicht von einem beschwerdefreien Zustand von gewisser Dauer gesprochen werden kann. Degenerative Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule, die sich in gleichartigen Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten äußern, wurden deshalb als einheitliches Grundleiden angesehen (BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 – 3/8 RK 28/87 – a.a.O.). Als weitere Beispiele werden, etwa nach dem Verlust von Gliedmaßen, Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit genannt, die durch Stumpfneuritis, Stumpffistel, Durchblutungsstörungen – jeweils bezogen auf den Beinstumpf desselben Beines – zurückzuführen sind. Hier wird in der Amputation von Gliedmaßen die gemeinsame Ursache für all die nachfolgenden behandlungsbedürftigen und Arbeitsunfähigkeit auslösenden Zustände gesehen.
Jedoch handelt es sich zur Überzeugung des Senats nicht schon dann um "dieselbe” Krankheit, wenn zwar insoweit ein innerer Zusammenhang zur früheren Krankheit besteht, weil die spätere durch dieselbe Ursache entstanden ist oder die frühere Krankheit wesentlich zur Entstehung der späteren beigetragen hat. Entscheidend ist zur Überzeugung des Senates vielmehr, daß auch unter medizinischer Betrachtungsweise – das heißt sowohl im Hinblick auf die Erklärung der Entstehungsursache als auch der Behandlungsbedürftigkeit und -möglichkeit – eine auf eine Krankheit bezogene Identität gegeben sein muß, weshalb nicht nur dieselbe Ursache, sondern auch dasselbe Erscheinungsbild vorliegen muß (grundlegend insoweit LSG Berlin, Urteil vom 20. Februar 1991 – L-9/Kr-46/90 –, Breithaupt 1991, S. 631 und ihm folgend GK-SGB V – Wagner, § 48 Rdz. 5). Ausgehend von diesen Grundsätzen, die sich der Senat zu Eigen macht, ist unter Berücksichtigung des Gutachtens der Dres. Prof. Ro. und C. das bei der Klägerin bestehende Hüftgelenksleiden an beiden Hüften nicht als ein und dieselbe Krankheit anzusehen. Wie die Sachverständigen für den Senat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt haben, besteht bei der Klägerin eine Arthrose, wobei es sich sowohl um einen persönlichkeits- und altersbedingten, wie aber auch durch Belastung und Abnutzung beeinflußten Prozeß handelt. Insoweit ist die – persönliche (genetische) – Disposition zum frühzeitigen Gelenkverschleiß, verbunden mit der besonderen, individuellen Situation von Belastung und Beanspruchung, eine und möglicherweise auch entscheidende Ursache für die Entstehung von Hüftgelenksarthrosen. Wenn aber eine Person, wie die Klägerin, dann dazu neigt, daß bei ihr stärker als altersüblich arthrotische Prozesse an unterschiedlichen Gelenken auftreten, dann müßte man, wollte man die "Arthrose” als Ursache für all diese Beschwerden ansehen und damit diese als einheitliche Krankheit behandeln, bei jeder Manifestation der Arthrose, unabhängig davon, welches der Gelenke (Knie, Hüfte, Ellenbogen, etc.) jeweils akut betroffen wäre, immer von ein und derselben Krankheit ausgehen. Daß dies medizinisch nicht sinnvoll ist, weil der Arzt jeweils das Krankheitsgeschehen an einem jeden Gelenk für sich getrennt betrachten – und selbstverständlich auch behandeln – muß, ist für den Senat durch das Gutachten der Dres. Prof. Ro. und C. überzeugend verdeutlicht worden. Die Beweisführung, die mit einer bis ins Absurde weiter geführten Argumentationskette erfolgt, ist im übrigen bereits in einem dem Sozialgericht im Verfahren zur einstweiligen Anordnung vorgelegten Schreiben von Dr. KY. vom 7. Januar 1992 ersichtlich. Dort hat der Arzt darauf hingewiesen, daß, wenn jetzt eine Arthrose im Schultergelenk der Klägerin aufgetreten wäre, die entsprechende medizinische Diagnose "Arthrose im Schultergelenk” hätte lauten müssen, und dort zu einer Behandlung geführt hätte. Aus medizinischer Sicht würde dann nicht davon gesprochen, werden können, daß es sich bei diesem Krankheitszustand im Schultergelenk nunmehr um "dieselbe” Krankheit bei der zu behandelnden Person hätte handeln können, nur weil aufgrund einer Disposition ein frühzeitiger arthrotischer Umbau in den Hüftgelenken vorhergegangen war.
Wie insbesondere das LSG Berlin (a.a.O.) herausgearbeitet hat, ist deshalb gerade bei der medizinischen Betrachtungsweise dafür, was "dieselbe” Krankheit im Sinne des SGB V heißen kann, darauf abzustellen, daß es nicht nur um dieselbe Ursache (im naturwissenschaftlich-medizinischen Sinne) gehen kann, sondern daß auch dasselbe Erscheinungsbild vorliegen muß. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen an den beiden Hüften der Klägerin – auch in ihrer je unterschiedlichen Ausprägung – zwar als Folge eines im Grundsatz einheitlichen Prozesses anzusehen, in dem (genetische?) Anlage, Altersaufbrauch und Abnutzung aber sowohl in der Wirkungsweise als auch in der Zeitdimension je unterschiedlich eingeschätzt und bewertet werden müssen. Aus medizinischer Sicht ist beispielsweise ein operatives Vorgehen erst dann und nur dann unumgänglich, wenn andere, etwa krankengymnastische Behandlungsmöglichkeiten, erschöpft sind und keinen weiteren Erfolg mehr versprechen. Die Beurteilung und Bewertung von Behandlungsbedürftigkeit, Behandlungsmöglichkeit und Behandlungserfolg, ist dann aber ausschließlich Aufgabe medizinisch qualifizierter Sachverständiger. Insoweit kann es durchaus Sinn machen, bei nahezu gleich verlaufenden arthrotischen Veränderungsprozessen an beiden Hüftgelenken, zunächst zu versuchen, eine Operation möglichst lange hinauszuziehen und ggf. erst an einem Hüftgelenk durchzuführen, um den Erfolg abzuwarten. Insbesondere bei jüngeren Patienten ist allgemein kundig und bekannt, daß die TEP-Operation nicht um jeden Preis durchgeführt wird, weil eine Lockerung der TEP und damit die erneute Operation in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann. Von daher ist es auch nachvollziehbar, wenn bei der Behandlungsbedürftigkeit beider Hüften der Versuch unternommen wird, die Zeit zwischen beiden Operationen zu strecken.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kann zur Überzeugung des Senates nicht davon ausgegangen werden, daß die im April 1991 begonnene operative Behandlung bei der Klägerin an der rechten Hüfte auf "derselben” Krankheit im Sinne des § 48 SGB V beruhte. Auch in den Feststellungen zur Arbeitsunfähigkeit vor 1989 und danach wird zwischen dem Zustand der linken und der rechten Hüfte des öfteren deutlich unterschieden. Auch waren die Beschwerden der Klägerin am linken Hüftgelenk deutlich größer als rechts, weshalb sich auch für die linke Seite zunächst die Operationsindikation gestellt hat. Zwischenzeitlich war dann – nachdem die Komplikationen der ersten Operation überwunden waren – bei der Klägerin sogar eine gewisse Besserung eingetreten, weshalb sie sich im Oktober 1990 der Arbeitsvermittlung als arbeitsfähig zur Verfügung gestellt hat.
Der Senat brauchte dabei nicht zu entscheiden, ob eine – einschränkende – Interpretation von § 48 Abs. 1 SGB V dann erforderlich ist, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird, bezogen auf das zunächst Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden ist (hier die Tätigkeit der Klägerin im Service) und der Versicherte sich nunmehr mit dem vorhandenen Restleistungsvermögen dem Arbeitsmarkt – und das heißt auch für andere Tätigkeiten – zur Verfügung stellt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Dezember 1993 – 1 RK 20/93 – und insbesondere Urteil des BSG vom 28. September 1993 – 1 RK 46/92 –). Da der Senat davon überzeugt ist, daß die im April 1991 festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht auf derselben Krankheit beruhte, bedarf die Frage, ob die zwischenzeitlich eingetretene Arbeitslosigkeit der Klägerin bei zeitweilig bestehender Arbeitsfähigkeit ebenfalls zur Verlängerung des Anspruchs auf Krankengeld führt, keiner weiteren Erörterung.
Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt aufzuheben und der Klägerin – in gesetzlichem Umfang – dem Grunde nach (§ 130 SGG) ein Anspruch auf Krankengeld auch über den 9. Juni 1991 hinaus zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht erkennbar sind.
II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1991 verurteilt, der Klägerin Krankengeld auch für die Zeit ab 10. Juni 1991 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen weiterzuzahlen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Krankengeld und hierbei insbesondere um die Frage, ob eine bei der Klägerin innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist erneut aufgetretene Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruht.
Die 1938 geborene Klägerin ist ausgebildete Industriekauffrau und seit 1. Juli 1969 Pflichtmitglied der Beklagten. Zuletzt war sie in der von ihrem Ehemann geführten Gaststätte unter anderem im Service tätig. Etwa seit 1979 sind bei ihr vermehrte Verschleißveränderungen an beiden Hüftgelenken (Arthrosis deformans), links wesentlich stärker als rechts, mit zunehmenden Beschwerden bekannt, deretwegen sie bei den Ärzten Dres. Kl. und Me., Da., in Behandlung war. Nach einer ersten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 24. April 1989 war die Klägerin ab 1. Juni 1989 (bei der Beklagten gemeldet am 8. Juni 1989) arbeitsunfähig erkrankt und auf Veranlassung der behandelnden Ärzte stationär im Krankenhaus "E.” in DX. aufgenommen worden. Bis 12. Juli 1989 erhielt sie Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, danach Krankengeld von der Beklagten.
Am 2. Juni 1989 wurde die Klägerin in der Chirurgischen Klinik des "E.” am linken Hüftgelenk operiert und ihr eine sogenannte Totalendoprothese (TEP) eingesetzt. Im Befundbericht für die KX-klinik, in der die Klägerin im Anschluß an die Entlassung aus dem "E.” am 21. Juni 1989 vom 23. Juni bis 21. Juli 1989 auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Anschlußheilbehandlung (AHB) weilte, beschrieb der Chefarzt der Chirurgischen Klinik des "E.” Dr. G., Krankheitsbeginn und Verlauf wie folgt: "Bei der Patientin besteht seit 10 Jahren eine Arthrosis deformans beider Hüftgelenke, links mehr als rechts. Erheblicher Bewegungsschmerz. Rotation beider Hüften nur noch angedeutet möglich”.
Nach der Operation und der AHB trat bei der Klägerin zunächst eine Besserung ein. Die Klägerin wurde jedoch auch am linken Hüftgelenk nicht völlig beschwerdefrei, weshalb auch ab 24. Juli 1989 (festgestellt am 31. Juni 1989) von den behandelnden Ärzten weiterhin Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde.
Vertrauensärztliche Untersuchungen zur Klärung der Arbeitsunfähigkeit beim Sozialärztlichen Dienst der LVA Hessen bzw. dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) erfolgten am 27. November 1989 sowie am 17. Januar, 9. Februar und 22. März 1990, wobei jeweils das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde.
Bereits mit einem Schreiben vom 2. August 1989 sprach die Beklagte die Klägerin erstmals auf die Notwendigkeit einer Beratung wegen einer weiteren Rehabilitationsmaßnahme bzw. eines Rentenfeststellungsverfahrens wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an. Anläßlich der vertrauensärztlichen Untersuchung am 9. Februar 1990 wies Dr. Rü. darauf hin, daß bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit für die letzte Tätigkeit vermutlich auf Dauer entstehen könnte.
Nachfolgend wurde festgestellt, daß sich bei der Klägerin anläßlich der Operation am linken Hüftgelenk eine sogenannte Faszienlücke gebildet hatte. Die Klägerin wurde deshalb in der Zeit vom 26. März bis 12. April 1990 erneut stationär im Krankenhaus "E.” behandelt, wo die Faszienlücke operativ verschlossen wurde. Im Anschluß daran blieb die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig, was bei vertrauensärztlichen Begutachtungen beim Sozialärztlichen Dienst am 18. April, 30. Mai und 2. Juli 1990 bestätigt wurde. Am 30. Mai 1990 empfahl Dr. P. einen Auffrischungskurs mit dem Ziel der Rückkehr der Klägerin in eine Tätigkeit im Büro. Ein förmlicher Antrag auf Durchführung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen wurde von der Klägerin am 5. Juni 1990 gestellt und von der Beklagten an die zuständige BfA weitergeleitet.
In den ärztlichen Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit hieß es meist "Coxarthrose beidseits” und "Zustand nach TEP links”; teilweise finden sich aber auch Hinweise auf die "von Anfang an” stärkere Betroffenheit des linken Hüftgelenkes. Diese erste Arbeitsunfähigkeit endete am 7. Oktober 1990. Nach den Angaben der Klägerin meldete sie sich arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld.
Erneut wurde am 18. April 1991, nunmehr wegen Beschwerden am rechten Hüftgelenk, Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Die Klägerin befand sich ab 29. Mai 1991 zur stationären Behandlung im Krankenhaus "E.”, wo am 31. Mai 1991 eine weitere Operation durchgeführt wurde, bei der das rechte Hüftgelenk ausgetauscht und durch eine TEP ersetzt wurde. Am 10. Juni 1991 wurde die Klägerin nach erfolgreicher Operation entlassen und begann am 9. Juli 1991 wiederum eine AHB.
Durch Bescheid vom 11. Juni 1991 teilte die Beklagte der Klägerin mit, Krankengeld könne über den 9. Juni 1991 hinaus nicht gezahlt werden, weil die erneute Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruhe. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch (Eingang 26. Juni 1989) und berief sich auf ärztliche Äußerungen von Dr. Kl., der zunächst am 21. Juni 1989 die neue Zeit der Arbeitsunfähigkeit als auf derselben Krankheit beruhend bezeichnet hatte, mit einer Stellungnahme vom 26. Juni 1989 aber die Frage danach, ob die Arbeitsunfähigkeit auf Deiner gemeinsamen Krankheitsursache beruhe, verneint hatte. Die Beklagte holte noch eine Stellungnahme des MDK vom 7. Juni 1991 ein, der einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beiden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bestätigte. Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 1991 unter anderem mit der Begründung zurück, ein Krankengeldanspruch bestehe längstens für 78 Wochen innerhalb einer Zeit von drei Jahren seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit, wenn die erneut auftretende Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruhe.
Am 8. August 1991 hat die Klägerin Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Darmstadt gestellt und sich in diesem Verfahren auf eine ärztliche Stellungnahme von Dr. KY. dem Leitenden Oberarzt der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses "E.” in DX. vom 9. September 1991 berufen. In einer auf Anforderung des Sozialgerichts am 17. Januar 1992 erteilten Auskunft hat Dr. KY. mitgeteilt, die Klägerin habe (erstens) an einer Arthrose des linken Hüftgelenks gelitten, weswegen eine Hüft-Endoprothese im Jahre 1989 eingesetzt worden sei. Weiter habe die Klägerin (zweitens) an einer Arthrose im rechten Hüftgelenk gelitten, weswegen 1990 eine Hüft-Endoprothese eingesetzt worden sei. Im Falle einer Arthrose (z.B.) im Schultergelenk, würde das Leiden, als (drittens) "Arthrose im Schultergelenk” bezeichnet, wenn dort eine Behandlung hätte durchgeführt werden müssen; dies sei bei der Klägerin glücklicherweise nicht der Fall. Es verdeutliche aber die Ansicht, daß es sich bei den zwei erstgenannten um getrennte Erkrankungen gehandelt habe; es lägen zwei verschiedene, unabhängig voneinander auftretende, Hüftgelenksarthrosen vor, wie sie bei vielen Menschen auftreten würden, und die dann jeweils zum Hüftgelenksersatz geführt hätten. Ein Zusammenhang könne deshalb zwischen den beiden Erkrankungen nicht konstruiert werden (Stellungnahme von Dr. KY. vom 9. September 1991).
Die zweite Arbeitsunfähigkeit der Klägerin dauerte bis zum 1. Oktober 1991. Am 2. Oktober 1991 meldete sich die Klägerin nach ihren Angaben wieder arbeitslos und bezog Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit.
Am 4. Oktober 1991 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben und unter Berufung auf eine ärztliche Stellungnahme von Dr. Kl. vom 13. Oktober 1992 geltend gemacht, es habe sich einmal um eine Operation des linken und sodann des rechten Hüftgelenkes gehandelt, weshalb nicht von einer – einheitlichen – Erkrankung ausgegangen werden könne.
Das Sozialgericht hat Stellungnahmen von Dr. Kl. vom 30. Oktober 1992 und – erneut – von Dr. KY. vom 23. Februar 1993 zu der Frage angefordert, ob die Krankheitszustände an dem rechten und dem linken Hüftgelenk der Klägerin in einem inneren Zusammenhang stünden, was beide Ärzte verneint haben. Durch Urteil vom 20. Juli 1993 hat das Sozialgericht Darmstadt sodann die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Klägerin sei, nachdem sie ab 1. Juni 1989 arbeitsunfähig erkrankt war, ab dem 18. April 1991 erneut innerhalb des 3-Jahres-Zeitraumes wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig erkrankt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches 5. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) bestehe ein erneuter Anspruch auf Krankengeld innerhalb des 3-Jahres-Zeitraumes nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruhe. Dieselbe Krankheit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V liege vor, wenn es sich um dasselbe, medizinisch nicht ausgeheilte einheitliche Grundleiden handele, das immer wieder zu Arbeitsunfähigkeit bedingenden Krankheitserscheinungen führe. Bei der Klägerin habe wegen beiderseitiger Coxarthrose im Juni 1989 auch an beiden Hüftgelenken nur noch eine angedeutete Rotation mit erheblichen Bewegungsschmerzen bestanden, weshalb sie ab 1. Juni 1989 arbeitsunfähig erkrankt war. Die am 18. April 1991 bei fortbestehender Coxarthrose im rechten Hüftgelenk und wegen einer Verschlimmerung der rechtsseitigen arthrotischen Beschwerden erneut aufgetretene Arbeitsunfähigkeit gehe deshalb auf dieselbe, diesbezüglich nicht behobene Krankheitsursache zurück, wie die Arbeitsunfähigkeit, die ab 1. Juni 1989 in Form der beidseitigen Coxarthrose bereits festgestellt worden war. Da die ab dem 18. April 1991 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit dieselbe Krankheitsursache und Entstehungsbedingung habe, gleichförmige Symptome und denselben Krankheitsverlauf zeige, wie die ab 1. Juni 1989 bestätigte Arbeitsunfähigkeit, habe es sich um dieselbe Krankheit gehandelt, wobei dann wegen zunehmender Verschlimmerung der Beschwerden am 31. Mai 1991 auch die rechte Hüfte der Klägerin totalendoprothetisch versorgt werden mußte. Zu Recht habe deshalb die Beklagte die weitere Zahlung von Krankengeld verweigert.
Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 1. September 1993 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 27. September 1993 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Die Klägerin macht – insbesondere unter Berufung auf die ärztlichen Stellungnahmen von Dr. Kl. vom 30. Oktober 1992 und Dr. KY. vom 23. Februar 1993 – geltend, daß es sich angesichts der Entstehungsursache und der unterschiedlichen Krankheitsverläufe nicht um ein und dieselbe Krankheit habe handeln können. Sie sei nach erfolgreicher Operation des linken Hüftgelenkes, nachdem die nachfolgenden Komplikationen überwunden gewesen seien, zunächst auch wieder arbeitsfähig gewesen. Bei der Operation des anderen Hüftgelenkes habe es sich deshalb um eine vollständig andere Erkrankung auch im Rechtssinne gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Juli 1993 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 9. Juni 1991 hinaus Krankengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, das sie für richtig hält.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung ein medizinisches Sachverständigengutachten von Prof. Ro., Universität He., eingeholt. Zur Fertigstellung dieses Gutachtens sind dem Sachverständigen Röntgenbilder des Krankenhauses "E.” sowie weitere ärztliche Unterlagen aus diesem Krankenhaus zur Verfügung gestellt worden. In dem zusammen mit Dr. C. erstellten Gutachten vom 9. Januar 1996 und der abschließenden gutachterlichen Stellungnahme vom 9. September 1996 kommt der Sachverständigen Prof. Dr. Ro. zu dem Ergebnis, daß bei der Klägerin nach den vorgelegten Röntgenbildern im Bereich des linken wie auch des rechten Hüftgelenks erhebliche Verschleißprozesse (Coxarthrose) vorgelegen haben. Die vom Senat aufgeworfene Frage danach, ob es sich dann jeweils um dieselbe Krankheit gehandelt habe, könne jedoch nicht vom medizinischen Sachverständigen beantwortet werden, weil es sich insoweit um eine Rechtsfrage handele und deswegen eine juristische und nicht eine ärztliche abschließende Entscheidung getroffen werden müsse. Die Notwendigkeit zum Einsetzen von künstlichen Hüftgelenken bei der Klägerin habe sich infolge von arthrotischen (Verschleiß-)Prozessen ergeben. Dieser Verschleißprozeß, die sogenannte Arthrose, sei bei Menschen dieses Alters sehr häufig im Bereich der Hüftgelenke nachzuweisen. Entsprechende Verschleißerscheinungen seien bei der Klägerin auch in anderen Abschnitten des Haltungs- und Bewegungsapparates zu finden gewesen. Auch die auf der Beckenübersichtsaufnahme abgebildeten kleinen Wirbelgelenke der unteren Lendenwirbelsäule zeigten ebenfalls deutliche Aufbraucherscheinungen. Solche seien auch im Bereich der Brustwirbelsäule nachzuweisen. Grundsätzlich könne eine Arthrose aus innerer Ursache heraus an allen Gelenken des menschlichen Körpers entstehen. Bei der Klägerin seien vor allem die beiden Hüftgelenke betroffen gewesen. Die Beweisfrage des Gerichts habe unter diesem Gesichtspunkt grundsätzliche Bedeutung. Gehe man nämlich davon aus, daß die mit zunehmendem Lebensalter wachsende Degenerationstendenz des menschlichen Körpers die dem Verschleißprozeß in beiden Hüftgelenken zugrunde liegende gemeinsame Ursache sei, so würde sich hieraus die Konsequenz ergeben, daß auch mögliche, später noch auftretende Verschleißprozesse in anderen Gelenken des menschlichen Körpers (Knie, Wirbelsäule, etc.), dieser gemeinsamen Krankheitsursache untergeordnet werden müßten. Aus medizinischer Sicht jedoch müsse in diesen Fällen (wie auch im vorliegenden) die Entwicklung von Verschleißprozessen in allen Gelenken selbständig und unabhängig voneinander betrachtet werden, auch wenn im vorliegenden Fall eine zufällige Koinzidenz vorgelegen habe.
Die Beteiligten sehen sich in ihren Stellungnahmen zu dem Gutachten der Sachverständigen Dres. Prof. Ro. und C. jeweils in den von ihnen vertretenen, gegensätzlichen, Auffassungen bestätigt.
Für den Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Leistungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats am 28. November 1996 waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und an sich statthaft und somit insgesamt zulässig (§§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Juli 1993 kann nach der vom Senat durchgeführten weiteren Beweiserhebung nicht aufrechterhalten werden. Die Klägerin hatte auch über den 9. Juni 1991 hinaus Anspruch auf Krankengeld in gesetzlichem Umfang, weshalb der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1991 und der Widerspruchsbescheid vom 10. September 1991 rechtswidrig sind und die Klägerin beschweren.
Anspruch auf Krankengeld haben nach § 44 SGB V Versicherte, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Die Klägerin war – was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist – auch über den 9. Juni 1991 hinaus bis einschließlich 1. Oktober 1991 arbeitsunfähig erkrankt. Ihr stand für diese Zeit auch noch Krankengeld zu, weil die längstmögliche Bezugsdauer noch nicht abgelaufen war.
Nach § 48 Abs. 1 SGB V besteht der Anspruch auf Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch ist ein Anspruch für längstens 78 Wochen innerhalb der sogenannten Rahmenfrist von je drei Jahren gegeben, welche vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an gerechnet wird. Dabei verlängert sich die Leistungsdauer nicht, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzutritt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Die Zeit der ersten Arbeitsunfähigkeit bei der Klägerin wird, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht umstritten ist, auf den 1. Juni 1989 festzulegen sein, den Tag der stationären Aufnahme der Klägerin in das Krankenhaus "E.” zur Durchführung der ersten TEP-Operation am linken Hüftgelenk. Im Anschluß daran war die Klägerin bis einschließlich 7. Oktober 1990 und mithin 70 Wochen und 3 Tage arbeitsunfähig erkrankt. Zur Bezugszeit im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB V zählen auch Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld wegen der Fortzahlung des Arbeitsentgeltes oder aus anderen Gründen ruhte (BSG, Urteil vom 11. Juli 1967 – 3 RK 92/65 = BSGE 27, 66 ff. – noch zu der früheren Vorschrift des § 183 Abs. 2 RVO). Ausgehend von der erneuten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 18. April 1991 war dann am 9. Juni 1991 die längstmögliche Bezugsdauer von 78 Wochen für das Krankengeld abgelaufen, wenn die am 18. April 1991 bescheinigte erneute Arbeitsunfähigkeit auf "derselben” Krankheit beruhte.
Was unter "derselben” Krankheit zu Verstehen ist, wird in § 48 SGB V – wie auch schon bei der früher geltenden Vorschrift des § 183 Abs. 2 RVO – nicht näher erläutert. Nach übereinstimmender Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25. Mai 1966 – 3 RK 8/63 – = BSGE 25, 37 ff.; BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 – 3/8 RK 28/87 –) und der Kommentarliteratur muß es sich dabei um (ein und) dieselbe, nicht aber (bloß) um die gleiche oder gleichartige Krankheit handeln (Kasseler Kommentar – Höfler –, § 48 SGB V Rdz. 4). Dieselbe Krankheit geht danach auf ein und dieselbe, nicht behobene Krankheitsursache zurück, die auch die frühere Arbeitsunfähigkeit bereits zur Folge hatte. Es muß eine identische Krankheitsursache vorliegen, was bei nur gleichen oder gleichartigen Krankheiten (z.B. einer ausgeheilten und später erneut auftretenden Angina) nicht gegeben ist. Der Terminus "dieselbe Krankheit” steht daher dem medizinischen Krankheitsbegriff nahe (Kasseler Kommentar – Höfler, a.a.O.). Dabei kann sich auch ein sogenanntes Grundleiden in unterschiedlichen Erscheinungsformen zeigen, sofern es nur medizinisch als Einheit zu werten ist (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, Kommentar, SGB V, § 48 Rdz. 6 unter Hinweis auf Vogel, Die Leistungen, 1982, S. 289).
Nicht ausreichend ist es, wie dies die Klägerin etwa meint, wenn bei einem einheitlichen, weiterbestehenden Grundleiden nur vorübergehend Arbeitsunfähigkeit entfällt, die dann später bei Fortbestehen der Krankheit erneut wegen ein und derselben Krankheit festgestellt werden muß (vgl. BSGE 25, 37 ff.).
Allerdings wird nicht für erforderlich gehalten, daß der "innere” Zusammenhang der Krankheit auch durch eine fortlaufende Behandlung nachgewiesen wird. Von derselben Krankheit wird gesprochen, wenn der zu beurteilende Zustand dieselbe Ursache und dasselbe Erscheinungsbild hat. Erforderlich ist demnach ein sogenannter "innerer Zusammenhang”, der – einerseits – durch eine fortlaufende Behandlung dokumentiert werden kann oder aber – andererseits – durch eine gemeinsame Bedingung herbeigeführt oder begünstigt wird (Gemeinschaftskommentar – SGB V – Wagner, Lose Blatt, Stand Juni 1994 § 48 Rdz. 5; Krasney, MedSach 1989, S. 188; Krauskopf/Marburger, MedSach 1989, S. 190, BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 – 3/8 RK 20/87 – = NZA 1989, S. 287).
So ist beispielsweise entschieden worden, daß sogenannte degenerative Wirbelsäulenveränderungen eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen, sobald sie der Behandlung bedürfen und Arbeitsunfähigkeit bedingen; als dieselbe Krankheit bestehen sie dann jedenfalls solange fort, als Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nicht für eine längere Zeit behoben sind und deshalb noch nicht von einem beschwerdefreien Zustand von gewisser Dauer gesprochen werden kann. Degenerative Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule, die sich in gleichartigen Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten äußern, wurden deshalb als einheitliches Grundleiden angesehen (BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 – 3/8 RK 28/87 – a.a.O.). Als weitere Beispiele werden, etwa nach dem Verlust von Gliedmaßen, Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit genannt, die durch Stumpfneuritis, Stumpffistel, Durchblutungsstörungen – jeweils bezogen auf den Beinstumpf desselben Beines – zurückzuführen sind. Hier wird in der Amputation von Gliedmaßen die gemeinsame Ursache für all die nachfolgenden behandlungsbedürftigen und Arbeitsunfähigkeit auslösenden Zustände gesehen.
Jedoch handelt es sich zur Überzeugung des Senats nicht schon dann um "dieselbe” Krankheit, wenn zwar insoweit ein innerer Zusammenhang zur früheren Krankheit besteht, weil die spätere durch dieselbe Ursache entstanden ist oder die frühere Krankheit wesentlich zur Entstehung der späteren beigetragen hat. Entscheidend ist zur Überzeugung des Senates vielmehr, daß auch unter medizinischer Betrachtungsweise – das heißt sowohl im Hinblick auf die Erklärung der Entstehungsursache als auch der Behandlungsbedürftigkeit und -möglichkeit – eine auf eine Krankheit bezogene Identität gegeben sein muß, weshalb nicht nur dieselbe Ursache, sondern auch dasselbe Erscheinungsbild vorliegen muß (grundlegend insoweit LSG Berlin, Urteil vom 20. Februar 1991 – L-9/Kr-46/90 –, Breithaupt 1991, S. 631 und ihm folgend GK-SGB V – Wagner, § 48 Rdz. 5). Ausgehend von diesen Grundsätzen, die sich der Senat zu Eigen macht, ist unter Berücksichtigung des Gutachtens der Dres. Prof. Ro. und C. das bei der Klägerin bestehende Hüftgelenksleiden an beiden Hüften nicht als ein und dieselbe Krankheit anzusehen. Wie die Sachverständigen für den Senat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt haben, besteht bei der Klägerin eine Arthrose, wobei es sich sowohl um einen persönlichkeits- und altersbedingten, wie aber auch durch Belastung und Abnutzung beeinflußten Prozeß handelt. Insoweit ist die – persönliche (genetische) – Disposition zum frühzeitigen Gelenkverschleiß, verbunden mit der besonderen, individuellen Situation von Belastung und Beanspruchung, eine und möglicherweise auch entscheidende Ursache für die Entstehung von Hüftgelenksarthrosen. Wenn aber eine Person, wie die Klägerin, dann dazu neigt, daß bei ihr stärker als altersüblich arthrotische Prozesse an unterschiedlichen Gelenken auftreten, dann müßte man, wollte man die "Arthrose” als Ursache für all diese Beschwerden ansehen und damit diese als einheitliche Krankheit behandeln, bei jeder Manifestation der Arthrose, unabhängig davon, welches der Gelenke (Knie, Hüfte, Ellenbogen, etc.) jeweils akut betroffen wäre, immer von ein und derselben Krankheit ausgehen. Daß dies medizinisch nicht sinnvoll ist, weil der Arzt jeweils das Krankheitsgeschehen an einem jeden Gelenk für sich getrennt betrachten – und selbstverständlich auch behandeln – muß, ist für den Senat durch das Gutachten der Dres. Prof. Ro. und C. überzeugend verdeutlicht worden. Die Beweisführung, die mit einer bis ins Absurde weiter geführten Argumentationskette erfolgt, ist im übrigen bereits in einem dem Sozialgericht im Verfahren zur einstweiligen Anordnung vorgelegten Schreiben von Dr. KY. vom 7. Januar 1992 ersichtlich. Dort hat der Arzt darauf hingewiesen, daß, wenn jetzt eine Arthrose im Schultergelenk der Klägerin aufgetreten wäre, die entsprechende medizinische Diagnose "Arthrose im Schultergelenk” hätte lauten müssen, und dort zu einer Behandlung geführt hätte. Aus medizinischer Sicht würde dann nicht davon gesprochen, werden können, daß es sich bei diesem Krankheitszustand im Schultergelenk nunmehr um "dieselbe” Krankheit bei der zu behandelnden Person hätte handeln können, nur weil aufgrund einer Disposition ein frühzeitiger arthrotischer Umbau in den Hüftgelenken vorhergegangen war.
Wie insbesondere das LSG Berlin (a.a.O.) herausgearbeitet hat, ist deshalb gerade bei der medizinischen Betrachtungsweise dafür, was "dieselbe” Krankheit im Sinne des SGB V heißen kann, darauf abzustellen, daß es nicht nur um dieselbe Ursache (im naturwissenschaftlich-medizinischen Sinne) gehen kann, sondern daß auch dasselbe Erscheinungsbild vorliegen muß. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen an den beiden Hüften der Klägerin – auch in ihrer je unterschiedlichen Ausprägung – zwar als Folge eines im Grundsatz einheitlichen Prozesses anzusehen, in dem (genetische?) Anlage, Altersaufbrauch und Abnutzung aber sowohl in der Wirkungsweise als auch in der Zeitdimension je unterschiedlich eingeschätzt und bewertet werden müssen. Aus medizinischer Sicht ist beispielsweise ein operatives Vorgehen erst dann und nur dann unumgänglich, wenn andere, etwa krankengymnastische Behandlungsmöglichkeiten, erschöpft sind und keinen weiteren Erfolg mehr versprechen. Die Beurteilung und Bewertung von Behandlungsbedürftigkeit, Behandlungsmöglichkeit und Behandlungserfolg, ist dann aber ausschließlich Aufgabe medizinisch qualifizierter Sachverständiger. Insoweit kann es durchaus Sinn machen, bei nahezu gleich verlaufenden arthrotischen Veränderungsprozessen an beiden Hüftgelenken, zunächst zu versuchen, eine Operation möglichst lange hinauszuziehen und ggf. erst an einem Hüftgelenk durchzuführen, um den Erfolg abzuwarten. Insbesondere bei jüngeren Patienten ist allgemein kundig und bekannt, daß die TEP-Operation nicht um jeden Preis durchgeführt wird, weil eine Lockerung der TEP und damit die erneute Operation in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann. Von daher ist es auch nachvollziehbar, wenn bei der Behandlungsbedürftigkeit beider Hüften der Versuch unternommen wird, die Zeit zwischen beiden Operationen zu strecken.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kann zur Überzeugung des Senates nicht davon ausgegangen werden, daß die im April 1991 begonnene operative Behandlung bei der Klägerin an der rechten Hüfte auf "derselben” Krankheit im Sinne des § 48 SGB V beruhte. Auch in den Feststellungen zur Arbeitsunfähigkeit vor 1989 und danach wird zwischen dem Zustand der linken und der rechten Hüfte des öfteren deutlich unterschieden. Auch waren die Beschwerden der Klägerin am linken Hüftgelenk deutlich größer als rechts, weshalb sich auch für die linke Seite zunächst die Operationsindikation gestellt hat. Zwischenzeitlich war dann – nachdem die Komplikationen der ersten Operation überwunden waren – bei der Klägerin sogar eine gewisse Besserung eingetreten, weshalb sie sich im Oktober 1990 der Arbeitsvermittlung als arbeitsfähig zur Verfügung gestellt hat.
Der Senat brauchte dabei nicht zu entscheiden, ob eine – einschränkende – Interpretation von § 48 Abs. 1 SGB V dann erforderlich ist, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird, bezogen auf das zunächst Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden ist (hier die Tätigkeit der Klägerin im Service) und der Versicherte sich nunmehr mit dem vorhandenen Restleistungsvermögen dem Arbeitsmarkt – und das heißt auch für andere Tätigkeiten – zur Verfügung stellt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Dezember 1993 – 1 RK 20/93 – und insbesondere Urteil des BSG vom 28. September 1993 – 1 RK 46/92 –). Da der Senat davon überzeugt ist, daß die im April 1991 festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht auf derselben Krankheit beruhte, bedarf die Frage, ob die zwischenzeitlich eingetretene Arbeitslosigkeit der Klägerin bei zeitweilig bestehender Arbeitsfähigkeit ebenfalls zur Verlängerung des Anspruchs auf Krankengeld führt, keiner weiteren Erörterung.
Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt aufzuheben und der Klägerin – in gesetzlichem Umfang – dem Grunde nach (§ 130 SGG) ein Anspruch auf Krankengeld auch über den 9. Juni 1991 hinaus zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht erkennbar sind.
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