L 2 U 66/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 158/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 66/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. August 1998 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen seiner Kniegelenksbeschwerden gegen die Beklagte aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

Der am 4. Oktober 1944 geborene und aus dem Beitrittsgebiet stammende Kläger war von 1966 bis einschließlich Dezember 1990 als Artist beim Staatszirkus der DDR beschäftigt. Er bezieht mit Wirkung ab 1991 eine Verletztenrente von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen nach einer Minderung der Erwebsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 70 der Berufskrankheiten-Liste der ehemaligen DDR (Bescheid vom 7. Mai 1996 in der Fassung des Bescheides vom 4. Februar 1997).

Am 24. August 1994 wandte er sich an die Beklagte und teilte unter Hinweis auf einen Röntgenbefund der Röntgenpraxis I. vom 19. August 1994, in dem u.a. festgestellt wurde, dass der Kläger im Bereich der Kniegelenke deutlich ausgeprägte Zeichen einer Arthrosis habe, mit, dass sich seit einem Jahr seine Kniegelenksbeschwerden verschlimmert hätten und er diese Beschwerden auf seine Tätigkeit als Artist (Schleuderbrettakrobat - Untermann und komischer Exzentriker - Kaskadeur -) zurückführe.

In dem daraufhin von der Beklagten eingeleiteten Feststellungsverfahren nahm der Facharzt für Arbeitsmedizin im Arbeitsmedizinischen Dienst der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover Dr. R. am 10. November 1994 gutachterlich zur Frage einer Berufskrankheit Stellung. Dabei machte er zur Berufsanamnese folgende Ausführungen:

1. Komische Darbietung (Kaskadeur: Trampolin, Kasten, Matte -z.T. sehr hart-), z.T. auch neben der Matte landend. Sprünge auf/gegen den Kasten. Starke Hüftgelenks- und Kniegelenksbelastung bei den Sprüngen.

2. Schleuderbrettnummer: Fangarbeit von Partnern (bis 4 übereinander), bis 7 bei der Pyramide (350 - 400 kg). Viel Haltearbeit mit der Nackenmuskulatur. Abfangen von Saltosprüngen bis 5 - 6 m Höhe á 75 kg (zu zweit). Täglich 2 - 4 Stunden Training, bis 1985 täglich 2 Vorstellungen, z.T. auch 3 (z.B. in Japan).„

Aus seiner Sicht seien die haftungsbegründenden Kriterien für die BK 2102 erfüllt, nicht jedoch die haftungsausfüllenden (zur Zeit keine Krankheit mit erheblicher Funktionseinschränkung). Die Bewegungswerte der Kniegelenke gab er mit 10/0/120 an. Ein begründeter Verdacht auf die BK 2102 bestünde daher nicht.

Daraufhin lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 13. Dezember 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 1995 ab, Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) nicht gegeben seien. Ebenso wenig liege eine Berufskrankheit nach Nr. 71 der Liste der ehemaligen DDR vor.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht zunächst einen Befundbericht des Arztes für Orthopädie und Sportmedizin, des Medizinalrates Dr. P. , vom 9. Juni 1995 eingeholt, der darin u.a. eine mittelschwere Kniearthrose beidseits (röntgenologisch gesichert) diagnostizierte und einen solchen von der Ärztin für Innere Medizin Dr. S. vom 2.Oktober 1995, die darin die Diagnose Retropatellaarthrose beider Kniegelenke stellte.

Im Anschluss hat das Sozialgericht zunächst den Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. B. mit der Erstellung eines fachorthopädischen Zusammenhangsgutachtens beauftragt. Dieser kam in dem Gutachten vom 1. April 1996 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger an beiden Kniegelenken, rechts etwas stärker als links, eine Innenmeniskussymptomatik bestünde. Kernspintomographisch (Befund von Prof. Dr. L. vom 23. März 1996) habe rechtsseitig der Meniskusschaden objektiviert werden können. Die beim Kläger vorhandene Innenmeniskusschädigung an beiden Kniegelenken sei jedoch nicht durch mehrjährige andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten entstanden. Es handele sich vielmehr um Schädigungen, die sich auf konstitutioneller Basis entwickelt hätten. Während der Artistentätigkeit seien die Kniegelenke weitgehend in gestreckter, allenfalls in leicht gebeugter Haltung gebracht worden, was im Wesentlichen muskulär kompensiert worden sei, ohne dass es dabei zu einer weiteren Belastung der Meniski gekommen sei. Unabhängig von der Anerkennung einer Berufskrankheit würde der gegenwärtige Befund eine kaum messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ergeben, zumal auch die Muskulatur der Oberschenkel in einem guten und ausreichenden Trainingszustand gewesen seien und der Kniegelenksschaden biologisch gut kompensiert sei. Die Bewegungswerte der Kniegelenke gab der Gutachter mit 130/0/0 an.

In der Folge ist u.a. eine Stellungnahme der Gewerbeärztin Dr. F. vom 22. März 1996 vom Kläger zu den Akten gereicht worden, die diese im Rahmen eines von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen durchgeführten Feststellungsverfahrens für eine Berufskrankheit nach der Nr. 70 der Liste der Berufskrankheiten der ehemaligen DDR abgegeben hatte. Darin empfahl diese, die Gonarthrose in beiden Kniegelenken als Berufskrankheit nach der Nr. 71 der Liste der Berufskrankheiten der ehemaligen DDR anzuerkennen, da die Kniegelenke durch die unphysiologischen Belastungen während der artistischen Tätigkeit unverhältnismäßig hoch beansprucht worden seien. Als Beginn der Berufskrankheit sei das Datum der Berufsunfähigkeit (1. Januar 1991) anzunehmen. Zudem hat der Kläger den computertomographischen Be-fund von Prof. Dr. L. vom 24. April 1996, das linke Knie betreffend, eingesandt, wonach eine eindeutige Rissbildung im Hinterhorn des medialen Meniskus nachgewiesen wird.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht schließlich den Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Park-Klinik Weißensee, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité, Prof. Dr. P. mit der Erstellung eines weiteren orthopädischen Zusammenhangsgutachtens beauftragt. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 30. Januar 1998 zu dem Ergebnis, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers die wesentliche Ursache für das Entstehen seiner medialen Meniskusschäden an beiden Kniegelenken sei. Der Kläger sei als Artist über 20 Jahre tätig gewesen, und zwar als „Untermann“, „Fänger“, „Drücker“, „Kaskadeur“ und nicht zuletzt als „Auf- und Abbauer“ des Zirkus. Hinsichtlich dieser Angaben berief er sich auf einen Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft für Fahr-zeughaltungen vom 13. März 1995, dessen Inhalt er dem Aktenlagegutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin-Sportmedizin- im betriebsärztlichen Dienst der Berliner Wasserbetriebe Frau Dr. C. , welches diese im Auftrag dieser Berufsgenossenschaft am 25.November 1996 erstellt hatte, entnommen hatte. Während seiner artistischen Darbietungen, die pro Tag zwei Vorstellungen mit je zwei Nummern beinhaltet hätten und seiner zweistündigen Probezeiten am Tag, sei es zu ständig überdurchschnittlichen Belastungen der Kniegelenke in Form einwirkender Druck- und Scherkräfte gekommen. Insbesondere unter der berufsspezifischen Arbeit der Balance, der Geschwindigkeit und nicht zuletzt des Risikos, die zu tragenden Artistenpartner zu verletzen, seien die vom Kläger durchgeführten Hebungen und Drehungen über 20 Jahre in ständiger täglicher Wiederholung keiner durchschnittlich täglichen Kniegelenksbelastung gleichzusetzen und als mehrjährige andauernde, die Kniegelenke über-durchschnittlich belastende Tätigkeit anzusehen. Konkret verantwortlich zu machen für die berufliche Tätigkeit seien die Hebungen von mehr als fünf Personen mit gleichmäßiger Drehung und Beugung in den Kniegelenken, das Abfangen von mehr als 100 kg in gebeugter Kniegelenksstellung und aus der Bewegung heraus sowie die ständige Wiederholung derartiger Bewegungsabläufe über 20 Jahre gewesen. Entsprechend den vorliegenden Unterlagen, den vom Kläger anlässlich der gutachterlichen Untersuchung am 20. Mai 1997 gemachten Angaben und schließlich ausgehend von der gutachterlichen Untersuchung sei die durch die Meniskusschäden bedingte Funktionseinschränkung an beiden Kniegelenken seit August 1994 annähernd gleich geblieben und als gering einzuschätzen. Die Funktionseinschränkungen ergäben sich dabei aus den Beschwerden, die vor allem beim Tragen von Lasten, beim Treppensteigen, bei Drehbewegungen, beim Knien und Hocken sowie nach längerer Ruhe auftreten würden. Es müsse gutachterlich dabei angeführt werden, dass derartige Symptome auch bei Arthrose auftreten würden und die Gesamtheit der Kniegelenksbeschwerden des Klägers nicht auf die Meniskusschäden allein zurückzuführen seien, sondern gleichzeitig durch die initiale Arthrose des rechten Kniegelenks bedingt seien. Unabhängig von den geäußerten Beschwerden zeigten beide Kniegelenke jedoch insgesamt nur eine mäßige Funktionseinschränkung. So charakterisierten ein annähernd normales Bewegungsausmaß (keine Blockierungserscheinungen und keine Schwellungszustände, Bewegungswerte rechts 0/0/120°, dann schmerzhafte Weiterbewegung bis 130°, Beugung beidseits schmerzfrei, mäßige Krepitation), eine gut entwickelte Muskulatur, die Bandstabilität und ein fehlender Reizzustand beider Kniegelenke eine erhebliche Leistungsfähigkeit der Kniegelenke bezogen auf die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die Innenmeniskusschädigungen an beiden Kniegelenken bedingten seit August 1994 eine MdE um 10 %.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 19. August 1998 die Klage abgewiesen. Eine Berufskrankheit nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO liege nicht vor, so dass Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht in Betracht kämen. Die Kammer folge dabei im Wesentlichen den Feststellungen von Dr. B ... Danach könne wohl nicht davon ausgegangen werden, dass die erst nach der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit des Klägers zu Tage tretende Erkrankung der Meniski rechts und links auf die vom Kläger hauptsächlich ausgeübte Artistentätigkeit als „Untermann“ zurückgeführt werden könne. Zutreffend habe Dr. B. darauf hingewiesen, dass auch die den Kläger behandelnden Orthopäden und Internisten in ihren Befundberichten nicht von einer Meniskussymptomatik, sondern von einer allgemeinen Arthrosis deformans der Kniegelenke und einer Retropatellaarthrose gesprochen hätten. Den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. habe die Kammer insoweit nicht folgen können. Er habe offensichtlich auf eine andersartige Berufstätigkeit des Klägers als Artist abgestellt. Im Vordergrund habe beim Kläger die Tätigkeit als „Untermann“ gestanden, die nicht genügend abgegrenzt worden sei von den Tätigkeiten als „Fänger“, „Drücker“ oder „Kaskadeur“. Selbst wenn man aber die Ausführungen von Prof. Dr. P. zur beruflichen Bedingtheit der Schädigung der Innenmeniski als überzeugend ansehen würde, käme ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nicht in Betracht, da Dr. B. die MdE wegen der bestehenden Schädigungen auf unter 10 v.H. einschätze. Erhebliche Funktionsausfälle lägen nicht vor. Darin stimmten Dr. B. und Prof. Dr. P. überein. Aus den vom Kläger geäußerten aktuellen Beschwerden sei auch keine erhebliche Funktionsminderung ablesbar. Es bestünden insbesondere keine Einklemmerscheinungen. Wie das Gutachten von Prof. Dr. P. ergebe, habe dieser ausdrücklich ausgeführt, dass „Blockierungen“ nicht vorlägen. Auch schätzte er die MdE nicht auf 10 v.H., sondern „um 10 v.H.“ ein. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass nach den Feststellungen beider Sachverständiger bei dem Kläger eine unfallfremde Arthrose im Bereich der Kniegelenke vorliege. Die dadurch bedingte Minderung in der Funktion könne nicht einer berufsbedingten Funktionsminderung der Schädigung der Innenmeniski hinzugerechnet werden. Zutreffend habe der Beklagte darauf hingewiesen, dass weitgehende Funktionseinbußen nicht ersichtlich seien und die Messungen zum Bewegungsausmaß nach der Neutral-Null-Methode praktisch Werte gezeigt hätten, die im Normbereich lägen. Leistungen nach der Nr. 71 der Liste der Berufskrankheiten der ehemaligen DDR stünden dem Kläger ebenfalls nicht zu, da danach erhebliche Funktionseinschränkungen vorliegen müssten, die aber nicht gegeben seien.

Gegen das dem Kläger am 4. September 1998 zugestellte Urteil hat dieser am 2. Oktober 1998 Berufung eingelegt.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei der geltend gemachte Anspruch gegeben. Seine berufliche Belastung werde anschaulich durch ein Videoband von seiner Tätigkeit demonstriert, dass dem Gericht jederzeit zur Verfügung gestellt werden könne. Das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO setze voraus, dass eine meniskusstrapazierende Kniegelenksbelastung entweder an einer Dauerzwangshaltung oder an einer häufig wiederkehrenden, erhebliche Bewegungsbeanspruchung gebunden sei. Letztere liege bei ihm eindeutig vor. Zur Frage der Häufigkeit der wiederkehrenden Bewegungsbeanspruchung verweise er auf den TAD-Bericht , auf den sich auch der Gutachter Prof. Dr. P. bezogen habe. Im Ergebnis sei Prof. Dr. P. zu dem nachzuvollziehenden Schluss gekommen, dass die Ursache der festgestellten Schäden an beiden Kniegelenken in seiner jahrelangen überdurchschnittlichen Beanspruchung der Kniegelenke als Artist bestanden habe. Unerheblich für die Anerkennung des Vorliegens einer Berufskrankheit sei, dass es während der beruflichen Tätigkeit zu keinen schwerwiegenden Distorsionen, Bandrupturen oder Verdrehungen des Kniegelenkes oder anderen verletzungsbedingten Meniskusschädigungen gekommen sei. Die Aussage des Gutachters Dr. B. , dass dies „bei der überwiegenden Tätigkeit als Untermann in einer Akrobatikgruppe auch nicht zu erwarten“ gewesen sei, sei nicht nachvollziehbar. Gerade Turner, Akrobaten, Leichtathleten (insbesondere Springer), Kraftsportler und ähnliche seien bei ihren Übungen außergewöhnlichen Bewegungsabläufen ausgesetzt, durch die insbesondere die Gelenke überdurchschnittlich beansprucht würden. Die Einordnung seiner Tätigkeit durch den Gutachter Dr. B. „als nicht kniestrapazierend“ lasse den Schluss zu, dass bei dieser Beurteilung seine tatsächliche berufliche Tätigkeit und die von ihr ausgehenden körperlichen Belastungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Es sei vielmehr dem Gutachter Prof. Dr. P. zu folgen, der unter ausführlicher Würdigung seiner beruflichen Tätigkeit die festgestellten Innenmeniskusschäden an beiden Kniegelenken als berufsbedingt entstanden gewürdigt und die dadurch bedingte MdE seit August 1994 mit 10 v.H. bewertet habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 19. August 1998 und des Bescheides vom 13. Dezember 1994 in der Gestalt des Widespruchsbescheides vom 1. Februar 1995 zu verurteilen, ihm aus Anlass des Bestehens einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO oder Nr. 71 der Liste der Berufskrankheiten der ehemaligen DDR Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm allein begehrte Verletztenrente wegen berufsbedingter Kniegelenksbeschwerden.

Zu Recht hat sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht für ihre Entscheidungen u.a. die Vorschriften des Berufskrankheitenrechts der ehemaligen DDR herangezogen, da nach § 1150 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), der gemäß §§ 212, 215 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) weiterhin Anwendung findet, Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buchs der RVO gelten, wenn sie nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Ar-beitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren.

Nach § 221 Arbeitsgesetzbuches (AGB) der Deutschen Demokratischen Republik vom 16. Juni 1977 (Gesetzblatt I Nr. 18 S. 185) stellte eine Berufskrankheit eine Erkrankung dar, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wurde und die in der Liste der Berufskrankheiten genannt war. § 2 Abs. 1 der hierzu erlassenen Verordnung (Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 - Gesetzblatt I Nr. 12 S. 137 -) übernahm die Definition des Begriffes der Berufskrankheit des § 221 AGB. In der Anlage zur 1. Durchführungsbestimmung zur vorgenannten Verordnung vom 21. April 1981 ( Gesetzblatt I Nr. 12 S. 139, berichtigt Nr. 25 S. 312) war unter Nr. 71 als Berufskrankheiten aufgeführt: „Verschleißkrankheiten von Gliedmaßen, Gelenken einschließlich der Zwischengelenksscheiben durch langjährige mechanische Überbelastung“.

Für diese Berufskrankheiten wurden als weitere Anerkennungsvoraussetzungen gefordert: „erhebliche Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates mit Aufgabe der schädigenden Tätigkeit“, wobei in der Begutachtungspraxis der DDR als „erheblich“ Funktionseinschränkungen bewertet wurden, die auf einem chronischen Beschwerdebild mit einem rentenberechtigenden Grad des Körperschadens (GdK), d.h. einem GdK von mindestens 20 v.H. beruhten (Bräunlich u.a. in: Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer, in Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Sonderschrift 4, Berlin 1994, S. 285). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nach Überzeugung des Senats jedenfalls fest, dass an den Kniegelenken des Klägers kein Krankheitskomplex mit erheblichen Funktionseinschränkungen, die einen GdK von mindestens 20 v.H. begründen, besteht. Dies haben die gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. P. übereinstimmend und zweifelsfrei in ihren Gutachten ausgeführt.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund der §§ 547 ff RVO zu. Der Anwendbarkeit der §§ 547 ff RVO steht im vorliegenden Fall nicht bereits das SGB VII entgegen, denn gemäß § 214 Abs. 3 SGB VII bleibt es für vor dem 1. Januar 1997 eingetretene Versicherungsfälle bei der Anwendbarkeit der RVO, wenn - wie hier - Rentenleistungen, sofern ein Anspruch begründet wäre, schon vor dem 1. Januar 1997 erstmals festzusetzen gewesen wäre.

Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung werden nach § 547 RVO nach Eintritt eines Arbeitsunfalls gewährt. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Zur Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist somit erforderlich, dass eine Krankheit vorliegt, die in der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls geltenden BKVO aufgeführt ist. Unter der Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO in der hier anwendbaren Fassung vom 22. März 1988 (BGBl. I 400) zählen zu den als Arbeitsunfälle geltenden und zu entschädigenden Berufskrankheiten auch die Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten. Für deren Vorliegen ist - wie beim Arbeitsunfall - ein doppelter ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei reicht sowohl für die Bejahung der haftungsbegründenden als auch der haftungsausfüllenden Kausali-tät die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl. BSGE 45, 285, 286; 58, 76, 79). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).

Verletztenrente wird nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO grundsätzlich nur dann gewährt, wenn die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel, also um 20 v.H. gemindert ist. Abweichend von diesem Grundsatz ist nach § 581 Abs. 3 RVO in den Fällen, in denen die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten MdE zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen, für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall, Verletztenrente zu gewähren, wenn die Erwerbsfähigkeit dadurch um mindestens 10 v.H. gemindert wird. Dies gilt auch für Berufskrankheiten nach § 551 Abs. 1 RVO. Die Bemessung der unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Ausmaß der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung des Verletzten durch die Unfallfolgen und den Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglich-keiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Auflage, S. 568 g ff mit weiteren Nachweisen). Hierbei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben jedoch keine verbindliche Wirkung; sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE. Bei der Bewertung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung und von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 27 mit weiteren Nachweisen).

Es kann im vorliegenden Fall dahin stehen, ob beim Kläger die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (grundlegend: Urteil des BSG vom 27. Juli 1989 in SozR 2200 § 551 Nr. 35) tritt der Versicherungsfall der Berufskrankheit bereits ein, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO in Verbindung mit einer in der Anlage 1 zur BKVO aufgeführten Krankheit erfüllt sind. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls gilt der Beginn der Krankheit, wobei im Gegensatz zum Krankheitsbegriff der gesetzlichen Krankenversicherung und der Leistungsfalldefinition in § 551 Abs. 3 Satz 2 RVO allein auf das Vorliegen eines regelwidrigen Körper- und Geisteszustandes abgestellt wird und als weitere Voraussetzungen weder Behandlungsbedürftigkeit noch Arbeitsunfähigkeit als notwendig erachtet werden (vgl. Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts Band 2 Unfallversicherungsrecht § 35 Rdnr. 19 bis 22 mit weiteren Nachweisen).

Zur Überzeugung des Senats würde selbst dann, wenn ein solcher Versicherungsfall unterstellt wird, dieser keine MdE von mindestens 10 v.H. bedingen.

Zwar trifft es zu, dass nach den in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur vorgeschlagenen Richtlinien (siehe Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Auflage, Seite 153) bereits die Restbeweglichkeit eines Kniegelenks, ausgehend von der sogenannten Neutral-Null-Methode, von 0/0/120° eine MdE von 10 v.H. bedingen.

Nach den übereinstimmenden Auffassungen der Sachverständigen Dr. R. , Dr. B. sowie Prof. Dr. P. liegen keine Befunde vor, die eine solche Einschätzung rechtfertigen könnten. Dr. R. (10/0/120) und Dr. B. (130/0/0) gehen ausdrücklich von günstigeren Funktionswerten aus. Im Ergebnis verneint auch Prof. Dr. P. das Vorliegen einer Beweglichkeitseinschränkung im geforderten Umfange. Nicht nur, dass auch er der Ansicht ist, dem Kläger sei auch noch im rechten Kniegelenk eine Weiterbewegung bis zu 130°- wenn auch unter Schmerzen, so doch auch ohne Blockierungserscheinungen - möglich. Darüber hinaus sah er sich nicht in der Lage, die seines Erachtens berufsbedingten Anteile der Kniegelenksbeschwerden von den arthrotisch bedingten abzugrenzen, so dass die von ihm angenommene MdE denknotwendigerweise hätte prozentual verringert werden müssen. Ob er dies dadurch hat zum Ausdruck bringen wollen, dass er in der Zusammenfassung seines Gutachtens die MdE seit August 1994 mit „um 10 %“ angab oder ob es sich dabei lediglich um eine unbeabsichtigte sprachliche Ungenauigkeit handelte, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls rechtfertigen die von Ihm erhobenen Befunde eine MdE von 10 v. H. nicht.

Da für den Senat weder erkennbar ist, dass die Kniegelenksbeschwerden des Klägers sich seit der letzten Begutachtung verschlechtert hätten, noch dies vom Kläger vorgetragen wird, sah sich der Senat zu keinen weiteren Ermittlungen von Amts wegen veranlasst.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor ( § 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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