Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2362/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 160/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. November 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob eine Lebererkrankung des Klägers als Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Der 1968 geborene Kläger hat von September 1983 bis Februar 1987 Fluggerätemechaniker gelernt und war ab 1. Juli 1987 bei der Instandsetzungsstaffel des Jagdbombergeschwaders 34 "Allgäu" als Luftfahrzeugbordenergieversorgungsanlagenmechaniker beschäftigt. Nachdem beim Kläger im März 1998 vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L. eine Fettleber diagnostiziert worden war und wegen des Verdachts auf einen Leberparenchymschaden weitere Untersuchungen erfolgten, wurden auf Grund des stationären Aufenthalts in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II Großhadern in München vom 27. bis 30.6.2000 und auf Grund einer MRT-Leberuntersuchung vom 1.8.2000 folgende Diagnosen gestellt: • Dringender Verdacht auf 5 Adenome der Leber • Dringender Verdacht auf nutritiv-toxische Hepatopathie, am ehesten berufsbedingt • Verdacht auf Hämochromatose • Adipositas (190 cm, 105 kg).
Am 26.4.2001 ging bei der Beklagten eine Unternehmeranzeige wegen des Verdachts auf eine BK ein. Beim Kläger lägen erhöhte Leberwerte vor und es bestehe der Verdacht auf eine Kontaktallergie. Die Beschwerden seien erstmals 1998 aufgetreten. In einer Arbeitsbereichsanalyse der Betriebsärztin Dr. S. vom 29.9.2000 heißt es, bei bestimmungsgemäßem Umgang mit den Gefahrstoffen sei eine gesundheitliche Störung ausgeschlossen. Die Beklagte holte Auskünfte beim Kläger und seinen behandelnden Ärzten ein.
Dr. L. gab am 10.8.2001 an, eine eigentliche Behandlung habe durch ihn nicht stattgefunden. Er habe den Kläger im März 1998 an die Radiologen Drs. M./R. sowie anschließend an Dr. N. überwiesen. Der Internist Dr. N. erklärte am 1.8.2001, er habe den Kläger ab 29.4.1998 behandelt, nachdem beim Hausarzt ein Transaminasenanstieg festgestellt worden sei. Am 27.10.1998 sei der Kläger beschwerdefrei gewesen. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Leberherde unklarer Dignität, Hepatopathie, Refluxösophagitis I und den Kläger an Prof. Dr. P., Klinikum Memmingen, überwiesen. Dr. H. vom Klinikum Memmingen teilte unter dem 6.8.2001 mit, sie hätten den Kläger am 13.11.1998 und 4.2.1999 ambulant und vom 19.11. bis 26.11.1998 stationär behandelt. Beim Kläger seien Leberrundherde unklarer Dignität im rechten Leberlappen, eine schwere unkomplizierte Fettleber, eine Refluxösophagitis Grad I und eine Neurodermitis diagnostiziert worden. Das Klinikum Großhadern übersandte Arztbriefe vom 26.3. und 4.10.1999 sowie 18.8. und 5.9.2000 und teilte mit, die letzte Kontroll-Untersuchung habe am 20./21.6.2001 stattgefunden. Beim Kläger seien 5 Adenome der Leber, ein Verdacht auf nutritiv-toxische Hepatopathie (beruflicher Kontakt mit KW, Pb, Kerosin, Schmierstoffe) und eine Hämochromatose festgestellt worden.
Die Betriebsärztin Dr. S. teilte der Beklagten unter dem 3.8.2001 mit, ein Biomonitoring nach Schadstoffbelastung sei noch nicht erfolgt, da der Kläger nach ihrem Wissen seit einem halben Jahr keinen oder kaum Gefahrstoffkontakt habe. Sie übersandte ihre Stellungnahme vom 23.2.2001, in der es heißt, sie habe den Kläger ein spezielles Biological Monitoring nach größtmöglichem Gefahrstoffkontakt angeboten, das der Kläger bisher nicht angenommen habe. Gegen eine arbeitsplatzbedingte Ursache sprächen die Gefährdungsermittlung und -beurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz, die eine geringe Gefährdung durch Gefahrstoffe und Gase ergeben habe, das negative Biomonitoring einer vergleichbaren Beschäftigtengruppe, dass keiner der am gleichen Arbeitsplatz Beschäftigten sie wegen ähnlicher Beschwerden konsultiert habe sowie die Arbeitsplatzanalyse vom 29.9.2000. Ferner zog die Beklagte die Sicherheitsdatenblätter der vom Kläger verwandten Arbeitsstoffe (Schmieröl, Reinigungsmittel) eine Tätigkeitsbeschreibung, weitere Stellungnahmen von Dr. S. vom 8.3. und 10.5.2002 mit dem Ergebnis einer Blutuntersuchung des flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe auf Schadstoffe vom 16.11.2001 sowie Laborbefunde bei und holte von der Wehrbereichsverwaltung VI eine Arbeitsplatz- und Expositionsanalyse vom 7.12.2001 ein.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. D., Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeit-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen, zusammen mit der Ärztin für Innere Medizin und Betriebsmedizin Dr. O. ein Gutachten. In dem arbeitsmedizinisch-internistischem Gutachten vom 19.8.2002 führte Prof. Dr. D. aus, beim Kläger lägen eine Fettleber bei Hyperlipidämie und Adipositas Grad II sowie fünf Leberadenome vor. Für das Vorliegen einer BK nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und nach Nr. 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sprächen • der Kläger sei gegenüber potenziell hepatotoxischen Substanzen exponiert gewesen (insbesondere Benzol und Benzolhomologe Xylol und Toluol, Naphthylamin, Trichlorethylen, 1,1,1-Trichlorethan) • die Exposition gegenüber Trichlorethylen habe zirka sieben Jahre (1984 bis 1991) und gegenüber den weiteren Substanzen maximal 18 Jahre (1984 bis 2002) betragen, sodass von einer langzeitigen Exposition auszugehen sei • es sei sowohl von einer inhalativen als auch kutanen Exposition auszugehen, da keine Absaugung am Arbeitsplatz des Klägers existiert habe und Handschuhe nur unR.mäßig bei Reinigungsarbeiten getragen worden seien, • unter Expositionskarenz von Mai 2002 bis Juli 2002 sei es zu einem Rückgang der Höhe der Leberwerte beim Kläger gekommen. Gegen eine berufsbedingte Lebererkrankung sprächen folgende Argumente • der Kläger sei überwiegend gegenüber gering hepatotoxischen Arbeitsstoffen (Benzol und Benzolhomologe Xylol und Toluol, 1,1,1-Trichlorethan, Naphthylamin) exponiert gewesen. Lediglich Trichlorethan gelte als mäßig bis relativ lebertoxisch. Die Trichlorethylen- bzw. 1,1,1-Trichlorethan-Exposition sei bis Anfang der 90er Jahre (ca. 1991) erfolgt, sodass die jetzigen Leberwertveränderungen nicht mehr auf diese Expositionen zurückgeführt werden könnten, zumal unter Exposition mit den genannten beiden Arbeitsstoffen im Jahr 1990 (8/90 und 12/90) normale Leberwerte bestimmt worden seien • aktuell bestehe lediglich noch ein Kontakt zu Benzol bzw. Benzolhomologen und Naphthylamin. Diese lägen nach der arbeitstechnischen Sachaufklärung in sehr geringen Konzentrationen von 0,1 bis maximal 1,3% für Benzol und seine Homologe im Flugkraftstoff und von 1,5 bis 2% hinsichtlich Naphthylamin im Schmieröl 0-160 vor. Außerdem bestünden bezüglich einer möglichen Leberfunktionsstörung bei Exposition gegenüber Naphthylamin lediglich Hinweise aus dem Tierversuch. Dort hätten jedoch keine histopathischen Leberbefunde nachgewiesen werden können • Norm- bzw. BAT-Wert-Überschreitungen hätten beim biologischen Monitoring beim Kläger im September 2001 (durchgeführt nach Schichtende) nicht nachgewiesen werden können, ebenso nicht bei der Untersuchung des BEVA-Personals im Mai 1999 • zwar habe sich nach insgesamt etwa siebenwöchiger Expositionskarenz gegenüber den Gefahrstoffen beim Kläger eine Rückbildung seiner Leberwerte gezeigt. Bereits im Oktober 1998 seien aber GOT- und GPT-Werte in gleicher Höhe unter Exposition nachweisbar gewesen, sodass ein signifikanter Unterschied nicht habe festgestellt werden können. Eine völlige Normalisierung sei nach fast zweimonatiger Expositionspause nicht eingetreten. • Gegen eine berufsbedingte Verursachung der Leberveränderung spreche die relativ lange Latenzzeit zwischen erster Gefahrstoffexposition (ca. 1984) bis zum Nachweis der auffälligen Leberveränderungen 1998. So seien sechs Jahre nach Expositionsbeginn im Jahr 1990 noch keinerlei Auffälligkeiten hinsichtlich der Leberfunktion nachzuweisen gewesen, obwohl zu dieser Zeit sogar eine zusätzliche Exposition gegenüber der stärker lebertoxischen Substanz TRI bestanden habe. • Beim Kläger lägen neben der beruflichen Exposition auch außerberufliche Risikofaktoren wie Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie mit Adipositas vor. Die Verursachung der erhöhten Leberwerte durch die fünf Leberadenome von maximal 2,4 cm sei dagegen sehr unwahrscheinlich. In der wissenschaftlichen Literatur existiere derzeit kein Beleg für die Verursachung von Leberadenomen durch Lösemittel, insbesondere nicht durch die Substanzen, mit denen der Kläger Umgang gehabt habe. Die hereditäre Hämochromatose sei eine genetische Erkrankung und werde nicht durch Noxen am Arbeitsplatz ausgelöst. Das Vorliegen einer berufsbedingten Lebererkrankung sei nicht hinreichend wahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 22.10.2002 lehnte die Beklagte die Feststellung der Lebererkrankung des Klägers in Form veränderter Leberwerte sowie der Ausbildung von Leberadenomen als entschädigungspflichtiger Berufskrankheit ab.
Hiergegen legte der Kläger am 15.11.2002 Widerspruch ein und trug u. a. vor, von seiner Hautärztin sei er in der Zeit vom 6.5. des 14.6.2002 krankgeschrieben und anschließend drei Wochen in Urlaub gewesen. Bei der Kontrolle der Leberwerte durch seinen Hausarzt seien die Werte deutlich rückläufig gewesen. Professor Dr. Z. von der Poliklinik München II Großhadern gehe davon aus, dass der berufliche Umgang mit Flugkraftstoffen, Lösemittel und Ölen mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich für die bei ihm vorliegende Krankheit sei. Es sei wohl zutreffend, dass seine Leberwerte vom 13.5.2002 bis 8.7.2002 im Vergleich zum Oktober 1998 nicht schlechter gewesen seien. Hierbei sei aber zu berücksichtigen, dass er von Juni bis Mitte September 1998 wegen einer Wirbelsäulenerkrankung keinen Dienst geleistet habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 2.9.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.9.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben, mit der er die Anerkennung einer entschädigungspflichtigen BK weiter verfolgte. Er führte aus, die erhöhten Leberwerte seien immer dann zurückgegangen, wenn er eine gewisse Zeit nicht im Dienst gewesen sei. Dies spreche für einen Zusammenhang zwischen Schadstoffexposition am Arbeitsplatz und den erhöhten Leberwerten, zumal Anhaltspunkte für eine außerberufliche Ursache nicht ersichtlich seien. Klarstellen möchte er, dass lediglich die Anerkennung der Hepatopathie und nicht der Leberadenome als BK begehrt werde. Nachdem er seinen früheren Arbeitsplatz aufgegeben habe, hätten sich seine Leberwerte normalisiert. Seit 1.6.2003 sei er an eine andere Dienststelle versetzt und im EDV-Bereich beschäftigt. Seit 4.11.2003 nehme er an einer Berufsausbildung zum Fachinformatiker teil.
Das SG hat Befundberichte der Medizinischen Klinik II des Klinikums Großhadern vom 4.10.1999 (seit einem Jahr trinke er keinen Alkohol mehr und nehme keine Medikamente ein), 3.8.2001, 18.4.2002 und 7.1.2004 (Gewichtsverlust von ca. 15 Kilo in den letzten 12 Monaten; die vor eineinhalb Jahren erhöhten Leberwerte waren allesamt normwertig) beigezogen sowie eine sachverständige Zeugenaussage von Dr. R., Leitender Medizinaldirektor der Klinik für Berufskrankheiten, der den Kläger wegen der geltend gemachten BK Nr. 5101 gutachterlich untersucht hat, vom 15.1.2004 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, Gesundheitsstörungen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen seien, hätten nicht festgestellt werden können. Nachdem arbeitsplatzbezogene Provokationstestungen (Flugbenzin F 34) negativ ausgefallen seien, seien die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach Nr. 4301/4302 der BKV nicht als erfüllt anzusehen. Die BK-unabhängige bronchiale Hyperreagibilität könne aber die geklagten Beschwerden erklären.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Professor Dr. W. von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II Großhadern mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in dem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 27.7.2005 ausgeführt, während eines Klinikaufenthalts im Januar 2004 habe sich erstmals eine Normalisierung der Leberwerte mit allgemeinem Wohlbefinden gezeigt, nachdem der Kläger wegen eines Arbeitsplatzwechsels keinen hepatotoxischen Substanzen ausgesetzt gewesen sei und gleichzeitig Gewicht reduziert habe. Im Gegensatz zur alkoholtoxisch induzierten Leberschädigung sei bei der medikamentös oder toxin-induzierten Leberschädigung ein höherer Anstieg der GPT im Vergleich zur GOT zu beobachten. Da eine infektiöse, alkoholtoxische, medikamentös induzierte und immunologische vermittelte Ursache des Leberschadens ausgeschlossen werden konnte, kämen differenzialdiagnostisch auf Grund der Anamnese, der klinischen Symptomatik, der laborchemischen Parameter sowie der histologischen, sonografischen und weiteren bildgebenden (CT, MRT) Leberbefunde sowohl der Umgang mit toxischen Arbeitsstoffen mit der Folge einer Fettleber wie auch eine gleichzeitig vorliegende Adipositas mit Fettstoffwechselstörung (Hyperlipidämie) als Ursache in Frage. Für eine durch toxische Arbeitsstoffe wesentlich mitverursachte Leberschädigung beim Kläger sprächen die mehrmals dokumentierten rückläufigen bzw. normalisierten (2004) Leberparameter bei Expositionskarenz: • im Jahr 1998 (Juni bis Mitte September) sei der Kläger wegen eines Bandscheibenleidens vom Dienst befreit gewesen, worauf die gemessenen Leberwerte im Oktober eine Rückbildung zeigten. Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit seien die Werte erneut angestiegen. • Vom 6.5. bis 14.6.2002 sei der Kläger auf Grund eines Hautleidens krankgeschrieben gewesen und habe unmittelbar anschließend seinen dreiwöchigen Jahresurlaub genommen. Auch hier sei nach mehrwöchiger Expositionskarenz gegenüber beruflichen Noxen ein rückläufiger Befund der Leberwerte dokumentiert worden, mit erneutem Anstieg nach Exposition. • Nach Versetzung an eine andere Dienststelle sowie Beginn der Umschulung seit 1.6.2003 habe kein weiterer Kontakt mit schädlichen Agentien bestanden, worauf eine völlige Normalisierung der Leberwerte eingetreten sei. Angesichts dessen seien die arbeitstoxischen Agentien die wahrscheinliche Ursache für die erhöhten Leberwerte. Ein Einfluss der im Jahr 2003 erfolgten Gewichtsabnahme (-15 kg in 12 Monaten) könne in Bezug auf die Bildung der Normwerte nicht ausgeschlossen werden. In den Jahren zuvor (1999 bis 2002) habe ein deutliches Übergewicht mit Hyperlipidämie bestanden, dennoch sei es zu einer Leberwertrückbildung unter Expositionskarenz gekommen. Die berufliche Schadstoffexposition sei für die Leberwerterhöhung/Hepatopathie mitursächlich.
Mit Urteil vom 15.11.2005 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.9.2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, beim Kläger eine Lebererkrankung als entschädigungspflichtige Berufskrankheit anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in Übereinstimmung mit Professor Dr. W. sei das SG zur Überzeugung gelangt, dass insbesondere die mehrfach dokumentierten rückläufigen bzw. normalisierten Leberparameter bei Expositionskarenz eine berufsbedingte Leberschädigung nahe legten. Auch habe Professor Dr. D. zum Zeitpunkt seiner Begutachtung die Leberwertnormalisierung nach Tätigkeitswechsel nicht berücksichtigen können.
Gegen das am 3.1.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.1.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe sie zu Unrecht verurteilt, die Lebererkrankung des Klägers als BK anzuerkennen. Professor Dr. W. erachte eine kausale Mitverursachung der Lebererkrankung des Klägers durch die berufsbedingte Schadstoffexposition als wahrscheinlich. Er habe sich aber nicht dazu geäußert, in welchem Grad eine Mitverursachung anzunehmen sei und ob der Grad einer rechtlich wesentlichen Teilursache erreicht werde. Das entgegenstehende Gutachten von Prof. Dr. D. habe das SG nicht hinreichend gewürdigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert, das angefochtene Urteil sei zutreffend. Das Gutachten von Prof. Dr. W. sei überzeugend und komme zum Ergebnis, dass die Schadstoffexposition mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich für die Lebererkrankung sei.
Der Senat hat bei Professor Dr. D. eine weitere gutachterliche Stellungnahme nach Beiziehung weiterer Messwerte der Leberenzyme des Klägers von 2002 bis 2006 eingeholt. In der Stellungnahme vom 28.6.2006 hat er ausgeführt, im Gegensatz zu Professor Dr. W. könne er eine signifikante Rückbildung der Leberenzymwerte während der Erkrankung von Juni 1998 bis September 1998 nicht bestätigen (GPT: 4/1998 - vor der Erkrankung - 39 U/l; 10/1998 - nach der Erkrankung - 37 U/l; GGT: 4/98 43 U/l; 10/98 44 U/l). Offensichtlich sei jedoch, dass ab Mitte 2002 eine deutliche Rückbildung der Leberenzymwerte erfolgt sei, bis schließlich im Januar 2004 normale Werte erreicht worden seien. Die Gewichtsreduktion von 15 kg und die Normalisierung der Hyperlipidämie müsse jedoch als Ursache der Normalisierung der Leberenzymwerte in Betracht gezogen werden. Nach allgemein anerkannter wissenschaftlicher Lehrmeinung sei allein die Gewichtsreduktion geeignet, die Normalisierung der Leberenzymwerte zu verursachen. Seines Erachtens könne nach wie vor das Vorliegen einer arbeitsbedingten Lebererkrankung beim Kläger nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat bei Professor Dr. W. eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme eingeholt. Dieser hat unter dem 28.4.2007 ausgeführt, die abgefallenen Transaminasen im Sommer 2002 seien am ehesten als Reaktion auf Schadstoffexpositionskarenz anzusehen. Eine signifikante Gewichtsabnahme sei zu diesem Zeitpunkt nicht dokumentiert. Er erachte die berufliche Tätigkeit neben außerberuflichen Risikofaktoren als zumindest annähernd gleichwertig. Das Vorliegen einer BK könne nicht ausgeschlossen werden.
Der Senat hat die Akten der Beklagten, die Feststellung einer BK Nr. 5101 betreffend, beigezogen, welches ein Gutachten des Arbeitsmediziners und Allergologen Dr. R. vom 1.3.2003 enthält.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch sachlich begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Leberveränderungen als BK Nr. 1302 bzw. Nr. 1303 der Anlage zur BKV hat.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe (BK Nr. 1302) und Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol (BK Nr. 1303). Diese Erkrankungen müssen durch die berufliche Tätigkeit verursacht oder verschlimmert worden sein.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKV bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller - wesentlichen - Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand November 2006, E § 9 SGB VII Rdnr. 26). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 91). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.
Der Senat sieht es auf Grund der Feststellungen des Betriebschutzdezernats der Wehrbereichsverwaltung VI vom 7.12.2001, der Sicherheitsdatenblätter sowie der Ausführungen von Prof. Dr. D. im Gutachten vom 19.8.2002 für erwiesen an, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Mechaniker von Bordenergieanlagen (BEVA) von Juli 1987 bis zu seiner Umsetzung im Juli 2002 und teilweise schon zuvor während seiner Lehrzeit gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen und Benzol bzw. seinen Homologen exponiert war, d. h. gegenüber den Listenstoffen der BK nach Nr. 1302 und Nr. 1303. Die Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen (1,1,1-Trichlorethan, Trichlorethylen) bestand im wesentlichen bis Anfang der 90er Jahre bei Reinigungsarbeiten, da bis zum Inkrafttreten der FCKW-Halon-Verbots-Verordnung 1991 in großem Umfang diese Stoffe benutzt wurden. Eine Überschreitung des Luftgrenzwertes für Kohlenwasserstoffe auf Grund der Exposition gegenüber Flugkraftstoff F-34 und Getriebeöl 0-160 konnte dagegen nicht festgestellt werden bzw. wurde vom Ersteller der Arbeitsplatzanalyse Baudirektor Schiefer auf Grund des niedrigen Dampfdruckes für unwahrscheinlich gehalten. Ferner war der Kläger Benzol, Toluol und Xylol ausgesetzt. Es bestand sowohl ein inhalativer Kontakt als auch ein Hautkontakt. Filtermasken existierten nicht, Absaugungen waren nicht vorhanden. Erst gegen Ende der Beschäftigung des Klägers als Bordenergieversorgungsmechaniker (ca. 2000) wurde ein Gebläse eingebaut. Die Exposition am Arbeitsplatz endete nach der durch eine Hauterkrankung verursachten Arbeitsunfähigkeit und dem Jahresurlaub durch eine Umsetzung des Klägers im Juli 2002, nachdem die Betriebsmedizinerin Dr. S. unter dem 9.7.2002 festgestellt hatte, dass es angesichts der Hautallergien und der Reaktionen beim Einatmen von Gefahrstoffdämpfen keine Möglichkeit gebe, den Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz bei der BEVA wieder einzusetzen. Nach seinen eigenen Angaben verrichtete der Kläger sodann Telefondienst und wurde zum 10.11.2002 in den Innendienst versetzt. Am 1.6.2003 wurde er von dem Standort Memmingerberg in eine andere Dienststelle versetzt und war im EDV-Bereich beschäftigt. Daran schloss sich eine Berufsausbildung zum Fachinformatiker ab 4.11.2003 an.
Beim Kläger wurden ab März 1998 bis einschließlich Februar 2003 erhöhte Leberwerte gemessen, wobei die Werte insbesondere im September/Oktober 1999 (GPT 81 U/l, Gamma-GT 51 U/l, GOT 28 U/l), Juni 2001 (GPT 84 U/l, Gamma-GT 53 U/l, GOT 28 U/l) und Februar 2002 (GPT 79 U/l, Gamma-GT 57 U/l) besonders hoch waren. Am 9.4.2002 waren sie zurückgegangen (GPT 71 U/l, Gamma-GT 42 U/l, GOT 24 U/l) und lagen am 13.5.2002 bei folgenden Werten: GPT 63 U/l, Gamma-GT 49 U/l und GOT 23 U/l. Nach der Zeit der Arbeitsunfähigkeit (wegen einer Hauterkrankung) und des Jahresurlaubs erreichte der Kläger am 8.7.2002 folgende Werte GPT 40 U/l (Normbereich bis 22 U/l) Gamma-GT 34 U/l (Normbereich bis 28 U/l) und beim GOT 17 U/l (Normbereich bis 18 U/l). Bei Dr. R., der den Kläger vom 17. bis 19.2.2003 im Auftrag der Beklagten wegen des Verdachts einer berufsbedingten Hauterkrankung arbeitsmedizinisch untersuchte, lagen bei gleichen Normwerten folgende Leberwerte vor: GPT 57 U/l, Gamma-GT 51 U/l und GOT 22 U/l. Zu diesem Zeitpunkt wog der Kläger bei einer Größe von 188 cm 120 kg. Ab dem 5.1.2004 wurden beim Kläger bei veränderten Normwerten aufgrund veränderter Messung nach den übereinstimmenden Feststellungen von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. W. weitgehend normalisierte Leberwerte nach einem gewollten Gewichtsverlust von 15 kg festgestellt.
Nach Überzeugung des Senats ist die beschriebene Exposition am Arbeitsplatz des Klägers gegenüber Gefahrstoffen bis einschließlich Mai 2002 nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich für die von März 1998 bis Februar 2003 nachweisbare Leberschädigung des Klägers. Bei dieser Beurteilung stützt sich der Senat wesentlich auf die Ausführungen von Prof. Dr. D., wonach die Stoffe, denen der Kläger für die Dauer von maximal 18 Jahren ausgesetzt war, zwar inhalativ und kutan aufgenommen wurden, dass sie aber grundsätzlich nur gering hepatotoxisch wirkten (Benzol und Benzolhomologe Xylol und Toluol, 1,1,1-Trichlorethan, Naphthylamin), während die Exposition gegenüber dem relativ lebertoxisch wirkenden Trichlorethan nur bis Anfang der 90er Jahre dauerte und seinerzeit (im Jahr 1990) beim Kläger normale Leberwerte gemessen wurden. Die arbeitstechnischen Untersuchungen ergaben darüber hinaus, dass Benzol und seine Homologe nur in geringen Konzentrationen in den Arbeitsstoffen enthalten waren und dass bei Untersuchungen des Klägers und des BEVA-Personals Normüberschreitungen nicht festgestellt werden konnten.
Das wesentliche Argument, das nach den Darlegungen von Prof. Dr. W. für den wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Exposition und Leberwertveränderungen spricht, nämlich dass es auf Grund der Expositionskarenz zwischen Mai und Juli 2002 zu einem Abfall der Transaminasen GPT, GOT und Gamma-GT und nach erneuter beruflicher Exposition wieder zu einem Anstieg der Werte gekommen sei, lässt sich nach dem dargestellten Ablauf der Exposition gegenüber den Gefahrstoffen einerseits und den auch nach Expositionsende durch Dr. R. im Februar 2003 gemessenen Laborwerten nicht aufrechterhalten. Der erneute Anstieg der Transaminasen im Februar 2003 im Vergleich zu Juli 2002 kann nicht auf eine erneute Exposition zurückgeführt werden, nachdem der Kläger im Juli 2002 nicht mehr an seinen Arbeitsplatz in der BEVA zurückgekehrt ist und ab November 2002 ausschließlich im Bürobereich eingesetzt war. Im Februar 2003 hatte der Kläger aber noch ein erhebliches Übergewicht (120 kg bei einer Größe von 188 cm - BMI 33,95) und wies deutlich erhöhte Blutfettwerte auf (345 mg/dl bei einem Normwert von unter 200 mg/dl). Unter diesen Umständen überzeugt den Senat die Beurteilung von Prof. Dr. D., dass den von der beruflichen Tätigkeit unabhängigen Gesundheitsstörungen, nämlich der nichtalkoholischen Leberverfettung bei Übergewicht und Fettstoffwechselstörung die überragende ursächliche Bedeutung für die pathologischen Leberwertveränderungen im genannten Zeitraum zukommt. Dies überzeugt umso mehr, als die nichtalkoholische Leberverfettung die häufigste Lebererkrankung in den westlichen Industrienationen ist und bei 45-bis 55-jährigen Patienten mit einem BMI von über 30 mit einer Prävalenz von 20% auftritt.
Die Berufung der Beklagten hatte daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob eine Lebererkrankung des Klägers als Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Der 1968 geborene Kläger hat von September 1983 bis Februar 1987 Fluggerätemechaniker gelernt und war ab 1. Juli 1987 bei der Instandsetzungsstaffel des Jagdbombergeschwaders 34 "Allgäu" als Luftfahrzeugbordenergieversorgungsanlagenmechaniker beschäftigt. Nachdem beim Kläger im März 1998 vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L. eine Fettleber diagnostiziert worden war und wegen des Verdachts auf einen Leberparenchymschaden weitere Untersuchungen erfolgten, wurden auf Grund des stationären Aufenthalts in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II Großhadern in München vom 27. bis 30.6.2000 und auf Grund einer MRT-Leberuntersuchung vom 1.8.2000 folgende Diagnosen gestellt: • Dringender Verdacht auf 5 Adenome der Leber • Dringender Verdacht auf nutritiv-toxische Hepatopathie, am ehesten berufsbedingt • Verdacht auf Hämochromatose • Adipositas (190 cm, 105 kg).
Am 26.4.2001 ging bei der Beklagten eine Unternehmeranzeige wegen des Verdachts auf eine BK ein. Beim Kläger lägen erhöhte Leberwerte vor und es bestehe der Verdacht auf eine Kontaktallergie. Die Beschwerden seien erstmals 1998 aufgetreten. In einer Arbeitsbereichsanalyse der Betriebsärztin Dr. S. vom 29.9.2000 heißt es, bei bestimmungsgemäßem Umgang mit den Gefahrstoffen sei eine gesundheitliche Störung ausgeschlossen. Die Beklagte holte Auskünfte beim Kläger und seinen behandelnden Ärzten ein.
Dr. L. gab am 10.8.2001 an, eine eigentliche Behandlung habe durch ihn nicht stattgefunden. Er habe den Kläger im März 1998 an die Radiologen Drs. M./R. sowie anschließend an Dr. N. überwiesen. Der Internist Dr. N. erklärte am 1.8.2001, er habe den Kläger ab 29.4.1998 behandelt, nachdem beim Hausarzt ein Transaminasenanstieg festgestellt worden sei. Am 27.10.1998 sei der Kläger beschwerdefrei gewesen. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Leberherde unklarer Dignität, Hepatopathie, Refluxösophagitis I und den Kläger an Prof. Dr. P., Klinikum Memmingen, überwiesen. Dr. H. vom Klinikum Memmingen teilte unter dem 6.8.2001 mit, sie hätten den Kläger am 13.11.1998 und 4.2.1999 ambulant und vom 19.11. bis 26.11.1998 stationär behandelt. Beim Kläger seien Leberrundherde unklarer Dignität im rechten Leberlappen, eine schwere unkomplizierte Fettleber, eine Refluxösophagitis Grad I und eine Neurodermitis diagnostiziert worden. Das Klinikum Großhadern übersandte Arztbriefe vom 26.3. und 4.10.1999 sowie 18.8. und 5.9.2000 und teilte mit, die letzte Kontroll-Untersuchung habe am 20./21.6.2001 stattgefunden. Beim Kläger seien 5 Adenome der Leber, ein Verdacht auf nutritiv-toxische Hepatopathie (beruflicher Kontakt mit KW, Pb, Kerosin, Schmierstoffe) und eine Hämochromatose festgestellt worden.
Die Betriebsärztin Dr. S. teilte der Beklagten unter dem 3.8.2001 mit, ein Biomonitoring nach Schadstoffbelastung sei noch nicht erfolgt, da der Kläger nach ihrem Wissen seit einem halben Jahr keinen oder kaum Gefahrstoffkontakt habe. Sie übersandte ihre Stellungnahme vom 23.2.2001, in der es heißt, sie habe den Kläger ein spezielles Biological Monitoring nach größtmöglichem Gefahrstoffkontakt angeboten, das der Kläger bisher nicht angenommen habe. Gegen eine arbeitsplatzbedingte Ursache sprächen die Gefährdungsermittlung und -beurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz, die eine geringe Gefährdung durch Gefahrstoffe und Gase ergeben habe, das negative Biomonitoring einer vergleichbaren Beschäftigtengruppe, dass keiner der am gleichen Arbeitsplatz Beschäftigten sie wegen ähnlicher Beschwerden konsultiert habe sowie die Arbeitsplatzanalyse vom 29.9.2000. Ferner zog die Beklagte die Sicherheitsdatenblätter der vom Kläger verwandten Arbeitsstoffe (Schmieröl, Reinigungsmittel) eine Tätigkeitsbeschreibung, weitere Stellungnahmen von Dr. S. vom 8.3. und 10.5.2002 mit dem Ergebnis einer Blutuntersuchung des flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe auf Schadstoffe vom 16.11.2001 sowie Laborbefunde bei und holte von der Wehrbereichsverwaltung VI eine Arbeitsplatz- und Expositionsanalyse vom 7.12.2001 ein.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. D., Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeit-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen, zusammen mit der Ärztin für Innere Medizin und Betriebsmedizin Dr. O. ein Gutachten. In dem arbeitsmedizinisch-internistischem Gutachten vom 19.8.2002 führte Prof. Dr. D. aus, beim Kläger lägen eine Fettleber bei Hyperlipidämie und Adipositas Grad II sowie fünf Leberadenome vor. Für das Vorliegen einer BK nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und nach Nr. 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sprächen • der Kläger sei gegenüber potenziell hepatotoxischen Substanzen exponiert gewesen (insbesondere Benzol und Benzolhomologe Xylol und Toluol, Naphthylamin, Trichlorethylen, 1,1,1-Trichlorethan) • die Exposition gegenüber Trichlorethylen habe zirka sieben Jahre (1984 bis 1991) und gegenüber den weiteren Substanzen maximal 18 Jahre (1984 bis 2002) betragen, sodass von einer langzeitigen Exposition auszugehen sei • es sei sowohl von einer inhalativen als auch kutanen Exposition auszugehen, da keine Absaugung am Arbeitsplatz des Klägers existiert habe und Handschuhe nur unR.mäßig bei Reinigungsarbeiten getragen worden seien, • unter Expositionskarenz von Mai 2002 bis Juli 2002 sei es zu einem Rückgang der Höhe der Leberwerte beim Kläger gekommen. Gegen eine berufsbedingte Lebererkrankung sprächen folgende Argumente • der Kläger sei überwiegend gegenüber gering hepatotoxischen Arbeitsstoffen (Benzol und Benzolhomologe Xylol und Toluol, 1,1,1-Trichlorethan, Naphthylamin) exponiert gewesen. Lediglich Trichlorethan gelte als mäßig bis relativ lebertoxisch. Die Trichlorethylen- bzw. 1,1,1-Trichlorethan-Exposition sei bis Anfang der 90er Jahre (ca. 1991) erfolgt, sodass die jetzigen Leberwertveränderungen nicht mehr auf diese Expositionen zurückgeführt werden könnten, zumal unter Exposition mit den genannten beiden Arbeitsstoffen im Jahr 1990 (8/90 und 12/90) normale Leberwerte bestimmt worden seien • aktuell bestehe lediglich noch ein Kontakt zu Benzol bzw. Benzolhomologen und Naphthylamin. Diese lägen nach der arbeitstechnischen Sachaufklärung in sehr geringen Konzentrationen von 0,1 bis maximal 1,3% für Benzol und seine Homologe im Flugkraftstoff und von 1,5 bis 2% hinsichtlich Naphthylamin im Schmieröl 0-160 vor. Außerdem bestünden bezüglich einer möglichen Leberfunktionsstörung bei Exposition gegenüber Naphthylamin lediglich Hinweise aus dem Tierversuch. Dort hätten jedoch keine histopathischen Leberbefunde nachgewiesen werden können • Norm- bzw. BAT-Wert-Überschreitungen hätten beim biologischen Monitoring beim Kläger im September 2001 (durchgeführt nach Schichtende) nicht nachgewiesen werden können, ebenso nicht bei der Untersuchung des BEVA-Personals im Mai 1999 • zwar habe sich nach insgesamt etwa siebenwöchiger Expositionskarenz gegenüber den Gefahrstoffen beim Kläger eine Rückbildung seiner Leberwerte gezeigt. Bereits im Oktober 1998 seien aber GOT- und GPT-Werte in gleicher Höhe unter Exposition nachweisbar gewesen, sodass ein signifikanter Unterschied nicht habe festgestellt werden können. Eine völlige Normalisierung sei nach fast zweimonatiger Expositionspause nicht eingetreten. • Gegen eine berufsbedingte Verursachung der Leberveränderung spreche die relativ lange Latenzzeit zwischen erster Gefahrstoffexposition (ca. 1984) bis zum Nachweis der auffälligen Leberveränderungen 1998. So seien sechs Jahre nach Expositionsbeginn im Jahr 1990 noch keinerlei Auffälligkeiten hinsichtlich der Leberfunktion nachzuweisen gewesen, obwohl zu dieser Zeit sogar eine zusätzliche Exposition gegenüber der stärker lebertoxischen Substanz TRI bestanden habe. • Beim Kläger lägen neben der beruflichen Exposition auch außerberufliche Risikofaktoren wie Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie mit Adipositas vor. Die Verursachung der erhöhten Leberwerte durch die fünf Leberadenome von maximal 2,4 cm sei dagegen sehr unwahrscheinlich. In der wissenschaftlichen Literatur existiere derzeit kein Beleg für die Verursachung von Leberadenomen durch Lösemittel, insbesondere nicht durch die Substanzen, mit denen der Kläger Umgang gehabt habe. Die hereditäre Hämochromatose sei eine genetische Erkrankung und werde nicht durch Noxen am Arbeitsplatz ausgelöst. Das Vorliegen einer berufsbedingten Lebererkrankung sei nicht hinreichend wahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 22.10.2002 lehnte die Beklagte die Feststellung der Lebererkrankung des Klägers in Form veränderter Leberwerte sowie der Ausbildung von Leberadenomen als entschädigungspflichtiger Berufskrankheit ab.
Hiergegen legte der Kläger am 15.11.2002 Widerspruch ein und trug u. a. vor, von seiner Hautärztin sei er in der Zeit vom 6.5. des 14.6.2002 krankgeschrieben und anschließend drei Wochen in Urlaub gewesen. Bei der Kontrolle der Leberwerte durch seinen Hausarzt seien die Werte deutlich rückläufig gewesen. Professor Dr. Z. von der Poliklinik München II Großhadern gehe davon aus, dass der berufliche Umgang mit Flugkraftstoffen, Lösemittel und Ölen mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich für die bei ihm vorliegende Krankheit sei. Es sei wohl zutreffend, dass seine Leberwerte vom 13.5.2002 bis 8.7.2002 im Vergleich zum Oktober 1998 nicht schlechter gewesen seien. Hierbei sei aber zu berücksichtigen, dass er von Juni bis Mitte September 1998 wegen einer Wirbelsäulenerkrankung keinen Dienst geleistet habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 2.9.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.9.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben, mit der er die Anerkennung einer entschädigungspflichtigen BK weiter verfolgte. Er führte aus, die erhöhten Leberwerte seien immer dann zurückgegangen, wenn er eine gewisse Zeit nicht im Dienst gewesen sei. Dies spreche für einen Zusammenhang zwischen Schadstoffexposition am Arbeitsplatz und den erhöhten Leberwerten, zumal Anhaltspunkte für eine außerberufliche Ursache nicht ersichtlich seien. Klarstellen möchte er, dass lediglich die Anerkennung der Hepatopathie und nicht der Leberadenome als BK begehrt werde. Nachdem er seinen früheren Arbeitsplatz aufgegeben habe, hätten sich seine Leberwerte normalisiert. Seit 1.6.2003 sei er an eine andere Dienststelle versetzt und im EDV-Bereich beschäftigt. Seit 4.11.2003 nehme er an einer Berufsausbildung zum Fachinformatiker teil.
Das SG hat Befundberichte der Medizinischen Klinik II des Klinikums Großhadern vom 4.10.1999 (seit einem Jahr trinke er keinen Alkohol mehr und nehme keine Medikamente ein), 3.8.2001, 18.4.2002 und 7.1.2004 (Gewichtsverlust von ca. 15 Kilo in den letzten 12 Monaten; die vor eineinhalb Jahren erhöhten Leberwerte waren allesamt normwertig) beigezogen sowie eine sachverständige Zeugenaussage von Dr. R., Leitender Medizinaldirektor der Klinik für Berufskrankheiten, der den Kläger wegen der geltend gemachten BK Nr. 5101 gutachterlich untersucht hat, vom 15.1.2004 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, Gesundheitsstörungen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen seien, hätten nicht festgestellt werden können. Nachdem arbeitsplatzbezogene Provokationstestungen (Flugbenzin F 34) negativ ausgefallen seien, seien die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach Nr. 4301/4302 der BKV nicht als erfüllt anzusehen. Die BK-unabhängige bronchiale Hyperreagibilität könne aber die geklagten Beschwerden erklären.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Professor Dr. W. von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II Großhadern mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in dem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 27.7.2005 ausgeführt, während eines Klinikaufenthalts im Januar 2004 habe sich erstmals eine Normalisierung der Leberwerte mit allgemeinem Wohlbefinden gezeigt, nachdem der Kläger wegen eines Arbeitsplatzwechsels keinen hepatotoxischen Substanzen ausgesetzt gewesen sei und gleichzeitig Gewicht reduziert habe. Im Gegensatz zur alkoholtoxisch induzierten Leberschädigung sei bei der medikamentös oder toxin-induzierten Leberschädigung ein höherer Anstieg der GPT im Vergleich zur GOT zu beobachten. Da eine infektiöse, alkoholtoxische, medikamentös induzierte und immunologische vermittelte Ursache des Leberschadens ausgeschlossen werden konnte, kämen differenzialdiagnostisch auf Grund der Anamnese, der klinischen Symptomatik, der laborchemischen Parameter sowie der histologischen, sonografischen und weiteren bildgebenden (CT, MRT) Leberbefunde sowohl der Umgang mit toxischen Arbeitsstoffen mit der Folge einer Fettleber wie auch eine gleichzeitig vorliegende Adipositas mit Fettstoffwechselstörung (Hyperlipidämie) als Ursache in Frage. Für eine durch toxische Arbeitsstoffe wesentlich mitverursachte Leberschädigung beim Kläger sprächen die mehrmals dokumentierten rückläufigen bzw. normalisierten (2004) Leberparameter bei Expositionskarenz: • im Jahr 1998 (Juni bis Mitte September) sei der Kläger wegen eines Bandscheibenleidens vom Dienst befreit gewesen, worauf die gemessenen Leberwerte im Oktober eine Rückbildung zeigten. Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit seien die Werte erneut angestiegen. • Vom 6.5. bis 14.6.2002 sei der Kläger auf Grund eines Hautleidens krankgeschrieben gewesen und habe unmittelbar anschließend seinen dreiwöchigen Jahresurlaub genommen. Auch hier sei nach mehrwöchiger Expositionskarenz gegenüber beruflichen Noxen ein rückläufiger Befund der Leberwerte dokumentiert worden, mit erneutem Anstieg nach Exposition. • Nach Versetzung an eine andere Dienststelle sowie Beginn der Umschulung seit 1.6.2003 habe kein weiterer Kontakt mit schädlichen Agentien bestanden, worauf eine völlige Normalisierung der Leberwerte eingetreten sei. Angesichts dessen seien die arbeitstoxischen Agentien die wahrscheinliche Ursache für die erhöhten Leberwerte. Ein Einfluss der im Jahr 2003 erfolgten Gewichtsabnahme (-15 kg in 12 Monaten) könne in Bezug auf die Bildung der Normwerte nicht ausgeschlossen werden. In den Jahren zuvor (1999 bis 2002) habe ein deutliches Übergewicht mit Hyperlipidämie bestanden, dennoch sei es zu einer Leberwertrückbildung unter Expositionskarenz gekommen. Die berufliche Schadstoffexposition sei für die Leberwerterhöhung/Hepatopathie mitursächlich.
Mit Urteil vom 15.11.2005 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.9.2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, beim Kläger eine Lebererkrankung als entschädigungspflichtige Berufskrankheit anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in Übereinstimmung mit Professor Dr. W. sei das SG zur Überzeugung gelangt, dass insbesondere die mehrfach dokumentierten rückläufigen bzw. normalisierten Leberparameter bei Expositionskarenz eine berufsbedingte Leberschädigung nahe legten. Auch habe Professor Dr. D. zum Zeitpunkt seiner Begutachtung die Leberwertnormalisierung nach Tätigkeitswechsel nicht berücksichtigen können.
Gegen das am 3.1.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.1.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe sie zu Unrecht verurteilt, die Lebererkrankung des Klägers als BK anzuerkennen. Professor Dr. W. erachte eine kausale Mitverursachung der Lebererkrankung des Klägers durch die berufsbedingte Schadstoffexposition als wahrscheinlich. Er habe sich aber nicht dazu geäußert, in welchem Grad eine Mitverursachung anzunehmen sei und ob der Grad einer rechtlich wesentlichen Teilursache erreicht werde. Das entgegenstehende Gutachten von Prof. Dr. D. habe das SG nicht hinreichend gewürdigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert, das angefochtene Urteil sei zutreffend. Das Gutachten von Prof. Dr. W. sei überzeugend und komme zum Ergebnis, dass die Schadstoffexposition mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich für die Lebererkrankung sei.
Der Senat hat bei Professor Dr. D. eine weitere gutachterliche Stellungnahme nach Beiziehung weiterer Messwerte der Leberenzyme des Klägers von 2002 bis 2006 eingeholt. In der Stellungnahme vom 28.6.2006 hat er ausgeführt, im Gegensatz zu Professor Dr. W. könne er eine signifikante Rückbildung der Leberenzymwerte während der Erkrankung von Juni 1998 bis September 1998 nicht bestätigen (GPT: 4/1998 - vor der Erkrankung - 39 U/l; 10/1998 - nach der Erkrankung - 37 U/l; GGT: 4/98 43 U/l; 10/98 44 U/l). Offensichtlich sei jedoch, dass ab Mitte 2002 eine deutliche Rückbildung der Leberenzymwerte erfolgt sei, bis schließlich im Januar 2004 normale Werte erreicht worden seien. Die Gewichtsreduktion von 15 kg und die Normalisierung der Hyperlipidämie müsse jedoch als Ursache der Normalisierung der Leberenzymwerte in Betracht gezogen werden. Nach allgemein anerkannter wissenschaftlicher Lehrmeinung sei allein die Gewichtsreduktion geeignet, die Normalisierung der Leberenzymwerte zu verursachen. Seines Erachtens könne nach wie vor das Vorliegen einer arbeitsbedingten Lebererkrankung beim Kläger nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat bei Professor Dr. W. eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme eingeholt. Dieser hat unter dem 28.4.2007 ausgeführt, die abgefallenen Transaminasen im Sommer 2002 seien am ehesten als Reaktion auf Schadstoffexpositionskarenz anzusehen. Eine signifikante Gewichtsabnahme sei zu diesem Zeitpunkt nicht dokumentiert. Er erachte die berufliche Tätigkeit neben außerberuflichen Risikofaktoren als zumindest annähernd gleichwertig. Das Vorliegen einer BK könne nicht ausgeschlossen werden.
Der Senat hat die Akten der Beklagten, die Feststellung einer BK Nr. 5101 betreffend, beigezogen, welches ein Gutachten des Arbeitsmediziners und Allergologen Dr. R. vom 1.3.2003 enthält.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch sachlich begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Leberveränderungen als BK Nr. 1302 bzw. Nr. 1303 der Anlage zur BKV hat.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe (BK Nr. 1302) und Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol (BK Nr. 1303). Diese Erkrankungen müssen durch die berufliche Tätigkeit verursacht oder verschlimmert worden sein.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKV bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller - wesentlichen - Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand November 2006, E § 9 SGB VII Rdnr. 26). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 91). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.
Der Senat sieht es auf Grund der Feststellungen des Betriebschutzdezernats der Wehrbereichsverwaltung VI vom 7.12.2001, der Sicherheitsdatenblätter sowie der Ausführungen von Prof. Dr. D. im Gutachten vom 19.8.2002 für erwiesen an, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Mechaniker von Bordenergieanlagen (BEVA) von Juli 1987 bis zu seiner Umsetzung im Juli 2002 und teilweise schon zuvor während seiner Lehrzeit gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen und Benzol bzw. seinen Homologen exponiert war, d. h. gegenüber den Listenstoffen der BK nach Nr. 1302 und Nr. 1303. Die Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen (1,1,1-Trichlorethan, Trichlorethylen) bestand im wesentlichen bis Anfang der 90er Jahre bei Reinigungsarbeiten, da bis zum Inkrafttreten der FCKW-Halon-Verbots-Verordnung 1991 in großem Umfang diese Stoffe benutzt wurden. Eine Überschreitung des Luftgrenzwertes für Kohlenwasserstoffe auf Grund der Exposition gegenüber Flugkraftstoff F-34 und Getriebeöl 0-160 konnte dagegen nicht festgestellt werden bzw. wurde vom Ersteller der Arbeitsplatzanalyse Baudirektor Schiefer auf Grund des niedrigen Dampfdruckes für unwahrscheinlich gehalten. Ferner war der Kläger Benzol, Toluol und Xylol ausgesetzt. Es bestand sowohl ein inhalativer Kontakt als auch ein Hautkontakt. Filtermasken existierten nicht, Absaugungen waren nicht vorhanden. Erst gegen Ende der Beschäftigung des Klägers als Bordenergieversorgungsmechaniker (ca. 2000) wurde ein Gebläse eingebaut. Die Exposition am Arbeitsplatz endete nach der durch eine Hauterkrankung verursachten Arbeitsunfähigkeit und dem Jahresurlaub durch eine Umsetzung des Klägers im Juli 2002, nachdem die Betriebsmedizinerin Dr. S. unter dem 9.7.2002 festgestellt hatte, dass es angesichts der Hautallergien und der Reaktionen beim Einatmen von Gefahrstoffdämpfen keine Möglichkeit gebe, den Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz bei der BEVA wieder einzusetzen. Nach seinen eigenen Angaben verrichtete der Kläger sodann Telefondienst und wurde zum 10.11.2002 in den Innendienst versetzt. Am 1.6.2003 wurde er von dem Standort Memmingerberg in eine andere Dienststelle versetzt und war im EDV-Bereich beschäftigt. Daran schloss sich eine Berufsausbildung zum Fachinformatiker ab 4.11.2003 an.
Beim Kläger wurden ab März 1998 bis einschließlich Februar 2003 erhöhte Leberwerte gemessen, wobei die Werte insbesondere im September/Oktober 1999 (GPT 81 U/l, Gamma-GT 51 U/l, GOT 28 U/l), Juni 2001 (GPT 84 U/l, Gamma-GT 53 U/l, GOT 28 U/l) und Februar 2002 (GPT 79 U/l, Gamma-GT 57 U/l) besonders hoch waren. Am 9.4.2002 waren sie zurückgegangen (GPT 71 U/l, Gamma-GT 42 U/l, GOT 24 U/l) und lagen am 13.5.2002 bei folgenden Werten: GPT 63 U/l, Gamma-GT 49 U/l und GOT 23 U/l. Nach der Zeit der Arbeitsunfähigkeit (wegen einer Hauterkrankung) und des Jahresurlaubs erreichte der Kläger am 8.7.2002 folgende Werte GPT 40 U/l (Normbereich bis 22 U/l) Gamma-GT 34 U/l (Normbereich bis 28 U/l) und beim GOT 17 U/l (Normbereich bis 18 U/l). Bei Dr. R., der den Kläger vom 17. bis 19.2.2003 im Auftrag der Beklagten wegen des Verdachts einer berufsbedingten Hauterkrankung arbeitsmedizinisch untersuchte, lagen bei gleichen Normwerten folgende Leberwerte vor: GPT 57 U/l, Gamma-GT 51 U/l und GOT 22 U/l. Zu diesem Zeitpunkt wog der Kläger bei einer Größe von 188 cm 120 kg. Ab dem 5.1.2004 wurden beim Kläger bei veränderten Normwerten aufgrund veränderter Messung nach den übereinstimmenden Feststellungen von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. W. weitgehend normalisierte Leberwerte nach einem gewollten Gewichtsverlust von 15 kg festgestellt.
Nach Überzeugung des Senats ist die beschriebene Exposition am Arbeitsplatz des Klägers gegenüber Gefahrstoffen bis einschließlich Mai 2002 nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich für die von März 1998 bis Februar 2003 nachweisbare Leberschädigung des Klägers. Bei dieser Beurteilung stützt sich der Senat wesentlich auf die Ausführungen von Prof. Dr. D., wonach die Stoffe, denen der Kläger für die Dauer von maximal 18 Jahren ausgesetzt war, zwar inhalativ und kutan aufgenommen wurden, dass sie aber grundsätzlich nur gering hepatotoxisch wirkten (Benzol und Benzolhomologe Xylol und Toluol, 1,1,1-Trichlorethan, Naphthylamin), während die Exposition gegenüber dem relativ lebertoxisch wirkenden Trichlorethan nur bis Anfang der 90er Jahre dauerte und seinerzeit (im Jahr 1990) beim Kläger normale Leberwerte gemessen wurden. Die arbeitstechnischen Untersuchungen ergaben darüber hinaus, dass Benzol und seine Homologe nur in geringen Konzentrationen in den Arbeitsstoffen enthalten waren und dass bei Untersuchungen des Klägers und des BEVA-Personals Normüberschreitungen nicht festgestellt werden konnten.
Das wesentliche Argument, das nach den Darlegungen von Prof. Dr. W. für den wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Exposition und Leberwertveränderungen spricht, nämlich dass es auf Grund der Expositionskarenz zwischen Mai und Juli 2002 zu einem Abfall der Transaminasen GPT, GOT und Gamma-GT und nach erneuter beruflicher Exposition wieder zu einem Anstieg der Werte gekommen sei, lässt sich nach dem dargestellten Ablauf der Exposition gegenüber den Gefahrstoffen einerseits und den auch nach Expositionsende durch Dr. R. im Februar 2003 gemessenen Laborwerten nicht aufrechterhalten. Der erneute Anstieg der Transaminasen im Februar 2003 im Vergleich zu Juli 2002 kann nicht auf eine erneute Exposition zurückgeführt werden, nachdem der Kläger im Juli 2002 nicht mehr an seinen Arbeitsplatz in der BEVA zurückgekehrt ist und ab November 2002 ausschließlich im Bürobereich eingesetzt war. Im Februar 2003 hatte der Kläger aber noch ein erhebliches Übergewicht (120 kg bei einer Größe von 188 cm - BMI 33,95) und wies deutlich erhöhte Blutfettwerte auf (345 mg/dl bei einem Normwert von unter 200 mg/dl). Unter diesen Umständen überzeugt den Senat die Beurteilung von Prof. Dr. D., dass den von der beruflichen Tätigkeit unabhängigen Gesundheitsstörungen, nämlich der nichtalkoholischen Leberverfettung bei Übergewicht und Fettstoffwechselstörung die überragende ursächliche Bedeutung für die pathologischen Leberwertveränderungen im genannten Zeitraum zukommt. Dies überzeugt umso mehr, als die nichtalkoholische Leberverfettung die häufigste Lebererkrankung in den westlichen Industrienationen ist und bei 45-bis 55-jährigen Patienten mit einem BMI von über 30 mit einer Prävalenz von 20% auftritt.
Die Berufung der Beklagten hatte daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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