L 5 KR 1317/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 605/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1317/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einer Antriebshilfe "E-Fix" für ihren Rollstuhl.

Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Zum Ausgleich ihrer Gehbeeinträchtigung (auf Grund einer sensomotorische Halbseitensymptomatik links) ist sie mit zwei Aktivrollstühlen sowie einem Elektro-Scooter/Elektromobil versorgt. Die Klägerin, die im Oktober 2005 in Pflegstufe I (statt wie bisher in Pflegestufe II) eingestuft wurde, hatte die Versorgung mit dem Elektro-Scooter im November 2003 beantragt, dieser Scooter wurde ihr wohl ausweislich des Kostenvoranschlags der Firma St. und B. + Co. GmbH vom 24. Februar 2004 im Februar/März 2004 zur Verfügung gestellt. Da die Klägerin die damalige Kassenleistung Elektrorollstuhl nicht wünschte und stattdessen den Elektro-Scooter, zahlte die Beklagte der Klägerin einen Zuschuss in Höhe der Dienstleistungspauschale (siehe Bewilligungsbescheid vom 2. März 2004 - Bl.23 Verwaltungsakte -VA- ).

Am 17. Februar 2005 verordnete der die Klägerin behandelnde Internist Dr. K. einen Aufsteckantrieb des Typs "E-Fix" zum Anbau an einen Rollstuhl. Zur Begründung gab er an, dieser sei von der Ergotherapeutin Fr. Ehl. empfohlen worden.

Mit Bescheid vom 2. März 2005 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) lehnte die Beklagte die Gewährung dieser Leistung ab, da die Klägerin bereits mit einem Elektrorollstuhl sowie zwei Aktivrollstühlen ausgestattet sei, sei die zusätzliche Versorgung mit einem E-Fix-Antrieb nicht erforderlich (Bl. 21 VA).

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten genüge die gegenwärtige Versorgung nicht, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Sie lebe allein und müsse sich selbst versorgen. Ohne Antriebshilfe könne sie mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl nicht zum Einkaufen fahren, denn hierfür reiche ihre Kraft nicht aus. Ihr Elektrorollstuhl wiederum sei sehr unhandlich und lasse sich nicht in ihren Pkw laden, wegen seiner Größe könne sie mit ihm in Geschäften praktisch nicht manövrieren. Zudem sei er mittlerweile defekt. Vor diesem Hintergrund habe ihr die Ergotherapeutin Ehl. im Rahmen einer ausführlichen Mobilitätsberatung das beantragte Hilfsmittel empfohlen. Die Klägerin hat in dem Zusammenhang ein Schreiben der Ergotherapeutin Ehl. an ihren behandelnden Arzt vom 2. Februar 2005 vorgelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie nochmals darauf, dass die Klägerin mit ihrem Elektro-Scooter ausreichend versorgt sei. Die Bewilligung des Elektro-Scooters umfasse auch die Kosten für etwaige Reparaturen. Es bestehe daher kein Anspruch auf Kostenübernahme für ein Aufsteckantrieb des Typs E-Fix.

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Februar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. In Ergänzung zum Vortrag im Widerspruchsverfahren hat sie geltend gemacht, sie benötige die Antriebshilfe "E-Fix" zum Einkaufen, für Arztbesuche, für Besorgungen im Nahbereich und für kurze Aufenthalte an der frischen Luft, also für Grundbedürfnisse im Sinne des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -Gesetzliche Krankenversicherung- (SGB V). Der Elektro-Scooter stehe bei ihr in der Tiefgarage, die sie nur schwer erreichen könne. Im Winter lasse er sich draußen fast nicht fahren. Zudem würden bei Hanglage Probleme auftreten. Mittlerweile sei ihr auch im Rahmen einer stationären Behandlung in den Kliniken Sch. zu einem Aufsteckantrieb "E-Fix" geraten worden.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 6. Juni 2006 gab die Klägerin u. a. noch an, in ihrer Wohnung bewege sie sich mit dem Rollstuhl, in dem sie auch jetzt im Gerichtstermin sitze. Sie verfüge über zwei Aktivrollstühle. Mit dem Zusatzantrieb versorgt werden solle der Rollstuhl, den sie im Termin hier vor dem SG benutze. Den Elektro-Scooter, mit dem sie seit 2004 versorgt sei, setze sie vielleicht ein- oder zweimal pro Woche ein, allerdings nur, um kurz mal rauszufahren in die freie Natur. Im Übrigen sei er zu groß und zu schwer, insbesondere in Geschäften. Ansonsten bewege sie sich mit dem Rollstuhl, in dem sie jetzt im Termin vor dem SG sitze, auch außerhalb der Wohnung. Dies gehe allerdings nur, wenn sie eine Begleitperson habe. Es befänden sich zwar Geschäfte in der Nähe, die sie aber mit dem Elektro-Scooter nicht nutzen könne. Weiter weg, etwa in 3,5 km Entfernung, befinde sich ein Einkaufszentrum. Aber auch in diesem Einkaufszentrum könne sie mit dem Elektro-Scooter nicht einkaufen, weil er zu sperrig sei. Die Einkäufe erledige für sie zur Zeit eine Betreuungsperson. Sie würde allerdings auch gerne einmal selber wieder einkaufen gehen.

Im Klageverfahren wurde noch das Pflegegutachten des MDK vom 7. Oktober 05 und der Entlassbericht der Klinik Sch. vom 21. September 2006 vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung des in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Anspruches des Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen, und der hierzu ergangenen Rechtsprechung die Klägerin bereits mit den zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln ausreichend versorgt sei, um ihre Gehbehinderung auszugleichen. Wie sich auch aus dem im Klageverfahren vorgelegten Pflegegutachten vom 7. Oktober 2005 ergebe, könne sich die Klägerin in ihrer behindertengerechten Wohnung jedenfalls mit Hilfe eines Aktivrollstuhls selbstständig fortbewegen. Laut Entlassungsbericht der Kliniken Sch. vom 21. September 2006 sei die Klägerin sogar in der Lage, eine Zimmerlänge mit Unterarmgehstützen zu bewältigen. Für den (nahen) Außenbereich könne sie nach Überzeugung des SG auf den von der Beklagten gelieferten Elektro-Scooter zurückgreifen. Nach ihren Angaben im Erörterungstermin vom 6. Juni 2006 nutze sie ihren Elektro-Scooter etwa 1 bis 2mal pro Woche. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, der Elektro-Scooter lasse sich nicht in ihren Pkw laden, begründe dies keinen weitergehenden Anspruch gegenüber der Beklagten. Denn nur die Fortbewegung im Nahbereich gehöre zu den von § 33 SGB V erfassten Grundbedürfnissen. Wolle der Versicherte hingegen mit Hilfe der Kombination von Auto und elektrogetriebenem Rollstuhl den Radius seiner selbstständigen Fortbewegung über den Nahbereich hinaus erweitern, falle dies nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen (mit Hinweis auf BSG SozR 4-2005 § 33 Nr. 3 Rdnr. 16). Zu keinem anderen Ergebnis führe schließlich der Einwand der Klägerin, die Fortbewegung mit dem Elektro-Scooter sei durch die Hanglage im häuslichen Umfeld sowie die Enge der von ihr besuchten Geschäfte erschwert. Denn es sei im Rahmen von § 33 SGB V unbeachtlich, wenn besondere Umstände in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung des Versicherten die Nutzung eines allgemein ausreichenden Hilfsmittels erschwerten (Hinweis auf Beschluss des BSG vom 11. Januar 2006 - B 3 KR 44/05 B -, LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Januar 2006 - L 5 KR 139/05 -).

Die Klägerin hat gegen den ihren Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 13. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 12. März 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Bevollmächtigte in Ergänzung zum bisherigen Vortrag geltend, es sei für die Klägerin nicht nachvollziehbar, weshalb das SG überhaupt nicht auf die noch aufgeworfene Frage des damaligen Bevollmächtigten eingegangen sei, ob im vorliegenden Fall nicht ein Hilfsmitteltausch eine sachgerechte Erledigung des Rechtsstreits darstelle.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Februar 2007, sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie mit einem "E-Fix"-Antrieb zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und führt ergänzend noch aus, dem wiederholt unterbreiteten Vorschlag, das vorhandene Elektromobil gegen den begehrten E-Fix-Antrieb zu tauschen, könne nicht zugestimmt werden. Die Beklagte habe das von der Klägerin gewünschte Elektromobil in Höhe der Dienstleistungspauschale als Elektrorollstuhl bezuschusst. Bei dieser Verfahrensweise würden die Hilfsmittel nicht von der Beklagten gekauft. Mit Zahlung der Pauschale seien für einen vorher vereinbarten Zeitraum (hier fünf Jahre) nicht nur die Mietkosten für das Hilfsmittel, sondern auch alle weiter anfallenden Kosten (zum Beispiel Wartungen, Reparaturen, aber auch - falls erforderlich - eine Neu- /Umversorgung) abgegolten. Das Hilfsmittel bleibe bei dieser Art der Versorgung Eigentum des Lieferanten. Da die Klägerin jedoch nicht die Kassenleistung Elektrorollstuhl begehrt habe, sondern das Elektromobil gewünscht habe, habe die Beklagte diese Hilfe in Höhe der Dienstleistungspauschale bezuschusst. Das Elektromobil sei somit Eigentum der Klägerin. Es werde insoweit auf die mit Schreiben vom 2. März 2004 ausgesprochene Leistungsbewilligung verwiesen, die keinen Eigentumsvorbehalt beinhalte. Würde das Elektromobil nun zu Lasten der Beklagten ausgetauscht werden, müsste eine erneute Pauschale für den E-Fix (diesmal an den Lieferanten) entrichtet werden. Dies käme einer Doppelversorgung gleich und bedeute einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die erneute Zahlung einer Pauschale durch die Beklagte, welche zur Versorgung mit einem E-Fix führen würde, könnte erst nach Ablauf des Gewährleistungszeitraumes von fünf Jahren, mithin im Jahre 2009 erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500,- EUR ist überschritten. Im Streit stehen Kosten für die Versorgung mit dem E-Fix-Antrieb in einer Höhe von ca. 4.500,- EUR.

II.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf die weitere und zusätzliche Versorgung mit einem E-Fix-Antrieb hat.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankheitsbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch erfasst gem. § 33 Abs. 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch und soweit erforderlich die notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Zur Frage, wie weit im Einzelnen der von dieser Vorschrift angeordnete Behinderungsausgleich reicht, hat das BSG im Urteil vom 26. März 2003 -B 3 KR 23/02 R = SozR 4-2500 § 33 Nr. 3 ausgeführt:

Der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs eines von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels bedeutet auch nach Inkrafttreten des SGB IX (vgl hier § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) nicht, dass nicht nur die Behinderung als solche, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach wie vor allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weit gehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike - und Nr 32 - Therapie-Tandem; Urteile des Senats vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur Veröffentlichung vorgesehen - und vom 21. November 2002, B 3 KR 8/02 R - nicht veröffentlicht) gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbstständige Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Das hier in Betracht kommende Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung bislang immer nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden verstanden. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1994 (3/1 RK 13/93 = SozR 3-2500 § 33 Nr 7 - Rollstuhlboy -) zwar die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis bejaht, aber dabei nur auf diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt. Später (Urteil vom 16. September 1999, B 3 RK 8/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike -) hat der Senat das auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind bisher immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden: So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 16. April 1998 (B 3 KR 9/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche -) zwar diejenigen Entfernungen als Maßstab genommen, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklegt; das Hilfsmittel ist aber nicht wegen dieser - rein quantitativen - Erweiterung, sondern wegen der dadurch geförderten Integration des behinderten Klägers in seiner jugendlichen Entwicklungsphase zugesprochen worden (vgl dazu neuerdings auch Urteil des Senats vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ganz ähnlich war schon in der Entscheidung vom 2. August 1979 (11 RK 7/78 = SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl -) nicht die für einen Schüler angesprochene "Fortbewegung auch in Orten außerhalb seines Wohnortes", sondern die Ermöglichung des Schulbesuchs der maßgebliche Gesichtspunkt gewesen.

Diese Rechtsprechung ist nach Inkrafttreten des Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) nicht zu modifizieren. Denn das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich dadurch nicht wesentlich geändert, und dieses Leistungsrecht bleibt maßgebend. Mit dem SGB IX hat der Gesetzgeber die bisherigen Bestimmungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft und zum Ausgleich von Benachteiligungen, die vor allem im Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAnglG) und im Schwerbehindertengesetz enthalten waren, zusammengefasst, sprachlich überarbeitet und vor allem hinsichtlich der Stärkung der Selbstbestimmung sowie des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten ausgebaut. Im Unterschied zu den früheren Regelungen des RehaAnglG, die insgesamt hinsichtlich der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen der Rehabilitationsträger im Einzelnen und deren Sicherstellung auf die jeweils geltenden besonderen Vorschriften in den jeweiligen Leistungsbereichen verwiesen (vgl § 9 Abs 1 RehaAnglG), beschränkt sich das SGB IX allerdings nicht auf bloße Verweisungen, sondern regelt eigenständig Gegenstände, Umfang und Ausführung von Leistungen. Hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe wird aber nach wie vor auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen, während diese im Übrigen nur maßgebend sind, soweit sie Abweichendes vorsehen (§ 7 SGB IX; vgl dazu Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

Die gesetzlichen Krankenkassen sind gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX Träger von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, für deren Voraussetzungen die Vorschriften des SGB V maßgebend sind. Der Anspruch der Klägerin, die wegen ihrer dauerhaften Behinderungen unter den Personenkreis des SGB IX fällt, sie mit einem Hilfsmittel zu versorgen, richtet sich somit nach § 33 SGB V, der durch Art 5 Nr 9 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl I 1046) nur um die Wörter "einer drohenden Behinderung vorzubeugen" ergänzt worden ist. Soweit das SGB IX in § 31 den Hilfsmittelbegriff definiert, kann offen bleiben, ob dies zu den Leistungsvoraussetzungen zählt, die sich allein nach dem SGB V richten, oder ob es sich um Art und Gegenstand der Leistungen handelt, für die das SGB IX gilt, sofern die einschlägigen Leistungsgesetze nichts anderes vorsehen (vgl Götze in Hauck/Noftz, SGB IX, K § 1 RdNr 6). Denn § 31 SGB IX gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt des § 33 SGB V wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, bestätigt somit diese Rechtsprechung und enthält in Abs 3 nur insofern eine Erweiterung der Rechte des Leistungsberechtigten, als er gegen Übernahme der Mehrkosten auch ein aufwändigeres Hilfsmittel, als nötig ist, wählen kann.

Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG ergeben sich ebenfalls keine weiter gehenden Leistungsansprüche bei der Hilfsmittelversorgung. Zwar ist das Verbot einer Benachteiligung zugleich mit einem Auftrag an den Staat verbunden, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken (vgl BT-Drucks 12/8165 S 29; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl, Art 3 RdNr 105). Diesem Auftrag zur Umsetzung und Konkretisierung (vgl Umbach in Umbach/Clemens, GG, Art 3 RdNr 383 ff) hat der Gesetzgeber mit dem SGB IX Rechnung getragen, ohne dass damit der Auftrag als erledigt anzusehen wäre. Der fortbestehende Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet aber keine konkreten Leistungsansprüche. Da sich die Aufgabe der Krankenkassen zum Behinderungsausgleich iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V (medizinische Rehabilitation) hinsichtlich des Grundbedürfnisses auf Bewegung und körperlichen Freiraum somit nach wie vor auf den dargestellten Nahbereich beschränkt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen von der Beklagten zu gewährenden Rollstuhl-Ladeboy, um mit Hilfe der Kombination von Auto und elektrogetriebenem Faltrollstuhl den Radius ihrer selbstständigen Fortbewegung über den Nahbereich hinaus (erheblich) zu erweitern. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Revision, das Autofahren gehöre zu den Grundbedürfnissen iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, die durch Hilfsmittel der Krankenversicherung zu befriedigen seien (vgl grundsätzlich BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 - behindertengerechte Kfz-Ausstattung). Die Klägerin kann sich für ihre Auffassung nicht auf eine Entscheidung des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Februar 1991 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 3) stützen, welche zum Recht der Reichsversicherungsordnung ergangen ist und im Einzelfall die Ausrüstung mit einem schwenkbaren Beifahrersitz als Hilfsmittel für möglich gehalten hat, sofern die vorhandene Ausstattung mit einem Rollstuhl und die Übernahme der Krankenfahrten zur Gewährleistung eines hinreichenden Bewegungsspielraums noch nicht ausreichend waren. Die mit der Benutzung eines PKW verbundene Bewegungsfreiheit ist damit nicht allgemein als Grundbedürfnis anerkannt worden. Transportable Auffahrschienen zum PKW für einen Rollstuhl hat das BSG nicht als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt (vgl Urteil des BSG vom 3. November 1987, 8 RK 14/87 = BKK 1988, 275 = ErsK 1990, 253 = Die Leistungen 1988, 285). Soweit das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27. Oktober 1994, L 5 K 86/93 = Breithaupt 1995, 832), worauf sich die Revision beruft, derartige Auffahrschienen zugesprochen hat, ging es um einen 15-jährigen Kläger, dem es nach den Feststellungen des LSG wegen der Schwere seiner Behinderungen und seines Alters nicht zumutbar war, seinen Elektrorollstuhl auf längeren Wegstrecken allein zu benutzen, also um besondere Umstände des Einzelfalles, die keine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung erkennen lassen.

Zutreffend hat das SG unter Berücksichtigung dieser Grundsätze entschieden, dass die der Klägerin bereits zur Verfügung stehenden Hilfsmittel ausreichen, um ihre Gehbehinderung auszugleichen. Wie sich aus dem Pflegegutachten vom 7. Oktober 2005 ergibt, kann sich die Klägerin in ihrer behindertengerechten Wohnung jedenfalls mit Hilfe eines Aktivrollstuhls selbstständig fortbewegen. Im Übrigen ist sie ausweislich des Entlassungsberichtes der Kliniken Sch. vom 21. September 2006 sogar in der Lage eine Zimmerlänge mit Unterarmgehstützen zu bewältigen. Sie ist des Weiteren für den (nahen) Außenbereich bereits durch den von der Beklagten bezuschussten Elektro-Scooter ausreichend versorgt. Sie nutzt ihn auch etwa ein bis zweimal die Woche u. a. um "auch kurz mal rauszufahren in die freie Natur".

Soweit die Klägerin geltend macht, der Elektro-Scooter lasse sich nicht in ihren Pkw laden, begründet dies keinen weiteren Anspruch gegenüber der Beklagten. Denn wie nach der oben dargestellten BSG-Rechtssprechung klargestellt, gehört zu den von § 33 SGB V erfassten Grundbedürfnissen nur die Fortbewegung im Nahbereich. Will dagegen der Versicherte mit Hilfe der Kombination von Auto und elektrogetriebenen Rollstuhl den Radius seiner selbstständigen Fortbewegung über den Nahbereich hinaus erweitern, fällt dies - wie aus dem oben wiedergegebenen Urteil hervorgeht - nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkasse.

Schließlich führt auch der Einwand der Klägerin, die Fortbewegung mit dem Elektro-Scooter sei durch die Hanglage im häuslichen Umfeld, sowie die Enge der von ihr besuchten Geschäfte erschwert, zu keinem für sie günstigeren Ergebnis. Es ist im Rahmen des § 33 SGB V unbeachtlich, wenn besondere Umstände in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung des Versicherten die Nutzung eines allgemein ausreichenden Hilfsmittels erschweren (BSG Beschluss vom 11. Januar 2006 - B 3 KR 44/05 B - unter Hinweis auf Urteil vom 16. September 1999 in SozR 3-2005 § 33 Nr. 31).

Der Senat gibt der Klägerin abschließend noch zu bedenken, dass sie Ende 2003/Anfang 2004 ausdrücklich anstelle der Kassenleistung Elektrorollstuhl den Elektro-Scooter wünschte. Wenn sich nun im Nachhinein herausstellt, dass die Klägerin mit einem Elektrorollstuhl doch letztlich wohl besser versorgt gewesen wäre, beruht dies aber nicht hier auf einer Fehleinschätzung der Beklagten, sondern der Klägerin. Im Übrigen besteht für die Klägerin - wie aus den Ausführungen der Beklagten zu entnehmen ist - ab 2009 (also bereits nächstes Jahr) die Möglichkeit bei einer Neu-/Nachversorgung anstelle eines weiteren Elektro-Scooters einen Elektrorollstuhl bzw. den E-Fix-Antrieb bei der Beklagten zu beantragen und die von ihr nunmehr gewünschte (als letztlich zwischenzeitlich besser empfundene) Versorgung zu erreichen.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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