Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 825/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 315/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.06.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Rücknahme einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in der Zeit vom 03.05.1999 bis 29.02.2000 und die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 8.708,16 DM.
Der am 1940 geborene und zuletzt als Schreiner beschäftigte Kläger beantragte am 02.09.1996 bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Im Antrag gab er an, eine Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) zu beziehen (Nummer 3). Nach dem vorgelegten Rentenbescheid der LVA Oberfranken und Mittelfranken vom 07.08.1996 bezog der Kläger ab dem 27.07.1995 eine BU-Rente in Höhe von 1.113,51 DM monatlich.
Das ihm von der Beklagten daraufhin mit Bescheid vom 04.12.1998 ab dem 04.09.1996 gewährte Alg war mit Ablauf des 02.05.1999 erschöpft.
Am 12.03.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten Anschluss-Alhi ab 03.05.2000. Er erklärte, keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einnahmen oder Ansprüche gegen dritte Personen oder Stellen zu haben. Bei den entsprechenden Nummern 3 und 8 im Formblattantrag kreuzte er das Feld "Nein" an. Bei Nummer 9.1 (Einkommen des Ehepartners) gab er an, dass seine Ehefrau eine Altersrente für Frauen von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ab dem 01.10.1998 in Höhe von monatlich 1.313,46 DM beziehe. Der Bewilligungsbescheid vom 17.09.1998 war dem Antrag beigefügt. Desweiteren legte der Kläger ein Schreiben der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken vor, wonach er frühestens ab 01.10.2000 Altersrente beanpruchen könne. In dem Formblattantrag bestätigte er mit seiner Unterschrift das Merkblatt 1 für Arbeitslose, "Dienste und Leistungen" des Arbeitsamtes, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Dem Formblattantrag waren Hinweise zu den einzelnen erbetenen Angaben beigefügt.
Mit Bescheid vom 27.04.1999 gewährte die Beklagte dem Kläger Alhi ab dem 03.05.1999 unter Anrechnung eines Ehegatteneinkommens in Höhe von wöchentlich 50,40 DM.
Im Fortzahlungsantrag auf Alhi ab dem 03.05.2000 gab der Kläger an, eine BU-Rente in Höhe von monatlich 1.149,06 DM zu beziehen (Nummer 3).
In dem daraufhin durchgeführten Anhörungsverfahren bestritt der Kläger, am 27.03.2000 falsche Angaben gemacht und die Fragen seines jeweiligen Sachbearbeiters wahrheitsgemäß beantwortet zu haben.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 04.05.2000 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi vom 27.04.1999 für die Zeit vom 03.05.1999 bis 31.05.1999 teilweise in Höhe von 262,22 DM wöchentlich, vom 01.06.1999 bis zum 30.06.1999 in Höhe von 192,08 DM wöchentlich und vom 01.07.1999 bis 29.02.2000 in Höhe von 195,02 DM wöchentlich auf. Insgesamt errechnete sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 8.708,16 DM.
Der dagegen am 19.05.2000 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11.09.2000).
Dagegen hat der Kläger am 22.09.2000 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 07.06.2001 abgewiesen. Die Beklagte habe die Rückforderung der überzahlten Alhi in den angefochtenen Bescheiden vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 zu Recht auf die Bestimmungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gestützt. Der Bewilligungsbescheid vom 27.04.1999 stelle einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt dar, denn die vom Kläger ab dem 01.07.1998 bezogene BU-Rente in Höhe von zunächst 1.136,29 DM sowie ab dem 01.07.1999 in Höhe von 1.149,06 DM hätte als eigenes Einkommen des Klägers auf die Alhi angerechnet werden müssen. Dieser Verwaltungsakt beruhe auf Angaben, die der Kläger zumindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Unter dem Begriff "eigene Einnahmen des Antragstellers" habe er im Antrag auf Anschluss-Alhi vom 12.03.1999 laufende eigene oder gelegentlich wiederkehrende Einnahmen verneint, jedoch unter dem Begriff des Einkommens bei der Ehefrau deren Rente angegeben. Würden aber wegen des Unterhaltsanspruches gegen den Ehegatten dessen Einkünfte bei von der Bedürftigkeit abhängenden Leistungen wie der Alhi einbezogen, so hätte dies nach der Vorstellung des Klägers erst recht für seine eigenen Einkünfte gelten müssen. Es vermöge ihn auch nicht zu entlasten, dass er zuvor im Rahmen des Alg-Bewilligungsverfahren eine Ablichtung seines BU-Rentenbescheides vorgelegt habe. Es sei nämlich durchaus möglich, dass eine Rentenleistung, die vor Jahren bewilligt worden sei, zwischenzeitlich nicht weitergewährt würde oder sich in der Höhe wesentlich verändert habe. Der Kläger habe deshalb nicht darauf vertrauen können, dass die Bezugnahme auf zuvor vorgelegte Rentenbescheide ausreichend sei. Ihm hätte es vielmehr oblegen, den Antragsvordruck unter Nummer 8 vollständig und korrekt auszufüllen. Es habe sich dabei um einen einfachen Sachverhalt gehandelt. Dem Antragsformular sei unschwer zu entnehmen gewesen, dass die finanzielle Situation des Antragstellers bei der Gewährung von Alhi-Leistungen besondere Bedeutung zukäme. Zugunsten des Klägers greife auch kein Vertrauensschutz ein, so dass er nicht mit dem Vorbringen gehört werden könne, er hab die ihm gewährten Alhi-Leistungen für seinen Lebensunterhalt verbraucht, da der eigenständige öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X keinen Raum für die Heranziehung der §§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lasse.
Gegen das ihm am 06.08.2001 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 10.08.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung. Bei ihm liege eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X nicht vor. Er sei stets davon ausgegangen, dass die Beklagte von seinem BU-Rentenbezug Kenntnis gehabt habe. Entsprechend seiner individuellen Einsichtsfähigkeit sei er - ohne grob fahrlässig zu handeln - davon ausgegangen, dass sich die Verhältnisse gegenüber dem Alg-Bezug nicht geändert hätten und der dem Arbeitsamt bereits bekannte Rentenbezug auch am 12.03.1999 noch vorgelegen habe. Seine individuelle Einsichts- und Urteilsfähigkeit habe sich in seiner Auffassung, dass der Beklagten sein Rentenbezug bekannt war, erschöpft. Er sei davon ausgegegangen, dass die Beklagte seinen BU-Rentenbezug bei der Ali-Gewährung wie bisher rechtlich einwandfrei bewerten würde. Im Gegensatz zu seinem ersten Antrag auf Gewährung von Alg vom 02.09.1996 sei ihm der Antrag vom 12.03.1999 nicht wegen Unvollständigkeit zurückgegeben worden. Dieser sei nicht von einem Bediensteten des Arbeitsamts überprüft worden, so dass er zwangsläufig zur Überzahlung habe führen müssen.
Der Kläger beantragt,
Beweis darüber zu erheben, ob er auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur, seiner persönlichen Urteilsfähigkeit, seiner Einsichtsfähigkeit und seiner Bildungsstruktur nicht in der Lage war, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles, das Merkblatt für Arbeitslose, Hinweise und Leistungen des Arbeitsamtes, Stand Januar 1998 und des Formblatts, auf Blatt 26, 27 dahin zu verstehen, dass er seine BU-Rente angeben muss, obwohl diese der Behörde bekannt war und er deshalb die Rechtswidrigkeit seines Alhi-Bezuges nicht erkennen konnte, durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet mit psychologischem Zusatzgutachten nach Anfertigung eines CT des Kopfes von Gerichts wegen.
In der Sache beantragt der Kläger,
das Urteil des SG Nürnberg vom 07.06.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 aufzuheben, hilfsweise beantragt er, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 07.06.2001 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2002 hat der Kläger erklärt, dass er die BU-Rente beziehe, weil er den erlernten Beruf als Schreiner wegen Diabetes und Rückenbeschwerden nicht mehr ausüben konnte.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
In der Sache erweist sich die Berufung des Klägers jedoch als unbegründet, denn das SG hat im Urteil vom 07.06.2001 zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 abgewiesen, da die Berücksichtigung der dem Kläger gewährten BU-Rentenleistungen bei der Höhe der ihm zu gewährenden Alhi und die Rückforderung des überzahlten Betrages in Höhe von 8.708,16 DM sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Rechtsgrundlage für die teilweise rückwirkende Aufhebung der Alhi-Bewilligung im Bescheid vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 ist § 45 Abs 1 und Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X. Danach kann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), wie der Bescheid über die Bewilligung von Alhi an den Kläger vom 27.04.1999, wenn er rechtswidrig ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn das Vertrauen des Begünstigten (= des Klägers) unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich ein Begünstigter dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Nach § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III haben Arbeitnehmer unter den sonstigen allgemeinen und besonderen Anspruchsvoraussetzungen Anspruch auf Alhi, wenn sie bedürftig sind. Ein Arbeitsloser ist bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen den Alhi-Tabellensatz nicht erreicht (§ 193 Abs 1 SGB III). Nach § 194 Abs 1 Nr 1 SGB III ist das Einkommen des Arbeitslosen, soweit es nicht als Nebeneinkommen anzurechnen ist, zu berücksichtigen und Alhi ihm nur zu gewähren, soweit das anzurechnende Einkommen den Alhi-Leistungssatz nicht erreicht. Wer Sozialleistungen beantragt, hat nach § 60 Abs 1 SGB I alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.
Der Kläger hätte danach den Bezug der BU-Rente ab dem 27.05.1995 angeben müssen. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er bei Beantwortung der unter den Nummern 3 und 8 des Antragformulars vom 12.03.1999 erbetenen Angaben die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X). Ob der Kläger die erforderlich Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, ist abhängig von seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, also seinem Einsichtsvermögen in alle den Streitfall betreffenden Umstände. Entgegen der Auffassung des Klägers geht der Senat davon aus, dass sein persönliches Einsichtsvermögen, seine Urteils- und Kritikfähigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 12.03.1999 nicht durchgreifend beeinträchtigt war. Aus dem gesamten vorliegenden Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt in seiner Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt war oder gar unter Betreuung stand. Nach seinen eigenen Angaben erhielt er die ihm gewährte BU-Rente auf Grund eines Diabetesleidens sowie von Rückenbeschwerden. Aus dem Gutachten von Dr.Köhler vom Ärztlichen Dienst der Beklagten vom 09.01.1997 ergibt sich ferner, dass der Kläger weiterhin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsatzfähig war. Einschränkungen in der geistigen Leistungfähigkeit des Klägers hat der Gutachter dabei nicht festgestellt. Weitere Unterlagen, aus denen abgeleitet werden könnte, dass der Kläger auf Grund von Gesundheitsstörungen in seinem Einsichtsvermögen bzw seiner Urteils- und Kritikfähigkeit durchgreifend beeinträchtigt war, sind weder in den Akten enthalten noch wurden sie im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegt. Insbesondere fehlt jeglicher Anhalt, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt in psychiatrischer Behandlung stand. Ohne Verstoß gegen § 103 SGG sah sich der Senat deshalb nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Er ist deshalb auch nicht dem in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gestellten Beweisantrag, ein psychiatrisches Gutachten über die damalige Urteils- und Kritikfähigkeit einzuholen, gefolgt.
Bei der Beurteilung der individuellen Urteils- und Kritikfähigkeit ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht als Hilfsarbeiter beschäftigt war, sondern 18 Jahre lang (1977 bis 1989) als Schreiner in einer Möbelschreinerei tätig war und deshalb als handwerklich Ausgebildeter auch über die intellektuelle Fähigkeit verfügt, im Alter von 58 Jahren den Inhalt von Merkblättern und Hinweisen zu verstehen. Es ist deshalb vorliegend - wie im Regelfall - davon auszugehen, dass die Nichtbachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblatts bzw beigefügter Ausfüllhinweise grobe Fahrlässigkeit begründet (vgl BSG, Urteil vom 03.03.1993 - 11 RAr 43/91, SozR 3-4100 § 103 Nr 9 S 50 f; Wiesner in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 4.Auflage, § 45 RdNr 24).
Im Merkblatt für Arbeitslose (Stand Januar 1998), dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger im Alhi-Antrag vom 12.03.1999 unterschriftlich bestätigt hat, ist auf Seite 14 ausgeführt, dass Alhi neben dem Bezug anderer Sozialleistungen ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann. In Bezug auf die Frage der Bedürftigkeit bei Alhi ist auf Seite 40 des Merkblattes weiter ausgeführt, dass unter "zu berücksichtiges Einkommen" alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, zB Renten, zu verstehen sind. In den dem Alhi-Antrag vom 12.03.1999 beigefügten "ausführlichen Hinweisen" ist ferner unter Nummer 3 in Bezug auf die anzugebenden "anderen (Sozial-)Leistungen" ausgeführt, dass darunter alle vom Antragsteller bezogenen Leistungen fallen und ihre Auswirkungen auf den Bezug von Alhi unterschiedlich sein können, so dass der Antragsteller gebeten wird, den letzten Bewilligungsbescheid vorzulegen. Ausdrücklich ist ferner vermerkt, dass nur der Bezug von Sozialhilfe, Kindergeld und Wohngeld nicht anzugeben werden braucht. Ein durchschnittlich intelligenter juristischer Laie - wie der Kläger - konnte daher auf Grund der eindeutigen Hinweise im Antrag vom 12.03.1999 und im Merkblatt "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" erkennen, dass der Bezug einer BU-Rente im Antrag auf Alhi anzugeben war. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Bedeutung des Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bekannt war. Er hat im Antrag detaillierte Angaben in Bezug auf die seiner Ehefrau gewährten Altersrente gemacht. Die Frage Nummer 8, die auf Angaben zu eigenen Einnahmen des Antragstellers gerichtet war, betraf ebenfalls die Gewährung einer Rente an den Kläger. Es ist deshalb in den Bereich einer Schutzbehauptung zu rücken, wenn der Kläger vorträgt, ihm sei bei der Frage nach dem Einkommen seiner Ehefrau die Bedeutung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewusst gewesen, nicht jedoch bei der Frage nach seinen eigenen Einnahmen.
Der Kläger kann sich ferner nicht darauf berufen, dass ihm der Antrag vom 12.03.1999 im Gegensatz zu seinem Alg-Antrag vom 02.09.1999 von der Beklagten nach eigener Überprüfung nicht nochmals zurückgegeben worden sei. Ausweislich des Schriftbildes im Antrag wurden die Nummern 3 und 8 nicht vom Antragsannehmer der Beklagten mit grünem Kugelschreiber ausgefüllt. Vielmehr hat der Kläger selbst die Fragen nach anderen Leistungen (Nummer 3) und nach eigenen Einnahmen (Nummer 8) verneint. Es bestand für den Antragsannehmer der Beklagten deshalb keine Veranlassung zu entsprechenden Rückfragen.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung meint, die Auffassung der Beklagten widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und sich insoweit auf das Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R, SozR 3-4100 § 45 Nr 45, stützt, so ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Das vorgenannte Urteil ist zur Fallkonstellation des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X (Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung) ergangen, nicht zu der hier in Streit stehender Regelung des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X (grob fahrlässige, unrichtige oder unvollständige Angaben).
Da somit die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X für die teilweise Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, war dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass der Beklagten dabei ein Ermessen eingeräumt war (§ 330 Abs 2 SGB III).
Die Frist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X wurde eingehalten.
Auf Grund der Höhe der dem Kläger ab dem 27.05.1995 gewährten BU-Rente ist der von der Beklagten vorgenommene Anrechnungsbetrag auf die Alhi und damit auch die Höhe des Rückforderungsbetrages auch rechnerisch nicht zu beanstanden.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Rücknahme einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in der Zeit vom 03.05.1999 bis 29.02.2000 und die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 8.708,16 DM.
Der am 1940 geborene und zuletzt als Schreiner beschäftigte Kläger beantragte am 02.09.1996 bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Im Antrag gab er an, eine Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) zu beziehen (Nummer 3). Nach dem vorgelegten Rentenbescheid der LVA Oberfranken und Mittelfranken vom 07.08.1996 bezog der Kläger ab dem 27.07.1995 eine BU-Rente in Höhe von 1.113,51 DM monatlich.
Das ihm von der Beklagten daraufhin mit Bescheid vom 04.12.1998 ab dem 04.09.1996 gewährte Alg war mit Ablauf des 02.05.1999 erschöpft.
Am 12.03.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten Anschluss-Alhi ab 03.05.2000. Er erklärte, keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einnahmen oder Ansprüche gegen dritte Personen oder Stellen zu haben. Bei den entsprechenden Nummern 3 und 8 im Formblattantrag kreuzte er das Feld "Nein" an. Bei Nummer 9.1 (Einkommen des Ehepartners) gab er an, dass seine Ehefrau eine Altersrente für Frauen von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ab dem 01.10.1998 in Höhe von monatlich 1.313,46 DM beziehe. Der Bewilligungsbescheid vom 17.09.1998 war dem Antrag beigefügt. Desweiteren legte der Kläger ein Schreiben der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken vor, wonach er frühestens ab 01.10.2000 Altersrente beanpruchen könne. In dem Formblattantrag bestätigte er mit seiner Unterschrift das Merkblatt 1 für Arbeitslose, "Dienste und Leistungen" des Arbeitsamtes, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Dem Formblattantrag waren Hinweise zu den einzelnen erbetenen Angaben beigefügt.
Mit Bescheid vom 27.04.1999 gewährte die Beklagte dem Kläger Alhi ab dem 03.05.1999 unter Anrechnung eines Ehegatteneinkommens in Höhe von wöchentlich 50,40 DM.
Im Fortzahlungsantrag auf Alhi ab dem 03.05.2000 gab der Kläger an, eine BU-Rente in Höhe von monatlich 1.149,06 DM zu beziehen (Nummer 3).
In dem daraufhin durchgeführten Anhörungsverfahren bestritt der Kläger, am 27.03.2000 falsche Angaben gemacht und die Fragen seines jeweiligen Sachbearbeiters wahrheitsgemäß beantwortet zu haben.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 04.05.2000 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi vom 27.04.1999 für die Zeit vom 03.05.1999 bis 31.05.1999 teilweise in Höhe von 262,22 DM wöchentlich, vom 01.06.1999 bis zum 30.06.1999 in Höhe von 192,08 DM wöchentlich und vom 01.07.1999 bis 29.02.2000 in Höhe von 195,02 DM wöchentlich auf. Insgesamt errechnete sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 8.708,16 DM.
Der dagegen am 19.05.2000 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11.09.2000).
Dagegen hat der Kläger am 22.09.2000 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 07.06.2001 abgewiesen. Die Beklagte habe die Rückforderung der überzahlten Alhi in den angefochtenen Bescheiden vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 zu Recht auf die Bestimmungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gestützt. Der Bewilligungsbescheid vom 27.04.1999 stelle einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt dar, denn die vom Kläger ab dem 01.07.1998 bezogene BU-Rente in Höhe von zunächst 1.136,29 DM sowie ab dem 01.07.1999 in Höhe von 1.149,06 DM hätte als eigenes Einkommen des Klägers auf die Alhi angerechnet werden müssen. Dieser Verwaltungsakt beruhe auf Angaben, die der Kläger zumindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Unter dem Begriff "eigene Einnahmen des Antragstellers" habe er im Antrag auf Anschluss-Alhi vom 12.03.1999 laufende eigene oder gelegentlich wiederkehrende Einnahmen verneint, jedoch unter dem Begriff des Einkommens bei der Ehefrau deren Rente angegeben. Würden aber wegen des Unterhaltsanspruches gegen den Ehegatten dessen Einkünfte bei von der Bedürftigkeit abhängenden Leistungen wie der Alhi einbezogen, so hätte dies nach der Vorstellung des Klägers erst recht für seine eigenen Einkünfte gelten müssen. Es vermöge ihn auch nicht zu entlasten, dass er zuvor im Rahmen des Alg-Bewilligungsverfahren eine Ablichtung seines BU-Rentenbescheides vorgelegt habe. Es sei nämlich durchaus möglich, dass eine Rentenleistung, die vor Jahren bewilligt worden sei, zwischenzeitlich nicht weitergewährt würde oder sich in der Höhe wesentlich verändert habe. Der Kläger habe deshalb nicht darauf vertrauen können, dass die Bezugnahme auf zuvor vorgelegte Rentenbescheide ausreichend sei. Ihm hätte es vielmehr oblegen, den Antragsvordruck unter Nummer 8 vollständig und korrekt auszufüllen. Es habe sich dabei um einen einfachen Sachverhalt gehandelt. Dem Antragsformular sei unschwer zu entnehmen gewesen, dass die finanzielle Situation des Antragstellers bei der Gewährung von Alhi-Leistungen besondere Bedeutung zukäme. Zugunsten des Klägers greife auch kein Vertrauensschutz ein, so dass er nicht mit dem Vorbringen gehört werden könne, er hab die ihm gewährten Alhi-Leistungen für seinen Lebensunterhalt verbraucht, da der eigenständige öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X keinen Raum für die Heranziehung der §§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lasse.
Gegen das ihm am 06.08.2001 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 10.08.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung. Bei ihm liege eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X nicht vor. Er sei stets davon ausgegangen, dass die Beklagte von seinem BU-Rentenbezug Kenntnis gehabt habe. Entsprechend seiner individuellen Einsichtsfähigkeit sei er - ohne grob fahrlässig zu handeln - davon ausgegangen, dass sich die Verhältnisse gegenüber dem Alg-Bezug nicht geändert hätten und der dem Arbeitsamt bereits bekannte Rentenbezug auch am 12.03.1999 noch vorgelegen habe. Seine individuelle Einsichts- und Urteilsfähigkeit habe sich in seiner Auffassung, dass der Beklagten sein Rentenbezug bekannt war, erschöpft. Er sei davon ausgegegangen, dass die Beklagte seinen BU-Rentenbezug bei der Ali-Gewährung wie bisher rechtlich einwandfrei bewerten würde. Im Gegensatz zu seinem ersten Antrag auf Gewährung von Alg vom 02.09.1996 sei ihm der Antrag vom 12.03.1999 nicht wegen Unvollständigkeit zurückgegeben worden. Dieser sei nicht von einem Bediensteten des Arbeitsamts überprüft worden, so dass er zwangsläufig zur Überzahlung habe führen müssen.
Der Kläger beantragt,
Beweis darüber zu erheben, ob er auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur, seiner persönlichen Urteilsfähigkeit, seiner Einsichtsfähigkeit und seiner Bildungsstruktur nicht in der Lage war, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles, das Merkblatt für Arbeitslose, Hinweise und Leistungen des Arbeitsamtes, Stand Januar 1998 und des Formblatts, auf Blatt 26, 27 dahin zu verstehen, dass er seine BU-Rente angeben muss, obwohl diese der Behörde bekannt war und er deshalb die Rechtswidrigkeit seines Alhi-Bezuges nicht erkennen konnte, durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet mit psychologischem Zusatzgutachten nach Anfertigung eines CT des Kopfes von Gerichts wegen.
In der Sache beantragt der Kläger,
das Urteil des SG Nürnberg vom 07.06.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 aufzuheben, hilfsweise beantragt er, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 07.06.2001 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2002 hat der Kläger erklärt, dass er die BU-Rente beziehe, weil er den erlernten Beruf als Schreiner wegen Diabetes und Rückenbeschwerden nicht mehr ausüben konnte.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
In der Sache erweist sich die Berufung des Klägers jedoch als unbegründet, denn das SG hat im Urteil vom 07.06.2001 zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 abgewiesen, da die Berücksichtigung der dem Kläger gewährten BU-Rentenleistungen bei der Höhe der ihm zu gewährenden Alhi und die Rückforderung des überzahlten Betrages in Höhe von 8.708,16 DM sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Rechtsgrundlage für die teilweise rückwirkende Aufhebung der Alhi-Bewilligung im Bescheid vom 04.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 ist § 45 Abs 1 und Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X. Danach kann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), wie der Bescheid über die Bewilligung von Alhi an den Kläger vom 27.04.1999, wenn er rechtswidrig ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn das Vertrauen des Begünstigten (= des Klägers) unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich ein Begünstigter dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Nach § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III haben Arbeitnehmer unter den sonstigen allgemeinen und besonderen Anspruchsvoraussetzungen Anspruch auf Alhi, wenn sie bedürftig sind. Ein Arbeitsloser ist bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen den Alhi-Tabellensatz nicht erreicht (§ 193 Abs 1 SGB III). Nach § 194 Abs 1 Nr 1 SGB III ist das Einkommen des Arbeitslosen, soweit es nicht als Nebeneinkommen anzurechnen ist, zu berücksichtigen und Alhi ihm nur zu gewähren, soweit das anzurechnende Einkommen den Alhi-Leistungssatz nicht erreicht. Wer Sozialleistungen beantragt, hat nach § 60 Abs 1 SGB I alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.
Der Kläger hätte danach den Bezug der BU-Rente ab dem 27.05.1995 angeben müssen. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er bei Beantwortung der unter den Nummern 3 und 8 des Antragformulars vom 12.03.1999 erbetenen Angaben die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X). Ob der Kläger die erforderlich Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, ist abhängig von seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, also seinem Einsichtsvermögen in alle den Streitfall betreffenden Umstände. Entgegen der Auffassung des Klägers geht der Senat davon aus, dass sein persönliches Einsichtsvermögen, seine Urteils- und Kritikfähigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 12.03.1999 nicht durchgreifend beeinträchtigt war. Aus dem gesamten vorliegenden Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt in seiner Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt war oder gar unter Betreuung stand. Nach seinen eigenen Angaben erhielt er die ihm gewährte BU-Rente auf Grund eines Diabetesleidens sowie von Rückenbeschwerden. Aus dem Gutachten von Dr.Köhler vom Ärztlichen Dienst der Beklagten vom 09.01.1997 ergibt sich ferner, dass der Kläger weiterhin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsatzfähig war. Einschränkungen in der geistigen Leistungfähigkeit des Klägers hat der Gutachter dabei nicht festgestellt. Weitere Unterlagen, aus denen abgeleitet werden könnte, dass der Kläger auf Grund von Gesundheitsstörungen in seinem Einsichtsvermögen bzw seiner Urteils- und Kritikfähigkeit durchgreifend beeinträchtigt war, sind weder in den Akten enthalten noch wurden sie im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegt. Insbesondere fehlt jeglicher Anhalt, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt in psychiatrischer Behandlung stand. Ohne Verstoß gegen § 103 SGG sah sich der Senat deshalb nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Er ist deshalb auch nicht dem in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gestellten Beweisantrag, ein psychiatrisches Gutachten über die damalige Urteils- und Kritikfähigkeit einzuholen, gefolgt.
Bei der Beurteilung der individuellen Urteils- und Kritikfähigkeit ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht als Hilfsarbeiter beschäftigt war, sondern 18 Jahre lang (1977 bis 1989) als Schreiner in einer Möbelschreinerei tätig war und deshalb als handwerklich Ausgebildeter auch über die intellektuelle Fähigkeit verfügt, im Alter von 58 Jahren den Inhalt von Merkblättern und Hinweisen zu verstehen. Es ist deshalb vorliegend - wie im Regelfall - davon auszugehen, dass die Nichtbachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblatts bzw beigefügter Ausfüllhinweise grobe Fahrlässigkeit begründet (vgl BSG, Urteil vom 03.03.1993 - 11 RAr 43/91, SozR 3-4100 § 103 Nr 9 S 50 f; Wiesner in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 4.Auflage, § 45 RdNr 24).
Im Merkblatt für Arbeitslose (Stand Januar 1998), dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger im Alhi-Antrag vom 12.03.1999 unterschriftlich bestätigt hat, ist auf Seite 14 ausgeführt, dass Alhi neben dem Bezug anderer Sozialleistungen ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann. In Bezug auf die Frage der Bedürftigkeit bei Alhi ist auf Seite 40 des Merkblattes weiter ausgeführt, dass unter "zu berücksichtiges Einkommen" alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, zB Renten, zu verstehen sind. In den dem Alhi-Antrag vom 12.03.1999 beigefügten "ausführlichen Hinweisen" ist ferner unter Nummer 3 in Bezug auf die anzugebenden "anderen (Sozial-)Leistungen" ausgeführt, dass darunter alle vom Antragsteller bezogenen Leistungen fallen und ihre Auswirkungen auf den Bezug von Alhi unterschiedlich sein können, so dass der Antragsteller gebeten wird, den letzten Bewilligungsbescheid vorzulegen. Ausdrücklich ist ferner vermerkt, dass nur der Bezug von Sozialhilfe, Kindergeld und Wohngeld nicht anzugeben werden braucht. Ein durchschnittlich intelligenter juristischer Laie - wie der Kläger - konnte daher auf Grund der eindeutigen Hinweise im Antrag vom 12.03.1999 und im Merkblatt "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" erkennen, dass der Bezug einer BU-Rente im Antrag auf Alhi anzugeben war. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Bedeutung des Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bekannt war. Er hat im Antrag detaillierte Angaben in Bezug auf die seiner Ehefrau gewährten Altersrente gemacht. Die Frage Nummer 8, die auf Angaben zu eigenen Einnahmen des Antragstellers gerichtet war, betraf ebenfalls die Gewährung einer Rente an den Kläger. Es ist deshalb in den Bereich einer Schutzbehauptung zu rücken, wenn der Kläger vorträgt, ihm sei bei der Frage nach dem Einkommen seiner Ehefrau die Bedeutung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewusst gewesen, nicht jedoch bei der Frage nach seinen eigenen Einnahmen.
Der Kläger kann sich ferner nicht darauf berufen, dass ihm der Antrag vom 12.03.1999 im Gegensatz zu seinem Alg-Antrag vom 02.09.1999 von der Beklagten nach eigener Überprüfung nicht nochmals zurückgegeben worden sei. Ausweislich des Schriftbildes im Antrag wurden die Nummern 3 und 8 nicht vom Antragsannehmer der Beklagten mit grünem Kugelschreiber ausgefüllt. Vielmehr hat der Kläger selbst die Fragen nach anderen Leistungen (Nummer 3) und nach eigenen Einnahmen (Nummer 8) verneint. Es bestand für den Antragsannehmer der Beklagten deshalb keine Veranlassung zu entsprechenden Rückfragen.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung meint, die Auffassung der Beklagten widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und sich insoweit auf das Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R, SozR 3-4100 § 45 Nr 45, stützt, so ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Das vorgenannte Urteil ist zur Fallkonstellation des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X (Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung) ergangen, nicht zu der hier in Streit stehender Regelung des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X (grob fahrlässige, unrichtige oder unvollständige Angaben).
Da somit die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X für die teilweise Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, war dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass der Beklagten dabei ein Ermessen eingeräumt war (§ 330 Abs 2 SGB III).
Die Frist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X wurde eingehalten.
Auf Grund der Höhe der dem Kläger ab dem 27.05.1995 gewährten BU-Rente ist der von der Beklagten vorgenommene Anrechnungsbetrag auf die Alhi und damit auch die Höhe des Rückforderungsbetrages auch rechnerisch nicht zu beanstanden.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved