Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 6162/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4132/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.10.2003 und vom 12.07.2007 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob bei dem Kläger eine "Innenohrhochton-Schwerhörig¬keit" als Berufskrankheit (BK) oder wie eine BK anzuerkennen ist und ob dem Kläger deshalb Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zusteht.
Der 1941 geborene Kläger machte nach seinen Angaben vom 09.08.1999 von 1956 bis 1959 eine Ausbildung zum Bauschlosser, arbeitete anschließend bis 1961 im erlernten Beruf und leistete von 1962 bis 1964 seinen Wehrdienst ab. In den Jahren 1964 und 1965 war er Maschinen- bzw. Betriebsschlosser, im Jahr 1966 Kraftfahrer und anschließend bis 1976 Betriebsschlosser. In der Zeit von April 1977 bis Dezember 1999 war er bei der H. KG bzw. der späteren N. H. GmbH & Co. KG beschäftigt, und zwar von April 1977 bis Dezember 1984 als Monteur in Industriebereichen, von Januar 1985 bis September 1991 als Qualitätssicherungsprüfer mit der Durchführung von Funktionsprüfungen an hydraulischen Ventilen und von Oktober 1991 bis Dezember 1999 als Prüfer in der Prüfmittelüberwachung mit dem Kalibrieren der Prüfmittel beschäftigt.
Im Juli 1997 ging bei der Beklagten die Anzeige des behandelnden HNO-Arztes Dr. D. über eine Lärmschwerhörigkeit als BK ein, im Mai 1999 außerdem die entsprechende Anzeige des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. Z. vom 28.05.1999. Als Beschwerden wurden jeweils eine beiderseitige Schwerhörigkeit und starke Ohrgeräusche beidseits angegeben. Dr. Z. gab als Diagnose eine ausgeprägte Hochtonhörminderung mit Hörverschlechterung, Cochlearschaden, Tinnitus beiderseits von Krankheitswert sowie einen Zustand nach wiederkehrenden Mittelohrentzündungen als Kind und rechts einen Zustand nach Ohroperation 1963 an. Die Beklagte holte die Auskunft der I. N.-H. GmbH & Co. KG vom 25.10.1999 ein und veranlasste durch ihre Präventionsabteilung die Lärmmessung am Arbeitsplatz des Klägers vom 25.02.2000. Im Bericht vom 14.03.2000 kam die Präventionsabteilung zu dem Ergebnis, der Beurteilungspegel habe von April 1977 bis Dezember 1984 90 dB (A), von Januar 1985 bis September 1991 80 dB (A) und von Oktober 1991 bis Dezember 1999 79 dB (A) betragen. Die Beklagte holte von dem HNO-Arzt Dr. B. das fachärztliche Gutachten vom 06.06.2000 ein. Dieser führte aus, eine Hörstörung sei erstmals aktenkundlich im Mai 1982 festgehalten. Hierbei habe es sich um einen Steilabfall der Hörschwelle in den Frequenzen oberhalb 2000 Hz gehandelt. Dieser Befund sei nahezu unverändert dokumentiert bis 1986. Messdaten über die Hörfähigkeit für den Zeitraum von 1986 bis 1997 lägen nicht vor. Erst 1997 sei wieder ein Audiogramm angefertigt worden. Hier falle auf, dass die Hörschwellenkurve schon in den Frequenzen ab 1000 Hz steil abfalle. Diese zusätzliche Hörminderung habe sich entwickelt, ohne dass eine berufliche Lärmeinwirkung vorhanden gewesen sei. Auch wenn außerberufliche Lärmeinwirkungen oder Ohrerkrankungen in der Anamnese erkennbar seien (Knalltrauma bei der Bundeswehr, Mittelohrentzündung im Kindesalter, Teilnahme am Sportschießen), so hätten diese doch keine nennenswerte Auswirkungen auf das jetzt zu begutachtende Hörvermögen. Lediglich die linksseitige Mittelohrentzündung habe zu einer Vernarbung im linken Trommelfell geführt, wodurch die im Audiogramm festzustellende Schallleistungskomponente von ca. 15 dB in den tiefen Frequenzen zu erklären sei. Nach den anzuwendenden Kriterien des Königsteiner Merkblattes müsse sich eine als Lärmschwerhörigkeit anzuerkennende Hörstörung während der Lärmeinwirkung entwickelt haben und in ihrem Verlauf typisch sein. Da sich im vorliegenden Fall aber die Hörstörung erst nach 1986, also erst nach Wegfall der relevanten Lärmeinwirkung, entwickelt habe, müssten andere degenerative Prozesse im Innenohr für die jetzt festgestellte Schwerhörigkeit verantwortlich sein. Das erste nach Wegfall der relevanten Lärmeinwirkung aufgezeichnete Tonschwellenaudiogramm von Januar 1986 ergäbe nach der Drei-Frequenz-Tabelle von R. einen prozentualen Hörverlust von 15 % für jedes Ohr. Das über diesen Grad hinausgehende Ausmaß der Hörminderung könne nicht mehr lärmbedingt sein. Aus den Werten des Sprachaudiogramms ergebe sich nach den Tabellen von B. und R., gewichtet nach F., ein prozentualer Hörverlust von 40 % für das rechte Ohr und von 50 % für das linke Ohr. Hieraus folge eine MdE um 30 v.H. für den Hörverlust insgesamt. Die MdE für den berufsbedingten Hörverlust betrage 0 v.H. Nachdem der Staatliche Gewerbearzt Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 29.06.2000 eine BK nach der Nummer 2301 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) in nicht entschädigungspflichtigem Ausmaß zur Anerkennung vorgeschlagen hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2000 einen Hörverlust von 15 v.H. beidseitig als BK fest. Nicht als Folgen der BK wurden anerkannt: Innenohrhochtonschwerhörigkeit anderer, nicht berufsbedingter Ursache, entzündungsbedingte Schallleitungskomponente links durch Mittelohrentzündung im Kindesalter. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, Dr. B. sei von der unzutreffenden Voraussetzung ausgegangen, er sei in der Zeit vom 01.01.1985 bis 31.12.1999 nicht mehr einem Lärmpegel von 85 dB (A) oder mehr ausgesetzt gewesen. Es habe ein Lärmpegel von 97 dB (A) durchschnittlich 4 Stunden täglich vorgelegen. Der Kläger legte u.a. die "Aufgabenbezeichnung" der Firma H. über die Endprüfung der Automatik-, Pneumatik- und Hydraulik-Proportional-Geräte vom 07.05.1987 vor. Darin findet sich unter Nummer 15 der Eintrag "Lärm: Lärmpegel wurde durch SIF überprüft = 97 dB (A); Æ 4 Std. tägl.". Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Überprüfung der Lärmexposition des Klägers. Mit Schreiben vom 07.06.2001 führte die Firma N. aus, der Geräteprüfraum, in dem der Kläger gearbeitet habe, sei aufgrund einer Lärmbeurteilung und späterer Lärmmessungen kein Lärmbereich im Sinne der Unfallverhütungsvorschrift VBG 121. Soweit der vom Kläger vorgelegte "Bewertungsbogen zur Arbeitsentgeltfestsetzung" vom 07.05.1987 Angaben über einen Lärmpegel von 97 dB (A) bei einer Einwirkungszeit von 4 Stunden enthalte, sei bei den Lärmangaben offensichtlich ein gravierender Schreibfehler unterlaufen, der zum Vorteil für die Mitarbeiter zu einer höheren Entlohnung geführt habe. In dem Protokoll des Arbeitssicherheitsausschusses ASAF II/87 sei für den Erzeugnisprüfraum ein Maximalwert von 87 dB (A) festgestellt worden. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass die Lärmbelastungswerte im "Bewertungsbogen" mit der Sicherheitsfachkraft abgestimmt bzw. auf deren Richtigkeit überprüft worden seien. Der Lärmerfassungsbericht vom 05.04.1976 und das Protokoll vom 30.04.1987 wurden vorgelegt. Im letztgenannten Protokoll wird ausgeführt, eine im Jahr 1978 durchgeführte Lärmmessung im Prüfraum des Werkes I habe einen Einwirkungsbereich durch Lärm in Höhe von 87 bis 107 dB (A) ergeben. Bei einer neuerlichen Überprüfung in der Zeit vom 03.03. bis 29.04.1987 sei dort Lärm mit Spitzen bis zu 87 dB (A) aufgetreten. Eine Rücksprache mit dem Meister der Abteilung, Herrn S., habe ergeben, dass eine wesentlich andere Lärmsituation mit höherem Lärm nur noch selten anfalle. Eine Verpflichtung zur weiteren Vorsorgeuntersuchung entfalle somit. Gehörschutzwatte für Ausnahmesituationen, in denen der Lärm größer als 90 dB (A) sein könne, stehe zur Verfügung. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 23.11.2001 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 05.12.2001 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Er trug vor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei er auch in der Zeit ab 01.01.1985 noch Lärmbelastungen über 85 dB (A) ausgesetzt gewesen. Insbesondere handele es sich bei der Angabe im Bewertungsbogen vom 07.05.1987 hinsichtlich der Lärmbelastung für Prüftätigkeiten mit 97 dB (A) keineswegs um einen Schreibfehler. In der Zeit vom 01.06.1989 bis 30.09.1991 sei er als Prüfer im Bereich QPB-Anlagenbau einer Lärmbelastung von 92 dB (A) für durchschnittlich 2 Stunden pro Arbeitstag ausgesetzt gewesen. Insoweit hat er das Prüfprotokoll 0786491 vom 20.02.1990 über die einmalige Prüfung des Kühlaggregats TRML vorgelegt. Vom 19.09. bis 16.10.1989 sei er bei der Tochterfirma E.-H. Ltd. in I. tätig gewesen. Hier sei er einer Lärmbelastung von 95 dB (A) während durchschnittlich 2 Arbeitsstunden pro Tag ausgesetzt gewesen. Vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 sei er im Bereich Qualitätssicherung in den Abteilungen QTP, QSF und QME Lärmbelastungen von ca. 95 dB (A) während durchschnittlich einer Stunde pro Arbeitstag durch Umgebungslärm ausgesetzt gewesen. Soweit die Beklagte Mutmaßungen geäußert habe, seine Hörprobleme seien auf seine Aktivitäten als Sportschütze zurückzuführen, müsse er dem nachhaltig entgegen treten. Er habe dabei konsequent einen Hörschutz getragen. Über die berufliche Lärmbelastung hinaus stehe aus seiner Sicht im Raum, dass seine gesundheitliche Problematik auf den beruflichen Umgang mit Giftstoffen zurückzuführen sei, insbesondere auf Ethylenglykol. Insoweit hat der Kläger u.a. vorgelegt das an ihn gerichtete Schreiben des Forschungs- und Beratungsinstituts Gefahrstoffe Dr. Kalberlah Freiburg vom 07.04.1991 und den Bericht des Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienstes e.V. W. vom 09.04.1991 über die Betriebsbegehung vom 04.04.1991. Während seiner Tätigkeit als Kundendienstmonteur im Außendienst in der Zeit vom 18.04.1977 bis 31.12.1984 habe er außerdem regelmäßig Umgang mit dem Lösemittel "Chloronthene (Trichlorethylen, Perchlorethylen)" gehabt. Vor dem Einbau von Rohren und Scheuerungen hätten nämlich regelmäßig Rohre und Einbauteile von außen mittels Stofflappen und Chloronthene von Fett, Öl und Schmutz befreit werden müssen. Insoweit legte der Kläger die Montageabrechnungen für die Zeiträume vom 28. bis 30.04.1980, 03. bis 07.08.1981, 26. bis 28.10.1981 und 10. bis 16.05.1982 vor, in denen jeweils die Verwendung von "Chloronthene" (z.T. mit Angabe der verwendeten Menge) vermerkt ist. Außerdem legte der Kläger Hinweise der Deutschen Tinnitusliga vor, in denen ausgeführt wird, ototoxische und neurotoxische Substanzen am Arbeitsplatz könnten zu Gehörschäden und/oder Tinnitus führen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Sie legte zunächst das Schreiben der Firma N.-H. vom 20.06.2002 vor, mit welchem diese eine Anfrage der Präventionsabteilung der Beklagten beantwortet hatte. Darin wird ausgeführt, wenn im Protokoll des Arbeitssicherheitsausschusses ASAF II/87 unter Punkt 7.5 die Lärmbelastung gemäß Protokoll zwischen 70 und 87 dB (A) betragen habe und diese Angabe am 06.05.1987 von der Sicherheitsfachkraft Herrn B. protokolliert worden sei, sei es nicht nachvollziehbar, dass von der Sicherheitsfachkraft zeitgleich am 07.05.1987 Angaben mit einem wesentlich höheren Lärmbelastungswert von 97 dB (A) gemacht worden sein sollten. Als Beweis für die tatsächliche Lärmbelastung am Prüfarbeitsplatz könne die Lärmpegelangabe in dem Formblatt "Aufgabenbezeichnung" nicht gewertet werden. Die Richtigkeit dieser Angabe sei von der Sicherheitsfachkraft nicht überprüft bzw. schriftlich bestätigt worden. Aus diesem Grunde sei der Schreibfehler nicht bemerkt worden. Die Angabe einer Lärmbelastung von 92 dB (A) am Arbeitsplatz QPB-Anlagenbau für durchschnittlich 2 Stunden pro Arbeitstag sei nicht nachvollziehbar. Das als Beweis angeführte Kühlaggregat TRML/TRMS sei nur in einer geringen Stückzahl hergestellt worden. Die Prüfdauer der Geräte habe bei ca. 1 bis 2 Tagen gelegen, wobei das Kühlaggregat nur über einen Zeitraum von 30 Minuten auf Volllast betrieben worden sei. Während des Volllastbetriebes erreiche die Lärmbelastung ca. 90 dB (A). Ausweislich des - vorgelegten - Prüfprotokolls vom 23.04.1991 sei keine Überschreitung der zulässigen Lärmgrenzwerte festgestellt worden. Auch die Angaben über eine Lärmbelastung von 95 dB (A) durchschnittlich eine Stunde pro Arbeitstag am Arbeitsplatz Prüfmittelüberwachung sei dort nicht nachvollziehbar. Die Prüfmittelüberwachung werde in keinem ausgewiesenen Lärmbereich durchgeführt. Für die im Werk Merklingen an den Hydraulikprüfständen durchgeführten Tätigkeiten zur Prüfmittelüberwachung sei der Kläger ca. 2 Tage pro Jahr eingesetzt gewesen. Dort habe der Lärmbeurteilungspegel im Bereich der Hydraulikprüfanlagen im fraglichen Zeitpunkt unterhalb von 85 dB (A) gelegen. Unter dem 12.02.2003 trug die Beklagte vor, der Kläger sei nach dem 31.12.1984 nur in dem Zeitraum vom 19.09. bis 16.10.1989 mit einem Beurteilungspegel von 89 dB (A) lärmexponiert gewesen. In der Zeit vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 sei er in 88 Arbeitsschichten einem Beurteilungspegel von 86 dB (A) ausgesetzt gewesen. Bei insgesamt 1904 Arbeitsschichten in diesem Zeitraum entspreche dies einem prozentualen Anteil von 4,62 % an der Gesamtzahl der Arbeitsschichten. Somit sei ausgeschlossen, dass der Expositionszeitraum von 88 Arbeitsschichten für die nach dem 13.01.1986 dokumentierten Gehörverschlechterungen ursächlich gewesen sei. Zur Berechnung des Beurteilungspegels legte die Beklagte die Stellungnahmen ihrer Präventionsabteilung vom 14.03. und 22.04.2003 vor. Zur Frage einer ototoxischen Wirkung neurotoxischer Arbeitsstoffe trug die Beklagte vor, ihr sei bekannt, dass in der Wissenschaft solche Zusammenhänge diskutiert würden. Im Merkblatt zur BK 1317 sei Glykol nicht aufgeführt, so dass sie davon ausgehe, dass eine neurotoxische Wirkung bei Glykol (Synonym Ethylenglykol) aktuell nicht diskutiert werde. Nach ihrer Kenntnis handle es sich bei Glykol nicht um einen ototoxischen Arbeitsstoff.
Mit Urteil vom 22.10.2003 - den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17.11.2003 - wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen folgte es dem Gutachten von Dr. B ... Dieser sei auch insoweit von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen, als er für die Zeit ab 01.01.1985 keinen Beurteilungspegel von 85 dB (A) oder mehr bejaht habe. Dabei legte das SG das Ergebnis der Lärmermittlungen am Arbeitsplatz vom Februar 2000 zugrunde. Es habe sich nicht davon überzeugen können, dass die vom Kläger beigebrachte "Aufgabenbezeichnung" der Firma H., in welcher ein Lärmpegel von 97 dB (A) an 4 Stunden täglich verzeichnet sei, zutreffe. Aufgrund der im Protokoll aus dem Jahr 1976 genannten Lärmspitzen zwischen 87 dB (A) und 107 dB (A) sei davon auszugehen, dass diese der Grund für den in der Aufgabenbezeichnung notierten genau in der Mitte liegenden Wert von 97 dB (A) gewesen seien. Im Jahr 1987 habe sich die Geräuschbelastung jedoch bereits grundlegend gebessert gehabt. Die von der Firma N.-H. vorgelegten Protokolle seien aussagekräftig und glaubhaft. Schließlich habe sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass der berufliche Umgang mit Gefahrstoffen das Hörvermögen beeinträchtigt haben könnte. Von Ethylenglykol sei in der anerkannten medizinischen Fachliteratur nicht bekannt, dass dieser Stoff einen negativen Einfluss auf das Hörvermögen hätte.
Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2003 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Der Kläger rügt, das SG habe trotz widersprechender Angaben zur Höhe des Beurteilungspegels keine weiteren Ermittlungen hierzu durchgeführt. Vielmehr habe es sich darauf beschränkt, den Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin sowie den Ermittlungen der Präventionsabteilung der Beklagten in vollem Umfang Glauben zu schenken. Auch die Auffassung des SG, bei den genannten 97 dB (A) handle es sich lediglich um den rechnerischen Mittelwert der im Protokoll aus dem Jahr 1976 genannten Lärmspitzen zwischen 87 und 107 dB (A), sei nicht überzeugend. Eine Minderung der Geräuschbelastung ab 1985 sei deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Arbeitgeberin keine lärmmindernden Maßnahmen getroffen, in der Zeit vor 1985 jedoch der Beurteilungspegel 90 dB (A) erreicht habe. Entgegen der Auffassung des SG seien daher erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Messungen gestattet. Zu rügen sei insbesondere, dass diese nicht unter "Echtbedingungen" durchgeführt worden seien. Bei dem Ortstermin seien beispielsweise nur pneumatische Ventile verwendet worden, bei denen der Prüfdruck lediglich bei etwa 10 bar liege, nicht jedoch hydraulische Ventile, die einen Prüfdruck von 350 bar aufwiesen und selbstverständlich einen wesentlich höhere Lärmentwicklung zur Folge hätten. Von Amts wegen müsse ein Gutachten zu den ototoxischen Stoffen "Trichloronthene und Ethylenglykol" eingeholt werden.
Die Beklagte trat der Berufung entgegen.
Sie trug vor, aus dem BK-Untersuchungsbericht des Herrn W. vom 13.12.2002 ergebe sich, dass nach Darstellung von Herrn M. die lautesten Geräusche (Schläge) bei Umschalten der pneumatischen Ventile entstünden. Bei den von dem Kläger geprüften hydraulischen Ventilen sei der stärkste Lärm beim Maximaldruckaufbau aufgetreten, der jedoch merklich geringer sei als die pneumatischen Schläge. Der vom Kläger geforderte Testaufbau sei mit den noch vorhandenen Restteilen des Hydraulikprüfstandes nicht mehr möglich gewesen. Die Strömungs- und Pumpgeräusche, wie beim Test am 09.12.2002 simuliert, hätten jedoch eine ausreichende Lärmbelastungsbeurteilung zugelassen.
Auf Anfrage des Senats hat die Sicherheitsfachkraft B. von der N. GmbH unter dem 13.08.2004 folgende Stellungnahme abgegeben: Bei der am 09.12.2002 durchgeführten Lärmmessung im Bereich des Erzeugnisprüfraumes hätten weitgehend realistische Bedingungen geschaffen werden können, die einen Rückschluss auf die früher vorherrschenden Lärmbelastungen während der Prüftätigkeiten an dem Hydraulikprüfstand zugelassen hätten. Durch das Fehlen der Adapter und Anschlussplatten hätten zwar keine der früher verwendeten Hydraulikventile an dem Prüfstand angeschlossen werden können. Zur Simulation der Strömungsgeräusche sei jedoch statt dem Magnetventil ein manuell regelbarer Kugelhahn eingebaut worden. Bei dem Test seien außerdem gleichzeitig 2 Prüfstände betrieben worden, wobei durch Regelung der Durchflussmengen über die Drosselventile die Pumpen auf Höchstdruck gebracht worden seien und somit die maximalen Strömungs- und Pumpengeräusche hätten simuliert werden können. Zwei langjährige Mitarbeiter im Prüfraum hätten bestätigt, dass die bei dem Test aufgetretene Lärmbelastung durchaus realistisch für die Arbeitsplatzsituation an dem früheren Hydraulikprüfstand zu bewerten sei. Da die Pumpenstation sowie die Hydraulikprüfstände Ende 2003 abgebaut und verschrottet worden seien, sei eine Wiederholung des Lärmtests nicht mehr möglich.
Ferner hat der Senat von dem Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität M., Prof. Dr. L., die Stellungnahme vom 14.09.2004 zu dem Vortrag des Klägers eingeholt, sein Gehör sei auch durch die Einwirkung von Ethylenglykol und "dem Lösemittel Chloronthene (Trichlorethylen, Perchlorethylen)" geschädigt worden. Der Sachverständige hat ausgeführt, aus pathopysiologischer Sicht sei die Ototoxizität einzelner organischer Lösungsmittel biologisch plausibel. Dies gelte unter Berücksichtigung der vorliegenden Literatur insbesondere für Trichlorethylen und Perchlorethylen. Für Ethylenglykol lägen keine ausreichenden Kenntnisse vor, aus denen die generelle Geeignetheit zur Ototoxizität abgeleitet werden könne. Tierexperimentell habe eine nicht primär neurotoxische Ototoxizität u.a. für Trichlorethylen nachgewiesen werden können. Die vorliegenden epidemiologischen Studien seien jedoch hinsichtlich des jeweils gewählten Studiendesigns sowie der unterschiedlichen Expositionsverhältnisse nicht vergleichbar, so dass die Datenlage insgesamt uneinheitlich sei. Bei vielen Studien habe außerdem eine Mischexposition vorgelegen. Problematisch sei häufig sowohl die Abschätzung der Lärmexposition als auch die Erfassung der Lösemittelbelastung. Außerdem könne eine Hörminderung auch durch viele weitere Faktoren (Medikamente, Freizeitlärm) verursacht werden.
Unter dem 21.09.2004 hat der Senat den Beteiligten den rechtlichen Hinweis gegeben, dass hier ein Fall der so genannten alternativen Kausalität vorliegen könnte. Da über eine BK durch chemische Einwirkungen nicht durch Verwaltungsakt entschieden worden sei, sei die entsprechende Klage zur Zeit unzulässig. Mit Beschluss vom 21.10.2004 hat der Senat das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung der Beklagten über eine BK durch chemische Einwirkungen ausgesetzt.
Die Beklagte führte insoweit Ermittelungen durch. Am 19.04.2004 erstattete der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Ing. W. von der Beklagten einen Untersuchungsbericht aufgrund einer Untersuchung vom 12.04.2005, an welcher 3 (z. T. ehemalige) Mitarbeiter der Firma N. teilgenommen hatten. Als Ergebnis wurde festgehalten, der Kläger habe während seiner Tätigkeit in der Außenmontage/Kundendienst bis 31.12.1984 fast täglich als universelles Reinigungsmittel 1,1,1-Trichlorethan verwendet, z.T. in großen Mengen. Dem Bericht beigefügt waren Sicherheitsdatenblätter über die Stoffe Trichlorethan (Chlorothene) und Genklene LV. Bei der Bezeichnung "Chlorothene" handelt es sich um ein Warenzeichen der Dow Chemical Company. Ausweislich der Produktbeschreibung handelt es sich dabei um ein auf patentierte Weise stabilisiertes 1,1,1-Trichlorethan. Bei dem Nachfolgeprodukt Genklene LV handelt es sich ausweislich des Sicherheitsdatenblatts ebenfalls um stabilisiertes 1,1,1-Trichlorethan in Verbindung mit chloriertem Kohlenwasserstoff. Tri- und Perchlorethylen habe der Kläger nicht verwendet. Ab 01.01.1985 habe der Kläger Umgang mit Ethylenglykol gehabt wie im Bericht vom 13.12.2002 beschrieben.
Auf die Anfrage der Beklagten, ob der Kläger unter neurologischen Beschwerden leide und in fachärztlicher Behandlung gewesen sei, antwortete dieser unter dem 04.05.2005, dass er diese Frage nicht beantworten könne und bei keinem Neurologen in Behandlung sei. Er habe außer den durch Lärm und Chemikalien verursachten Beschwerden keine sonstigen Beschwerden.
Die Beklagte hat vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften die Auskunft vom 28.07.2005 eingeholt. Danach liegen neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass die Personengruppe, die berufsbedingt der Einwirkung von Ethylenglykol, Trichlorethen oder Tetrachlorethen ausgesetzt sei, in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an einer Schwerhörigkeit leide, nicht vor. Die genannten Arbeitsstoffe hätten nach dortigem Kenntnisstand keine ototoxische Wirkung. In der medizinischen Wissenschaft werde zwar die Ototoxizität von Lösungsmitteln (auch in Kombination mit einer berufsbedingten Lärmeinwirkung) diskutiert. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sei jedoch in einer Literaturstudie im Jahr 2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass Studien zwar Hinweise auf eine Ototoxizität von Lösungsmitteln gäben, dass aber noch keine gesicherten Erkenntnisse zu dieser Thematik vorlägen. Insbesondere seien die vorliegenden epidemiologischen Studien uneinheitlich. Insgesamt sei festzuhalten, dass zwar Empfehlungen für die Prävention ausgesprochen, BK-rechtliche Konsequenzen anhand der bisherigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse jedoch nicht gezogen werden könnten. Dementsprechend fehle es an den Voraussetzungen für die Anerkennung entsprechender Erkrankungen nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Der ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, habe sich bislang nicht mit der Thematik "Ototoxizität von Industriechemikalien/Lösungsmitteln" befasst.
In ihrer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 22.08.2005 schlug Dr. H. eine BK im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII nicht zur Anerkennung vor. Mit Bescheid vom 27.09.2005 entschied die Beklagte, die Schwerhörigkeit des Klägers sei keine durch chemische Einwirkungen verursachte BK und auch nicht wie eine BK anzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, dass an der Entstehung oder Verschlimmerung des Gehörschadens des Klägers außer beruflichem Lärm weitere berufliche Schadstoffeinwirkungen ursächlich beteiligt gewesen seien, sei nicht nachweisbar. Nach der Stellungnahme von Prof. Dr. L. sei für Trichlorethan noch nicht einmal eine Neurotoxizität (nervenschädigende Gifteinwirkung) an sich gesichert. Eindeutige Hinweise auf die toxische Wirkung von Ethylenglykol im Bereich des Gehörs gebe es derzeit nicht.
Der Kläger rief daraufhin mit Schreiben vom 04.10.2005 das Berufungsverfahren L 6 U 5115/03 wieder an, das unter dem Aktenzeichen L 6 U 4132/05 fortgeführt wurde. Außerdem legte der Kläger gegen den Bescheid vom 27.09.2005 Widerspruch ein mit der Begründung, er sei sehr wohl den Gefahrstoffen Trichlorethylen und Perchlorethylen ausgesetzt gewesen, da diese Lösemittel unter der Bezeichnung Chloronthene zusammengefasst würden. Dies ergebe sich aus einer Reihe von (vorgelegten) Montageabrechnungen.
Hierzu nahm Dr. H. von der Präventionsabteilung der Beklagten in der Weise Stellung, dass die Produkte Chlorothene und Genklene IV nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsbeamten vom 19.04.2004 sowie nach den Sicherheitsdatenblättern aus 1,1,1-Trichlorethan bestünden. Eine berufliche Einwirkung von Trichlorethylen oder Perlchlorethylen sei nicht nachzuweisen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.03.2006 wies die Beklagten daraufhin den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.09.2005 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.04.2006 Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn, das sich mit Beschluss vom 05.03.2006 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart verwies. Der Kläger trug vor, mit dem Lösungsmittel "Chloronthene" seien - synonym - Trichlorethylen und Perchlorethylen gemeint. Nichts anderes ergebe sich aus der Anfrage des LSG vom 09.07.2004 und der gutachtlichen Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 14.09.2004. Es stimme also nicht, dass Tri- und Perlchlorethylen nicht verwendet worden seien.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 12.07.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, für die Annahme einer BK nach den Nummern 3101 bis 3104, bei denen es auch zu möglichen Innenohrschäden kommen könne, bestünden im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Auch eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische gemäß der Nummer 1317 der Anlage zur BKV oder eine BK nach der Nummer 1302 sei nach dem medizinischen Sachverhalt nicht anzunehmen. Ferner sei die Schwerhörigkeit des Klägers und der Tinnitus auch nicht wie eine BK als Versicherungsfall gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Die Anerkennung scheitere zum einen an einer geeigneten beruflichen Einwirkung bei dem Kläger und zum anderen an der erforderlichen sogenannten Gruppentypik sowie an der fehlenden allgemeinen Anerkennung in der medizinischen Wissenschaft.
Auch gegen dieses Urteil hat der Kläger - am 06.08.2007 - Berufung zum LSG eingelegt (L 6 U 3831/07), das sie mit Beschluss vom 19.09.2007 mit dem Berufungsverfahren L 6 U 4132/05 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.
Der Kläger trägt weiter vor, zu Unrecht habe das SG ausgeführt, das Lösemittel, dem er von 1977 bis 1984 als Außendienst-Kundendienstmonteur regelmäßig ausgesetzt gewesen sei, habe Chlorothene geheißen. Chlorothene werde von der BG Chemie auch als Trichlorethan bezeichnet; es handle sich hierbei um einen anderen Stoff. Dies hätten seine früherem Prozessbevollmächtigten vom DGB schon in ihrem Schriftsatz vom 31.10.2005 dargelegt. Durch die mit diesem Schriftsatz vorgelegten Unterlagen sei bewiesen, dass die Stoffe Trichlorethylen und Perchlorethylen unter der Bezeichnung Chloronthene zusammengefasst würden. Dies habe auch Prof. Dr. L. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 14.09.2004 bestätigt. Nach seiner Auffassung sei aus pathophysiologischer Sicht eine Ototoxizität einzelner Lösungsmittel biologisch plausibel. Soweit die Beklagte von einer Exposition gegenüber Trichlorethan bzw. Chlorothene ausgehe, handle es sich um eine falsche Stoffangabe. Dies ergebe sich eindeutig aus den vorgelegten Montageberichten und der Monteuranweisung Nr. 6/76. Hinsichtlich seiner Exposition gegenüber Ethylenglykol sei zu beachten, dass er im ehemaligen Raum der Werkzeugausgabe der Firma H. in F. Werk I ohne Belüftungsanlage (Absauganlage) habe arbeiten müssen. Bei Prüfungen mit weit über + 15 °C erhitztem Ethylenglykol sei er einer toxisch kontaminierten Luft immer ausgesetzt gewesen. Der Kläger hat unter anderem noch die Greenpeace-Studie "Chlor macht krank" vorgelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.10.2003 - S 9 U 6162/01 - und vom 12.07.2007 - S 9 U 3414/06 - aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23.11.2001 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 27.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.03.2006 zu verurteilen, die bei ihm vorliegende Innenohrhochtonschwerhörigkeit beiderseits in vollem Umfang sowie den Tinnitus als Folgen einer Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.
Sie trägt weiter vor, eine berufliche Exposition des Klägers gegenüber Trichlorethylen und/oder Perchlorethylen sei nicht nur nicht erwiesen, sondern im Hinblick auf die Ergebnisse der Untersuchung ihrer Präventionsabteilung vom 12.04.2005 im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers sogar ausgeschlossen. Danach sei bei der Firma N. nämlich weder Tri- noch Perchlorethylen verwendet worden. Die vom Kläger vorgelegten Montageabrechnungen und die "Monteuranweisung Nr. 6/76" seien nicht geeignet, die Erkenntnisse des Präventionsdienstes zu widerlegen. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass der Verfasser der Monteuranweisung Nr. 6/76 den Stoffnamen unzutreffend übertragen habe und dass sich dieser Übertragungsfehler durch die Übernahme beispielsweise in die vorgelegten Montageabrechnungen vervielfältigt habe. Hierfür spreche, dass die an der Untersuchung des Präventionsdienstes beteiligten langjährigen und mit dem Tätigkeitsbereich des Klägers in der Montage vertrauten Mitarbeiter die Produktbezeichnung "Chlorothene" gekannt hätten, gleichwohl die Verwendung von Tri- oder Perchlorethylen ausgeschlossen hätten. Es spreche einiges dafür, dass es eine Substanz oder Stoffbezeichnung "Chloronthene" gar nicht gebe. Die Stoffbezeichnung "Chlorothene" sei dagegen im Zusammenhang mit 1,1,1-Trichlorethan ohne weiteres nachvollziehbar. Dass der Kläger diesem Stoff ausgesetzt gewesen sei, werde nicht bestritten. Eine Neurotoxizität sei hierfür jedoch nicht gesichert. In gleicher Weise gelte dies für die berufliche Belastung des Klägers durch Ethylenglykol. Prof. Dr. L. habe im Übrigen nicht bestätigt, dass das Gehör des Klägers durch die Einwirkung von "Chloronthene" geschädigt worden sei. Selbst wenn der Kläger im Übrigen beruflichen Belastungen durch Tri- oder Perchlorethylen ausgesetzt gewesen wäre, wären Ansprüche auf Entschädigung angesichts der Ausführungen von Prof. Dr. L. vom 14.09.2004 nicht herleitbar. Biologische Plausibilität allein reiche zum Nachweis der ursächlichen Verknüpfung einer Krankheit mit bestimmten beruflichen Belastungen nicht aus. Hierfür bedürfte es unter anderem der gesicherten Erkenntnis, dass die angeschuldigte Einwirkung generell geeignet sei, einen bestimmten Gesundheitsschaden zu verursachen. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. L. könne jedoch die Frage, ob die Lösemittel Tri- oder Perchlorethyl eine mittelbare oder unmittelbare Schädigung des Hörvermögens zur Folge habe, nach derzeitigem Kenntnisstand nicht beantwortet werden. Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vertrete ausweislich der Stellungnahme des damaligen Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 28.07.2005 den Standpunkt, dass es zur Ototoxizität von Lösungsmitteln keine gesicherten Erkenntnisse gebe. Die Hinweise des Klägers zu Ethylenglykol seien für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats (L 6 U 5115/03, L 6 U 4132/05 und L 6 U 3831/07), des SG (S 9 U 6162/01 und S 9 U 3414/06) sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaften und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind zulässig. Sie sind jedoch nicht begründet. Die in den beiden Berufungsverfahren angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil vom 22.10.2003, jedoch entgegen dem angefochtenen Urteil vom 12.07.2007 geht der Senat davon aus, dass im vorliegenden Fall noch die bis zum 31.12.1996 gültig gewesenen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) und die Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 20.06.1968 (BGBl I, Seite 721) anwendbar sind. Dies folgt aus dem Versicherungsfallprinzip des § 212 SGB VII. Denn der Kläger hat geltend gemacht, seine Schwerhörigkeit beiderseits sowie seine Ohrgeräusche seien bereits seit ca. 1982 aufgetreten. Soweit der Kläger die Gewährung von Rente begehrt, ist die Ausnahmevorschrift des § 214 Abs. 3 SGB VII nicht anwendbar, da eine ärztliche Anzeige über eine BK erstmals am 03.07.1997 bei der Beklagten einging und diese somit erst nach Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 über den geltend gemachten Rentenantrag entscheiden konnte.
Gem. §§ 580, 581 RVO wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn dessen Folgen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Als Arbeitsunfall gilt gem. § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKn sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt, solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, das heißt, dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKVO ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Auch wenn ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, führt dies nicht automatisch zur Anerkennung und gegebenenfalls Entschädigung. Vielmehr ist, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.
Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch hier die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52; 42, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 17 m.w.N.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 132; 43, 110, 112).
Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSG 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
I.
Hinsichtlich des angefochtenen Urteils vom 22.10.2003 und des Bescheids vom 22.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2001 gelten die folgenden Ausführungen.
Nach der Nummer 2301 der Anlage 1 zur BKVO kann eine Lärmschwerhörigkeit als BK anerkannt werden, wenn die sonstigen - oben genannten - Voraussetzungen vorliegen. Im Falle des Klägers ist insoweit sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität gegeben. Folgerichtig hat die Beklagte deshalb im Bescheid vom 22.08.2000 anerkannt, dass ein Teil der bei dem Kläger vorliegenden beiderseitigen Schwerhörigkeit eine Lärmschwerhörigkeit im Sinne der Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKVO darstellt. Denn der Kläger war im Zeitraum vom April 1977 bis Dezember 1984 mit einem Beurteilungspegel von 90 dB (A) in einem Ausmaß beruflich lärmexponiert, das bei einem beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung mit sich bringt. Hinsichtlich der Voraussetzungen der haftungsbegründenden Kausalität bei der Lärmschwerhörigkeit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 22.10.2003, Seite 10 und Seite 11, erster Absatz. Auf die beruflich bedingte Lärmeinwirkung kann die Schallleitungskomponente nicht zurückgeführt werden, da sich ein Lärmschaden immer als Haarzellschaden des Innenohres manifestiert. Die bei dem Kläger vorliegende Schallleitungskomponente ist auf eine Mittelohrentzündung im Kindesalter zurückzuführen, deretwegen der Kläger auch am linken Ohr operiert worden ist. Die beiderseitige Innenohrhochtonschwerhörigkeit kann nur zu einem ganz geringfügigen Teil auf den Berufslärm zurückgeführt werden. Wie Dr. B. in Übereinstimmung mit den Kriterien des sogenannten Königsteiner Merkblatts für den Senat überzeugend ausgeführt hat, muss sich nämlich eine als Lärmschwerhörigkeit anzuerkennende Hörstörung während der Lärmeinwirkung entwickelt haben und in ihrem Verlauf hierfür typisch sein. Der Kläger war nur bis 31.12.1984 in einem versicherungsrechtlich relevanten Ausmaß gegenüber Lärm exponiert. Messdaten über die Hörfähigkeit für den Zeitraum vom 1986 bis 1997 liegen nicht vor. Vergleicht man die Audiogramme von 1986 und 1997, so fällt auf, dass die Hörschwellenkurve am 13.01.1986 erst bei einer Frequenz von 2000 Hz steil abfiel, während dies am 30.06.1997 schon bei einer Frequenz von 1000 Hz der Fall war. Diese zusätzliche Hörminderung hat sich entwickelt, ohne dass eine maßgebliche berufliche Lärmeinwirkung vorhanden gewesen wäre. Auch außerberufliche Lärmeinwirkungen oder Ohrerkrankungen (Knalltrauma bei der Bundeswehr, Mittelohrentzündung im Kindesalter, Teilnahme am Sportschießen) haben hierauf keine nennenswerten Auswirkungen gehabt. Die heute vorliegende Hörstörung hat sich mithin in ihren wesentlichen Teilen erst nach 1986, also nach Wegfall der relevanten Lärmeinwirkung entwickelt. Mit Dr. B. ist der Senat deshalb überzeugt, dass andere, degenerative Prozesse im Innenohr für die jetzt vorliegende Schwerhörigkeit ganz überwiegend verantwortlich sind. Denn eine Lärmschwerhörigkeit schreitet bei einem Versicherten, der nicht mehr im Lärmbereich tätig ist, nicht mehr fort. Zutreffend hat Dr. B. deshalb bei der Prüfung des Ausmaßes der Innenohrhochtonschwerhörigkeit, das noch auf Lärm zurückgeführt werden kann, auf das Audiogramm vom 13.01.1986 abgestellt, das der Beendigung der relevanten Lärmeinwirkung am nächsten kommt. Im Übrigen stimmt dieser Befund im Wesentlichen mit den vorausgegangenen Audiogrammen vom 24.05. und 07.06.1982 sowie 29.11.1983 überein. Da aus dem Audiogramm vom Januar 1986 nach der Drei-Frequenz-Tabelle von R. ein prozentualer Hörverlust von 15 % für jedes Ohr zu ermitteln ist, beträgt die hierdurch bedingte MdE 0 v.H. Die MdE durch die gesamte Hörstörung ist dagegen ausgehend von den Werten des Sprachaudiogramms nach den Tabellen von B. und R. mit 30 v.H. zu bemessen. Da der nicht lärmbedingte Schädigungsanteil mithin ganz im Vordergrund steht, kann auch der Tinnitus des Klägers nur hierauf und nicht auf die Lärmeinwirkung bezogen werden.
Ebenso wenig wie das SG konnte sich der Senat davon überzeugen, der Kläger sei auch in der Zeit nach dem 01.01.1985 noch einer beruflichen Lärmeinwirkung von 85 dB (A) oder mehr ausgesetzt gewesen. Hierfür stützt sich der Senat wesentlich auf die Messungen, die am 25.02.2000 in Gegenwart des Technischen Aufsichtsbeamten W. und der Sicherheitsfachkraft B. am früheren Arbeitsplatz des Klägers in der Firma N. durchgeführt worden sind. Dabei ergaben sich Beurteilungspegel von 80 und 79 dB (A). Diese Ergebnisse wurden auch nicht durch die weitere am 09.12.2002 durchgeführte Lärmmessung im Bereich des Erzeugnisprüfraumes in Frage gestellt. Aufgrund der Auskunft, welche die Firma N. dem Senat unter dem 13.08.2004 erteilt hat, ist dieser überzeugt, dass hierbei weitgehend realistische Bedingungen geschaffen wurden, die einen Rückschluss auf die früher vorherrschenden Lärmbelastungen während der Prüftätigkeiten des Klägers an den Hydraulikprüfständen zulassen. Zwar konnten wegen des Fehlens der Adapter und der Anschlussplatten keine der früher verwendeten Hydraulikventile an den Prüfstand angeschlossen werden. Zur Simulation der Strömungsgeräusche wurde anstatt dem Magnetventil ein manuell regelbarer Kugelhahn NW 50 eingebaut. Bei dem Test wurden außerdem gleichzeitig zwei Prüfstände betrieben, wobei durch Regelung der Durchflussmengen über die Drosselventile die Pumpen auf Höchstdruck gebracht wurden und somit die maximalen Strömungs- und Pumpengeräusche simuliert werden konnten. Ferner haben die Herren A. M. und L. Z. als langjährige Mitarbeiter im Prüfraum bestätigt, dass die bei dem Test aufgetretene Lärmbelastung durchaus realistisch für die Arbeitsplatzsituation am Hydraulikprüfstand zu bewerten sei. Die vom Kläger gewünschte Wiederholung des Lärmtests unter Einsatz von Hydraulikprüfständen ist schon deshalb nicht mehr möglich, weil die Pumpenstation sowie die Hydraulikprüfstände Ende 2003 abgebaut und verschrottet worden sind.
Dem vom Kläger vorgelegten Bewertungsbogen vom 07.05.1987 misst der Senat keinen erheblichen Beweiswert zu. Wenn hier ein Lärmpegel von 97 dB (A) über einen Zeitraum von 4 Stunden täglich behauptet wird, der von der Sicherheitsfachkraft überprüft worden sei, so widerspricht dies in eklatanter Weise dem Protokoll des Arbeitssicherheitsausschusses ASAF II/87, in dem unter Punkt 7.5 die Lärmsituation im Ergebnisprüfraum dahingehend beschrieben wurde, die Lärmbelastung habe zwischen 70 und 87 dB (A) betragen. Die letztgenannten Angaben sind am 06.05.1987 von der Sicherheitsfachkraft B. protokolliert worden. Dagegen sind die Angaben im Bewertungsbogen vom 07.05.1987 von der Sicherheitsfachkraft nicht überprüft bzw. schriftlich bestätigt worden. Bei der Annahme des SG, der genannte Wert von 97 dB (A) sei in der Weise zustande gekommen, dass der Mittelwert aus den im Protokoll aus dem Jahr 1976 genannten Lärmspitzen zwischen 87 dB (A) und 107 dB (A) gebildet worden sei, handelt sich allerdings nur um eine Vermutung. Möglich erscheint auch, wie dies im Untersuchungsbericht vom 13.12.2002 festgehalten worden ist, ein falsch aufgeschriebener Wert (97 statt 87 dB (A)) oder es wurden damals Messungen unmittelbar an den pneumatischen Ventilen während des Umschaltens durchgeführt. Dieser Schlag (kleiner als eine Sekunde pro geprüftem Ventil) könnte eine Anzeige von 97 dB (A) hervorgerufen haben. Die Einwirkdauer dieses Lärms direkt am pneumatischen Prüfstand hätte jedoch pro Schicht lediglich im Minutenbereich gelegen.
Der Senat hält es ferner für ausgeschlossen, dass der Kläger in der Zeit vom 01.06.1989 bis 30.09.1991 als Prüfer im Bereich QPB Anlagebau einer Lärmbelastung von 92 dB (A) für durchschnittlich 2 Stunden pro Arbeitstag ausgesetzt war. Die Firma N. hat hierzu in ihrem Schreiben vom 20.06.2002 ausgeführt, die als Beweis angeführten Kühlaggregate TRML und TRMS seien nur in einer geringen Stückzahl (insgesamt 29 Stück) hergestellt worden. Die Prüfdauer der Geräte lag bei 1 bis 2 Tagen, wobei das Kühlaggregat nur über einem Zeitraum von 30 Minuten auf Volllast betrieben wurde. Hierbei erreichte die Lärmbelastung einen Wert von ca. 90 dB (A). Im Untersuchungsbericht vom 13.12.2002 hat die Präventionsabteilung der Beklagten deshalb für den Senat überzeugend eine Lärmbelastung vom 91 dB (A) für die Dauer von 0,5 Stunden an 88 Tagen errechnet.
Lediglich in der Zeit vom 19.09. bis 16.10.1989, in welcher der Kläger bei einer Tochtergesellschaft der Firma H. in Indien beschäftigt war, kann nach den Feststellungen im Untersuchungsbericht vom 13.12.2002 eine Lärmeinwirkung von 95 dB (A) über 2 Stunden täglich nicht ausgeschlossen werden. Merkwürdig erscheint allerdings, dass der Kläger hierbei trotz des sehr unangenehmen Lärmpegels auf die Verwendung von Gehörschutz verzichtet haben soll, obwohl er andererseits vorgetragen hat, als Sportschütze immer Gehörschutz beim Schießen zu tragen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, in der Zeit vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 im Bereich Qualitätssicherung in den Abteilungen QTP, QSF und QME Lärmbelastungen von ca. 95 dB (A) für durchschnittlich eine Stunde pro Arbeitstag durch Umgebungslärm ausgesetzt gewesen zu sein, kann der Senat diese Angabe gestützt auf die Stellungnahme der Firma N. vom 20.06.2002 nicht nachvollziehen, weil die Tätigkeit der Prüfmittelüberwachung in keinen ausgewiesenen Lärmbereichen durchgeführt wurde. Im Übrigen wurde der Kläger im Werk Merklingen nur ca. 2 Tage pro Jahr eingesetzt. Dort lag der Lärmbeurteilungspegel im Bereich der Hydraulikprüfungen außerdem im fraglichen Zeitpunkt unterhalb von 85 dB (A). Insgesamt war der Kläger mithin während des Zeitraums vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 allenfalls während 88 Arbeitsschichten einem Beurteilungspegel vom 89 dB (A) ausgesetzt, wie die Präventionsabteilung der Beklagten unter dem 03.02.2003 dargelegt hat. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 4,62 % an der Gesamtzahl von 1904 Arbeitsschichten. Danach kann ausgeschlossen werden, dass die Lärmexposition in der Zeit nach dem 01.01.1985 für die seit dem 13.01.1986 dokumentierte Gehörverschlechterung verantwortlich war.
II.
Auch der Bescheid der Beklagten vom 17.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2006, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, die Schwerhörigkeit des Klägers als eine durch chemische Einwirkungen verursachte BK oder wie eine BK anzuerkennen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Von den in der Gruppe 1 der Anlage 1 zur BKVO aufgeführten, durch chemische Einwirkungen verursachten Krankheiten kam die durch die BKV vom 31.10.1997 eingeführte Nummer 1317 schon deshalb nicht in Betracht, weil hierunter nur die Krankheitsbilder einer Polyneuropathie und einer Enzephalopathie fallen. Zu prüfen war dagegen eine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe entsprechend der Nummer 1302 der Anlage 1 zur BKVO. Denn nach den den Senat überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. L. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 14.09.2004 handelt es sich bei den Stoffen Ethylenglykol, Trichlorethylen und Perchlorethylen um organische Lösungsmittel. Für die beiden zuletzt genannten Substanzen ist nach dem heutigen arbeitsmedizinischen Kenntnisstand eine Neurotoxizität gesichert. Für Ethylenglykol liegen jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse vor, aus denen die generelle Geeignetheit für eine Ototoxizität abgeleitet werden könnte. Da der Kläger nach seinen Ausführungen im Schreiben vom 04.05.2005 unter keinen Beschwerden leidet, die dem neurologischen Fachgebiet zuzurechnen wären, erübrigen sich weitere Überlegungen zum Gefahrstoff Ethylenglykol.
Gegenüber Trichlorethylen und Perchlorethylen war der Kläger nach Überzeugung des Senats nicht exponiert. Er hat während seiner Beschäftigung in der Außenmontage und im Kundendienst vom April 1977 bis Dezember 1984 fast täglich und zum Teil in großen Mengen als universelles Reinigungsmittel das von der Firma D. hergestellte Produkt Chlorothene verwendet. Hierbei handelt es sich ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers um ein speziell inhibiertes 1,1,1-Trichlorethan, das mit einem bestimmten, vom Hersteller patentierten System stabilisiert worden ist. Auch bei dem Nachfolgeprodukt Genklene LV handelt es sich ausweislich des Sicherheitsdatenblatts um ein stabilisiertes 1,1,1-Trichlorethan. Dass Tri¬chlorethan von Trichlorethylen zu unterscheiden ist, wird auch vom Kläger nicht verkennt. Zu Unrecht vertritt er jedoch die Auffassung, die Lösemittel Trichlorethylen und Perchlorethylen würden unter der Bezeichnung Chloronthene zusammengefasst. Wie die Beklagte im Schriftsatz vom 20.09.2007 zutreffend dargelegt hat, existiert in der wissenschaftlichen Literatur kein Be¬griff "Chloronthene". Auch der Senat hat sich hiervon überzeugt. Ferner war auch der Kläger nicht in der Lage, Internetausdrucke vorzulegen, in denen ein Stoff Chloronthene abgehandelt würde. Gibt man bei der Suchmaschine Google die Anfrage Chloronthene ein, so erhält man zur Antwort, es würden keine damit übereinstimmenden Dokumente gefunden. Dagegen sind für Chlorothene mehr als 4000 Dokumente vorhanden. Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seinen Standpunkt auf die gutachtliche Stellungnahme Prof. Dr. L.s vom 14.09.2004. Dieser hat darin eingangs die Fragestellung des Senats wiederholt, ob Ethylenglykol und das Lösemittel Chloronthene (Trichlorethylen, Perchlorethylen) nach dem heutigen Stand der Arbeitsmedizin generell geeignet sei, umittelbar eine Gehörschädigung und einen Tinnitus hervorzurufen oder neurotoxisch zu wirken und mittelbar zu einer Gehörschädigung und einem Tinnitus zu führen. Mit dieser Fragestellung hatte der Senat wiederum den Vortrag des Klägers wiederholt, er sei durch das Lösemittel Chloronthene (Trichlorethylen, Perlchlorethylen) geschädigt worden. Dass in der vom Kläger vorgelegten Monteuranweisung Nummer 6/76 vom 28.09.1976 sowie in mehreren vorgelegten Montageabrechnungen eine Stoffbezeichnung "Chloronthene" aufgeführt wird, belegt nicht, dass ein derartiger Stoff tatsächlich existiert. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass der Verfasser der Monteuranweisung den Stoffnamen unzutreffend übertragen hat und dass dieser Fehler in den Montageabrechnungen wiederholt worden ist. Im übrigen enthalten auch die Anlagen, welche der Kläger seinem Schriftsatz vom 17.10.2007 beigefügt hat, insbesondere die Seite Gefahrstoffverordnung aus Wikipedia und die Greenpeacestudie "Chlor macht krank" an keiner Stelle einen Begriff "Chloronthene". Der Kläger hat nie erklärt, wie er überhaupt zu der Auffassung gelangt ist, unter "Chloronthene" fielen die Lösemittel Trichlorethylen und Perlchlorethylen. Dagegen ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Stoffinformation zu 1,1,1-Trichlorethan eindeutig, dass dieser Stoff auch unter den Handelsnahmen Chlorothene NU, Chlorothene VG sowie Genklene vertrieben wird. Lediglich hinsichtlich der Substanzen Trichlorethylen und Perchlorethylen, dagegen nicht in Bezug auf die Substanz Trichlorethan bzw. Chlorothene hat Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 14.09.2004 ausgeführt, nach heutigem arbeitsmedizinischen Kenntnisstand sei eine Neurotoxizität gesichert.
Zur Frage der Ototoxizität von Trichlorethan hat sich Prof. Dr. L. allerdings nicht ausdrücklich geäußert. Eine "biologische Plausibilität" der Ototoxizität hat er aber nur für solche Lösungsmittel bejaht, bei denen sich tierexperimentell entsprechende Zusammenhänge zeigten. Insoweit hat er Toluol, Styrol, Trichlorethylen und Ethylbenzol genannt, aber nicht Trichlorethan. Durch epidemiologische Studien, die keine einheitliche Datenlage ergeben, konnte ein solcher Zusammenhang im Übrigen auch bei diesen Stoffen nicht bestätigt werden. Unter diesen Umständen ist eine gehörschädigende Wirkung von 1,1,1-Trichlorethan erst recht nicht wahrscheinlich zu machen. Eine Anerkennung der bei dem Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit als BK nach der Nummer 1302 der Anlage 1 zur BKVO scheidet damit aus.
Zu Recht hat es die Beklagte im Bescheid vom 27.09.2005 auch abgelehnt, die Schwerhörigkeit wie eine BK anzuerkennen. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist (gruppentypische Risikoerhöhung), die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (vgl. § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO; BSG, Urteil vom 31. Januar 1984 - 2 RU 67/82; BSG, Urteil vom 27. Mai 1997 - 2 RU 33/96). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer "Generalklausel" erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder wahrscheinlich ist (BSG SozR 2200 § 551 Nr. 18; BSGE 59, 295, 297 = SozR 2200 § 551 Nr. 27), stets wie eine BK zu entschädigen ist. Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKn aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 (nach Inkrafttreten der BKV vom 31. Oktober 1997 nur noch "Anlage") zur BKVO noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSGE 79, 250, 251 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 9 mwN).
Entgegen der von der Beklagten bei der Anfrage an den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 20.07.2005 sowie im Schriftsatz vom 20.09.2007 vorausgesetzten Auffassung war allerdings im Rahmen des § 9 Abs. 2 SGB VII bzw. richtigerweise nach der Vorgängervorschrift des § 551 Abs. 2 RVO nicht zu prüfen, ob die Personengruppe, die berufsbedingt der Einwirkung von Trichlorethen oder Tetrachlorethen ausgesetzt ist, in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an einer Schwerhörigkeit leidet. Bei den genannten Gefahrstoffen handelt es sich um Halogenkohlenwasserstoffe die bereits in der Listennummer 1302 der Anlage zur BKV erfasst sind. Dasselbe gilt für den Stoff 1,1,1-Trichlorethan. Ist ein BK-Tatbestand hinsichtlich des medizinischen Krankheitsbildes in unbestimmter Fassung in die BK-Liste aufgenommen worden, so hält der Verordnungsgeber ohne Bindung an den Erkenntnisstand bei Einführung der BK in die Anlage zur BKV sämtliche Erkrankungen als BK für anerkennungsfähig, die im Zeitpunkt der Entscheidung nach dem aktuell fortgeschrittenen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft im ursächlichen Zusammenhang mit der spezifischen Einwirkung stehen. Hierbei besteht keine Bindung an formale Hürden, wie sie für die Aufnahmeschwelle als BK bzw. entsprechend für § 9 Abs. 2 SGB VII oder § 551 Abs. 2 RVO typisch sind. Deshalb ist die Einzelfallkausalität im Rahmen des § 9 Abs. 1 SGB B VII bzw. des § 551 Abs. 1 RVO nicht von dem Nachweis abhängig, dass auch für das spezielle Krankheitsbild (hier: Schwerhörigkeit) ein genereller statistisch abgesicherter Erfahrungssatz existiert und allgemein akzeptiert ist, mithin gerade für diese Erkrankungsvariante eine besondere Gruppentypik durch den epidemiologischen Nachweis ihrer signifikanten Häufung im Kollektiv festgestellt werden kann (zutreffend Koch in Lauterbach, Unfallversicherung, Rd.-Ziff. 105 zu § 9 SGB VII). Im vorliegenden Fall war deshalb im Rahmen des § 551 Abs. 2 RVO nur noch zu prüfen, ob Lösungsmittel, die nicht zu den Halogenkohlenwasserstoffen gehören, d.h. kein Fluor, Chlor, Brom oder Jod enthalten, und denen der Kläger nachweislich ausgesetzt war, ototoxische Wirkung haben können. Insoweit war lediglich noch der Stoff Ethylenglykol (C2H6O2, Synonyme: 1,2-Ethandiol, 1,2-Dihydroxyethan) in Betracht zu ziehen. Aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme Prof. Dr. L.s vom 14.09.2004 hat sich der Senat jedoch davon überzeugt, dass für Ethylenglykol keine ausreichenden Kenntnisse vorliegen, aus denen die generelle Geeignetheit abgeleitet werden könnte, eine Schwerhörigkeit zu verursachen. Hiermit stimmt auch die Stellungnahme des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 28.07.2005 überein. Mithin kann der Kläger auch nicht nach der Vorschrift des § 551 Abs. 2 RVO entschädigt werden.
Mithin führen die Berufungen des Klägers nicht zu Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob bei dem Kläger eine "Innenohrhochton-Schwerhörig¬keit" als Berufskrankheit (BK) oder wie eine BK anzuerkennen ist und ob dem Kläger deshalb Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zusteht.
Der 1941 geborene Kläger machte nach seinen Angaben vom 09.08.1999 von 1956 bis 1959 eine Ausbildung zum Bauschlosser, arbeitete anschließend bis 1961 im erlernten Beruf und leistete von 1962 bis 1964 seinen Wehrdienst ab. In den Jahren 1964 und 1965 war er Maschinen- bzw. Betriebsschlosser, im Jahr 1966 Kraftfahrer und anschließend bis 1976 Betriebsschlosser. In der Zeit von April 1977 bis Dezember 1999 war er bei der H. KG bzw. der späteren N. H. GmbH & Co. KG beschäftigt, und zwar von April 1977 bis Dezember 1984 als Monteur in Industriebereichen, von Januar 1985 bis September 1991 als Qualitätssicherungsprüfer mit der Durchführung von Funktionsprüfungen an hydraulischen Ventilen und von Oktober 1991 bis Dezember 1999 als Prüfer in der Prüfmittelüberwachung mit dem Kalibrieren der Prüfmittel beschäftigt.
Im Juli 1997 ging bei der Beklagten die Anzeige des behandelnden HNO-Arztes Dr. D. über eine Lärmschwerhörigkeit als BK ein, im Mai 1999 außerdem die entsprechende Anzeige des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. Z. vom 28.05.1999. Als Beschwerden wurden jeweils eine beiderseitige Schwerhörigkeit und starke Ohrgeräusche beidseits angegeben. Dr. Z. gab als Diagnose eine ausgeprägte Hochtonhörminderung mit Hörverschlechterung, Cochlearschaden, Tinnitus beiderseits von Krankheitswert sowie einen Zustand nach wiederkehrenden Mittelohrentzündungen als Kind und rechts einen Zustand nach Ohroperation 1963 an. Die Beklagte holte die Auskunft der I. N.-H. GmbH & Co. KG vom 25.10.1999 ein und veranlasste durch ihre Präventionsabteilung die Lärmmessung am Arbeitsplatz des Klägers vom 25.02.2000. Im Bericht vom 14.03.2000 kam die Präventionsabteilung zu dem Ergebnis, der Beurteilungspegel habe von April 1977 bis Dezember 1984 90 dB (A), von Januar 1985 bis September 1991 80 dB (A) und von Oktober 1991 bis Dezember 1999 79 dB (A) betragen. Die Beklagte holte von dem HNO-Arzt Dr. B. das fachärztliche Gutachten vom 06.06.2000 ein. Dieser führte aus, eine Hörstörung sei erstmals aktenkundlich im Mai 1982 festgehalten. Hierbei habe es sich um einen Steilabfall der Hörschwelle in den Frequenzen oberhalb 2000 Hz gehandelt. Dieser Befund sei nahezu unverändert dokumentiert bis 1986. Messdaten über die Hörfähigkeit für den Zeitraum von 1986 bis 1997 lägen nicht vor. Erst 1997 sei wieder ein Audiogramm angefertigt worden. Hier falle auf, dass die Hörschwellenkurve schon in den Frequenzen ab 1000 Hz steil abfalle. Diese zusätzliche Hörminderung habe sich entwickelt, ohne dass eine berufliche Lärmeinwirkung vorhanden gewesen sei. Auch wenn außerberufliche Lärmeinwirkungen oder Ohrerkrankungen in der Anamnese erkennbar seien (Knalltrauma bei der Bundeswehr, Mittelohrentzündung im Kindesalter, Teilnahme am Sportschießen), so hätten diese doch keine nennenswerte Auswirkungen auf das jetzt zu begutachtende Hörvermögen. Lediglich die linksseitige Mittelohrentzündung habe zu einer Vernarbung im linken Trommelfell geführt, wodurch die im Audiogramm festzustellende Schallleistungskomponente von ca. 15 dB in den tiefen Frequenzen zu erklären sei. Nach den anzuwendenden Kriterien des Königsteiner Merkblattes müsse sich eine als Lärmschwerhörigkeit anzuerkennende Hörstörung während der Lärmeinwirkung entwickelt haben und in ihrem Verlauf typisch sein. Da sich im vorliegenden Fall aber die Hörstörung erst nach 1986, also erst nach Wegfall der relevanten Lärmeinwirkung, entwickelt habe, müssten andere degenerative Prozesse im Innenohr für die jetzt festgestellte Schwerhörigkeit verantwortlich sein. Das erste nach Wegfall der relevanten Lärmeinwirkung aufgezeichnete Tonschwellenaudiogramm von Januar 1986 ergäbe nach der Drei-Frequenz-Tabelle von R. einen prozentualen Hörverlust von 15 % für jedes Ohr. Das über diesen Grad hinausgehende Ausmaß der Hörminderung könne nicht mehr lärmbedingt sein. Aus den Werten des Sprachaudiogramms ergebe sich nach den Tabellen von B. und R., gewichtet nach F., ein prozentualer Hörverlust von 40 % für das rechte Ohr und von 50 % für das linke Ohr. Hieraus folge eine MdE um 30 v.H. für den Hörverlust insgesamt. Die MdE für den berufsbedingten Hörverlust betrage 0 v.H. Nachdem der Staatliche Gewerbearzt Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 29.06.2000 eine BK nach der Nummer 2301 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) in nicht entschädigungspflichtigem Ausmaß zur Anerkennung vorgeschlagen hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2000 einen Hörverlust von 15 v.H. beidseitig als BK fest. Nicht als Folgen der BK wurden anerkannt: Innenohrhochtonschwerhörigkeit anderer, nicht berufsbedingter Ursache, entzündungsbedingte Schallleitungskomponente links durch Mittelohrentzündung im Kindesalter. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, Dr. B. sei von der unzutreffenden Voraussetzung ausgegangen, er sei in der Zeit vom 01.01.1985 bis 31.12.1999 nicht mehr einem Lärmpegel von 85 dB (A) oder mehr ausgesetzt gewesen. Es habe ein Lärmpegel von 97 dB (A) durchschnittlich 4 Stunden täglich vorgelegen. Der Kläger legte u.a. die "Aufgabenbezeichnung" der Firma H. über die Endprüfung der Automatik-, Pneumatik- und Hydraulik-Proportional-Geräte vom 07.05.1987 vor. Darin findet sich unter Nummer 15 der Eintrag "Lärm: Lärmpegel wurde durch SIF überprüft = 97 dB (A); Æ 4 Std. tägl.". Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Überprüfung der Lärmexposition des Klägers. Mit Schreiben vom 07.06.2001 führte die Firma N. aus, der Geräteprüfraum, in dem der Kläger gearbeitet habe, sei aufgrund einer Lärmbeurteilung und späterer Lärmmessungen kein Lärmbereich im Sinne der Unfallverhütungsvorschrift VBG 121. Soweit der vom Kläger vorgelegte "Bewertungsbogen zur Arbeitsentgeltfestsetzung" vom 07.05.1987 Angaben über einen Lärmpegel von 97 dB (A) bei einer Einwirkungszeit von 4 Stunden enthalte, sei bei den Lärmangaben offensichtlich ein gravierender Schreibfehler unterlaufen, der zum Vorteil für die Mitarbeiter zu einer höheren Entlohnung geführt habe. In dem Protokoll des Arbeitssicherheitsausschusses ASAF II/87 sei für den Erzeugnisprüfraum ein Maximalwert von 87 dB (A) festgestellt worden. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass die Lärmbelastungswerte im "Bewertungsbogen" mit der Sicherheitsfachkraft abgestimmt bzw. auf deren Richtigkeit überprüft worden seien. Der Lärmerfassungsbericht vom 05.04.1976 und das Protokoll vom 30.04.1987 wurden vorgelegt. Im letztgenannten Protokoll wird ausgeführt, eine im Jahr 1978 durchgeführte Lärmmessung im Prüfraum des Werkes I habe einen Einwirkungsbereich durch Lärm in Höhe von 87 bis 107 dB (A) ergeben. Bei einer neuerlichen Überprüfung in der Zeit vom 03.03. bis 29.04.1987 sei dort Lärm mit Spitzen bis zu 87 dB (A) aufgetreten. Eine Rücksprache mit dem Meister der Abteilung, Herrn S., habe ergeben, dass eine wesentlich andere Lärmsituation mit höherem Lärm nur noch selten anfalle. Eine Verpflichtung zur weiteren Vorsorgeuntersuchung entfalle somit. Gehörschutzwatte für Ausnahmesituationen, in denen der Lärm größer als 90 dB (A) sein könne, stehe zur Verfügung. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 23.11.2001 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 05.12.2001 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Er trug vor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei er auch in der Zeit ab 01.01.1985 noch Lärmbelastungen über 85 dB (A) ausgesetzt gewesen. Insbesondere handele es sich bei der Angabe im Bewertungsbogen vom 07.05.1987 hinsichtlich der Lärmbelastung für Prüftätigkeiten mit 97 dB (A) keineswegs um einen Schreibfehler. In der Zeit vom 01.06.1989 bis 30.09.1991 sei er als Prüfer im Bereich QPB-Anlagenbau einer Lärmbelastung von 92 dB (A) für durchschnittlich 2 Stunden pro Arbeitstag ausgesetzt gewesen. Insoweit hat er das Prüfprotokoll 0786491 vom 20.02.1990 über die einmalige Prüfung des Kühlaggregats TRML vorgelegt. Vom 19.09. bis 16.10.1989 sei er bei der Tochterfirma E.-H. Ltd. in I. tätig gewesen. Hier sei er einer Lärmbelastung von 95 dB (A) während durchschnittlich 2 Arbeitsstunden pro Tag ausgesetzt gewesen. Vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 sei er im Bereich Qualitätssicherung in den Abteilungen QTP, QSF und QME Lärmbelastungen von ca. 95 dB (A) während durchschnittlich einer Stunde pro Arbeitstag durch Umgebungslärm ausgesetzt gewesen. Soweit die Beklagte Mutmaßungen geäußert habe, seine Hörprobleme seien auf seine Aktivitäten als Sportschütze zurückzuführen, müsse er dem nachhaltig entgegen treten. Er habe dabei konsequent einen Hörschutz getragen. Über die berufliche Lärmbelastung hinaus stehe aus seiner Sicht im Raum, dass seine gesundheitliche Problematik auf den beruflichen Umgang mit Giftstoffen zurückzuführen sei, insbesondere auf Ethylenglykol. Insoweit hat der Kläger u.a. vorgelegt das an ihn gerichtete Schreiben des Forschungs- und Beratungsinstituts Gefahrstoffe Dr. Kalberlah Freiburg vom 07.04.1991 und den Bericht des Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienstes e.V. W. vom 09.04.1991 über die Betriebsbegehung vom 04.04.1991. Während seiner Tätigkeit als Kundendienstmonteur im Außendienst in der Zeit vom 18.04.1977 bis 31.12.1984 habe er außerdem regelmäßig Umgang mit dem Lösemittel "Chloronthene (Trichlorethylen, Perchlorethylen)" gehabt. Vor dem Einbau von Rohren und Scheuerungen hätten nämlich regelmäßig Rohre und Einbauteile von außen mittels Stofflappen und Chloronthene von Fett, Öl und Schmutz befreit werden müssen. Insoweit legte der Kläger die Montageabrechnungen für die Zeiträume vom 28. bis 30.04.1980, 03. bis 07.08.1981, 26. bis 28.10.1981 und 10. bis 16.05.1982 vor, in denen jeweils die Verwendung von "Chloronthene" (z.T. mit Angabe der verwendeten Menge) vermerkt ist. Außerdem legte der Kläger Hinweise der Deutschen Tinnitusliga vor, in denen ausgeführt wird, ototoxische und neurotoxische Substanzen am Arbeitsplatz könnten zu Gehörschäden und/oder Tinnitus führen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Sie legte zunächst das Schreiben der Firma N.-H. vom 20.06.2002 vor, mit welchem diese eine Anfrage der Präventionsabteilung der Beklagten beantwortet hatte. Darin wird ausgeführt, wenn im Protokoll des Arbeitssicherheitsausschusses ASAF II/87 unter Punkt 7.5 die Lärmbelastung gemäß Protokoll zwischen 70 und 87 dB (A) betragen habe und diese Angabe am 06.05.1987 von der Sicherheitsfachkraft Herrn B. protokolliert worden sei, sei es nicht nachvollziehbar, dass von der Sicherheitsfachkraft zeitgleich am 07.05.1987 Angaben mit einem wesentlich höheren Lärmbelastungswert von 97 dB (A) gemacht worden sein sollten. Als Beweis für die tatsächliche Lärmbelastung am Prüfarbeitsplatz könne die Lärmpegelangabe in dem Formblatt "Aufgabenbezeichnung" nicht gewertet werden. Die Richtigkeit dieser Angabe sei von der Sicherheitsfachkraft nicht überprüft bzw. schriftlich bestätigt worden. Aus diesem Grunde sei der Schreibfehler nicht bemerkt worden. Die Angabe einer Lärmbelastung von 92 dB (A) am Arbeitsplatz QPB-Anlagenbau für durchschnittlich 2 Stunden pro Arbeitstag sei nicht nachvollziehbar. Das als Beweis angeführte Kühlaggregat TRML/TRMS sei nur in einer geringen Stückzahl hergestellt worden. Die Prüfdauer der Geräte habe bei ca. 1 bis 2 Tagen gelegen, wobei das Kühlaggregat nur über einen Zeitraum von 30 Minuten auf Volllast betrieben worden sei. Während des Volllastbetriebes erreiche die Lärmbelastung ca. 90 dB (A). Ausweislich des - vorgelegten - Prüfprotokolls vom 23.04.1991 sei keine Überschreitung der zulässigen Lärmgrenzwerte festgestellt worden. Auch die Angaben über eine Lärmbelastung von 95 dB (A) durchschnittlich eine Stunde pro Arbeitstag am Arbeitsplatz Prüfmittelüberwachung sei dort nicht nachvollziehbar. Die Prüfmittelüberwachung werde in keinem ausgewiesenen Lärmbereich durchgeführt. Für die im Werk Merklingen an den Hydraulikprüfständen durchgeführten Tätigkeiten zur Prüfmittelüberwachung sei der Kläger ca. 2 Tage pro Jahr eingesetzt gewesen. Dort habe der Lärmbeurteilungspegel im Bereich der Hydraulikprüfanlagen im fraglichen Zeitpunkt unterhalb von 85 dB (A) gelegen. Unter dem 12.02.2003 trug die Beklagte vor, der Kläger sei nach dem 31.12.1984 nur in dem Zeitraum vom 19.09. bis 16.10.1989 mit einem Beurteilungspegel von 89 dB (A) lärmexponiert gewesen. In der Zeit vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 sei er in 88 Arbeitsschichten einem Beurteilungspegel von 86 dB (A) ausgesetzt gewesen. Bei insgesamt 1904 Arbeitsschichten in diesem Zeitraum entspreche dies einem prozentualen Anteil von 4,62 % an der Gesamtzahl der Arbeitsschichten. Somit sei ausgeschlossen, dass der Expositionszeitraum von 88 Arbeitsschichten für die nach dem 13.01.1986 dokumentierten Gehörverschlechterungen ursächlich gewesen sei. Zur Berechnung des Beurteilungspegels legte die Beklagte die Stellungnahmen ihrer Präventionsabteilung vom 14.03. und 22.04.2003 vor. Zur Frage einer ototoxischen Wirkung neurotoxischer Arbeitsstoffe trug die Beklagte vor, ihr sei bekannt, dass in der Wissenschaft solche Zusammenhänge diskutiert würden. Im Merkblatt zur BK 1317 sei Glykol nicht aufgeführt, so dass sie davon ausgehe, dass eine neurotoxische Wirkung bei Glykol (Synonym Ethylenglykol) aktuell nicht diskutiert werde. Nach ihrer Kenntnis handle es sich bei Glykol nicht um einen ototoxischen Arbeitsstoff.
Mit Urteil vom 22.10.2003 - den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17.11.2003 - wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen folgte es dem Gutachten von Dr. B ... Dieser sei auch insoweit von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen, als er für die Zeit ab 01.01.1985 keinen Beurteilungspegel von 85 dB (A) oder mehr bejaht habe. Dabei legte das SG das Ergebnis der Lärmermittlungen am Arbeitsplatz vom Februar 2000 zugrunde. Es habe sich nicht davon überzeugen können, dass die vom Kläger beigebrachte "Aufgabenbezeichnung" der Firma H., in welcher ein Lärmpegel von 97 dB (A) an 4 Stunden täglich verzeichnet sei, zutreffe. Aufgrund der im Protokoll aus dem Jahr 1976 genannten Lärmspitzen zwischen 87 dB (A) und 107 dB (A) sei davon auszugehen, dass diese der Grund für den in der Aufgabenbezeichnung notierten genau in der Mitte liegenden Wert von 97 dB (A) gewesen seien. Im Jahr 1987 habe sich die Geräuschbelastung jedoch bereits grundlegend gebessert gehabt. Die von der Firma N.-H. vorgelegten Protokolle seien aussagekräftig und glaubhaft. Schließlich habe sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass der berufliche Umgang mit Gefahrstoffen das Hörvermögen beeinträchtigt haben könnte. Von Ethylenglykol sei in der anerkannten medizinischen Fachliteratur nicht bekannt, dass dieser Stoff einen negativen Einfluss auf das Hörvermögen hätte.
Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2003 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Der Kläger rügt, das SG habe trotz widersprechender Angaben zur Höhe des Beurteilungspegels keine weiteren Ermittlungen hierzu durchgeführt. Vielmehr habe es sich darauf beschränkt, den Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin sowie den Ermittlungen der Präventionsabteilung der Beklagten in vollem Umfang Glauben zu schenken. Auch die Auffassung des SG, bei den genannten 97 dB (A) handle es sich lediglich um den rechnerischen Mittelwert der im Protokoll aus dem Jahr 1976 genannten Lärmspitzen zwischen 87 und 107 dB (A), sei nicht überzeugend. Eine Minderung der Geräuschbelastung ab 1985 sei deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Arbeitgeberin keine lärmmindernden Maßnahmen getroffen, in der Zeit vor 1985 jedoch der Beurteilungspegel 90 dB (A) erreicht habe. Entgegen der Auffassung des SG seien daher erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Messungen gestattet. Zu rügen sei insbesondere, dass diese nicht unter "Echtbedingungen" durchgeführt worden seien. Bei dem Ortstermin seien beispielsweise nur pneumatische Ventile verwendet worden, bei denen der Prüfdruck lediglich bei etwa 10 bar liege, nicht jedoch hydraulische Ventile, die einen Prüfdruck von 350 bar aufwiesen und selbstverständlich einen wesentlich höhere Lärmentwicklung zur Folge hätten. Von Amts wegen müsse ein Gutachten zu den ototoxischen Stoffen "Trichloronthene und Ethylenglykol" eingeholt werden.
Die Beklagte trat der Berufung entgegen.
Sie trug vor, aus dem BK-Untersuchungsbericht des Herrn W. vom 13.12.2002 ergebe sich, dass nach Darstellung von Herrn M. die lautesten Geräusche (Schläge) bei Umschalten der pneumatischen Ventile entstünden. Bei den von dem Kläger geprüften hydraulischen Ventilen sei der stärkste Lärm beim Maximaldruckaufbau aufgetreten, der jedoch merklich geringer sei als die pneumatischen Schläge. Der vom Kläger geforderte Testaufbau sei mit den noch vorhandenen Restteilen des Hydraulikprüfstandes nicht mehr möglich gewesen. Die Strömungs- und Pumpgeräusche, wie beim Test am 09.12.2002 simuliert, hätten jedoch eine ausreichende Lärmbelastungsbeurteilung zugelassen.
Auf Anfrage des Senats hat die Sicherheitsfachkraft B. von der N. GmbH unter dem 13.08.2004 folgende Stellungnahme abgegeben: Bei der am 09.12.2002 durchgeführten Lärmmessung im Bereich des Erzeugnisprüfraumes hätten weitgehend realistische Bedingungen geschaffen werden können, die einen Rückschluss auf die früher vorherrschenden Lärmbelastungen während der Prüftätigkeiten an dem Hydraulikprüfstand zugelassen hätten. Durch das Fehlen der Adapter und Anschlussplatten hätten zwar keine der früher verwendeten Hydraulikventile an dem Prüfstand angeschlossen werden können. Zur Simulation der Strömungsgeräusche sei jedoch statt dem Magnetventil ein manuell regelbarer Kugelhahn eingebaut worden. Bei dem Test seien außerdem gleichzeitig 2 Prüfstände betrieben worden, wobei durch Regelung der Durchflussmengen über die Drosselventile die Pumpen auf Höchstdruck gebracht worden seien und somit die maximalen Strömungs- und Pumpengeräusche hätten simuliert werden können. Zwei langjährige Mitarbeiter im Prüfraum hätten bestätigt, dass die bei dem Test aufgetretene Lärmbelastung durchaus realistisch für die Arbeitsplatzsituation an dem früheren Hydraulikprüfstand zu bewerten sei. Da die Pumpenstation sowie die Hydraulikprüfstände Ende 2003 abgebaut und verschrottet worden seien, sei eine Wiederholung des Lärmtests nicht mehr möglich.
Ferner hat der Senat von dem Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität M., Prof. Dr. L., die Stellungnahme vom 14.09.2004 zu dem Vortrag des Klägers eingeholt, sein Gehör sei auch durch die Einwirkung von Ethylenglykol und "dem Lösemittel Chloronthene (Trichlorethylen, Perchlorethylen)" geschädigt worden. Der Sachverständige hat ausgeführt, aus pathopysiologischer Sicht sei die Ototoxizität einzelner organischer Lösungsmittel biologisch plausibel. Dies gelte unter Berücksichtigung der vorliegenden Literatur insbesondere für Trichlorethylen und Perchlorethylen. Für Ethylenglykol lägen keine ausreichenden Kenntnisse vor, aus denen die generelle Geeignetheit zur Ototoxizität abgeleitet werden könne. Tierexperimentell habe eine nicht primär neurotoxische Ototoxizität u.a. für Trichlorethylen nachgewiesen werden können. Die vorliegenden epidemiologischen Studien seien jedoch hinsichtlich des jeweils gewählten Studiendesigns sowie der unterschiedlichen Expositionsverhältnisse nicht vergleichbar, so dass die Datenlage insgesamt uneinheitlich sei. Bei vielen Studien habe außerdem eine Mischexposition vorgelegen. Problematisch sei häufig sowohl die Abschätzung der Lärmexposition als auch die Erfassung der Lösemittelbelastung. Außerdem könne eine Hörminderung auch durch viele weitere Faktoren (Medikamente, Freizeitlärm) verursacht werden.
Unter dem 21.09.2004 hat der Senat den Beteiligten den rechtlichen Hinweis gegeben, dass hier ein Fall der so genannten alternativen Kausalität vorliegen könnte. Da über eine BK durch chemische Einwirkungen nicht durch Verwaltungsakt entschieden worden sei, sei die entsprechende Klage zur Zeit unzulässig. Mit Beschluss vom 21.10.2004 hat der Senat das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung der Beklagten über eine BK durch chemische Einwirkungen ausgesetzt.
Die Beklagte führte insoweit Ermittelungen durch. Am 19.04.2004 erstattete der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Ing. W. von der Beklagten einen Untersuchungsbericht aufgrund einer Untersuchung vom 12.04.2005, an welcher 3 (z. T. ehemalige) Mitarbeiter der Firma N. teilgenommen hatten. Als Ergebnis wurde festgehalten, der Kläger habe während seiner Tätigkeit in der Außenmontage/Kundendienst bis 31.12.1984 fast täglich als universelles Reinigungsmittel 1,1,1-Trichlorethan verwendet, z.T. in großen Mengen. Dem Bericht beigefügt waren Sicherheitsdatenblätter über die Stoffe Trichlorethan (Chlorothene) und Genklene LV. Bei der Bezeichnung "Chlorothene" handelt es sich um ein Warenzeichen der Dow Chemical Company. Ausweislich der Produktbeschreibung handelt es sich dabei um ein auf patentierte Weise stabilisiertes 1,1,1-Trichlorethan. Bei dem Nachfolgeprodukt Genklene LV handelt es sich ausweislich des Sicherheitsdatenblatts ebenfalls um stabilisiertes 1,1,1-Trichlorethan in Verbindung mit chloriertem Kohlenwasserstoff. Tri- und Perchlorethylen habe der Kläger nicht verwendet. Ab 01.01.1985 habe der Kläger Umgang mit Ethylenglykol gehabt wie im Bericht vom 13.12.2002 beschrieben.
Auf die Anfrage der Beklagten, ob der Kläger unter neurologischen Beschwerden leide und in fachärztlicher Behandlung gewesen sei, antwortete dieser unter dem 04.05.2005, dass er diese Frage nicht beantworten könne und bei keinem Neurologen in Behandlung sei. Er habe außer den durch Lärm und Chemikalien verursachten Beschwerden keine sonstigen Beschwerden.
Die Beklagte hat vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften die Auskunft vom 28.07.2005 eingeholt. Danach liegen neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass die Personengruppe, die berufsbedingt der Einwirkung von Ethylenglykol, Trichlorethen oder Tetrachlorethen ausgesetzt sei, in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an einer Schwerhörigkeit leide, nicht vor. Die genannten Arbeitsstoffe hätten nach dortigem Kenntnisstand keine ototoxische Wirkung. In der medizinischen Wissenschaft werde zwar die Ototoxizität von Lösungsmitteln (auch in Kombination mit einer berufsbedingten Lärmeinwirkung) diskutiert. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sei jedoch in einer Literaturstudie im Jahr 2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass Studien zwar Hinweise auf eine Ototoxizität von Lösungsmitteln gäben, dass aber noch keine gesicherten Erkenntnisse zu dieser Thematik vorlägen. Insbesondere seien die vorliegenden epidemiologischen Studien uneinheitlich. Insgesamt sei festzuhalten, dass zwar Empfehlungen für die Prävention ausgesprochen, BK-rechtliche Konsequenzen anhand der bisherigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse jedoch nicht gezogen werden könnten. Dementsprechend fehle es an den Voraussetzungen für die Anerkennung entsprechender Erkrankungen nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Der ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, habe sich bislang nicht mit der Thematik "Ototoxizität von Industriechemikalien/Lösungsmitteln" befasst.
In ihrer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 22.08.2005 schlug Dr. H. eine BK im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII nicht zur Anerkennung vor. Mit Bescheid vom 27.09.2005 entschied die Beklagte, die Schwerhörigkeit des Klägers sei keine durch chemische Einwirkungen verursachte BK und auch nicht wie eine BK anzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, dass an der Entstehung oder Verschlimmerung des Gehörschadens des Klägers außer beruflichem Lärm weitere berufliche Schadstoffeinwirkungen ursächlich beteiligt gewesen seien, sei nicht nachweisbar. Nach der Stellungnahme von Prof. Dr. L. sei für Trichlorethan noch nicht einmal eine Neurotoxizität (nervenschädigende Gifteinwirkung) an sich gesichert. Eindeutige Hinweise auf die toxische Wirkung von Ethylenglykol im Bereich des Gehörs gebe es derzeit nicht.
Der Kläger rief daraufhin mit Schreiben vom 04.10.2005 das Berufungsverfahren L 6 U 5115/03 wieder an, das unter dem Aktenzeichen L 6 U 4132/05 fortgeführt wurde. Außerdem legte der Kläger gegen den Bescheid vom 27.09.2005 Widerspruch ein mit der Begründung, er sei sehr wohl den Gefahrstoffen Trichlorethylen und Perchlorethylen ausgesetzt gewesen, da diese Lösemittel unter der Bezeichnung Chloronthene zusammengefasst würden. Dies ergebe sich aus einer Reihe von (vorgelegten) Montageabrechnungen.
Hierzu nahm Dr. H. von der Präventionsabteilung der Beklagten in der Weise Stellung, dass die Produkte Chlorothene und Genklene IV nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsbeamten vom 19.04.2004 sowie nach den Sicherheitsdatenblättern aus 1,1,1-Trichlorethan bestünden. Eine berufliche Einwirkung von Trichlorethylen oder Perlchlorethylen sei nicht nachzuweisen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.03.2006 wies die Beklagten daraufhin den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.09.2005 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.04.2006 Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn, das sich mit Beschluss vom 05.03.2006 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart verwies. Der Kläger trug vor, mit dem Lösungsmittel "Chloronthene" seien - synonym - Trichlorethylen und Perchlorethylen gemeint. Nichts anderes ergebe sich aus der Anfrage des LSG vom 09.07.2004 und der gutachtlichen Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 14.09.2004. Es stimme also nicht, dass Tri- und Perlchlorethylen nicht verwendet worden seien.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 12.07.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, für die Annahme einer BK nach den Nummern 3101 bis 3104, bei denen es auch zu möglichen Innenohrschäden kommen könne, bestünden im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Auch eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische gemäß der Nummer 1317 der Anlage zur BKV oder eine BK nach der Nummer 1302 sei nach dem medizinischen Sachverhalt nicht anzunehmen. Ferner sei die Schwerhörigkeit des Klägers und der Tinnitus auch nicht wie eine BK als Versicherungsfall gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Die Anerkennung scheitere zum einen an einer geeigneten beruflichen Einwirkung bei dem Kläger und zum anderen an der erforderlichen sogenannten Gruppentypik sowie an der fehlenden allgemeinen Anerkennung in der medizinischen Wissenschaft.
Auch gegen dieses Urteil hat der Kläger - am 06.08.2007 - Berufung zum LSG eingelegt (L 6 U 3831/07), das sie mit Beschluss vom 19.09.2007 mit dem Berufungsverfahren L 6 U 4132/05 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.
Der Kläger trägt weiter vor, zu Unrecht habe das SG ausgeführt, das Lösemittel, dem er von 1977 bis 1984 als Außendienst-Kundendienstmonteur regelmäßig ausgesetzt gewesen sei, habe Chlorothene geheißen. Chlorothene werde von der BG Chemie auch als Trichlorethan bezeichnet; es handle sich hierbei um einen anderen Stoff. Dies hätten seine früherem Prozessbevollmächtigten vom DGB schon in ihrem Schriftsatz vom 31.10.2005 dargelegt. Durch die mit diesem Schriftsatz vorgelegten Unterlagen sei bewiesen, dass die Stoffe Trichlorethylen und Perchlorethylen unter der Bezeichnung Chloronthene zusammengefasst würden. Dies habe auch Prof. Dr. L. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 14.09.2004 bestätigt. Nach seiner Auffassung sei aus pathophysiologischer Sicht eine Ototoxizität einzelner Lösungsmittel biologisch plausibel. Soweit die Beklagte von einer Exposition gegenüber Trichlorethan bzw. Chlorothene ausgehe, handle es sich um eine falsche Stoffangabe. Dies ergebe sich eindeutig aus den vorgelegten Montageberichten und der Monteuranweisung Nr. 6/76. Hinsichtlich seiner Exposition gegenüber Ethylenglykol sei zu beachten, dass er im ehemaligen Raum der Werkzeugausgabe der Firma H. in F. Werk I ohne Belüftungsanlage (Absauganlage) habe arbeiten müssen. Bei Prüfungen mit weit über + 15 °C erhitztem Ethylenglykol sei er einer toxisch kontaminierten Luft immer ausgesetzt gewesen. Der Kläger hat unter anderem noch die Greenpeace-Studie "Chlor macht krank" vorgelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.10.2003 - S 9 U 6162/01 - und vom 12.07.2007 - S 9 U 3414/06 - aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23.11.2001 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 27.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.03.2006 zu verurteilen, die bei ihm vorliegende Innenohrhochtonschwerhörigkeit beiderseits in vollem Umfang sowie den Tinnitus als Folgen einer Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.
Sie trägt weiter vor, eine berufliche Exposition des Klägers gegenüber Trichlorethylen und/oder Perchlorethylen sei nicht nur nicht erwiesen, sondern im Hinblick auf die Ergebnisse der Untersuchung ihrer Präventionsabteilung vom 12.04.2005 im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers sogar ausgeschlossen. Danach sei bei der Firma N. nämlich weder Tri- noch Perchlorethylen verwendet worden. Die vom Kläger vorgelegten Montageabrechnungen und die "Monteuranweisung Nr. 6/76" seien nicht geeignet, die Erkenntnisse des Präventionsdienstes zu widerlegen. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass der Verfasser der Monteuranweisung Nr. 6/76 den Stoffnamen unzutreffend übertragen habe und dass sich dieser Übertragungsfehler durch die Übernahme beispielsweise in die vorgelegten Montageabrechnungen vervielfältigt habe. Hierfür spreche, dass die an der Untersuchung des Präventionsdienstes beteiligten langjährigen und mit dem Tätigkeitsbereich des Klägers in der Montage vertrauten Mitarbeiter die Produktbezeichnung "Chlorothene" gekannt hätten, gleichwohl die Verwendung von Tri- oder Perchlorethylen ausgeschlossen hätten. Es spreche einiges dafür, dass es eine Substanz oder Stoffbezeichnung "Chloronthene" gar nicht gebe. Die Stoffbezeichnung "Chlorothene" sei dagegen im Zusammenhang mit 1,1,1-Trichlorethan ohne weiteres nachvollziehbar. Dass der Kläger diesem Stoff ausgesetzt gewesen sei, werde nicht bestritten. Eine Neurotoxizität sei hierfür jedoch nicht gesichert. In gleicher Weise gelte dies für die berufliche Belastung des Klägers durch Ethylenglykol. Prof. Dr. L. habe im Übrigen nicht bestätigt, dass das Gehör des Klägers durch die Einwirkung von "Chloronthene" geschädigt worden sei. Selbst wenn der Kläger im Übrigen beruflichen Belastungen durch Tri- oder Perchlorethylen ausgesetzt gewesen wäre, wären Ansprüche auf Entschädigung angesichts der Ausführungen von Prof. Dr. L. vom 14.09.2004 nicht herleitbar. Biologische Plausibilität allein reiche zum Nachweis der ursächlichen Verknüpfung einer Krankheit mit bestimmten beruflichen Belastungen nicht aus. Hierfür bedürfte es unter anderem der gesicherten Erkenntnis, dass die angeschuldigte Einwirkung generell geeignet sei, einen bestimmten Gesundheitsschaden zu verursachen. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. L. könne jedoch die Frage, ob die Lösemittel Tri- oder Perchlorethyl eine mittelbare oder unmittelbare Schädigung des Hörvermögens zur Folge habe, nach derzeitigem Kenntnisstand nicht beantwortet werden. Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vertrete ausweislich der Stellungnahme des damaligen Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 28.07.2005 den Standpunkt, dass es zur Ototoxizität von Lösungsmitteln keine gesicherten Erkenntnisse gebe. Die Hinweise des Klägers zu Ethylenglykol seien für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats (L 6 U 5115/03, L 6 U 4132/05 und L 6 U 3831/07), des SG (S 9 U 6162/01 und S 9 U 3414/06) sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaften und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind zulässig. Sie sind jedoch nicht begründet. Die in den beiden Berufungsverfahren angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil vom 22.10.2003, jedoch entgegen dem angefochtenen Urteil vom 12.07.2007 geht der Senat davon aus, dass im vorliegenden Fall noch die bis zum 31.12.1996 gültig gewesenen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) und die Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 20.06.1968 (BGBl I, Seite 721) anwendbar sind. Dies folgt aus dem Versicherungsfallprinzip des § 212 SGB VII. Denn der Kläger hat geltend gemacht, seine Schwerhörigkeit beiderseits sowie seine Ohrgeräusche seien bereits seit ca. 1982 aufgetreten. Soweit der Kläger die Gewährung von Rente begehrt, ist die Ausnahmevorschrift des § 214 Abs. 3 SGB VII nicht anwendbar, da eine ärztliche Anzeige über eine BK erstmals am 03.07.1997 bei der Beklagten einging und diese somit erst nach Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 über den geltend gemachten Rentenantrag entscheiden konnte.
Gem. §§ 580, 581 RVO wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn dessen Folgen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Als Arbeitsunfall gilt gem. § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKn sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt, solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, das heißt, dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKVO ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Auch wenn ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, führt dies nicht automatisch zur Anerkennung und gegebenenfalls Entschädigung. Vielmehr ist, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.
Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch hier die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52; 42, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 17 m.w.N.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 132; 43, 110, 112).
Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSG 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
I.
Hinsichtlich des angefochtenen Urteils vom 22.10.2003 und des Bescheids vom 22.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2001 gelten die folgenden Ausführungen.
Nach der Nummer 2301 der Anlage 1 zur BKVO kann eine Lärmschwerhörigkeit als BK anerkannt werden, wenn die sonstigen - oben genannten - Voraussetzungen vorliegen. Im Falle des Klägers ist insoweit sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität gegeben. Folgerichtig hat die Beklagte deshalb im Bescheid vom 22.08.2000 anerkannt, dass ein Teil der bei dem Kläger vorliegenden beiderseitigen Schwerhörigkeit eine Lärmschwerhörigkeit im Sinne der Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKVO darstellt. Denn der Kläger war im Zeitraum vom April 1977 bis Dezember 1984 mit einem Beurteilungspegel von 90 dB (A) in einem Ausmaß beruflich lärmexponiert, das bei einem beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung mit sich bringt. Hinsichtlich der Voraussetzungen der haftungsbegründenden Kausalität bei der Lärmschwerhörigkeit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 22.10.2003, Seite 10 und Seite 11, erster Absatz. Auf die beruflich bedingte Lärmeinwirkung kann die Schallleitungskomponente nicht zurückgeführt werden, da sich ein Lärmschaden immer als Haarzellschaden des Innenohres manifestiert. Die bei dem Kläger vorliegende Schallleitungskomponente ist auf eine Mittelohrentzündung im Kindesalter zurückzuführen, deretwegen der Kläger auch am linken Ohr operiert worden ist. Die beiderseitige Innenohrhochtonschwerhörigkeit kann nur zu einem ganz geringfügigen Teil auf den Berufslärm zurückgeführt werden. Wie Dr. B. in Übereinstimmung mit den Kriterien des sogenannten Königsteiner Merkblatts für den Senat überzeugend ausgeführt hat, muss sich nämlich eine als Lärmschwerhörigkeit anzuerkennende Hörstörung während der Lärmeinwirkung entwickelt haben und in ihrem Verlauf hierfür typisch sein. Der Kläger war nur bis 31.12.1984 in einem versicherungsrechtlich relevanten Ausmaß gegenüber Lärm exponiert. Messdaten über die Hörfähigkeit für den Zeitraum vom 1986 bis 1997 liegen nicht vor. Vergleicht man die Audiogramme von 1986 und 1997, so fällt auf, dass die Hörschwellenkurve am 13.01.1986 erst bei einer Frequenz von 2000 Hz steil abfiel, während dies am 30.06.1997 schon bei einer Frequenz von 1000 Hz der Fall war. Diese zusätzliche Hörminderung hat sich entwickelt, ohne dass eine maßgebliche berufliche Lärmeinwirkung vorhanden gewesen wäre. Auch außerberufliche Lärmeinwirkungen oder Ohrerkrankungen (Knalltrauma bei der Bundeswehr, Mittelohrentzündung im Kindesalter, Teilnahme am Sportschießen) haben hierauf keine nennenswerten Auswirkungen gehabt. Die heute vorliegende Hörstörung hat sich mithin in ihren wesentlichen Teilen erst nach 1986, also nach Wegfall der relevanten Lärmeinwirkung entwickelt. Mit Dr. B. ist der Senat deshalb überzeugt, dass andere, degenerative Prozesse im Innenohr für die jetzt vorliegende Schwerhörigkeit ganz überwiegend verantwortlich sind. Denn eine Lärmschwerhörigkeit schreitet bei einem Versicherten, der nicht mehr im Lärmbereich tätig ist, nicht mehr fort. Zutreffend hat Dr. B. deshalb bei der Prüfung des Ausmaßes der Innenohrhochtonschwerhörigkeit, das noch auf Lärm zurückgeführt werden kann, auf das Audiogramm vom 13.01.1986 abgestellt, das der Beendigung der relevanten Lärmeinwirkung am nächsten kommt. Im Übrigen stimmt dieser Befund im Wesentlichen mit den vorausgegangenen Audiogrammen vom 24.05. und 07.06.1982 sowie 29.11.1983 überein. Da aus dem Audiogramm vom Januar 1986 nach der Drei-Frequenz-Tabelle von R. ein prozentualer Hörverlust von 15 % für jedes Ohr zu ermitteln ist, beträgt die hierdurch bedingte MdE 0 v.H. Die MdE durch die gesamte Hörstörung ist dagegen ausgehend von den Werten des Sprachaudiogramms nach den Tabellen von B. und R. mit 30 v.H. zu bemessen. Da der nicht lärmbedingte Schädigungsanteil mithin ganz im Vordergrund steht, kann auch der Tinnitus des Klägers nur hierauf und nicht auf die Lärmeinwirkung bezogen werden.
Ebenso wenig wie das SG konnte sich der Senat davon überzeugen, der Kläger sei auch in der Zeit nach dem 01.01.1985 noch einer beruflichen Lärmeinwirkung von 85 dB (A) oder mehr ausgesetzt gewesen. Hierfür stützt sich der Senat wesentlich auf die Messungen, die am 25.02.2000 in Gegenwart des Technischen Aufsichtsbeamten W. und der Sicherheitsfachkraft B. am früheren Arbeitsplatz des Klägers in der Firma N. durchgeführt worden sind. Dabei ergaben sich Beurteilungspegel von 80 und 79 dB (A). Diese Ergebnisse wurden auch nicht durch die weitere am 09.12.2002 durchgeführte Lärmmessung im Bereich des Erzeugnisprüfraumes in Frage gestellt. Aufgrund der Auskunft, welche die Firma N. dem Senat unter dem 13.08.2004 erteilt hat, ist dieser überzeugt, dass hierbei weitgehend realistische Bedingungen geschaffen wurden, die einen Rückschluss auf die früher vorherrschenden Lärmbelastungen während der Prüftätigkeiten des Klägers an den Hydraulikprüfständen zulassen. Zwar konnten wegen des Fehlens der Adapter und der Anschlussplatten keine der früher verwendeten Hydraulikventile an den Prüfstand angeschlossen werden. Zur Simulation der Strömungsgeräusche wurde anstatt dem Magnetventil ein manuell regelbarer Kugelhahn NW 50 eingebaut. Bei dem Test wurden außerdem gleichzeitig zwei Prüfstände betrieben, wobei durch Regelung der Durchflussmengen über die Drosselventile die Pumpen auf Höchstdruck gebracht wurden und somit die maximalen Strömungs- und Pumpengeräusche simuliert werden konnten. Ferner haben die Herren A. M. und L. Z. als langjährige Mitarbeiter im Prüfraum bestätigt, dass die bei dem Test aufgetretene Lärmbelastung durchaus realistisch für die Arbeitsplatzsituation am Hydraulikprüfstand zu bewerten sei. Die vom Kläger gewünschte Wiederholung des Lärmtests unter Einsatz von Hydraulikprüfständen ist schon deshalb nicht mehr möglich, weil die Pumpenstation sowie die Hydraulikprüfstände Ende 2003 abgebaut und verschrottet worden sind.
Dem vom Kläger vorgelegten Bewertungsbogen vom 07.05.1987 misst der Senat keinen erheblichen Beweiswert zu. Wenn hier ein Lärmpegel von 97 dB (A) über einen Zeitraum von 4 Stunden täglich behauptet wird, der von der Sicherheitsfachkraft überprüft worden sei, so widerspricht dies in eklatanter Weise dem Protokoll des Arbeitssicherheitsausschusses ASAF II/87, in dem unter Punkt 7.5 die Lärmsituation im Ergebnisprüfraum dahingehend beschrieben wurde, die Lärmbelastung habe zwischen 70 und 87 dB (A) betragen. Die letztgenannten Angaben sind am 06.05.1987 von der Sicherheitsfachkraft B. protokolliert worden. Dagegen sind die Angaben im Bewertungsbogen vom 07.05.1987 von der Sicherheitsfachkraft nicht überprüft bzw. schriftlich bestätigt worden. Bei der Annahme des SG, der genannte Wert von 97 dB (A) sei in der Weise zustande gekommen, dass der Mittelwert aus den im Protokoll aus dem Jahr 1976 genannten Lärmspitzen zwischen 87 dB (A) und 107 dB (A) gebildet worden sei, handelt sich allerdings nur um eine Vermutung. Möglich erscheint auch, wie dies im Untersuchungsbericht vom 13.12.2002 festgehalten worden ist, ein falsch aufgeschriebener Wert (97 statt 87 dB (A)) oder es wurden damals Messungen unmittelbar an den pneumatischen Ventilen während des Umschaltens durchgeführt. Dieser Schlag (kleiner als eine Sekunde pro geprüftem Ventil) könnte eine Anzeige von 97 dB (A) hervorgerufen haben. Die Einwirkdauer dieses Lärms direkt am pneumatischen Prüfstand hätte jedoch pro Schicht lediglich im Minutenbereich gelegen.
Der Senat hält es ferner für ausgeschlossen, dass der Kläger in der Zeit vom 01.06.1989 bis 30.09.1991 als Prüfer im Bereich QPB Anlagebau einer Lärmbelastung von 92 dB (A) für durchschnittlich 2 Stunden pro Arbeitstag ausgesetzt war. Die Firma N. hat hierzu in ihrem Schreiben vom 20.06.2002 ausgeführt, die als Beweis angeführten Kühlaggregate TRML und TRMS seien nur in einer geringen Stückzahl (insgesamt 29 Stück) hergestellt worden. Die Prüfdauer der Geräte lag bei 1 bis 2 Tagen, wobei das Kühlaggregat nur über einem Zeitraum von 30 Minuten auf Volllast betrieben wurde. Hierbei erreichte die Lärmbelastung einen Wert von ca. 90 dB (A). Im Untersuchungsbericht vom 13.12.2002 hat die Präventionsabteilung der Beklagten deshalb für den Senat überzeugend eine Lärmbelastung vom 91 dB (A) für die Dauer von 0,5 Stunden an 88 Tagen errechnet.
Lediglich in der Zeit vom 19.09. bis 16.10.1989, in welcher der Kläger bei einer Tochtergesellschaft der Firma H. in Indien beschäftigt war, kann nach den Feststellungen im Untersuchungsbericht vom 13.12.2002 eine Lärmeinwirkung von 95 dB (A) über 2 Stunden täglich nicht ausgeschlossen werden. Merkwürdig erscheint allerdings, dass der Kläger hierbei trotz des sehr unangenehmen Lärmpegels auf die Verwendung von Gehörschutz verzichtet haben soll, obwohl er andererseits vorgetragen hat, als Sportschütze immer Gehörschutz beim Schießen zu tragen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, in der Zeit vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 im Bereich Qualitätssicherung in den Abteilungen QTP, QSF und QME Lärmbelastungen von ca. 95 dB (A) für durchschnittlich eine Stunde pro Arbeitstag durch Umgebungslärm ausgesetzt gewesen zu sein, kann der Senat diese Angabe gestützt auf die Stellungnahme der Firma N. vom 20.06.2002 nicht nachvollziehen, weil die Tätigkeit der Prüfmittelüberwachung in keinen ausgewiesenen Lärmbereichen durchgeführt wurde. Im Übrigen wurde der Kläger im Werk Merklingen nur ca. 2 Tage pro Jahr eingesetzt. Dort lag der Lärmbeurteilungspegel im Bereich der Hydraulikprüfungen außerdem im fraglichen Zeitpunkt unterhalb von 85 dB (A). Insgesamt war der Kläger mithin während des Zeitraums vom 01.10.1991 bis 31.12.1999 allenfalls während 88 Arbeitsschichten einem Beurteilungspegel vom 89 dB (A) ausgesetzt, wie die Präventionsabteilung der Beklagten unter dem 03.02.2003 dargelegt hat. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 4,62 % an der Gesamtzahl von 1904 Arbeitsschichten. Danach kann ausgeschlossen werden, dass die Lärmexposition in der Zeit nach dem 01.01.1985 für die seit dem 13.01.1986 dokumentierte Gehörverschlechterung verantwortlich war.
II.
Auch der Bescheid der Beklagten vom 17.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2006, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, die Schwerhörigkeit des Klägers als eine durch chemische Einwirkungen verursachte BK oder wie eine BK anzuerkennen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Von den in der Gruppe 1 der Anlage 1 zur BKVO aufgeführten, durch chemische Einwirkungen verursachten Krankheiten kam die durch die BKV vom 31.10.1997 eingeführte Nummer 1317 schon deshalb nicht in Betracht, weil hierunter nur die Krankheitsbilder einer Polyneuropathie und einer Enzephalopathie fallen. Zu prüfen war dagegen eine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe entsprechend der Nummer 1302 der Anlage 1 zur BKVO. Denn nach den den Senat überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. L. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 14.09.2004 handelt es sich bei den Stoffen Ethylenglykol, Trichlorethylen und Perchlorethylen um organische Lösungsmittel. Für die beiden zuletzt genannten Substanzen ist nach dem heutigen arbeitsmedizinischen Kenntnisstand eine Neurotoxizität gesichert. Für Ethylenglykol liegen jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse vor, aus denen die generelle Geeignetheit für eine Ototoxizität abgeleitet werden könnte. Da der Kläger nach seinen Ausführungen im Schreiben vom 04.05.2005 unter keinen Beschwerden leidet, die dem neurologischen Fachgebiet zuzurechnen wären, erübrigen sich weitere Überlegungen zum Gefahrstoff Ethylenglykol.
Gegenüber Trichlorethylen und Perchlorethylen war der Kläger nach Überzeugung des Senats nicht exponiert. Er hat während seiner Beschäftigung in der Außenmontage und im Kundendienst vom April 1977 bis Dezember 1984 fast täglich und zum Teil in großen Mengen als universelles Reinigungsmittel das von der Firma D. hergestellte Produkt Chlorothene verwendet. Hierbei handelt es sich ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers um ein speziell inhibiertes 1,1,1-Trichlorethan, das mit einem bestimmten, vom Hersteller patentierten System stabilisiert worden ist. Auch bei dem Nachfolgeprodukt Genklene LV handelt es sich ausweislich des Sicherheitsdatenblatts um ein stabilisiertes 1,1,1-Trichlorethan. Dass Tri¬chlorethan von Trichlorethylen zu unterscheiden ist, wird auch vom Kläger nicht verkennt. Zu Unrecht vertritt er jedoch die Auffassung, die Lösemittel Trichlorethylen und Perchlorethylen würden unter der Bezeichnung Chloronthene zusammengefasst. Wie die Beklagte im Schriftsatz vom 20.09.2007 zutreffend dargelegt hat, existiert in der wissenschaftlichen Literatur kein Be¬griff "Chloronthene". Auch der Senat hat sich hiervon überzeugt. Ferner war auch der Kläger nicht in der Lage, Internetausdrucke vorzulegen, in denen ein Stoff Chloronthene abgehandelt würde. Gibt man bei der Suchmaschine Google die Anfrage Chloronthene ein, so erhält man zur Antwort, es würden keine damit übereinstimmenden Dokumente gefunden. Dagegen sind für Chlorothene mehr als 4000 Dokumente vorhanden. Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seinen Standpunkt auf die gutachtliche Stellungnahme Prof. Dr. L.s vom 14.09.2004. Dieser hat darin eingangs die Fragestellung des Senats wiederholt, ob Ethylenglykol und das Lösemittel Chloronthene (Trichlorethylen, Perchlorethylen) nach dem heutigen Stand der Arbeitsmedizin generell geeignet sei, umittelbar eine Gehörschädigung und einen Tinnitus hervorzurufen oder neurotoxisch zu wirken und mittelbar zu einer Gehörschädigung und einem Tinnitus zu führen. Mit dieser Fragestellung hatte der Senat wiederum den Vortrag des Klägers wiederholt, er sei durch das Lösemittel Chloronthene (Trichlorethylen, Perlchlorethylen) geschädigt worden. Dass in der vom Kläger vorgelegten Monteuranweisung Nummer 6/76 vom 28.09.1976 sowie in mehreren vorgelegten Montageabrechnungen eine Stoffbezeichnung "Chloronthene" aufgeführt wird, belegt nicht, dass ein derartiger Stoff tatsächlich existiert. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass der Verfasser der Monteuranweisung den Stoffnamen unzutreffend übertragen hat und dass dieser Fehler in den Montageabrechnungen wiederholt worden ist. Im übrigen enthalten auch die Anlagen, welche der Kläger seinem Schriftsatz vom 17.10.2007 beigefügt hat, insbesondere die Seite Gefahrstoffverordnung aus Wikipedia und die Greenpeacestudie "Chlor macht krank" an keiner Stelle einen Begriff "Chloronthene". Der Kläger hat nie erklärt, wie er überhaupt zu der Auffassung gelangt ist, unter "Chloronthene" fielen die Lösemittel Trichlorethylen und Perlchlorethylen. Dagegen ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Stoffinformation zu 1,1,1-Trichlorethan eindeutig, dass dieser Stoff auch unter den Handelsnahmen Chlorothene NU, Chlorothene VG sowie Genklene vertrieben wird. Lediglich hinsichtlich der Substanzen Trichlorethylen und Perchlorethylen, dagegen nicht in Bezug auf die Substanz Trichlorethan bzw. Chlorothene hat Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 14.09.2004 ausgeführt, nach heutigem arbeitsmedizinischen Kenntnisstand sei eine Neurotoxizität gesichert.
Zur Frage der Ototoxizität von Trichlorethan hat sich Prof. Dr. L. allerdings nicht ausdrücklich geäußert. Eine "biologische Plausibilität" der Ototoxizität hat er aber nur für solche Lösungsmittel bejaht, bei denen sich tierexperimentell entsprechende Zusammenhänge zeigten. Insoweit hat er Toluol, Styrol, Trichlorethylen und Ethylbenzol genannt, aber nicht Trichlorethan. Durch epidemiologische Studien, die keine einheitliche Datenlage ergeben, konnte ein solcher Zusammenhang im Übrigen auch bei diesen Stoffen nicht bestätigt werden. Unter diesen Umständen ist eine gehörschädigende Wirkung von 1,1,1-Trichlorethan erst recht nicht wahrscheinlich zu machen. Eine Anerkennung der bei dem Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit als BK nach der Nummer 1302 der Anlage 1 zur BKVO scheidet damit aus.
Zu Recht hat es die Beklagte im Bescheid vom 27.09.2005 auch abgelehnt, die Schwerhörigkeit wie eine BK anzuerkennen. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist (gruppentypische Risikoerhöhung), die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (vgl. § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO; BSG, Urteil vom 31. Januar 1984 - 2 RU 67/82; BSG, Urteil vom 27. Mai 1997 - 2 RU 33/96). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer "Generalklausel" erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder wahrscheinlich ist (BSG SozR 2200 § 551 Nr. 18; BSGE 59, 295, 297 = SozR 2200 § 551 Nr. 27), stets wie eine BK zu entschädigen ist. Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKn aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 (nach Inkrafttreten der BKV vom 31. Oktober 1997 nur noch "Anlage") zur BKVO noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSGE 79, 250, 251 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 9 mwN).
Entgegen der von der Beklagten bei der Anfrage an den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 20.07.2005 sowie im Schriftsatz vom 20.09.2007 vorausgesetzten Auffassung war allerdings im Rahmen des § 9 Abs. 2 SGB VII bzw. richtigerweise nach der Vorgängervorschrift des § 551 Abs. 2 RVO nicht zu prüfen, ob die Personengruppe, die berufsbedingt der Einwirkung von Trichlorethen oder Tetrachlorethen ausgesetzt ist, in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an einer Schwerhörigkeit leidet. Bei den genannten Gefahrstoffen handelt es sich um Halogenkohlenwasserstoffe die bereits in der Listennummer 1302 der Anlage zur BKV erfasst sind. Dasselbe gilt für den Stoff 1,1,1-Trichlorethan. Ist ein BK-Tatbestand hinsichtlich des medizinischen Krankheitsbildes in unbestimmter Fassung in die BK-Liste aufgenommen worden, so hält der Verordnungsgeber ohne Bindung an den Erkenntnisstand bei Einführung der BK in die Anlage zur BKV sämtliche Erkrankungen als BK für anerkennungsfähig, die im Zeitpunkt der Entscheidung nach dem aktuell fortgeschrittenen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft im ursächlichen Zusammenhang mit der spezifischen Einwirkung stehen. Hierbei besteht keine Bindung an formale Hürden, wie sie für die Aufnahmeschwelle als BK bzw. entsprechend für § 9 Abs. 2 SGB VII oder § 551 Abs. 2 RVO typisch sind. Deshalb ist die Einzelfallkausalität im Rahmen des § 9 Abs. 1 SGB B VII bzw. des § 551 Abs. 1 RVO nicht von dem Nachweis abhängig, dass auch für das spezielle Krankheitsbild (hier: Schwerhörigkeit) ein genereller statistisch abgesicherter Erfahrungssatz existiert und allgemein akzeptiert ist, mithin gerade für diese Erkrankungsvariante eine besondere Gruppentypik durch den epidemiologischen Nachweis ihrer signifikanten Häufung im Kollektiv festgestellt werden kann (zutreffend Koch in Lauterbach, Unfallversicherung, Rd.-Ziff. 105 zu § 9 SGB VII). Im vorliegenden Fall war deshalb im Rahmen des § 551 Abs. 2 RVO nur noch zu prüfen, ob Lösungsmittel, die nicht zu den Halogenkohlenwasserstoffen gehören, d.h. kein Fluor, Chlor, Brom oder Jod enthalten, und denen der Kläger nachweislich ausgesetzt war, ototoxische Wirkung haben können. Insoweit war lediglich noch der Stoff Ethylenglykol (C2H6O2, Synonyme: 1,2-Ethandiol, 1,2-Dihydroxyethan) in Betracht zu ziehen. Aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme Prof. Dr. L.s vom 14.09.2004 hat sich der Senat jedoch davon überzeugt, dass für Ethylenglykol keine ausreichenden Kenntnisse vorliegen, aus denen die generelle Geeignetheit abgeleitet werden könnte, eine Schwerhörigkeit zu verursachen. Hiermit stimmt auch die Stellungnahme des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 28.07.2005 überein. Mithin kann der Kläger auch nicht nach der Vorschrift des § 551 Abs. 2 RVO entschädigt werden.
Mithin führen die Berufungen des Klägers nicht zu Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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