L 3 SB 2856/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 331/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2856/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Die 1945 geborene Klägerin beantragte erstmals am 04.05.2001 die Feststellung von Behinderungen. Sie machte einen Sehfehler am rechten Auge, eine Abnutzung/Bewegungseinschränkung der HWS, eine Entzündung an der rechten Hand/am rechten Unterarm, asthmatische Beschwerden, eine Schilddrüsenstörung, Magengeschwüre, eine Thrombosegefährdung, Herzrhythmusstörungen und eine Migräne geltend. Unter Berücksichtigung beigezogener Befunde und einer gutachterlichen Stellungnahme stellte der Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2001 den GdB mit 40 seit dem 04.05.2001 fest. Als Funktionseinschränkungen berücksichtigte er eine Sehminderung (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20) und eine chronische Bronchitis (Teil-GdB 10). Die Entzündung der rechten Hand, die Schilddrüsenstörung und die Herzrhythmusstörungen, die Thrombosegefährdung und eine chronische Magenschleimhautentzündung würden keine Funktionsbeeinträchtigungen darstellen, die einen GdB von wenigstens 10 bedingten. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2002 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 20.02.2002 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das SG hat den Orthopäden Dr. K., den Augenarzt Dr. R. und den Allgemeinarzt Dr. S. als sachverständige Zeugen gehört (vgl. hierzu Bl. 19f., 24f., 49f. der SG-Akten). Außerdem hat es das augenärztliche Gutachten des Dr. Niederstadt, Konstanz, vom 17.04.2004 und das orthopädische Gutachten von Dr. N., vom 12.10.2004 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 10.03.2005) erhoben. Dr. Niederstadt hat in seinem Gutachten eine Amblyopie festgestellt und den GdB für das Funktionssystem Auge insgesamt mit 30 bewertet. Der Orthopäde Dr. N. hat in seinem Gutachten degenerative Wirbelsäulenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, ein Karpaltunnelsyndrom rechts und eine Tendinitis calcarea rechts (Teil-GdB 20) sowie außerdem eine beginnende Coxarthrose rechts mit Insertionstendopathie und Schleimbeutelreizung (Teil-GdB 10) beschrieben. Insgesamt hat er den GdB seit Mai 2001 mit 40 eingeschätzt.

Mit Urteil vom 28.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass von einem durch ein Gerichtsgutachten bestätigten Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem Auge auszugehen sei. Hinzu trete ein Teil-GdB von 20 für die Einschränkungen an der Halswirbelsäule als einzigem Wirbelsäulenabschnitt. Obwohl der Gutachter dort nur leichte Funktionseinschränkungen festgestellt habe, könne das Gericht ihm darin folgen, dass aufgrund der schmerzhaften Tendinitis calcarea ein Teil-GdB von 20 anzunehmen sei. Weil an den übrigen Wirbelsäulenabschnitten keine Funktionseinschränkungen festzustellen gewesen seien, sei auch die angefochtene GdB-Feststellung nicht zu beanstanden.

Gegen das der Klägerin am 1.07.2005 zugestellte Urteil hat sie am 13.07.2005 Berufung eingelegt.

Zur Begründung macht sie geltend, dass wegen der Einäugigkeit und der Einschränkungen der Sehfähigkeit auf dem sehenden Auge ein GdB von mindestens 40 gerechtfertigt sei. Außerdem sei allein für die Einschränkungen vonseiten der Wirbelsäule ein GdB von 30 zu berücksichtigen. Der Komplex Schulter/Arm/Hand rechts müsse mit einem weiteren Grad der Behinderung von mindestens 20 bemessen werden und die degenerativen Veränderungen des Hüftgelenkes seien mit einem Teil-GdB von 10 nicht ausreichend bewertet. Die von Dr. S. mitgeteilten Diagnosen "obstruktive Ventilationsstörung, Depression, psychophysisches Erschöpfungssyndrom, HWS-Osteochondrose mit vertebragenem Kopfschmerz-Syndrom, chronische Gastritis, weichteilrheumatische Beschwerden, latente Hyperthyreose bei kompensiertem autonomen Adenom, Solitärzyste der Niere, Cholelithiasis und fibrozystische Mastopathie" seien bislang überhaupt nicht berücksichtigt worden. Außerdem habe Dr. S. Beschwerden seitens des Herzens festgestellt. Auch dies bleibe unberücksichtigt. Bei der Gesamtwürdigung des GdB unter Berücksichtigung sämtlicher Beeinträchtigungen, sei ein GdB von mindestens 50 seit dem 15.11.2000 festzustellen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 53 ff. der Senatsakte verwiesen. Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischen Fachgutachtens bei Privatdozent Dr. E., Kliniken H. Kostanz. In seinem Gutachten vom 04.08.2006 führt der Sachverständige aus, dass keine regelwidrigen körperlichen Zustände auf neurologischem Fachgebiet vorlägen. Es bestehe eine einfache Migräne, die sich nach Angaben der Klägerin zwei- bis dreimal pro Monat bemerkbar mache, nach Angaben des Hausarztes möglicherweise zweimal pro Monat. Bei der durchgeführten Untersuchung und Darstellung wirke der diesbezügliche Leidensdruck der Klägerin nicht sehr hoch. Den GdB schätzt der Sachverständige auf 10. Ein von ihm angeregtes psychosomatisches Zusatz-Gutachten hat der Senat bei Dr. S., ebenfalls Kliniken H. Kostanz, in Auftrag gegeben. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 30.12.2006 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin auf psychiatrisch-psychotherapeutischem bzw. psychosomatischem Fachgebiet keine klinisch unmittelbar erkennbaren körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen. In psychischer Hinsicht sei bestehend seit der Kindheit/Jugend von einer phobischen Angststörung mit entsprechendem Vermeidungsverhalten auszugehen, die allerdings soweit im Lebensentwurf und in der Lebensführung der Untersuchten integriert sei, dass sie in der subjektiven Wahrnehmung keine aktuelle Beeinträchtigung darstelle. Außerdem seien rezidivierende depressive Störungen zu attestieren, die jedoch inzwischen von subsyndromaler Ausprägung und flüchtigem Charakter seien. Insgesamt ergebe sich daraus aber doch eine anhaltende Beeinträchtigung, die mit einem Teil-GdB von 10 zu bemessen sei. Gemeinsam mit der Migräne betrachtet halte er einen GdB von 15 für gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung dieses Gutachtens hat PD Dr. E. den Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt. Dabei ist er auf orthopädischem Fachgebiet von einem GdB von 20, auf augenärztlichem Fachgebiet von einem GdB von 30 und für die Bronchitis von einem GdB von 10 ausgegangen. Unter Berücksichtigung der im psychosomatischen Zusatzgutachten beschriebenen phobischen Angststörung und der rezidivierenden leichtgradigen depressiven Störung, die für sich genommen einen GdB von 10 rechtfertigten, sei aufgrund der bestehenden Wechselwirkung zwischen den somatischen Beschwerden und den psychiatrischen Beschwerden im Sinne einer Verstärkung insgesamt von einem Gesamt-GdB von 50 auszugehen. Denn die somatischen Beschwerden (Wirbelsäulen- und Kopfschmerzen) würden die Depression verstärken und die Depression verstärke die somatischen Beschwerden. Aus diesem Grund müsse der Gesamt-GdB die psychiatrischen Diagnosen berücksichtigen.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat Dr. P., Orthopädisches Forschungsinstitut Stuttgart, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Er führt in seinem Gutachten vom 07.07.2007 aus, dass die von der Klägerin angegebenen Nackenschmerzen wechselnder Ausprägung sich auf dem Boden der objektivierbaren fortgeschrittenen strukturellen Schäden in der unteren Halswirbelsäule in Verbindung mit ausgeprägten funktionellen Störungen (Blockierung des 4. Halswirbels rechts, zahlreiche Blockierungen der gesamten Brustwirbelsäule und ausgeprägtem Hartspann der Rumpfmuskulatur, vor allen Dingen der Brustmuskulatur) problemlos nachvollziehen ließen. Funktionell seien diese prinzipiell reversibel und therapierbar. Diese subjektiven Beschwerden müssten sich nach erfolgreicher Therapie dauerhaft lösen lassen. Die subjektiven Beschwerden sollten sich danach spürbar anhaltend bessern. Im Idealfall wäre eine weitgehende Beschwerdefreiheit der Klägerin vorstellbar. Die chronisch schmerzhaften Funktionsstörungen der Schulter-Nacken-Region bei mäßiggradigen bis fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen der beiden unteren zervikalen Bandscheiben ohne neurologische Begleiterscheinungen und ausgeprägten regionalen funktionellen Störungen in Form von Blockierungen und Muskelverspannungen bewertete er mit einem GdB von 20. Insgesamt hielt er einen GdB von 40 unter Berücksichtigung der Sehschwäche des rechten Auges und wiederkehrender Migräneattacken sowie einer chronischen Bronchitis mit gelegentlichem morgendlichen Husten und einer phobischen Angststörung für angemessen. Er widerspricht der Einschätzung von PD Dr. E., den Gesamt-GdB unter Einbeziehung der seelischen Störung mit 50 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der umfangreichen Sozial- und Funktionsanamnese habe er nicht den Eindruck, als wenn die Klägerin durch ihre seelische Störung so stark beeinträchtigt sei, dass sich dadurch der Gesamt-GdB messbar erhöht. Eine beginnende Coxarthrose rechts mit Insertionstendopathie und Schleimbeutelreizung könne er weder aufgrund der vorliegenden Bildgebung noch des aktuellen körperlichen Untersuchungsbefundes nachvollziehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Juni 2005 aufzuheben, den Bescheid vom 12. November 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2002 abzuändern und den Beklagten zur Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die mit den streitbefangenen Bescheiden vorgenommene und durch das erstinstanzliche Urteil bestätigte Bewertung des GdB nicht zu beanstanden sei.

Die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts Konstanz (S 3 SB 331/02) sowie des Senats haben vorgelegen. Auf diese wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 12.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2002, mit dem der Beklagte den GdB mit 40 ab dem Tag des Einganges des Antrages auf Feststellung einer Behinderung, dem 04.05.2001, festgestellt hat. Die Klägerin hat keinen darüber hinausgehenden Anspruch. Zu Recht hat der Beklagte den GdB mit 40 seit der Antragstellung am 04.05.2001 festgestellt. Zu Recht hat das SG deshalb auch die Klage abgewiesen.

Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Behindert sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Menschen dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehindert anzuerkennen ist, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.

Der Senat wendet zur Beurteilung des GdB im Einzelfall die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4-3250 § 69 Nr 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der GdB nicht höher als 40 zu bewerten.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass aufgrund der Befunde im augenärztlichen Gutachten von Dr. Niederstadt ein höherer GdB als 30 nicht gerechtfertigt ist. Neben der Schwachsichtigkeit am rechten Auge ist auf dem linken Auge die durch die Linsentrübung verursachte Herabsetzung der Sehschärfe zu berücksichtigen, die vom gehörten Sachverständigen bei der hier maßgeblichen korrigierten Sehschärfe mit 0,63 (rechts: 1/50) angegeben worden ist. Nach der nach 26.4 der AHP anzuwendenden Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) ergibt sich bei diesen Werten ein GdB von 30. Darin ist die funktionelle Einäugigkeit berücksichtigt, die für sich allein genommen bei unbeeinträchtigtem "gesunden" Auge nur einen GdB 25 bedingen würde. Die zusätzliche Sehschärfenminderung bedingt einen GdB von 30. Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind nicht erforderlich, da die Erhebung der Befunde durch ein Gutachten deshalb erforderlich gewesen ist, weil der behandelnde Augenarzt darauf hingewiesen hatte, dass der von ihm mitgeteilte Befund (RA 0,05, LA 0,5 [= GdB 35, wobei offenbleibt, ob es sich insoweit um die korrigierte Sehschärfe handelt]) nicht im Sinne einer Begutachtung oder Einschätzung erhoben worden sei und deshalb in keinem Fall für eine Begutachtung herangezogen werden könne (vgl. Bl. 40 d. SG-Akten). Neben der Einschränkung der Sehschärfe liegen Gesichtsfeldeinengungen am linken Auge nicht vor (vgl. auch Gutachten PD Dr. E., S. 80 d. Senatsakten). Für den Senat bestehen daher keine Zweifel an dem vom Sachverständigen erhobenen Befund und an der von ihm vorgenommenen Einschätzung.

Auf orthopädischem Fachgebiet beschreiben die gehörten Sachverständigen nur geringgradige Einschränkungen. Der vom SG beauftragte Dr. N. stellte eine Osteochondrose und Spondyl-arthrose im Bereich C4 bis C7 fest. Funktionell konnten im Halswirbelsäulenbereich nur leichtgradige, im Bereich der Lendenwirbelsäule altersentsprechende Einschränkungen festgestellt werden. Aufgrund der schmerzhaften Tendinitis calcareae des rechten Schultergelenkes, das selbst in der Beweglichkeit nicht eingeschränkt ist, und einer wiederkehrenden Brachialgie rechts aufgrund eines Carpaltunnelsyndroms rechts (diesbezügl. Operation im August 2005 mit anschließender Beschwerdefreiheit, so Bericht Dr. K. v. 22.12.2005, Bl 57 Rücks. d. Senatsakten) hält er aufgrund der Nackenbeschwerden, die mit Kopfweh einhergehen und mit Ausstrahlung in den rechten Arm verbunden sind, einen GdB von 20 für gerechtfertigt. Die selben Beschwerden hat auch der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. P. beschrieben und die verbliebenen chronisch schmerzhaften Funktionseinschränkungen der Schulter- und Nackenregion bei mäßiggradigen bis fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen der beiden unteren cervicalen Bandscheiben ohne neurologische Begleiterscheinungen und ausgeprägten regionalen funktionellen Störungen in Form von - grundsätzlich behandelbaren - Blockierungen und Muskelverspannungen mit einem GdB von 20 bewertet und damit als vergleichbar mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt. Die Einstufung als mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ist nach den AHP (26.18, S. 116) gerechtfertigt beim Vorliegen einer Verformung, wenn eine häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades und wenn häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome vorliegen. Die Annahme schwerer funktioneller Auswirkungen, die dann mit einem GdB von 30 zu bewerten wären, ist hingegen erst dann gerechtfertigt, wenn die Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen schweren Grad angenommen hat und ausgeprägte über Wochen andauernde Wirbelsäulensyndrome vorliegen. Ein Befund, der die Annahme schwerer funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder eine mit diesen Auswirkungen vergleichbare Einschränkung rechtfertigen könnte, liegt zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den gehörten Sachverständigen nicht vor. Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch im Gutachten von Dr. P. eine Beweglichkeitseinschränkung an den oberen Extremitäten (Schulter, Arm, Hand) nicht festgestellt werden konnte. Der Ansatz eines GdB von 20 in diesem Bereich ist daher angemessen und zutreffend erfolgt. In dem hier maßgeblichen Zeitraum sind auch weitergehende Einschränkungen, die zu einer - auch zeitweisen - Erhöhung des GdB hätten führen können, nicht belegt. Funktionell weitergehende Einschränkungen werden auch im Bericht des behandelnden Orthopäden Dr. K. vom 18.06.2002 nicht beschrieben.

Entgegen der Auffassung von Dr. N. sieht der Senat für die von ihm beschriebene beginnende Coxarthrose keinen eigenständigen GdB. Die Hüftgelenksbeweglichkeit wird von beiden orthopädischen Sachverständigen als uneingeschränkt beschrieben. Die von Dr. P. beschriebenen kurzzeitigen, rasch abklingenden Schmerzen im rechten Hüftgelenk, die vor allem beim Gehen auftreten, rechtfertigen von ihrer Ausprägung her (die Klägerin hat angegeben, täglich 1,5 - 2 Stunden spazieren zu gehen) bereits keinen GdB von wenigstens 10. Auch Dr. N. hat insoweit nur immer wieder auftretende Reizzustände angegeben.

Als sozialmedizinisch nicht relevant hat der gerichtliche Sachverständige PD Dr. E. auch die auf internistischem Fachgebiet vorliegenden Einschränkungen beschrieben. Befunde, die insoweit das Vorliegen einer dauerhaften Behinderung im Sinne einer tatsächlichen qualitativen Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft belegen könnten, liegen nicht vor. In der Anamnese sowohl im Gutachten von PD Dr. E. als auch bei Dr. S. und Dr. P. werden eine Gastritis, gelegentliches morgendliches Husten oder gelegentliches Herzrasen oder Herzklopfen als Folge einer medikamentös behandelten Schilddrüsenerkrankung erwähnt, ohne dass hierdurch GdB-relevante Einschränkungen im Alltag, wie dies Dr. P. zutreffend ausgeführt hat, ersichtlich würden. Die insoweit von Dr. S. beschriebenen weitergehenden Diagnosen belegen u.U. eine Behandlungsbedürftigkeit, nicht jedoch auch eine gleichzeitig auf Dauer vorliegende Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Da sich entsprechende Einschränkungen aus den vorliegenden Gutachten nicht ergeben und insoweit auch nicht ersichtlich sind, sind weitere Ermittlungen auf internistischem Fachgebiet nicht erforderlich.

Mit dem neurologischen Gutachter PD Dr. E. ist für die in einer leichten Verlaufsform vorliegende Migräne ein Teil-GdB-Wert von 10 (26.2, S. 39 d. AHP) anzusetzen. Die Einstufung hängt von der Häufigkeit und Dauer der Anfälle sowie von der Ausprägung der Begleiterscheinungen ab. Die geschilderte Anfallshäufigkeit von 2-3mal pro Monat steht dem nach Auffassung des Senats nicht entgegen, weil nach den überzeugenden Ausführungen des neurologischen Gutachters kein sehr hoher Leidensdruck feststellbar gewesen ist. Auch aus dem psychosomatischen Gutachten von Dr. S. lässt sich eine gravierende Ausprägung der Begleiterscheinungen der Migräne nicht ableiten. Vielmehr hatte die Klägerin dort angegeben, dass ihr bei Auftreten von Kopfdruck, als Vorbote der Migräne, ein Medikament (Naramig) helfe, das sie auch immer bei sich führe. Hilfreich sei dann auch, sich hinzulegen und Lichtreize zu meiden.

Mit Dr. S. ist für die von ihm beschriebene psychische Angststörung mit entsprechendem Vermeidungsverhalten (Aufenthalt in Menschenmengen und Angst vor Schlangen) und die allenfalls leichtgradige, rezidivierende depressive Störung der GdB mit 10 einzuschätzen. Insoweit hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass sowohl aktuell als auch für die letzten Jahre nur geringgradige Einschränkungen vorliegen und vorgelegen haben. Die phobische Angststörung ist nach dessen Ausführungen soweit in den Lebensentwurf und die Lebensführung eingebunden, dass sie in der subjektiven Wahrnehmung keine aktuelle Beeinträchtigung darstellt. Die depressive Störung ist nur von subsyndromaler Ausprägung und flüchtigem Charakter. Ein GdB von 20 wird nach Einschätzung des Sachverständigen auch unter Berücksichtigung der Migräne nicht erreicht. Ohne dass ein regelrechter depressiver Erlebniswandel deutlich wird, wie der Sachverständige ausgeführt hat, ist auch nach Überzeugung des Senats nicht von einer weitergehenden Einschränkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auszugehen.

Nach 19 (1) der AHP ist dann, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen der Wert der einzelnen Einschränkungen nicht zu addieren. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung der sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Ein Gesamt-GdB von 50 kann dabei beispielsweise nur dann angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. In der Regel ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Gemäß 19 (4) der AHP führen, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zur Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies gilt auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.

Ausgehend von der hier mit einem Teil-GdB von 30 bewerteten Sehstörung ist der auf orthopädischem Fachgebiet bestehende Teil-GdB 20 erhöhend in o.g. Sinn zu berücksichtigen, sodass ein GdB von 40 erreicht wird. Eine weitere Erhöhung dieses GdB ist jedoch nicht gerechtfertigt, weil keine weiteren Einschränkungen vorliegen, die geeignet wären, diese weitere Erhöhung zu begründen. PD Dr. E. verkennt bei seiner Beurteilung, dass er die Migräne als eigenständiges neurologisches Krankheitsbild wertet, das unabhängig von den HWS- und Schulterbeschwerden bestehen soll. Die Bewertung des auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden GdB von 20 war aber maßgeblich auch geprägt von den dort mitberücksichtigten Kopfschmerzen. Die mit einem GdB von 10 bewertete Migräne und die auf psychiatrischem Gebiet vorliegenden Einschränkungen mögen sich zwar grds. verstärken können, führen aber in ihren Auswirkungen, wie Dr. P. zu Recht angemerkt hat, letztlich nicht zur Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, weil weitergehende oder gravierende Einschränkungen im Alltag hierdurch nicht erkennbar werden. Die Feststellung eines GdB von 40 wird auch im Ergebnis den vorliegenden Einschränkungen gerecht. Denn die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats im Hinblick auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft noch deutlich besser gestellt, als der Personenkreis bzw. die Einschränkungen, die oben bereits für die Zuerkennung eines GdB 50 beispielhaft genannt wurden.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved