L 4 R 1046/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 4594/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 1046/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Berechnung der der Klägerin gewährten großen Witwenrente die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zum 31. Juli 1960 als Kindererziehungszeit bzw. Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung zugrunde legen muss.

Die 1936 geborene Klägerin hat zwei Töchter. G, die ältere der beiden, brachte sie 1958 zur Welt. Mit ihr lebte sie bis 1962 in der G in G. 1960 heiratete die Klägerin den Kindesvater R K, den Versicherten. Dieser war bis zum Zeitpunkt der Eheschließung in der M-L-Straße in G gemeldet.

Am 22. November 1994 beantragte der Versicherte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. In diesem Zusammenhang gab er an, Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nicht geltend zu machen. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1995 wurde dem Versicherten die begehrte Rente ab dem 1. Mai 1995 gewährt.

Die Klägerin, die bereits seit dem 1. Juli 1989 Invalidenrente bzw. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hatte, gab im Rahmen der Beantragung ihrer eigenen Altersrente am 30. Oktober 1996 an, die gemeinsamen Kinder G und K bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr erzogen zu haben. Auf die Frage, ob eines der Kinder innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Geburt überwiegend von anderen Personen erzogen worden sei, antwortete sie mit nein. Eine Zuordnung von Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zum Vater solle nicht erfolgen; eine gemeinsame Erklärung mit dem Vater, dass Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für eines der beiden Kinder dem Vater zugeordnet werden sollten, sei nicht abgegeben worden.

Nachdem der Versicherte am 1. Dezember 2002 verstorben war, beantragte die Klägerin am 16. Dezember 2002 die Gewährung einer Witwenrente. Dabei antwortete sie auf die Frage, ob für den verstorbenen Versicherten Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung geltend gemacht würden, mit nein.

Unter dem 29. Dezember 2002 beantragte die Klägerin die Überprüfung aller Rentenbescheide und Rentenanpassungsmitteilungen sowie die Neufeststellung der Rente ihres verstorbenen Ehemannes unter anderem, weil Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nun teilweise berücksichtigt werden sollten. Sie widerrufe deshalb rückwirkend - wegen fehlender Beratung von Amts wegen - alle anders lautenden Erklärungen ihres verstorbenen Ehemannes oder ihrer selbst, unter anderem diejenigen, die sie bei der Beantragung der Witwenrente gemacht habe. Bezüglich dieser Zeiten erwarte sie keine Optimierungsberechnungen, sondern zunächst nur den Erlass eines Bescheides, der ihr das Dispositionsrecht noch nachträglich einräume (im Sinne einer früher abzugebenden gemeinsamen Erklärung). Wie sie leider erst jetzt erfahren habe, ließe sich unter anderem die Lücke in seinem Versicherungsverlauf (Hochschulausbildung) teilweise schließen und die Rente erhöhen.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie falsch beraten worden sei, so dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen fehlender Beratung nicht geltend gemacht werden könne. Auch ohne die Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung könnten Kindererziehungs-/Berücksichtigungszeiten dem Vater zugeordnet werden, wenn dieser die Kinder nach objektiven Gesichtspunkten tatsächlich überwiegend erzogen habe. Bei etwa gleichen Erziehungsanteilen der Eltern sehe das Gesetz eine Zuordnung zur Mutter vor.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2003 gewährte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente mit Beginn am 1. Januar 2003 und wies zugleich darauf hin, dass, sofern Zeiten der Kindererziehung im Versicherungskonto des Vaters anzuerkennen seien, die Alters- und die Hinterbliebenenrente neu festgestellt würden.

Gegen den Rentenbescheid legte die Klägerin unter dem 26. März 2003 Widerspruch ein. Unter dem 28. März 2003 verlangte sie die Gewährung voller Dispositionsfreiheit für den Gesamtzeitraum mit Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung, vor allem aufgrund von "Überschneidungszeiten".

Mit Bescheid vom 12. Mai 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Februar 2003 werde "voll abgeholfen". Die Anlage 10 zum Rentenbescheid vom 13. Februar 2003 erhalte folgende Fassung: "Hinsichtlich der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anzuerkennen sind, ist die Überprüfung der Sach- und Rechtslage noch nicht abgeschlossen. Wir werden nach Abschluss der Ermittlungen Bescheide hinsichtlich der Alters- und Hinterbliebenenrente aus der Versicherung R K erteilen. ".

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2003 nahm die Beklagte eine Neuberechnung der großen Witwenrente der Klägerin ab dem 1. Januar 2003 vor, weil sich das auf die Rente anzurechnende Einkommen geändert habe.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Töchter G und K für den Versicherten ab. Wie bereits ausgeführt, seien Anhaltspunkte für das Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen fehlender Beratung nicht gegeben. Soweit im Übrigen auch ohne Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten auf Antrag dem Vater zugeordnet werden könnten, wenn dieser die Kinder nach objektiven Gesichtspunkten tatsächlich überwiegend erzogen habe, fehle es an entsprechenden Nachweisen. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes der Hansestadt G habe bis zum 10. Juni 1960 keine gemeinsame Haushaltsführung vorgelegen, so dass frühestens ab dem 1. Juli 1960 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anzuerkennen wären. Für den Monat Juli 1960 könne schon wegen des fehlenden Formantrags keine Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung erfolgen.

Unter dem 9. Februar 2004 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 29. Dezember 2003 ein. Nachdem die Beklagte unter dem 17. Februar und 10. März 2004 gebeten hatte, diesen Widerspruch zu begründen, teilte die Klägerin unter Bezugnahme auf ihren Widerspruch vom 26. März 2003 mit, gegen den Bescheid vom 5. Februar 2004 werde eingewandt, dass selbstverständlich nicht beabsichtigt gewesen sei, alle Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für beide Kinder auf den Versicherten zu übertragen. Durch das Direktstudium weise dessen Versicherungsverlauf große Lücken auf. Zur Optimierung der Rentenansprüche gelte es, diese zu schließen, ohne dass dadurch eine Minderung des Zahlbetrags der Rente aus eigener Versicherung eintrete. Sie meine, das müsse zulässig sein, denn sie selbst habe eine nach dem Recht der DDR berechnete Invaliden- und eine Zusatzinvalidenrente bezogen, die zum 1. Januar 1992 nur pauschal in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewertet und aufgrund des Besitzschutzes für die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte im Prinzip bis zum 31. Oktober 2001 der Höhe nach weiter gezahlt worden sei. Schließlich sei eine gemeinsame Haushaltsführung des Versicherten mit seiner Tochter G nach deren Geburt zunächst unmöglich gewesen, die Wohnungssituation in der Stadt G habe dies nicht zugelassen. Durch das alleinige Abstellen auf die Auskünfte des Einwohnermeldeamtes G werde den Besonderheiten der Sach- und Rechtslage hinsichtlich des Wohnens in der DDR nicht Rechnung getragen.

Unter dem 23. März 2004 teilte die Beklagte der Klägerin noch einmal mit, dass die Zuordnung von Erziehungszeiten zum Vater schon deshalb nicht möglich sei, weil sie trotz mehrfacher Erinnerung den Formantrag einschließlich der Geburtsurkunde des Kindes G mit entsprechenden zeitlichen Angaben zur Zuordnung der Erziehungszeiten bislang nicht eingesandt habe, ihren Mitwirkungspflichten also nicht nachgekommen sei. Im Übrigen sei anzumerken, dass es kein Wahlrecht gebe, welchem Versicherungsverlauf die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zuzuordnen seien. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Elternteile die Tatsache, dass es (zeitweise) zu keiner gemeinsamen Haushaltsführung mit dem Kind gekommen sei, zu vertreten hätten oder ob und ggf. inwieweit die Wohnsituation im Beitrittsgebiet dafür verantwortlich sei. Maßgeblich seien allein die tatsächlichen Verhältnisse. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes habe es vor dem 11. Juni 1960 keine gemeinsame Haushaltsführung gegeben. Das Kind habe im Haushalt der Mutter gelebt, der Vater in einem weiteren Haushalt. Diese Tatsache werde nicht bestritten. Von einer überwiegenden Erziehung durch den Vater könne somit für die Zeit vor dem 11. Juni 1960 nicht ausgegangen werden. Die Ausführungen zur besonderen Wohnsituation im Beitrittsgebiet würden zur Kenntnis genommen.

Nachdem die Klägerin unter dem 4. Mai 2004 noch einmal darauf hingewiesen hatte, dass sie bei ihrer Auffassung bleibe, nicht richtig bzw. gar nicht beraten worden zu sein, und die Beklagte unter dem 18. Mai 2004 dazu noch einmal eingehend Stellung genommen hatte, erließ sie am 5. Juli 2004 einen Bescheid, mit dem sie die Widersprüche unter anderem gegen die Bescheide vom 13. Februar, 12. Mai und 29. Dezember 2003 zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch liege nicht vor. Der Versicherte habe auch im Rahmen seines Rentenantrags die Frage, ob Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung geltend gemacht würden, ausdrücklich verneint. Eine überwiegende Erziehung durch den Versicherten habe die Klägerin weder behauptet noch nachgewiesen. Die von Amts wegen insoweit eingeleiteten Ermittlungen hätten zu keinem anderen Ergebnis geführt.

Daraufhin hat die Klägerin am 3. August 2004 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, um ihr Begehren weiter zu verfolgen. In der mündlichen Verhandlung hat sie klargestellt, dass einzig die Zurechnung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten für ihre Tochter G im Versicherungskonto ihres verstorbenen Ehemannes noch streitig sei. Sie hat an Eides statt versichert, nach Beendigung ihres Schwangerschafts- und Wochenurlaubs im Februar 1959 wieder ganztags als Krankenschwester gearbeitet zu haben. Für den Weg zur Arbeit habe sie etwa 40 Minuten gebraucht. Da sie wenig Geld gehabt hätten, habe sie teils auch Überstunden gemacht. Der Versicherte habe in dieser Zeit noch an der Universität G studiert und sich auf seine Abschlussprüfung vorbereitet bzw. an seiner Diplomarbeit geschrieben. Tagsüber und auch nachts habe er sich meist in ihrer Wohnung in der G aufgehalten, so dass er sich überwiegend um die Erziehung der gemeinsamen Tochter habe kümmern können. Darüber hinaus habe er G des Öfteren mit an die Universität genommen. Nach Abschluss seines Studiums im Mai 1960 sei er bis Ende Juli 1960 noch als Hausmann in größerem zeitlichen Umfang an der Kindererziehung beteiligt gewesen. Es habe deshalb auch bis Ende Juli 1960 durch sie eine Familienversicherung für ihn bestanden. Sie wolle hervorheben, dass ihr verstorbener Ehemann die Tochter G in der Zeit von Dezember 1958 bis Juli 1960 nicht nur zeitlich, sondern auch ethisch-moralisch überwiegend erzogen habe.

Mit Urteil vom 30. Mai 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Tochter G sei in dem fraglichen Zeitraum zur Überzeugung der Kammer durch die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann gemeinsam erzogen worden. Entgegen den Ausführungen der Beklagten sei von einer häuslichen Gemeinschaft der Eltern mit dem Kind in dieser Zeit auszugehen, weil sich der Versicherte tagsüber meist und nachts oft in der Wohnung der Klägerin aufgehalten habe. Zu Recht habe diese auf die schwierige Wohnsituation in der DDR hingewiesen. Nicht erwiesen sei, dass der verstorbene Versicherte die Tochter G von ihrer Geburt bis zum Sommer 1960 überwiegend erzogen habe. Soweit die Klägerin dazu eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt habe, seien die mit dieser gemachten Angaben zwar schlüssig, widersprächen aber den bisherigen Angaben. Von der Glaubwürdigkeit der Klägerin habe sich das Gericht kein Bild machen können, weil sie zum Termin nicht erschienen sei und ein Attest vorgelegt habe, demzufolge sie dauerhaft verhandlungsunfähig sei. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der objektiven Beweislast müsse sich der daraus ergebende Beweisverlust zu ihren Lasten auswirken.

Gegen das am 10. Juni 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Juli 2005, einem Montag, Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das erstinstanzliche Gericht sei in unzutreffender Weise davon ausgegangen, dass sich die streitige Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nur auf die große Witwenrente beziehe. Klagebefangen sei auch die ihrem verstorbenen Ehemann gewährte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewesen. Außerdem habe sich das Gericht mit dem geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen der Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht nicht auseinandergesetzt. Herr H H, der mit dem Versicherten zusammen studiert habe, könne Angaben zu dessen Erziehungsanteil machen und solle als Zeuge vernommen werden. Schließlich wolle sie noch einmal darauf hinweisen, das ihr selbst aufgrund ihrer Berufstätigkeit, der für den Hin- und Rückweg zum und vom Arbeitsort aufgewandten Zeit, Pausenzeiten, Zeit für Schlafen, Essen, Körperpflege und Haushalt nur maximal drei Stunden für die eigene Erholung und die Erziehung der Tochter G zur Verfügung gestanden hätten. Da G nicht kinderkrippenfähig gewesen sei und eine andere Betreuungsperson nicht zur Verfügung gestanden habe, lasse dies nur den logischen Schluss zu, dass der überwiegende Kindererziehungsanteil in dem streitigen Zeitraum auf den Versicherten entfallen sein müsse. Das Maß der Betreuung durch sie selbst sei - nach objektiven Gesichtspunkten - als weit unterdurchschnittlich bzw. als vom Regelfall (bei Kindern in dieser Altersgruppe) abweichend zu qualifizieren.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

"das Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit sowie die große Witwenrente aus der Versicherung von R K- insbesondere unter Zuordnung der Kindererziehungszeiten und der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 31.12.1958 bis 31.07.1960 für das Kind G zur Rentenversicherung des Vaters - neu festzustellen."

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und meint, die Berufungsbegründung enthalte weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht neue Gesichtspunkte, welche zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage Veranlassung geben könnten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (, jeweils zwei Bände) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin entscheiden, obwohl diese in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, da mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Soweit der schriftsätzlich formulierte Antrag auf eine Neufeststellung der dem Versicherten gewährten Altersrente zielt, ist die Berufung bereits unzulässig. Zwar meint die Klägerin, das Sozialgericht habe zu Unrecht nicht darüber entschieden, ob die ihrem verstorbenen Ehemann bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht wegen der Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten neu berechnet werden müsse. Ihr ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie bzw. ihre Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 30. Mai 2005 ausdrücklich erklärt hat, dies sei nicht mehr streitig. Dementsprechend hat sie dann auch einen ausschließlich auf die Gewährung höherer Hinterbliebenenrente bezogenen Antrag gestellt. Die Höhe der dem Versicherten gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit war demzufolge nicht (mehr) Streitgegenstand. Im Übrigen ist ihr Begehren im Berufungsverfahren dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin sinngemäß beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 5. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2004 zu verpflichten, die ihr gewährte große Witwenrente von Beginn an neu festzustellen und dabei den Zeitraum vom 1. Januar 1959 bis zum 31. Juli 1960 als Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung zugrunde zu legen. So verstanden, ist die Berufung zwar statthaft (§ 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Einen Anspruch darauf, dass die Beklagte der Berechnung ihrer großen Witwenrente die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zum 31. Juli 1960 als Kindererziehungszeit bzw. Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung zugrunde legt, hat die Klägerin nicht. Zutreffend hat die Beklagte ihren darauf gerichteten Antrag abgelehnt und den Widerspruch zurückgewiesen.

Als Rechtsgrundlage für einen dem Begehren der Klägerin entsprechenden Anspruch kommen nur §§ 56, 57, 249 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Betracht.

Kindererziehungszeiten sind, wenn das Kind vor dem 1. Januar 1992 geboren wurde, Zeiten seiner Erziehung in den zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt (§§ 56 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 SGB VI). Berücksichtigungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 SGB VI). Grundsätzlich ist einem Elternteil eine Erziehungszeit zuzuordnen, wenn er sein Kind erzogen hat; haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet (§ 56 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI). Innerhalb der drei Kategorien der Erziehung, die § 56 Abs. 2 SGB VI unterscheidet (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG), Urteil vom 16. Dezember 1997, 4 RA 60/97, SozR 3-2600 § 56 Nr. 10), kommt eine Zuordnung an den Vater dann in Betracht, wenn er das Kind - was vorliegend nicht der Fall war und von der Klägerin auch nicht behauptet wird - allein oder - was die Klägerin nun vorträgt - überwiegend erzogen hat oder wenn, im Spezialfall der gemeinsamen Erziehung durch beide Elternteile, diese wirksam eine übereinstimmende öffentlich-rechtliche Erklärung über die Zuordnung an den Vater abgegeben haben. Ist eine derartige Erklärung nicht oder nicht übereinstimmend abgegeben, hat nach dem Grundsatz des § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI das Tatsachengericht zu ermitteln, wer das Kind nach objektiven Gesichtspunkten überwiegend erzogen hat. Ist eine überwiegende Erziehung durch den Vater in dem erforderlichen Beweisgrad nicht feststellbar, ist die Zeit der Mutter zuzuordnen (§ 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI).

Eine gemeinsame Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeit für G an den Versicherten wurde unstreitig nicht abgegeben. Eine solche Erklärung hätte, da die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten und ihre Tochter G vor dem 1. Januar 1992 erzogen wurde, nach § 249 a SGB in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung vor dem 1. Januar 1997 abgegeben werden müssen. Soweit § 249 a Abs. 2 SGB VI in der damals geltenden Fassung vorsah, dass ein Elternteil allein die Erklärung abgeben konnte, hätte dies bis zum 31. März 1997 geschehen müssen und im Übrigen den Tod des Versicherten vor dem 31. Dezember 1996 vorausgesetzt.

Soweit die Klägerin meint, im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne die (rechtzeitige) Abgabe einer gemeinsamen Erklärung fingiert werden, kann ihr nicht gefolgt werden. Das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat im vorliegenden Zusammenhang schon aufgrund seines begrenzten Anwendungsbereichs außer Betracht zu bleiben; gerade dann nämlich, wenn die Folgen der Pflichtverletzung eines Leistungsträgers bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach dem SGB - wie hier - bereits durch Wiedereinsetzungsregeln konzeptionell mitbedacht sind, ist für seine Anwendung von vornherein kein Raum (vgl. BSG, Urteil vom 3. April 2001, B 4 RA 89/00, SozR 3-2600 § 56 Nr. 15, m.w.N.) Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Versicherte oder die Klägerin falsch beraten worden wären oder fehlerhafte Auskünfte erhalten hätten. Jedenfalls bis zum Tod des Versicherten hätte sich zudem eine Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten zu seinen Gunsten für die bereits im Rentenbezug stehende Klägerin nachteilig ausgewirkt. Anlass für eine Spontanberatung der Klägerin dahingehend, dass sie mit dem Kindesvater gemeinsam eine Erklärung - zu ihren Lasten - abgeben sollte, hätte es für die Beklagte schon angesichts dessen nicht gegeben.

Schließlich hat die Klägerin nicht beachtet, dass ihr auch die Einräumung eines "Dispositionsrechts" im Sinne der Fiktion der Abgabe einer gemeinsamen Erklärung nicht weiterhelfen kann. Nach § 249 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung war nämlich die Abgabe einer gemeinsamen Erklärung nicht zulässig, wenn für die Mutter ein Anspruch auf eine nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechnete Alters- oder Invalidenrente bestand. Ihrem eigenen Vortrag zufolge hat die Klägerin eine nach dem Recht der DDR berechnete Invalidenrente sowie eine Zusatzinvalidenrente bezogen; den Angaben in dem in Ablichtung dem Verwaltungsvorgang des Versicherten beigefügten Antrag auf Altersrente nach wurde der letzte Beitrag zur Rentenversicherung für Juni 1989 gezahlt. Bestätigt finden sich diese Angaben in dem unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen bezüglich der Klägerin geführten Verwaltungsvorgang. Danach hat die Klägerin seit Juli 1989 eine Invaliden- und eine Zusatzinvalidenrente bezogen; zum 1. Januar 1992 erfolgte die Umwertung in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die bis zum Beginn der Altersrente gezahlt wurde.

Soweit die Klägerin vorgetragen und an Eides statt versichert hat, ihr verstorbener Ehemann habe die Tochter G überwiegend erzogen, hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Schilderung der damaligen Situation nicht unschlüssig ist, jedoch im Widerspruch zu den zuvor mehrfach gemachten Angaben steht. Dass sowohl der Versicherte als auch die Klägerin selbst ohne jede Veranlassung in der Vergangenheit falsche Angaben zu der Frage, wer die Tochter G in der ersten Zeit erzogen hatte, gemacht hätten, ist weder ersichtlich, noch wäre es erklärbar. Im Übrigen ist, auf das Vorbringen der Klägerin eingehend, auch nicht nachzuvollziehen, inwieweit die Wohnungssituation in der DDR zur Folge gehabt haben soll, dass der Kindesvater bis zum 10. Juni 1960 in einer anderen Wohnung als die Klägerin und die gemeinsame Tochter lebte, von da an aber mit ihnen zusammen in der von diesen zuvor bewohnten Wohnung. War die Wohnung zu beengt für zwei Erwachsene und einen Säugling, so ist nicht verständlich, dass sie für zwei Erwachsene und ein anderthalb Jahre altes Kind ausreichend groß war. Soweit dem Vorhandensein eines gemeinsamen Haushalts für die Frage der gemeinsamen Erziehung durch beide Elternteile - erst recht aber für die der überwiegenden Erziehung durch den Vater - grundsätzlich zumindest Indizwirkung beizumessen ist, kann dem hier jedenfalls mit dem Argument der insoweit besonderen Verhältnisse in der DDR nicht entgegengetreten werden.

Nach alledem hat die Beklagte zu Recht zunächst dem Antrag der Klägerin und später § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI entsprechend die Erziehungszeit für die Tochter Gundel der Mutter zugeordnet.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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