L 11 KR 1357/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 2426/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1357/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Brustver-kleinerungsoperation.

Die.1943 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 10.07.2000 beantragte sie die Kostenübernahme für eine beabsichtigte Mammareduktionsplastik und reichte dazu einen Arztbrief von Prof. Dr. G. und Dr. W., M.hospital S., vom Mai 2000 (Diagnose: Atrophie der Brustdrüsen beidseits mit ausgedehnt überschüssigem Hautmantel bei zuvor Mammahypertrophie, jetzt Ptosis III. Grades), ein Attest des Arztes für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. A. vom Juni 2000, einen Befundbericht des Orthopäden Dr. H. vom Juni 2000 und eine Bescheinigung des Frauenarztes S. vom Juli 2000 ein. Dr. A. bescheinigte eine schwere Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die durch eine frühere Hormonbehandlung bei der Klägerin vergrößerten Brüste seien häufig Anlass für eine deutliche Verschlechterung des seelischen Zustandes der Klägerin mit Selbstentwertungserleben und autoaggressiven Tendenzen, teilweise schwer ausgeprägt. Eine Korrektur beider Mammae werde sich wahrscheinlich stabilisierend auf die seelische Störung auswirken. Dr. H. beschrieb anhaltende Beschwerden im Bereich der Brustwirbelsäule aufgrund der Belastung durch die ptotisch herabhängenden Brüste.

Die Beklagte veranlasste hierauf eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK). Dr. Z. verneinte nach Untersuchung der Klägerin in der Beratungsstelle eine medizinische Indikation für eine Mammareduktionsplastik. Es bestehe keine medizinische Notwendigkeit des vorgesehenen operativen Eingriffs, da das Brustgewicht von 800 bis 900 g pro Seite nicht nachweisbar geeignet sei, die geklagten Beschwerden des Stützapparates zu verursachen. Bei der Klägerin seien deutliche degenerative Veränderungen des Stützapparates wie Skoliose, Kyphose, Osteoporose, Spondylarthrose nachweisbar. Diese seien Ursache der Beschwerden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen trage die Klägerin keinen BH oder ein Stützmieder. Im Vordergrund stünden ausschließlich psychische/kosmetische Probleme. Der Eingriff werde aus psychischen Gründen seitens der behandelnden Ärzte vorgeschlagen und von der Klägerin gewünscht.

Mit Bescheid vom 03.08.2000 (ohne Rechtsmittelbelehrung) lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme der Mammareduktionsplastik ab, da es sich um eine kosmetische Operation handle. Psychosomatische Verhaltensstörungen reichten als medizinische Indikation für einen ästhetischen Eingriff nicht aus.

Am 21.12.2000 bat die Klägerin um nochmalige Überprüfung und wies auf den beigefügten Bericht der Paracelsus R.-Klinik, B. G., über die stationäre Behandlung vom 16.08. bis 27.09.2000 (Diagnosen: 1. Posttraumatisches Belastungssyndrom, 2. Borderline Persönlichkeitsstörung, 3. hypothalamische Funktionsstörung, 4. chronisches Schmerzsyndrom) hin. Danach sei die Reduktionsplastik nicht nur psychotherapeutisch, sondern im Hinblick auf die funktionellen Beeinträchtigungen von Seiten des Stützapparates auch medizinisch indiziert. Bereits im ärztlichen Befundbericht des Dr. H. sei die Feststellung getroffen worden, dass die Beschwerdeproblematik von Seiten der Brustwirbelsäule mitursächlich auf das pathologisch vermehrte Gewicht der Brüste zurückzuführen sein dürfte.

Hierzu holte die Beklagte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK ein. Dr. L. legte dar, in den vorgelegten Attesten seien zwei Schwerpunkte zur Begründung der Indikation der Mammareduktion aufgeführt; zum einen die mögliche Besserung der psychischen Symptomatik durch die Beseitigung der Brustproblematik (Ptosis), zum anderen die mögliche Verbesserung der geklagten Rückenbeschwerden durch eine Reduktionsplastik. Auf die Problematik der psychischen Störung sei bereits im Vorgutachten eingegangen worden. Hinsichtlich der orthopädischen Beschwerden sei festzustellen, dass auf der Grundlage der wissenschaftlichen Veröffentlichungen weder bewiesen worden sei, dass ein Zusammenhang zwischen Brustlast und Rückenschmerzen bestehe noch, dass die Mammareduktionsplastik in dieser Hinsicht an der "eigentlichen Erkrankung" anzusetzen vermöge. Submammäre Ekzembildungen seien Domäne der dermatologischen Behandlung, d.h. eine primär konservative. Die stützende Funktion bei Mammahypertrophie/-ptosis durch entsprechende Büstenhalter sei gegeben, werde offensichtlich von der Klägerin aber nicht genutzt.

Dr. Z. äußerte sich ergänzend dahingehend, dass auch unter Berücksichtigung des Entlassungsberichtes der Psychosomatischen Fachklinik vom September 2000 eine medizinische Indikation für den gewünschten operativen Eingriff nicht bestätigt werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin, gestützt auf die Gutachten des MDK, zurück.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie ihr Begehren unter Hinweis auf die ärztlichen Äußerungen von Prof. Dr. G., Dr. A., Dr. H. und des Frauenarztes S. weiterverfolgte. In Anbetracht des Ausmaßes der bei ihr beobachtbaren funktionalen Beeinträchtigungen von Seiten des Stützapparates und angesichts dessen, dass seitens des behandelnden Orthopäden ausweislich des Befundberichtes vom Juni 2000 die Feststellung getroffen worden sei, dass ein Teil der Problematik durch die Belastung der ptotisch herabhängenden Brüste hervorgerufen werden dürfte, sei der Anspruch begründet.

Das SG hörte zunächst Dr. H. als sachverständigen Zeugen. Dieser berichtete unter Beifügung eigener Befundberichte vom Juli 1999, Juni 2000 und Januar 2001 über die im Laufe der Behandlung der Klägerin erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen. Die anhaltenden Beschwerden im Bereich der Brustwirbelsäule hätten sich unter der krankengymnastischen Therapie einschließlich Schlingentischbehandlung nicht relevant gebessert. Das von ihm mit der Volumen-Verdrängungsmethode bestimmte Brustgewicht habe rechts 1500 ml und links 1600 ml betragen. Daraus resultiere ein Gesamtvolumen von 3100 ml, welches einem Gewicht von 3410 g entspreche. Bei einer Mammareduktionsplastik sollte ein Reduktionsgewicht von 800 g je Brust erreicht werden. Die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule seien auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Auch spiele sicher die psychische Situation eine Rolle. Allerdings sei die Schwere der Brüste krankhaft vermehrt und als überwiegende Ursache der von der Klägerin angegebenen Nackenverspannungen und chronischen Brustwirbelsäulenschmerzen anzusehen. Eine Mammareduktion würde einen gravierenden Teilaspekt des Problems beseitigen und damit insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin beitragen.

Das SG zog sodann noch ein orthopädisches Gutachten von Dr. H. aus einem anderen Verfahren zur Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Mammareduktionsplastik bei.

Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete sodann Prof. Dr. P., O.hospital S., ein fachorthopädisches Gutachten. Prof. Dr. P. diagnostizierte bei der Klägerin eine S-förmige Skoliose thorakal rechtskonvex von ca. 11 Grad und lumbal linkskonvex von ca. 17 Grad nach Cobb, eine Störung des Sagittalprofils der Wirbelsäule mit vermehrter Brustkyphose in der oberen Brustwirbelsäule und Abflachung der Brustkyphose in der mittleren und unteren BWS, eine Osteoporose der Wirbelsäule, eine Osteochondrose und Spondylose LWK 2/3, chronische Schmerzen der gesamten Wirbelsäule und Knicksenkfüße beidseits. Als klinisches Korrelat sei eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung aller Abschnitte der Wirbelsäule sowie ein erhöhter Muskeltonus der Nackenstrecker und langen Rückenstreckermuskeln festzustellen. Die volumetrische Bestimmung der Brustgröße habe ein Brustvolumen von 1280 ml rechts und 1320 ml links ergeben bei einem Körpergewicht von 68,8 kg. Eine Umrechnung in Gramm könne nicht sinnvoll nach den üblichen Formeln erfolgen, da das Brustgewebe atrophisch sei und die Brust vor allem aus einem überschüssigen Hautmantel bestehe. Eine Operationsindikation liege auf orthopädischem Fachgebiet nicht vor. Nach eigenen Angaben leide die Klägerin seit mindestens 20 Jahren unter chronischen Rückenschmerzen, die am ehesten auf dem Boden einer chronisch-muskulären Verspannung und Insuffizienz zu sehen seien. Außerdem liege die seit Kindheit bekannte Skoliose vor. Auch eine Osteoporose der Wirbelsäule führe bekanntermaßen zu einer Vermehrung der Brustkyphose. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass das Überhängen der Brüste hier in geringem Maße auch beitrage zu einer Verstärkung der Brustkyphose, dies sei jedoch von untergeordneter Bedeutung. Ein Zusammenhang zwischen einer Mastoptose und der Verschlechterung einer Osteoporose sei nicht bekannt.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG ein orthopädisches Gutachten bei Dr. W., P. S., ein. Dr. W. führte zusammenfassend aus, bei der Klägerin liege eine Insuffizienz der Rückenstreckmuskulatur vor mit erhöhtem Muskeltonus, deutlicher Verspannung und Druckdolenz, gepaart mit einer vermehrten Brustwirbelsäulenkyphosierung und Verkrümmung im Bereich der Brustwirbelsäule (rechtskonvex), die eine linkskonvexe Lumbalskoliose kompensierten. Wesentliche Ursache für die Nackenbeschwerden und Beschwerden in der Brustwirbelsäule bis hinreichend in den thorako-lumbalen Übergang sei die Gigantomastie, die zu einer Überbeanspruchung der Rückenstreckmuskulatur geführt habe. Die Kausalität sei gegeben, weil sich an der Brustwirbelsäule keine anderen relevanten pathologischen Veränderungen an dem Achsenskelett fänden, die ggf. schmerzauslösend sein könnten. Das Brustvolumen sei rechts mit 1580 ml und links mit 1550 ml bestimmt worden. Da das Normgewicht zwischen 300 und 500 g pro Brust betrage, dürfte das Reduktionsgewicht beidseits bei über 1000 g liegen. Physikalische und physiotherapeutische Maßnahmen hätten bisher zu keiner durchgreifenden Befundbesserung geführt. Durch das Tragen eines Büstenhalters mit verstärktem Rückenteil könne zwar die Ptose korrigiert und somit die Last der Brust nach cranial verlagert werden, der Schwerpunkt werde aber nicht nach dorsal verlagert, sondern er liege weiterhin ventral und führe somit weiterhin zur Überlastung der Rückenstrecker, so dass auch hierdurch kein relevantes Besserungspotential erwartet werden könne. Aus orthopädischer Sicht bleibe somit nur die operative Intervention als letzte Möglichkeit, um hier Befundlinderung im Bereich der Rumpfmuskulatur zu erreichen. Die Klägerin habe bei einer Körpergröße von 178 cm ein Gewicht von 71 kg und sei somit unterhalb des Normgewichtes, so dass eine weitere Gewichtsreduktion medizinisch nicht begründbar sei.

Mit Urteil vom 11.02.2004, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 23.03.2004, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im Wesentlichen aus, die bei der Klägerin bestehende Brustgröße habe für sich genommen keinen Krankheitswert. Erst eine außerordentlich starke Vergrößerung der Brust, eine sog. Gigantomastie, könnte u.U. als krankhaft bewertet werden. Ab welchem Brustvolumen bzw. Brustgewicht von einer Gigantomastie gesprochen werden könne, werde uneinheitlich bewertet, denn ein Normgewicht der Brust lasse sich nicht bestimmen. Evidenzbasierte Kriterien zur Abgrenzung krankheitswertiger Befunde lägen insoweit nicht vor. Die Voraussetzungen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne seien jedoch hinsichtlich der von der Klägerin geklagten Beschwerden im Wirbelsäulenbereich gegeben. Die Durchführung einer Brustreduktion zur Behebung dieser Beschwerden würde eine sog. "mittelbare Behandlung" darstellen, da ein Eingriff in ein an sich gesundes Körperorgan zur Behebung von Beschwerden in einem anderen Organ erfolgen würde. Die Behandlung gesunder Körperteile zur Behebung von Gesundheitsstörungen an anderen Körperteilen bedürfe allerdings der speziellen Rechtfertigung, weil eventuelle Folgekosten der zu Therapiezwecken vorsätzlich veranlassten Gesund-heitsschädigung wiederum die Gemeinschaft der Versicherten belasten könnten. Sei der therapeutische Nutzen einer solchen Maßnahme nicht ausreichend gesichert, bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für diese mittelbare Krankenbehandlung. Ein wirklich bewiesener Zusammenhang zwischen Brustvolumen bzw. -größe und Beschwerden des Halte-/Stützapparates liege bislang nicht vor, insbesondere seien prospektive, kontrollierte Studien oder randomisierte Arbeiten hierzu nicht vorhanden. Es stehe daher nicht fest, dass in der Beseitigung vermuteter brustlastinduzierter orthopädischer Beschwerden eine Mammareduktionsplastik die einzig verbleibende Therapieform sei. Zu Recht habe Prof. Dr. P. auch darauf hingewiesen, dass die Klägerin bereits seit mindestens 20 Jahren unter chronischen Rückenschmerzen leide, die am ehesten auf dem Boden einer chronisch-muskulären Verspannung und Insuffizienz zu sehen seien. Seit Kindheit liege auch die bekannte Skoliose vor. Die gegenteilige Einschätzung von Dr. W. sei nicht nachvollziehbar, da dieser keine überzeugenden Ausführungen zu einem kausalen Zusammenhang zwischen Brustvolumen bzw. -größe und Wirbelsäulenbeschwerden zugrunde lägen. Was die erwähnten Hautprobleme angehe, hätten Prof. Dr. P. und Dr. W. weder Entzündungen noch nässende Ekzeme feststellen können. Abgesehen davon seien Hauterkrankungen mit den Mitteln der Dermatologie und einer entsprechenden hygienischen Prophylaxe zu behandeln. Auch die psychischen Probleme rechtfertigten nicht die Durchführung einer Brustverkleinerung (Hinweis auf Urteile des BSG vom 10.02.1993 - 1 RK 14/92 und vom 09.06.1998 - B 1 KR 18/96 R -).

Hiergegen richtet sich die am 05.04.2004 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor, sie sei auf eine Mammareduktionsplastik dringend angewiesen, da dadurch der pathologische Befund schwerer Schmerzen im Bereich des Nackens, im Bereich der BWS und der LWS deutlich reduziert werden könnte. Konservative Maßnahmen wie Krankengymnastik und Heißluftbehandlungen hätten bisher keine ausreichende Wirkung gehabt. Sie sei seit Jahren zwei- bis dreimal in der Woche bei einer Krankengymnastin in Behandlung und erhalte parallel dazu Heißluft-behandlungen. Das Gewicht der Brust weiche vom Normalmaß stärker ab als dessen Größe. Insbesondere durch die Schwere der Brust sei die beantragte Maßnahme dringend medizinisch notwendig. Dr. W. habe dies in überzeugender Weise dargestellt. Auch die behandelnden Ärzte Dres. H. und K. verträten diese Auffassung. Durch die beantragte Mammareduktionsplastik könne sie wieder z.B. länger Schwimmen, die Schmerzen wären erträglicher. Auch die Abhängigkeit von Schmerzmitteln würde in der Zukunft positiv beeinflusst. Zur Stützung ihres Begehrens hat die Klägerin den Entlassungsbericht der P. R.-Klinik über die stationäre Behandlung vom 03.09. bis 15.10.2003 und einen endokrinologischen Befundbericht vom März 2004 beigefügt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Februar 2004 sowie den Bescheid vom 3. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat von der P. R.-Klinik den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 20.08. bis 15.10.1997 beigezogen sowie Dr. H. und Dr. B., Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, als sachverständige Zeugen gehört.

Dr. H. hat bekundet, die Klägerin werde regelmäßig, zumindest einmal im Quartal behandelt. Er habe eine kombinierte Skoliose geringer Ausprägung, ein Cervikocranialsyndrom, eine Dorsalgie bei Fehlstatik der Wirbelsäule, eine Mammahypertrophie, Ptose, ein Genu varum, Senk-Spreizfuß beidseits sowie einen Z.n. mehrfachen Kieferoperationen einschließlich Exhairese des N. mandibularis und N. intercostales diagnostiziert. Die anhaltenden Beschwerden im Bereich der Brustwirbelsäule hätten sich unter der krankengymnastischen Therapie einschließlich Schlingentischbehandlung nicht relevant gebessert. Er habe in seinem Bericht vom Juni 2000 ausgeführt, dass ein Teil der Problematik durch die Belastung der ptotisch herabhängenden Brüste hervorgerufen werde, da das Gewicht pathologisch vermehrt sei. Durch das im Rahmen der Skoliose flache Profil seien die Kompensationsmechanismen reduziert. Dr. H. hat u.a. eigene Befundberichte vom Februar 2002 und Dezember 2003 und einen Arztbrief des K.-O.-Krankenhauses S. vom Januar 1999 übersandt.

Dr. B. hat ausgeführt, er behandle die Klägerin seit Juni 1991 regelmäßig. Seit April 1997 seien zunehmend Schmerzen im Nacken und Brustwirbelsäulenbereich aufgetreten. Trotz intensiver physiotherapeutischer Maßnahmen unter Regie des behandelnden Orthopäden Dr. H. sei im Laufe der Jahre eine kontinuierliche Verschlimmerung zu beobachten gewesen. Eine Entlastung der in Folge des Übergewichts beider Mammae gestörten Statik der Brustwirbelsäule sei seit längerem angeraten und überfällig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Mammareduktionsplastik.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der Krankenbehandlung und Krankenhausbehandlung sind im Urteil des SG zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das SG hat ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, unter welchen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung vom Vorliegen einer Krankheit auszugehen ist. Auch hierauf wird verwiesen.

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten hat die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Mammareduktionsplastik, wie das SG im Urteil ausführlich und zutreffend begründet hat. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG in vollem Umfang an und sieht deswegen insoweit von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung führen ebenso wenig zu einer anderen Entscheidung wie die neuesten Urteile des Bundessozialgerichts vom 19.10.2004 zur Brustverkleinerung und Brustvergrößerung ausweislich der Pressemitteilung Nr. 57/04.

Vorliegend ist bereits fraglich, ob bei der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand durch die Mammahypertrophie und die ausgeprägte Ptose besteht, denn große Brüste als solche stellen noch keinen regelwidrigen Körperzustand dar; allein auf die Größe der Brust darf im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Operation nicht abgestellt werden, denn insoweit würde der kosmetische Effekt im Vordergrund stehen. Die Frage eines regelwidrigen Körperzustandes kann vielmehr nur in einer Zusammenschau von Körpergröße, Gewicht und Größe der Brüste, von dermatologischen Veränderungen, Asymmetrien, Ptose usw. beurteilt werden. Dabei ist entscheidend, ob eine entstellende Wirkung oder wesentliche Funktionseinschränkung vorliegt. Insoweit ist von Bedeutung, dass bei der normalgewichtigen Klägerin zwar eine ausgeprägte Ptosis beider Mammae, jedoch keine Gigantomastie vorliegt. Vielmehr handelt es sich ausweislich des Berichts des Marienhospitals Stuttgart vom Mai 2000 und der Feststellungen von Prof. Dr. P. um eine Atrophie der Brustdrüsen mit ausgedehnt überschüssigem Hautmantel bei vorbestehender Mammahypertrophie (ausgeprägte Mastoptose). Hautveränderungen oder Ekzeme in Folge der Ptose sind nicht belegt, auch ergibt sich kein Anhalt für entsprechende dermatologische Behandlungen der Klägerin. Ebenso wenig vermochte sich der Senat von wesentlichen negativen Auswirkungen der Mastoptose auf das Skelettsystem, insbesondere die Wirbelsäule der Klägerin, zu überzeugen. Die nachgewiesenen degenerativen Veränderungen stehen in keinem Ursachenzusammenhang mit einer Mammahypertrophie und Ptose, denn die Skoliose ist bereits seit Kindheit bekannt. Im Rahmen der Skoliose sind im Anschluss an Prof. Dr. P. auch die Veränderungen des Sagittalprofils der Wirbelsäule wie die einer Abflachung oder Vermehrung der Brustkyphose, wie sie bei der Klägerin vorhanden sind, zu sehen. Auch die nachgewiesene Osteoporose der Wirbelsäule führt zu einer Vermehrung der Brustkyphose, wobei - so Prof. Dr. P. - jedoch kein Zusammenhang zwischen einer Mastoptose und der Verschlechterung einer Osteoporose bekannt ist. Nach den Angaben der Klägerin und auch ausweislich der vorliegenden Entlassungsberichte der P. R.-Klinik leidet die Klägerin seit mindestens 20 Jahren, also seit einer Zeit, als noch keine Mammahypertrophie bestand, unter chronischen Rückenschmerzen, die nach den auch den Senat überzeugenden Darlegungen von Prof. Dr. P. am ehesten auf dem Boden einer chronisch-muskulären Verspannung und Insuffizienz zu sehen sind. Es kann zwar mit Prof. Dr. P. nicht ausgeschlossen werden, dass das Überhängen der Mammae in geringem Maße auch zu einer Verstärkung der Brustkyphose beiträgt, dieser Aspekt ist indes von untergeordneter Bedeutung und kann angesichts der bereits seit Jahrzehnten bestehenden Wirbelsäulenprobleme nicht als gravierend angesehen werden. Hinzu kommt, dass bei der Klägerin Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule bestehen und die degenerativen Veränderungen vorwiegend in der Lendenwirbelsäule vorliegen. Nur in geringerem Maße bestehen auch degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, die das Altersmaß jedoch nicht überschreiten. Aus den Aussagen von Dr. H. und dem Gutachten von Dr. W. ergibt sich insoweit nichts anderes. In den Entlassungsberichten der P. R.-Klinik wird ein chronisches Schmerzsyndrom bzw. ein chronisch generalisiertes Schmerzsyndrom, welches nicht nur den HWS- oder den BWS-Bereich betrifft, beschrieben. Ein Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung der Klägerin liegt hier nahe.

Aber selbst wenn mit Dr. H. und Dr. W. in der Brustlast eine Mitursache für die schmerzhaften Muskelverspannungen gesehen wird - gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich eines Zusammenhangs zwischen Wirbelsäulen-/Schulterbeschwerden und Brustgröße bzw. -last existieren bisher nicht -, so begründet dies keinen Anspruch der Klägerin auf die Brustverkleinerungsoperation. Denn durch diese Operation wird in ein im Grunde gesundes Organ, nämlich die "große" Brust eingegriffen. Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (hier Narkose, kosmetisches Ergebnis, Operationsfolgen z.B. Entzündung) verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung im Bereich der Brust stets nur die Ultima ratio sein. Hierauf hat das BSG im Zusammenhang mit der Applikation eines Magenbandes bei Adipositas hingewiesen (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -). Für die von der Klägerin begehrte Brustverkleinerungsoperation gilt nichts anders. Dies bedeutet, dass vor Durchführung einer Brustverkleinerungsoperation zunächst sämtliche Behandlungsalternativen durchzuführen sind (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 20.04.2004 - L 11 KR 1886/03 - und vom 08.06.2004 - L 11 KR 4711/03 -; Beschluss vom 23.09.2004 - L 11 KR 2211/04 -). Als solche kommen vorliegend krankengymnastische Behandlungen, manuelle Therapie und Muskelaufbautraining in Betracht. Bei der Klägerin wurden zwar nach ihren Angaben und auch der Aussage von Dr. H. Krankengymnastik, Schlingentischbehandlungen, Antiphlogistika und Ultraschallanwendungen als Phonophorese eingesetzt, die Dauer und Häufigkeit ist indes nicht bekannt. Unabhängig davon ergibt sich jedoch aus den Entlassungsberichten der P. R.-Klinik, dass die Wirbelsäulenbeschwerden durchaus gebessert werden konnten. Nicht erforderlich ist, dass es durch die Therapie zu einer vollständigen Heilung kommt, was im übrigen auch durch die begehrte Operation nicht erreicht werden könnte, zumal die von der Klägerin und von Dr. H. behauptete Erfolglosigkeit der Behandlung gerade dagegen spricht, dass die Beschwerden tatsächlich durch die Brustlast verursacht werden. Vielmehr spricht dies für eine psychische Ursache im Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung. Mit einer Mammareduktionsplastik können jedoch die damit zusammenhängenden Probleme nicht gelöst werden. Dabei verkennt der Senat nicht, dass eine kosmetische Korrektur der Mastoptose sich möglicherweise auch positiv im Rahmen der psychischen Erkrankung der Klägerin auswirken könnte. Dies begründet indes keinen Kostenübernahmeanspruch, denn die begehrte Mammareduktionsplastik stellt insoweit keine erforderliche Krankenbehandlung dar. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht verpflichtet, zur Behebung einer psychischen Störung die Kosten für den operativen Eingriff in einen im Normbereich liegenden Körperzustand zu tragen. Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, würde es zu einer mit dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung unvereinbaren Ausweitung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen führen, wenn die Versicherte auf Kosten der Krankenkasse operative Eingriffe vornehmen lassen könnte, um einen im Normbereich liegenden Körperzustand zu verändern, nur weil sie psychisch auf die gewünschten Änderungen fixiert ist. Andernfalls müssten die Krankenkassen - bei entsprechender psychischer Fixierung - den Versicherten auch kostspielige Schönheitsoperationen gewähren, wenn sie an ihrem Aussehen leiden. Eine Grenzziehung wäre kaum möglich. Zu Recht hat die Rechtsprechung die Krankenkassen daher bislang nur in den Fällen als leistungsverpflichtet angesehen, in denen die Krankenbehandlung unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzt. Soweit eine psychische Störung vorliegt, ist diese mithin mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln, nicht jedoch mit einem operativen Eingriff in einen regelrechten Körperzustand (vgl. BSG, Urteile vom 10.02.1993 - 1 RK 14/92 - und vom 09.06.1998 - B 1 KR 18/96 R -).

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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