Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1722/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1484/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte unter Rücknahme früherer Bescheide beim Kläger eine beiderseitige Schultergelenkserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) festzustellen und Entschädigungsleistungen zu gewähren hat bzw. ob diese wie eine BK nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entschädigen ist.
Der 1949 geborene Kläger war von April 1965 bis Dezember 1974 als Maler und Lackierer im Betrieb seines Vaters beschäftigt. Nach Übernahme des väterlichen Betriebes war er von Januar 1975 bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit ab 10. Juli 1991 als selbstständiger Maler- und Lackierermeister tätig.
Am 20.12.1990 erstattete der Orthopäde Dr. V. eine ärztliche Anzeige über eine BK. Als Diagnose nannte er ein degeneratives Rotatorenmanschettensyndrom links, das auf Überkopfarbeiten und generell auf Malerarbeiten zurückgeführt werde. Die Beklagte holte einen Bericht vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. E ein, der unter dem 18.2.1991 ausführte, der Kläger habe ihn wegen einer Schultergelenkserkrankung erstmals am 1.3.1989 aufgesucht. Damals hätten typische Zeichen einer Periarthritis humeroscapularis rechts mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung, besonders bei Elevation und Belastung, bestanden. Wegen Therapieresistenz (nach sechsmaliger Vorstellung im Jahr 1989) sei eine Überweisung zum Orthopäden erfolgt. 1990 hätten auch Behandlungen wegen einer Epicondylitis radialis humeri rechts stattgefunden.
Dr. R., Leiter der Handchirurgischen Abteilung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, führte im Gutachten vom 21.1.1992 aus, röntgenologisch fänden sich geringfügige altersgemäße degenerative Veränderungen der Schultereckgelenke beidseits mit leichten Ausziehungen der Gelenkflächen; ansonsten finde sich kein objektivierbarer krankhafter Befund.
Mit Bescheid vom 15.5.1992 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, da keine durch die versicherte Tätigkeit verursachte Erkrankung der Sehnenscheiden (BK Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKVO) vorliege.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, verwies auf den Arztbrief von Prof. Dr. W., Chefarzt der Orthopädischen Klinik Markgröningen, vom 5.8.1992, wonach eine AC-Gelenksarthrose beidseits sowie ein Bizepssyndrom beidseits bei Periarthritis humeroscapularis vorliege. Ferner legte er den Arztbrief von PD Dr. T., Leitender Arzt der Baumann Klinik, vom 14.7.1992 vor, in dem als Diagnosen Bizepssehnensyndrom links, stärker als rechts, bei Periarthritis humeroscapularis beidseits genannt werden. Sonografisch finde sich kein Hinweis auf eine Rotatorenmanschettenruptur oder eine Bursitis. Röntgenologisch finde sich eine beginnende AC-Gelenksarthrose.
In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 27.1.1993 verneinte Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor des Katharinenhospitals, das Vorliegen einer BK Nr. 2101. Röntgenologisch seien im AC-Gelenk rechts eine deutliche Arthrose und im linken Schultereckgelenk deutliche arthrotische Veränderungen nachweisbar. Die Arthrographie habe links keinen Defekt in der Rotatorenmanschetten gezeigt. Die klinische Untersuchung und der Sonografie-Befund wiesen auf eine Tendinitis im Bereich der Supraspinatussehne, links mehr als rechts, hin.
In einem für die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg erstatteten Gutachten vom 14.10.1991 stellte der Chirurg Dr. G. die Diagnosen einer Belastungsminderung der oberen Extremitäten bei Epicondylitis humero radialis beidseits, rechts im Vordergrund stehend, sowie eines Supraspinatussyndroms beidseits.
Am 27.4.1993 unterzog sich der Kläger einer diagnostischen Arthroskopie mit Neer-Plastik und AC-Gelenksrevision der linken Schulter. Im Operationsbericht wird eine ausgeprägte Arthrose beschrieben; eine ca. 5 mm breite Schuppe unterhalb des Acromeons, die bis ins AC-Gelenk reiche, wurde entfernt. Mit Widerspruchsbescheid vom 9.7.1993 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die hiergegen zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobene Klage (S 6 U 2326/93) nahm der Kläger zurück, nachdem sich Dr. V. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 14.10.1993 der Beurteilung von Prof. Dr. H. angeschlossen hatte, dass eine BK nach Nr. 2101 nicht vorliege. Unabhängig davon stelle sich aber die Frage der weiteren beruflichen Belastbarkeit.
Am 26.4.1994 beantragte der Kläger unter Vorlage des Bescheides des Versorgungsamts Stuttgart vom 19.7.1993 (Grad der Behinderung 50) und von Befundberichten der Radiologen Dr. W. vom 23.4.1993 (Verdünnung der Rotatorenmanschette im Sinne eines Impingement bei Labrumdegeneration sowie Arthrose im AC-Gelenk links) und Dr. K. vom 30.3.1994 (Degenerative hypertrophe Arthropathie des AC-Gelenks rechts mit subacromealer Stenose und Impingement der Rotatorenmanschettensehne. Degenerative Sehnenveränderungen) sowie des sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Dr. St.) vom 8.7.1993 (Anlagebedingtes Verschleißleiden, das durch die berufliche Tätigkeit mit ständiger schwerer körperlicher Arbeit und ständigen Überkopfarbeiten gefördert wurde) erneut die Anerkennung einer BK wegen seiner Schultergelenksbeschwerden.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. H., Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik Ulm, zusammen mit Dr. K. das Gutachten vom 20.10.1994. Er stellte beim Kläger eine erhebliche aktive Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke mit fortgeschrittener Tendopathie im Bereich der langen Bizepssehne und der Supraspinatussehne sowie eine degenerative Ausdünnung der Rotatorenmanschette links und eine Arthrose in den Schultereckgelenken, rechts mehr als links, fest. Der Krankheitsverlauf (Wechsel der Beschwerden zwischen rechtem und linkem Schultergelenk) sei typisch für degenerative Sehnenerkrankungen. Die Tätigkeit des Klägers (Linkshänder) sei geeignet gewesen, eine vorzeitige Degeneration der Rotatorenmanschette hervorzurufen. Die Überkopfarbeiten seien somit mit großer Wahrscheinlichkeit die wesentliche Teilursache i.S. einer richtunggebenden Verschlimmerung der linksseitigen fortgeschrittenen degenerativen Tendopathie im Bereich der langen Bizepssehne und der Supraspinatussehne sowie der degenerativen Ausdünnung der Rotatorenmanschette. Deswegen sei eine BK Nr. 2101 der BKV anzuerkennen. Die Degeneration der Rotatorenmanschette der rechten Schulter sei altersentsprechend. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30%.
Nachdem Dr. K. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.12.1994 Bedenken gegen diese Beurteilung geäußert hatte, holte die Beklagte bei Prof. Dr. W. eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage ein. Dieser führte unter dem 29.12.1994 aus, die diagnostizierte beidseitige Tendopathie der Bizepssehne und der Supraspinatussehne seien Erkrankungen des Sehnengewebes, nicht jedoch Erkrankungen der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes oder der Sehnen- oder Muskelansätze. Es gebe auch keine epidemiologischen Studien, die nachweisen könnten, dass bei Überkopfarbeiten Erkrankungen im Sinne einer sogenannten Periarthritis humeroscapularis besonders häufig aufträten; vielmehr handle es sich um eine überaus häufige Erkrankung des Schulterweichteile, die in den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen vorkomme.
Mit Bescheid vom 28.3.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 14.7.1995 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 15.5.1992 gem. § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X ab.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG (S 6 U 2736/95). Während des Klageverfahrens erließ die Beklagte den Bescheid vom 26.2.1996, mit dem sie dem Kläger mitteilte, die Schultergelenkserkrankung sei auch keine durch die versicherte Tätigkeit verursachte BK nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der Kläger legte ein von Prof. Dr. W. in einem Schwerbehindertenverfahren (S 1 Vs 2590/95) eingeholtes Gutachten vom 7.1.1996 vor, der darin ausführt, die degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette wie auch der Schultereckgelenke beidseits gingen weit über das altersentsprechende Maß hinaus. Sie seien zu Recht als BK anerkannt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG bei Prof. Dr. R., Abteilungsleiter der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg, das Gutachten vom 21.8.1996 ein. Dieser führte darin aus, beim Kläger liege eine beidseitige Arthrose der Schultereckgelenke vor. Es sei bisher wissenschaftlich nicht belegt, dass Degenerationen der Rotatorenmanschette in bestimmten Berufen häufiger vorkämen. Es gebe keine epidemiologischen Studien, dass bei Überkopfarbeiten Erkrankungen im Sinne einer so genannten Periarthritis humeroscapularis besonders häufig aufträten.
Mit Urteil vom 11.12.1997 wies das SG - gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. R. - die Klagen ab.
Hiergegen legte der Kläger Berufung (L 7 U 422/98) ein. Das Landessozialgericht (LSG) holte eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. R. vom 2.7.1998 ein, der an seiner bisherigen Beurteilung festhielt und ergänzend ausführte, beim Kläger handle es sich um eine Erkrankung der Sehnenplatte mehrere Zentimeter zentral vom Sehnenansatz entfernt und um keine Erkrankung des Sehnengleitgewebes, der Sehnenscheiden und des Sehnenansatzes. Der Kläger verwies auf eine Äußerung des Orthopäden Dr. B. vom 15.10.1998, der behauptete, eine Unterscheidung zwischen Sehnenansatz und Sehnenplatte sei im Rotatorenbereich nicht möglich. Bei einer Erkrankung der Rotatorenmanschette sei immer eine Mitbeteiligung der Ansätze der an den Rotatoren beteiligten Muskeln gegeben; es handle sich somit immer um eine Sehnenansatzerkrankung.
Mit Urteil vom 12.8.1999 wies der 7. Senat des LSG die Berufung zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg (Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 14.12.1999 - B 2 U 260/99 B).
Am 22.3.2000 beantragte der Kläger erneut nach § 44 SGB X die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101. Er verwies u. a. auf Befundberichte des Radiologen Dr. K. vom 22.2., 8.3. und 9.3.2000, wonach eine Hochfeld-Magnetresonanztomografie (MRT) des linken Schultergelenks eine schwere Impingementkonstellation III und eine Hochfeld-MRT der rechten Schulter die ähnlichen Beeinträchtigungen ergeben habe. Die Krankheitserscheinungen erfassten die Sehnenscheiden, das Sehnengleitgewebe sowie die Sehnenansätze. Ihm sei von Ärzten mitgeteilt worden, dass eine Erkrankung immer von den Ansätzen ausgehe und dann auf die Sehnen übergreife. Nach Auswertung der MRT-Befunde durch Dr. K. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.9.2000 (Neue Erkenntnisse ergäben sich daraus nicht. Beim Rotatorenmanschettenschaden handle es sich primär um eine Erkrankung der Sehnen und nicht um eine Schädigung des Gleitgewebes bzw. der Muskel- und Sehnenansätze) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.9.2000 den Antrag auf Rücknahme der früheren Bescheide ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.1.2001 zurück.
Der Kläger erhob hiergegen am 27.2.2001 Klage zum SG (S 9 U 931/01). Auf seinen Antrag gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG ein Gutachten bei Prof. Dr. E., Institut für Arbeitsmedizin, vom 2.11.2001 nebst einem orthopädischen Zusatzgutachten von Dr. B. vom 14.10.2001 ein. Sie führte aus, Dr. B. komme zum Ergebnis, dass beim Kläger an beiden Schultergelenken degenerative Veränderungen der Sehnenverläufe, der Sehnenscheiden und der Sehnenansätze vorlägen, wobei sich links eine stärkere Beschwerdesymptomatik finde. Bei dem Begriff Periarthritis humeroscapularis handle es sich um einen Sammelbegriff von Weichteilerkrankungen im Bereich der Schulterregion. Periarthritis bedeute eine entzündliche Erkrankung des das Gelenk umgebenden Gewebes. Unter dem Oberbegriff der Periarthritis humeroscapularis würden Erkrankungen subsumiert, die nicht exakt vom Wortlaut der BK Nr. 2101 erfasst seien, wie Erkrankungen der Muskulatur oder der Sehnen. Zu berücksichtigen sei aber, dass mit Aufnahme der Erkrankungen der Sehnenansätze und der Sehnenscheiden 1952 in die Berufskrankheitenliste auch die Periarthritis erfasst werden sollte. Beim Kläger liege nach der Diagnose von Dr. B. eine Erkrankung der Sehnenscheiden und Sehnenansätze im Bereich der Schulterregion vor. Die beruflichen Belastungen seien beim Kläger auch geeignet gewesen, eine BK Nr. 2101 hervorzurufen. Sie schätzte die MdE hierfür auf 20 vH.
Das SG holte gutachterliche Stellungnahmen von Prof. Dr. R. vom 30.4.2001, 5.2. und 12.8.2002 ein. Dieser führte aus, Dr. K. habe zutreffend dargelegt, dass es sich beim Kläger primär um eine Erkrankung der Sehnen und nicht der Sehnenansätze handele. Der Begriff Periarthritis humeroscapularis werde seit Jahrzehnten nur noch als Abrechnungs- oder Verdachtsdiagnose verwendet, denn seit 25 Jahren hätten sich die diagnostischen Möglichkeiten stark verbessert, weswegen eine differenziertere Diagnosestellung möglich sei. Beim Kläger liege primär eine Erkrankung des Sehnenverlaufes vor und nicht eine Erkrankung des Sehnengleitgewebes oder der Sehnenansätze. In keiner ihm bekannten Untersuchungen werde davon ausgegangen, dass die Rotatorenmanschettenläsion im Sehnenansatz beginne. Der Schaden beginne in der Sehne und stehe in engem Zusammenhang mit umformenden Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenks (regelmäßig jenseits des 40. Lebensjahres). Die Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenks und die Ernährungsstörungen in der Rotatorenmanschette seien der Hauptgrund für Rotatorenmanschettenschäden. Ausweislich der Kernspintomographie vom 23.4.1993 (linke Schulter) und 29.3.1994 (rechte Schulter) habe es sich beim Kläger am Anfang der Schultersymptomatik um eine Schultereckgelenksarthrose gehandelt, in deren Folge sich eine Rotatorenmanschettenläsion mehrere Zentimeter zentral vom Ansatz der Rotatorenmanschette am Oberarm entfernt entwickelt habe, und zwar zunächst ohne durchgehende Defektbildung. Erst nach weiterer Verschlechterung seien die Sehnenansätze der Rotatorenmanschette miterfasst worden. Die Interpretation von späteren Befunden, z. B. Kernspintomographie aus dem Jahr 2000, lasse keine Rückschlüsse auf den Erstschaden zu.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 19.12.2002 verwies Professor Dr. E. darauf, dass anlässlich der 5. Verordnung über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten der damalige Leiter der ärztlichen Abteilung im damaligen Bundesministerium für Arbeit Dr. M. B. auch die Periarthritis als mitumfasst angesehen habe.
Mit Urteil vom 13.3.2003, dem Kläger am 30.4.2003 zugestellt, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger habe keine für das Gericht neuen und erheblichen Tatsachen und Erkenntnisse vorgetragen, die in vorangegangenen Entscheidungen nicht beachtet worden seien. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Schultern können auch nicht nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII als Erkrankung festgestellt und wie eine BK entschädigt werden.
Den Antrag des Klägers vom 15.5.2003 auf Zulassung der Sprungrevision lehnte das SG mit Beschluss vom 16.6.2003, dem Kläger zugestellt am 10.7.2003, ab.
Am 24.7.2003 legte der Kläger Berufung (L 1 U 2998/03) ein, die der 1. Senat des LSG mit Urteil vom 8.10.2004 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X. Die Ausführungen von Prof. Dr. E. konkretisierten zwar teilweise einzelne Gesichtspunkte der in den vorangegangenen Verfahren bereits bekannten Umstände, stellten jedoch im Ergebnis keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse dar, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Ablehnung der Anerkennung einer BK ergebe. Auch für die mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellung der Schultergelenkserkrankung des Klägers als Quasi-BK nach § 551 Abs. 2 RVO lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme der bestandskräftigen Ablehnungsentscheidungen der Beklagten nicht vor. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde mit Beschluss des BSG vom 13.1.2005 (B 2 U 374/04 B) als unzulässig verworfen.
Am 12.12.2005 beantragte der Kläger erneut (zum vierten Mal) die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101 der BKVO. Er legte dazu einen Aufsatz von Prof. Dr. E. im Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergometrie, Heft 10,2003 S. 536 ff. zum Thema "Können Läsionen der Rotatorenmanschette als Berufskrankheit gewertet werden", eine Stellungnahme des Radiologen Dr. Sch. vom 4.3.2005 basierend auf der im Verfahren S 9 U 931/01 vorgelegten Stellungnahme vom 26.4.2002, die Gutachten von Dr. B. vom 14.10.2001 und Dr. G. vom 14.10.1991, den Befundbericht des Radiologen Dr. W. vom 23.4.1993 und einen Auszug des sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom 8.7.1993 sowie ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 19.12.2005 vor.
Mit Bescheid vom 10.1.2006 lehnte die Beklagte eine erneute Sachprüfung ab, da sich aus dem nunmehrigen Antrag keine neuen Tatsachen und oder neuen rechtlichen Erwägungen ergäben. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und Arztbriefe von Dr. V. vom 4.4.1989 und 23.1.1990 vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.2.2006 zurück. Alle vorgelegten Unterlagen hätten zumindest im letzten Gerichtsverfahren bereits vorgelegen.
Hiergegen erhob der Kläger am 13.3.2006 Klage zum SG (S 1 U 1722/06), mit der er die Anerkennung einer BK Nr. 2101 und die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 30 vH weiter verfolgte. Er legte dazu das Gutachten von Dr. G. vom 14.10.1991 und den Arztbrief von Dr. V. vom 4.4.1989 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.2.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen für eine neue Sachprüfung lägen nicht vor; diese sei deswegen von der Beklagten mit zutreffenden Gründen abgelehnt worden.
Gegen den am 27.2.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.3.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, es seien neue Tatsachen dargelegt worden, die das SG nicht hinreichend beachtet und gewürdigt, insbesondere auch nicht zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht habe. Im Verfahren S 9 U 931/01 hätten Dr. B. und Prof. Dr. E. das Gutachten von Prof. Dr. R. überzeugend und eindeutig widerlegt. Deswegen hätten schon die früheren Entscheidungen anders ausgehen müssen. Von einer Arthrose, die Prof. Dr. R. beim Kläger unterstelle, könne keine Rede sein. Neu seien die Erstdiagnose von Dr. V. im Arztbrief vom 4.4.1989 (Supraspinatussyndrom rechts) und die Feststellungen von Dr. G. im Gutachten vom 14.9.1991. Die Erkrankung der Rotatorenmanschette und die AC-Gelenksarthrose seien Begleit- und Folgeerscheinungen der Erkrankung des Sehnenansatzes. Nicht der Sehnenverlauf, sondern der Sehnenansatz sei Auslöser für die Aufgabe der Tätigkeit. Die Sehnenansatzerkrankung sei auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen, was Dr. H./Dr. K. und Prof. Dr. E. bestätigt hätten. Ein erneutes orthopädisches Gutachten werde nachweisen, dass es sich bei seiner Erkrankung um eine BK Nr. 2101 handle.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 15. Mai 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 1993 und des Bescheides vom 26. Februar 1996 sowie des Bescheides vom 26. September 2000 die beiderseitige Schultergelenkserkrankung als BK Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKVO festzustellen und Entschädigungsleistungen zu gewähren, hilfsweise die beiderseitige Schultergelenkserkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, der angefochtene Gerichtsbescheid sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Neue Tatsachen und Erkenntnisse, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidungen ergebe, mit denen die vom Kläger geltend gemachte BK abgelehnt worden sei, seien nicht vorgetragen worden. Der Kläger argumentiere - wie in früheren Verfahren - mit der seinerzeit abgegebenen Begründung. Dies sei im Verfahren nach § 44 SGB X nicht zulässig.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Stuttgart (S 6 U 2326/93, S 6 U 2736/95, S 9 U 931/01 und S 1 U 1722/06) sowie des LSG (L 7 U 422/98, L 1 U 2998/03 und L 9 U 1484/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingegangene Berufung des Klägers ist zulässig, soweit er die Feststellung einer BK nach Nr. 2101 der BKVO unter Rücknahme bestandskräftiger Bescheide begehrt. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht statthaft, soweit der Kläger die Entschädigung der Schultergelenkserkrankung wie eine BK gem. § 551 Abs. 2 RVO begehrt. Denn hierüber wurde im Gerichtsbescheid des SG - mangels eines entsprechenden Klageantrages - nicht entschieden. Auch hat der Kläger bei der Beklagten im Dezember 2005 im Wege des Rücknahmeverfahrens die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101 und nicht die Entschädigung wie eine BK nach § 551 Abs. 2 RVO begehrt, sodass es insoweit auch schon an einem entsprechenden Verwaltungsakt hierüber fehlt. Darüber hinaus hat der Kläger auch keine neuen Erkenntnisse im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO behauptet.
Die hinsichtlich der Feststellung einer BK nach Nr. 2101 zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Behörde in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119 f;). Soweit die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl. §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere, ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der aufgezeigten Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist zu berücksichtigen, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vergleiche zum Vorstehenden insgesamt BSG Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auch der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme der früheren bestandskräftigen Bescheide nicht vorliegen. Der Kläger hat weder neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht noch ist das Recht in der Vergangenheit unrichtig angewendet worden. Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger zur Begründung des Überprüfungsantrags geltend gemacht, es ergebe sich durch die im nunmehr vorgelegten Arztbrief von Dr. V. vom 4.4.1989 und im Gutachten von Dr. G. vom 14.10.1991 gestellte Diagnose "Supraspinatussyndrom" der neue Sachverhalt, dass als Erstdiagnose eine Sehnenansatzerkrankung festgestellt worden sei. Es sei bisher in den Gutachten und Entscheidungen nicht berücksichtigt worden, dass durch die Überkopf-Arbeit als Maler der Musculus supraspinatus am Sehnenansatz zu einem schmerzhaften Bogen geführt habe. Die Erkrankung der Rotatorenmanschette und die AC-Gelenksarthrose seien Folgeerscheinungen des Sehnenansatzes.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Unter dem Begriff des Supraspinatussyndroms wird ausweislich der in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 1863 gegebenen Definition ein Symptomenkomplex bei meist ansatznahem Riss der Sehnenplatte des Musculus supraspinatus mit plötzlich in den Musculus deltoideus ausstrahlendem Schmerz verstanden, während der Begriff des Supraspinatussehnensyndroms ein Synonym der Periarthropathia humeroscapularis ist (Pschyrembel aaO). Ein ansatznaher Riss der Sehnenplatte, welcher im Übrigen auch keine Sehnenansatzerkrankung wäre, lag beim Kläger zu Beginn seiner Erkrankung nach den vorliegenden ärztlichen Äußerungen nicht vor. Zudem hatte Dr. E der Beklagten am 18.2.1991 berichtete, dass der Kläger bei Beginn der Behandlung am 1.3.1989 die typischen Zeichen einer Periarthritis humeroscapularis rechts gezeigt habe und auch im Vorerkrankungsverzeichnis wird als Grund der vom 1. bis zum 17.3.1989 dauernden Arbeitsunfähigkeit eine Periarthritis humeroscapularis aufgeführt. Somit wird der Begriff des Supraspinatussyndroms im Arztbrief von Dr. V. synonym mit dem Begriff der Periarthritis humeroscapularis verwendet, sodass sich hieraus kein neuer Sachverhalt ableiten lässt.
Das Gutachten von Dr. G. vom 14.10.1991 lag der Beklagten schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 9.7.1993 vor und demgemäß allen Sachverständigen, die den Kläger in den daran anschließenden Verfahren begutachtet haben. So hat schon Prof. Dr. H. im Gutachten vom 27.1.1993 ausgeführt, der klinische und sonografische Befund weise auf eine Tendinitis im Bereich der Supraspinatussehne links mehr als rechts hin; es finde sich eine fortgeschrittene Arthrose in den Schultergelenken beidseits. Der Beurteilung von Prof. Dr. H., dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 nicht vorliege, hat sich Dr. V. in seiner Zeugenaussage vom 14.10.1993 ausdrücklich angeschlossen und lediglich die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die geschilderten degenerativen reaktiven Veränderungen, unabhängig von der Ätiologie, auf die berufliche Belastbarkeit des Klägers auswirken.
Der Kläger übersieht auch, dass Prof. Dr. E. am Ende der im Verfahren S 9 U 931/01 durchgeführten Beweisaufnahme in der Stellungnahme vom 19.12.2002 dargelegt hat, dass krankhafte Veränderungen der Rotatorenmanschette in der Mehrzahl die Supraspinatussehne beträfen und dass angenommen werde, dass die Supraspinatussehne etwa 1 cm von ihrem Ansatz am Knochen entfernt eine kritische Zone habe. Die meisten Läsionen befänden sich in diesem kritischen Bereich und würden, was auch Prof. Dr. E. einräumt, nach der gängigsten Theorie als primäre Sehnenläsionen angesehen. Damit befindet sich Prof. Dr. E. aber letztlich in Übereinstimmung mit Prof. Dr. W. (Stellungnahme vom 29.12.1994) und Prof. Dr. R., die die beim Kläger primär festgestellten Tendopathien im Bereich der langen Bizepssehnen und der Supraspinatussehnen als Erkrankungen des Sehnengewebes und nicht der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes und der Sehnen- und Muskelansätze i.S.der BK Nr. 2101 bezeichnen. Frau Dr. E. verteidigt letztlich mit einer historischen Argumentation die Einbeziehung von primären Sehnenläsionen in den Bereich der BK Nr. 2101, wenn sie ausführt, dass in der Begründung zur Berufskrankheit Nr. 22 aus dem Jahr 1952 von einer Überbeanspruchung der Sehne die Rede sei und nicht nur von einer Überbeanspruchung des Sehnenansatzes, sodass es aus ihrer Sicht keine Rolle spiele dürfe, ob die Beeinträchtigung des Sehnenansatzes primär oder sekundär sei. Dem widerspricht aber schon der Wortlaut der BK Nr. 2101. Der Senat schließt sich insoweit in vollem Umfang den Gründen des Urteils des SG vom 13.3.2003 an, welches durch das Urteil des LSG vom 8.10.2004 bestätigt wurde.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte unter Rücknahme früherer Bescheide beim Kläger eine beiderseitige Schultergelenkserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) festzustellen und Entschädigungsleistungen zu gewähren hat bzw. ob diese wie eine BK nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entschädigen ist.
Der 1949 geborene Kläger war von April 1965 bis Dezember 1974 als Maler und Lackierer im Betrieb seines Vaters beschäftigt. Nach Übernahme des väterlichen Betriebes war er von Januar 1975 bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit ab 10. Juli 1991 als selbstständiger Maler- und Lackierermeister tätig.
Am 20.12.1990 erstattete der Orthopäde Dr. V. eine ärztliche Anzeige über eine BK. Als Diagnose nannte er ein degeneratives Rotatorenmanschettensyndrom links, das auf Überkopfarbeiten und generell auf Malerarbeiten zurückgeführt werde. Die Beklagte holte einen Bericht vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. E ein, der unter dem 18.2.1991 ausführte, der Kläger habe ihn wegen einer Schultergelenkserkrankung erstmals am 1.3.1989 aufgesucht. Damals hätten typische Zeichen einer Periarthritis humeroscapularis rechts mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung, besonders bei Elevation und Belastung, bestanden. Wegen Therapieresistenz (nach sechsmaliger Vorstellung im Jahr 1989) sei eine Überweisung zum Orthopäden erfolgt. 1990 hätten auch Behandlungen wegen einer Epicondylitis radialis humeri rechts stattgefunden.
Dr. R., Leiter der Handchirurgischen Abteilung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, führte im Gutachten vom 21.1.1992 aus, röntgenologisch fänden sich geringfügige altersgemäße degenerative Veränderungen der Schultereckgelenke beidseits mit leichten Ausziehungen der Gelenkflächen; ansonsten finde sich kein objektivierbarer krankhafter Befund.
Mit Bescheid vom 15.5.1992 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, da keine durch die versicherte Tätigkeit verursachte Erkrankung der Sehnenscheiden (BK Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKVO) vorliege.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, verwies auf den Arztbrief von Prof. Dr. W., Chefarzt der Orthopädischen Klinik Markgröningen, vom 5.8.1992, wonach eine AC-Gelenksarthrose beidseits sowie ein Bizepssyndrom beidseits bei Periarthritis humeroscapularis vorliege. Ferner legte er den Arztbrief von PD Dr. T., Leitender Arzt der Baumann Klinik, vom 14.7.1992 vor, in dem als Diagnosen Bizepssehnensyndrom links, stärker als rechts, bei Periarthritis humeroscapularis beidseits genannt werden. Sonografisch finde sich kein Hinweis auf eine Rotatorenmanschettenruptur oder eine Bursitis. Röntgenologisch finde sich eine beginnende AC-Gelenksarthrose.
In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 27.1.1993 verneinte Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor des Katharinenhospitals, das Vorliegen einer BK Nr. 2101. Röntgenologisch seien im AC-Gelenk rechts eine deutliche Arthrose und im linken Schultereckgelenk deutliche arthrotische Veränderungen nachweisbar. Die Arthrographie habe links keinen Defekt in der Rotatorenmanschetten gezeigt. Die klinische Untersuchung und der Sonografie-Befund wiesen auf eine Tendinitis im Bereich der Supraspinatussehne, links mehr als rechts, hin.
In einem für die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg erstatteten Gutachten vom 14.10.1991 stellte der Chirurg Dr. G. die Diagnosen einer Belastungsminderung der oberen Extremitäten bei Epicondylitis humero radialis beidseits, rechts im Vordergrund stehend, sowie eines Supraspinatussyndroms beidseits.
Am 27.4.1993 unterzog sich der Kläger einer diagnostischen Arthroskopie mit Neer-Plastik und AC-Gelenksrevision der linken Schulter. Im Operationsbericht wird eine ausgeprägte Arthrose beschrieben; eine ca. 5 mm breite Schuppe unterhalb des Acromeons, die bis ins AC-Gelenk reiche, wurde entfernt. Mit Widerspruchsbescheid vom 9.7.1993 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die hiergegen zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobene Klage (S 6 U 2326/93) nahm der Kläger zurück, nachdem sich Dr. V. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 14.10.1993 der Beurteilung von Prof. Dr. H. angeschlossen hatte, dass eine BK nach Nr. 2101 nicht vorliege. Unabhängig davon stelle sich aber die Frage der weiteren beruflichen Belastbarkeit.
Am 26.4.1994 beantragte der Kläger unter Vorlage des Bescheides des Versorgungsamts Stuttgart vom 19.7.1993 (Grad der Behinderung 50) und von Befundberichten der Radiologen Dr. W. vom 23.4.1993 (Verdünnung der Rotatorenmanschette im Sinne eines Impingement bei Labrumdegeneration sowie Arthrose im AC-Gelenk links) und Dr. K. vom 30.3.1994 (Degenerative hypertrophe Arthropathie des AC-Gelenks rechts mit subacromealer Stenose und Impingement der Rotatorenmanschettensehne. Degenerative Sehnenveränderungen) sowie des sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Dr. St.) vom 8.7.1993 (Anlagebedingtes Verschleißleiden, das durch die berufliche Tätigkeit mit ständiger schwerer körperlicher Arbeit und ständigen Überkopfarbeiten gefördert wurde) erneut die Anerkennung einer BK wegen seiner Schultergelenksbeschwerden.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. H., Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik Ulm, zusammen mit Dr. K. das Gutachten vom 20.10.1994. Er stellte beim Kläger eine erhebliche aktive Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke mit fortgeschrittener Tendopathie im Bereich der langen Bizepssehne und der Supraspinatussehne sowie eine degenerative Ausdünnung der Rotatorenmanschette links und eine Arthrose in den Schultereckgelenken, rechts mehr als links, fest. Der Krankheitsverlauf (Wechsel der Beschwerden zwischen rechtem und linkem Schultergelenk) sei typisch für degenerative Sehnenerkrankungen. Die Tätigkeit des Klägers (Linkshänder) sei geeignet gewesen, eine vorzeitige Degeneration der Rotatorenmanschette hervorzurufen. Die Überkopfarbeiten seien somit mit großer Wahrscheinlichkeit die wesentliche Teilursache i.S. einer richtunggebenden Verschlimmerung der linksseitigen fortgeschrittenen degenerativen Tendopathie im Bereich der langen Bizepssehne und der Supraspinatussehne sowie der degenerativen Ausdünnung der Rotatorenmanschette. Deswegen sei eine BK Nr. 2101 der BKV anzuerkennen. Die Degeneration der Rotatorenmanschette der rechten Schulter sei altersentsprechend. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30%.
Nachdem Dr. K. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.12.1994 Bedenken gegen diese Beurteilung geäußert hatte, holte die Beklagte bei Prof. Dr. W. eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage ein. Dieser führte unter dem 29.12.1994 aus, die diagnostizierte beidseitige Tendopathie der Bizepssehne und der Supraspinatussehne seien Erkrankungen des Sehnengewebes, nicht jedoch Erkrankungen der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes oder der Sehnen- oder Muskelansätze. Es gebe auch keine epidemiologischen Studien, die nachweisen könnten, dass bei Überkopfarbeiten Erkrankungen im Sinne einer sogenannten Periarthritis humeroscapularis besonders häufig aufträten; vielmehr handle es sich um eine überaus häufige Erkrankung des Schulterweichteile, die in den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen vorkomme.
Mit Bescheid vom 28.3.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 14.7.1995 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 15.5.1992 gem. § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X ab.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG (S 6 U 2736/95). Während des Klageverfahrens erließ die Beklagte den Bescheid vom 26.2.1996, mit dem sie dem Kläger mitteilte, die Schultergelenkserkrankung sei auch keine durch die versicherte Tätigkeit verursachte BK nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der Kläger legte ein von Prof. Dr. W. in einem Schwerbehindertenverfahren (S 1 Vs 2590/95) eingeholtes Gutachten vom 7.1.1996 vor, der darin ausführt, die degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette wie auch der Schultereckgelenke beidseits gingen weit über das altersentsprechende Maß hinaus. Sie seien zu Recht als BK anerkannt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG bei Prof. Dr. R., Abteilungsleiter der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg, das Gutachten vom 21.8.1996 ein. Dieser führte darin aus, beim Kläger liege eine beidseitige Arthrose der Schultereckgelenke vor. Es sei bisher wissenschaftlich nicht belegt, dass Degenerationen der Rotatorenmanschette in bestimmten Berufen häufiger vorkämen. Es gebe keine epidemiologischen Studien, dass bei Überkopfarbeiten Erkrankungen im Sinne einer so genannten Periarthritis humeroscapularis besonders häufig aufträten.
Mit Urteil vom 11.12.1997 wies das SG - gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. R. - die Klagen ab.
Hiergegen legte der Kläger Berufung (L 7 U 422/98) ein. Das Landessozialgericht (LSG) holte eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. R. vom 2.7.1998 ein, der an seiner bisherigen Beurteilung festhielt und ergänzend ausführte, beim Kläger handle es sich um eine Erkrankung der Sehnenplatte mehrere Zentimeter zentral vom Sehnenansatz entfernt und um keine Erkrankung des Sehnengleitgewebes, der Sehnenscheiden und des Sehnenansatzes. Der Kläger verwies auf eine Äußerung des Orthopäden Dr. B. vom 15.10.1998, der behauptete, eine Unterscheidung zwischen Sehnenansatz und Sehnenplatte sei im Rotatorenbereich nicht möglich. Bei einer Erkrankung der Rotatorenmanschette sei immer eine Mitbeteiligung der Ansätze der an den Rotatoren beteiligten Muskeln gegeben; es handle sich somit immer um eine Sehnenansatzerkrankung.
Mit Urteil vom 12.8.1999 wies der 7. Senat des LSG die Berufung zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg (Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 14.12.1999 - B 2 U 260/99 B).
Am 22.3.2000 beantragte der Kläger erneut nach § 44 SGB X die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101. Er verwies u. a. auf Befundberichte des Radiologen Dr. K. vom 22.2., 8.3. und 9.3.2000, wonach eine Hochfeld-Magnetresonanztomografie (MRT) des linken Schultergelenks eine schwere Impingementkonstellation III und eine Hochfeld-MRT der rechten Schulter die ähnlichen Beeinträchtigungen ergeben habe. Die Krankheitserscheinungen erfassten die Sehnenscheiden, das Sehnengleitgewebe sowie die Sehnenansätze. Ihm sei von Ärzten mitgeteilt worden, dass eine Erkrankung immer von den Ansätzen ausgehe und dann auf die Sehnen übergreife. Nach Auswertung der MRT-Befunde durch Dr. K. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.9.2000 (Neue Erkenntnisse ergäben sich daraus nicht. Beim Rotatorenmanschettenschaden handle es sich primär um eine Erkrankung der Sehnen und nicht um eine Schädigung des Gleitgewebes bzw. der Muskel- und Sehnenansätze) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.9.2000 den Antrag auf Rücknahme der früheren Bescheide ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.1.2001 zurück.
Der Kläger erhob hiergegen am 27.2.2001 Klage zum SG (S 9 U 931/01). Auf seinen Antrag gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG ein Gutachten bei Prof. Dr. E., Institut für Arbeitsmedizin, vom 2.11.2001 nebst einem orthopädischen Zusatzgutachten von Dr. B. vom 14.10.2001 ein. Sie führte aus, Dr. B. komme zum Ergebnis, dass beim Kläger an beiden Schultergelenken degenerative Veränderungen der Sehnenverläufe, der Sehnenscheiden und der Sehnenansätze vorlägen, wobei sich links eine stärkere Beschwerdesymptomatik finde. Bei dem Begriff Periarthritis humeroscapularis handle es sich um einen Sammelbegriff von Weichteilerkrankungen im Bereich der Schulterregion. Periarthritis bedeute eine entzündliche Erkrankung des das Gelenk umgebenden Gewebes. Unter dem Oberbegriff der Periarthritis humeroscapularis würden Erkrankungen subsumiert, die nicht exakt vom Wortlaut der BK Nr. 2101 erfasst seien, wie Erkrankungen der Muskulatur oder der Sehnen. Zu berücksichtigen sei aber, dass mit Aufnahme der Erkrankungen der Sehnenansätze und der Sehnenscheiden 1952 in die Berufskrankheitenliste auch die Periarthritis erfasst werden sollte. Beim Kläger liege nach der Diagnose von Dr. B. eine Erkrankung der Sehnenscheiden und Sehnenansätze im Bereich der Schulterregion vor. Die beruflichen Belastungen seien beim Kläger auch geeignet gewesen, eine BK Nr. 2101 hervorzurufen. Sie schätzte die MdE hierfür auf 20 vH.
Das SG holte gutachterliche Stellungnahmen von Prof. Dr. R. vom 30.4.2001, 5.2. und 12.8.2002 ein. Dieser führte aus, Dr. K. habe zutreffend dargelegt, dass es sich beim Kläger primär um eine Erkrankung der Sehnen und nicht der Sehnenansätze handele. Der Begriff Periarthritis humeroscapularis werde seit Jahrzehnten nur noch als Abrechnungs- oder Verdachtsdiagnose verwendet, denn seit 25 Jahren hätten sich die diagnostischen Möglichkeiten stark verbessert, weswegen eine differenziertere Diagnosestellung möglich sei. Beim Kläger liege primär eine Erkrankung des Sehnenverlaufes vor und nicht eine Erkrankung des Sehnengleitgewebes oder der Sehnenansätze. In keiner ihm bekannten Untersuchungen werde davon ausgegangen, dass die Rotatorenmanschettenläsion im Sehnenansatz beginne. Der Schaden beginne in der Sehne und stehe in engem Zusammenhang mit umformenden Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenks (regelmäßig jenseits des 40. Lebensjahres). Die Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenks und die Ernährungsstörungen in der Rotatorenmanschette seien der Hauptgrund für Rotatorenmanschettenschäden. Ausweislich der Kernspintomographie vom 23.4.1993 (linke Schulter) und 29.3.1994 (rechte Schulter) habe es sich beim Kläger am Anfang der Schultersymptomatik um eine Schultereckgelenksarthrose gehandelt, in deren Folge sich eine Rotatorenmanschettenläsion mehrere Zentimeter zentral vom Ansatz der Rotatorenmanschette am Oberarm entfernt entwickelt habe, und zwar zunächst ohne durchgehende Defektbildung. Erst nach weiterer Verschlechterung seien die Sehnenansätze der Rotatorenmanschette miterfasst worden. Die Interpretation von späteren Befunden, z. B. Kernspintomographie aus dem Jahr 2000, lasse keine Rückschlüsse auf den Erstschaden zu.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 19.12.2002 verwies Professor Dr. E. darauf, dass anlässlich der 5. Verordnung über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten der damalige Leiter der ärztlichen Abteilung im damaligen Bundesministerium für Arbeit Dr. M. B. auch die Periarthritis als mitumfasst angesehen habe.
Mit Urteil vom 13.3.2003, dem Kläger am 30.4.2003 zugestellt, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger habe keine für das Gericht neuen und erheblichen Tatsachen und Erkenntnisse vorgetragen, die in vorangegangenen Entscheidungen nicht beachtet worden seien. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Schultern können auch nicht nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII als Erkrankung festgestellt und wie eine BK entschädigt werden.
Den Antrag des Klägers vom 15.5.2003 auf Zulassung der Sprungrevision lehnte das SG mit Beschluss vom 16.6.2003, dem Kläger zugestellt am 10.7.2003, ab.
Am 24.7.2003 legte der Kläger Berufung (L 1 U 2998/03) ein, die der 1. Senat des LSG mit Urteil vom 8.10.2004 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X. Die Ausführungen von Prof. Dr. E. konkretisierten zwar teilweise einzelne Gesichtspunkte der in den vorangegangenen Verfahren bereits bekannten Umstände, stellten jedoch im Ergebnis keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse dar, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Ablehnung der Anerkennung einer BK ergebe. Auch für die mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellung der Schultergelenkserkrankung des Klägers als Quasi-BK nach § 551 Abs. 2 RVO lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme der bestandskräftigen Ablehnungsentscheidungen der Beklagten nicht vor. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde mit Beschluss des BSG vom 13.1.2005 (B 2 U 374/04 B) als unzulässig verworfen.
Am 12.12.2005 beantragte der Kläger erneut (zum vierten Mal) die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101 der BKVO. Er legte dazu einen Aufsatz von Prof. Dr. E. im Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergometrie, Heft 10,2003 S. 536 ff. zum Thema "Können Läsionen der Rotatorenmanschette als Berufskrankheit gewertet werden", eine Stellungnahme des Radiologen Dr. Sch. vom 4.3.2005 basierend auf der im Verfahren S 9 U 931/01 vorgelegten Stellungnahme vom 26.4.2002, die Gutachten von Dr. B. vom 14.10.2001 und Dr. G. vom 14.10.1991, den Befundbericht des Radiologen Dr. W. vom 23.4.1993 und einen Auszug des sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom 8.7.1993 sowie ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 19.12.2005 vor.
Mit Bescheid vom 10.1.2006 lehnte die Beklagte eine erneute Sachprüfung ab, da sich aus dem nunmehrigen Antrag keine neuen Tatsachen und oder neuen rechtlichen Erwägungen ergäben. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und Arztbriefe von Dr. V. vom 4.4.1989 und 23.1.1990 vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.2.2006 zurück. Alle vorgelegten Unterlagen hätten zumindest im letzten Gerichtsverfahren bereits vorgelegen.
Hiergegen erhob der Kläger am 13.3.2006 Klage zum SG (S 1 U 1722/06), mit der er die Anerkennung einer BK Nr. 2101 und die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 30 vH weiter verfolgte. Er legte dazu das Gutachten von Dr. G. vom 14.10.1991 und den Arztbrief von Dr. V. vom 4.4.1989 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.2.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen für eine neue Sachprüfung lägen nicht vor; diese sei deswegen von der Beklagten mit zutreffenden Gründen abgelehnt worden.
Gegen den am 27.2.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.3.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, es seien neue Tatsachen dargelegt worden, die das SG nicht hinreichend beachtet und gewürdigt, insbesondere auch nicht zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht habe. Im Verfahren S 9 U 931/01 hätten Dr. B. und Prof. Dr. E. das Gutachten von Prof. Dr. R. überzeugend und eindeutig widerlegt. Deswegen hätten schon die früheren Entscheidungen anders ausgehen müssen. Von einer Arthrose, die Prof. Dr. R. beim Kläger unterstelle, könne keine Rede sein. Neu seien die Erstdiagnose von Dr. V. im Arztbrief vom 4.4.1989 (Supraspinatussyndrom rechts) und die Feststellungen von Dr. G. im Gutachten vom 14.9.1991. Die Erkrankung der Rotatorenmanschette und die AC-Gelenksarthrose seien Begleit- und Folgeerscheinungen der Erkrankung des Sehnenansatzes. Nicht der Sehnenverlauf, sondern der Sehnenansatz sei Auslöser für die Aufgabe der Tätigkeit. Die Sehnenansatzerkrankung sei auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen, was Dr. H./Dr. K. und Prof. Dr. E. bestätigt hätten. Ein erneutes orthopädisches Gutachten werde nachweisen, dass es sich bei seiner Erkrankung um eine BK Nr. 2101 handle.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 15. Mai 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 1993 und des Bescheides vom 26. Februar 1996 sowie des Bescheides vom 26. September 2000 die beiderseitige Schultergelenkserkrankung als BK Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKVO festzustellen und Entschädigungsleistungen zu gewähren, hilfsweise die beiderseitige Schultergelenkserkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, der angefochtene Gerichtsbescheid sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Neue Tatsachen und Erkenntnisse, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidungen ergebe, mit denen die vom Kläger geltend gemachte BK abgelehnt worden sei, seien nicht vorgetragen worden. Der Kläger argumentiere - wie in früheren Verfahren - mit der seinerzeit abgegebenen Begründung. Dies sei im Verfahren nach § 44 SGB X nicht zulässig.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Stuttgart (S 6 U 2326/93, S 6 U 2736/95, S 9 U 931/01 und S 1 U 1722/06) sowie des LSG (L 7 U 422/98, L 1 U 2998/03 und L 9 U 1484/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingegangene Berufung des Klägers ist zulässig, soweit er die Feststellung einer BK nach Nr. 2101 der BKVO unter Rücknahme bestandskräftiger Bescheide begehrt. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht statthaft, soweit der Kläger die Entschädigung der Schultergelenkserkrankung wie eine BK gem. § 551 Abs. 2 RVO begehrt. Denn hierüber wurde im Gerichtsbescheid des SG - mangels eines entsprechenden Klageantrages - nicht entschieden. Auch hat der Kläger bei der Beklagten im Dezember 2005 im Wege des Rücknahmeverfahrens die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101 und nicht die Entschädigung wie eine BK nach § 551 Abs. 2 RVO begehrt, sodass es insoweit auch schon an einem entsprechenden Verwaltungsakt hierüber fehlt. Darüber hinaus hat der Kläger auch keine neuen Erkenntnisse im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO behauptet.
Die hinsichtlich der Feststellung einer BK nach Nr. 2101 zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Behörde in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119 f;). Soweit die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl. §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere, ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der aufgezeigten Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist zu berücksichtigen, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vergleiche zum Vorstehenden insgesamt BSG Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auch der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme der früheren bestandskräftigen Bescheide nicht vorliegen. Der Kläger hat weder neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht noch ist das Recht in der Vergangenheit unrichtig angewendet worden. Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger zur Begründung des Überprüfungsantrags geltend gemacht, es ergebe sich durch die im nunmehr vorgelegten Arztbrief von Dr. V. vom 4.4.1989 und im Gutachten von Dr. G. vom 14.10.1991 gestellte Diagnose "Supraspinatussyndrom" der neue Sachverhalt, dass als Erstdiagnose eine Sehnenansatzerkrankung festgestellt worden sei. Es sei bisher in den Gutachten und Entscheidungen nicht berücksichtigt worden, dass durch die Überkopf-Arbeit als Maler der Musculus supraspinatus am Sehnenansatz zu einem schmerzhaften Bogen geführt habe. Die Erkrankung der Rotatorenmanschette und die AC-Gelenksarthrose seien Folgeerscheinungen des Sehnenansatzes.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Unter dem Begriff des Supraspinatussyndroms wird ausweislich der in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 1863 gegebenen Definition ein Symptomenkomplex bei meist ansatznahem Riss der Sehnenplatte des Musculus supraspinatus mit plötzlich in den Musculus deltoideus ausstrahlendem Schmerz verstanden, während der Begriff des Supraspinatussehnensyndroms ein Synonym der Periarthropathia humeroscapularis ist (Pschyrembel aaO). Ein ansatznaher Riss der Sehnenplatte, welcher im Übrigen auch keine Sehnenansatzerkrankung wäre, lag beim Kläger zu Beginn seiner Erkrankung nach den vorliegenden ärztlichen Äußerungen nicht vor. Zudem hatte Dr. E der Beklagten am 18.2.1991 berichtete, dass der Kläger bei Beginn der Behandlung am 1.3.1989 die typischen Zeichen einer Periarthritis humeroscapularis rechts gezeigt habe und auch im Vorerkrankungsverzeichnis wird als Grund der vom 1. bis zum 17.3.1989 dauernden Arbeitsunfähigkeit eine Periarthritis humeroscapularis aufgeführt. Somit wird der Begriff des Supraspinatussyndroms im Arztbrief von Dr. V. synonym mit dem Begriff der Periarthritis humeroscapularis verwendet, sodass sich hieraus kein neuer Sachverhalt ableiten lässt.
Das Gutachten von Dr. G. vom 14.10.1991 lag der Beklagten schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 9.7.1993 vor und demgemäß allen Sachverständigen, die den Kläger in den daran anschließenden Verfahren begutachtet haben. So hat schon Prof. Dr. H. im Gutachten vom 27.1.1993 ausgeführt, der klinische und sonografische Befund weise auf eine Tendinitis im Bereich der Supraspinatussehne links mehr als rechts hin; es finde sich eine fortgeschrittene Arthrose in den Schultergelenken beidseits. Der Beurteilung von Prof. Dr. H., dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 nicht vorliege, hat sich Dr. V. in seiner Zeugenaussage vom 14.10.1993 ausdrücklich angeschlossen und lediglich die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die geschilderten degenerativen reaktiven Veränderungen, unabhängig von der Ätiologie, auf die berufliche Belastbarkeit des Klägers auswirken.
Der Kläger übersieht auch, dass Prof. Dr. E. am Ende der im Verfahren S 9 U 931/01 durchgeführten Beweisaufnahme in der Stellungnahme vom 19.12.2002 dargelegt hat, dass krankhafte Veränderungen der Rotatorenmanschette in der Mehrzahl die Supraspinatussehne beträfen und dass angenommen werde, dass die Supraspinatussehne etwa 1 cm von ihrem Ansatz am Knochen entfernt eine kritische Zone habe. Die meisten Läsionen befänden sich in diesem kritischen Bereich und würden, was auch Prof. Dr. E. einräumt, nach der gängigsten Theorie als primäre Sehnenläsionen angesehen. Damit befindet sich Prof. Dr. E. aber letztlich in Übereinstimmung mit Prof. Dr. W. (Stellungnahme vom 29.12.1994) und Prof. Dr. R., die die beim Kläger primär festgestellten Tendopathien im Bereich der langen Bizepssehnen und der Supraspinatussehnen als Erkrankungen des Sehnengewebes und nicht der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes und der Sehnen- und Muskelansätze i.S.der BK Nr. 2101 bezeichnen. Frau Dr. E. verteidigt letztlich mit einer historischen Argumentation die Einbeziehung von primären Sehnenläsionen in den Bereich der BK Nr. 2101, wenn sie ausführt, dass in der Begründung zur Berufskrankheit Nr. 22 aus dem Jahr 1952 von einer Überbeanspruchung der Sehne die Rede sei und nicht nur von einer Überbeanspruchung des Sehnenansatzes, sodass es aus ihrer Sicht keine Rolle spiele dürfe, ob die Beeinträchtigung des Sehnenansatzes primär oder sekundär sei. Dem widerspricht aber schon der Wortlaut der BK Nr. 2101. Der Senat schließt sich insoweit in vollem Umfang den Gründen des Urteils des SG vom 13.3.2003 an, welches durch das Urteil des LSG vom 8.10.2004 bestätigt wurde.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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