Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 3802/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 6030/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit methylphenidathaltigen Medikamenten (wie z.B. Concerta retard 36 mg) hat.
Dem am 14.05.1985 geborenen Kläger wurde erstmals im Oktober 2004 ein methylphenidathaltiges Arzneimittel, hier zunächst Ritalin, verschrieben. Im Februar 2005 beantragte er die Übernahme der Kosten dieses Medikaments. Er sei seit Kindertagen hyperaktiv gewesen, seit einem halben Jahr sei diese Hyperaktivität im Erwachsenenalter wieder zum Vorschein gekommen. Das Krankheitsbild nenne sich ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktiv-Syndrom). Er erhalte deswegen die Medikamente Ritalin und Concerta, die ihm helfen. Er könne nicht nachvollziehen, warum er die Medikamente nur deshalb nicht erhalte, weil er über 18 Jahre alt sei. Die Krankheit habe mit dem Alter nichts zu tun. Beigefügt war dem Antrag der Arztbrief von Dr. Sch., Zentrum für Nervenheilkunde Stadtmitte-Mannheim, in dem die Diagnosen Aufmerksamkeitsdefizit bei hyperaktivem Syndrom mit hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens und Störung der Impulskontrolle sowie minimale cerebrale Dysfunktion mitgeteilt wurden. Die Verordnung mit Ritalin hole den Kläger runter, wenn er zur Aggressivität neige, er könne dann auch lesen oder sich in ein anderes Thema versenken. Darüber hinaus erhalte er Antidepressiva und spezielle Mittel wegen unruhiger Beine. In einem Fragebogen der Beklagten teilte derselbe Arzt am 10.03.2005 mit, unter der Medikation mit Concerta sei eine deutliche Verhaltensmodifikation eingetreten. Der Kläger sei ruhig, freundlich, belastbar und konzentriert ohne Hyperaktivitäten, Alkohol oder Drogen. Antidepressiva und Psychotherapie allein seien ohne ausreichenden Effekt. Bezüglich der Medikamente Concerta und Medikinet retard seien Zulassungsstudien angelaufen. Es bestehe insoweit Konsens in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen.
Die Beklagte holte das Gutachten von Dr. B., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg - MDK - , vom 29.04.2005 ein. Concerta sei ein zugelassenes und verkehrsfähiges Arzneimittel, allerdings nicht für Erwachsene. Es sei auch im Ausland zugelassen, die üblichen weltweiten Zulassungen bezögen sich aber immer hinsichtlich der ADS nur auf Kinder und allein bei Narkolepsie auf Erwachsene. Methylphenidat sei ein Psychostimulans, dessen Verschreibung der Betäubungsmittelverordnung unterliege. Darüber hinaus verbiete die Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses - GBA - die Anwendung von Methylphenidat bereits bei postpubertären Kindern. Ein Off-Label-Use könne nicht empfohlen werden. Die Krankheit sei zwar sehr belastend, jedoch nicht akut behandlungsbedürftig. Bei Erwachsenen komme in erster Linie ein psychotherapeutischer Ansatz in Frage, daneben auch die Medikation des entsprechenden, parallel bestehenden oder zugrunde liegenden psychischen Leidens. Zulassungsrelevante Studien für Erwachsene ließen sich nicht feststellen. Eine Zulassung für Erwachsene liege durch die entsprechenden europäischen Behörden nicht vor. Hinzu komme, dass noch nicht einmal ein Zulassungsantrag gestellt sei, auch wenn ein sehr weitgehender Konsens herrsche, diese Substanzen unter bestimmten Voraussetzungen einzusetzen.
Mit Bescheid vom 14.06.2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab. Grundsätzlich dürften Medikamente nur verordnet und von den Kassen übernommen werden, die zulassungsbezogen verordnet würden. Nur ausnahmsweise könnten Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikation zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Die dafür vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt. Eine nachhaltig die Lebensqualität beeinträchtigende Erkrankung liege nicht vor, die Erkrankung könne zudem allgemein mit Psychotherapie behandelt werden. Die Studien-Datenlage sei noch nicht ausreichend, um eine Zulassung zu bewirken. Deswegen sei die Kostenübernahme des beantragten Medikamentes nicht möglich.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch, der nicht weiter begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 22.12.2005 bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) Klage. Er brachte zur Begründung vor, bereits in der Grundschule habe er psychiatrisch-psychologische Hilfe benötigt, weil er sich aggressiv "gegen alle" verhalten habe, leicht reizbar, kränkbar und oft in Streit geraten sei. Bei Beginn der Lehre habe er sich nicht unterordnen können und sei mit seinem Chef nicht zurechtgekommen. Danach sei es zu Aggressionsschüben gekommen, er habe Gegenstände herumgeworfen und sei gegen Freunde, sogar die eigene Freundin und die Eltern tätlich geworden. Diese Tätlichkeiten hätten letztendlich sogar zu einem Jugendstrafverfahren geführt. Anschließend habe es nächtliche Fressattacken und Trinken bis zur Alkoholvergiftung gegeben, auch habe er Drogenerfahrungen gemacht. Sogenannte Restless-Legs-Beschwerden hätten anschließend den Nachtschlaf gestört und weitere Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bei Tag bewirkt. Ab Oktober 2004 sei eine Behandlung mit Methylphenidatmedikamenten begonnen worden. Dies habe zu einer spürbaren Verbesserung seiner Problematik geführt. "Ausraster" seien beseitigt worden, der Alkoholkonsum reduziert und ein Konsum weiterer Drogen habe nicht mehr stattgefunden.
Das Medikament Concerta sei gerade wegen der Krankheit ADHS zugelassen worden. Es gehe hier nicht um die Anwendung dieses Medikamentes bei anderen Indikationen, die Krankheit sei die gleiche geblieben, unabhängig davon, ob der Patient nun Kind, Jugendlicher oder Erwachsener sei. Die ADHS-Störungen dauerten auch in das Erwachsenenalter fort. Die Altersbindung für die Indikation habe sich bei der Zulassung des Medikaments allein daraus ergeben, dass es damals noch weitgehend unbekannt gewesen sei, dass ADHS auch bei Erwachsenen vorliegen könne. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Erwachsene spreche, dass gegenüber der Anwendung bei Kindern kein erweitertes Risikopotenzial zu erkennen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Erkrankung schwerwiegend und beeinträchtige die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig, die Betroffenen litten zum Teil unter erheblichen krankheitsbedingten Einschränkungen ihrer Alltagsfähigkeiten.
Das SG hat bei Dr. Sch. und bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Auskünfte eingeholt. Dr. Sch. (Schreiben vom 27.2.2006) gab an, die Lebensqualität des Klägers werde insbesondere durch die Impulsdurchbrüche eingeschränkt. Hinzu kämen Begleitphänomene wie Alkoholkonsum, Drogenkonsum und Essstörungen mit nächtlichen Fressattacken. Schwierigkeiten bestünden auch in der Schule, weswegen der Kläger ohne adäquate Therapie nicht in der Lage sei, einen Abschluss zu erreichen, der seinen intellektuellen Fähigkeiten entspreche. Dies gelte auch für die Berufsausbildung. Die aus der Symptomatik resultierenden Misserfolgserlebnisse, sowohl hinsichtlich der Ausbildung als auch im privaten Umfeld führten wiederum zu depressivem Rückzug, zu Grübeln, unter Umständen auch zu vermehrtem Alkoholkonsum und verstärkten die Essstörung. Inzwischen habe sich folgendes Behandlungsregime ergeben: Konsequente ambulante Verhaltenstherapie, dazu medikamentöse Behandlung mit Concerta 36 mg; da dies die Impulskontrollstörung sowie assoziierte Stimmungsschwankungen allein nicht nachhaltig gebessert habe, zusätzlich ein Antidepressivum (Serotoninwiederaufnahmehemmer). Seitdem sei die Stimmungslage stabiler. Das Sozialverhalten habe sich im Laufe der Behandlung gebessert, der Alkoholkonsum sei deutlich zurückgegangen, andere Drogen würden nicht mehr benutzt. Ein Auslassversuch im Juli 2005 habe dazu geführt, dass der Kläger sehr rasch wieder ausgesprochen zappelig, nervös, innerlich unruhig, gereizt gewesen sei und wieder verstärkt herumgebrüllt habe.
Das BfArM teilte unter dem 23.06.2006 mit, derzeit verfüge kein Arzneimittel über eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Behandlung des ADHS bei Erwachsenen. Eine Expertengruppe habe vom Bundesministerium für Gesundheit einen Arbeitsauftrag erhalten mit der Frage eines Einsatzes bei nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassenen Indikationen für den Wirkstoff Methylphenidat. Ergebnisse lägen gegenwärtig noch nicht vor. Selbst wenn ein pharmazeutischer Unternehmer aber eine Erweiterung der bestehenden Zulassung beantragt habe, könnten Aussagen zur Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des geänderten Anwendungsgebietes erst nach Abschluss des Zulassungs- oder Änderungsverfahrens gemacht werden.
Mit Urteil vom 27.10.2006 wies das SG die Klage ab. Von dem Verbot, Arzneimittel außerhalb des arzneimittelrechtlichen Zulassungsbereichs zu verschreiben, könne ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es bei einer schweren Erkrankung keine Behandlungsalternative gebe und nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem Medikament ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Letzteres könne hier jedoch nicht angenommen werden, weil entsprechende Forschungsergebnisse noch nicht vorlägen. Auch könne ein Konsens in der wissenschaftlichen Literatur, der sich auf entsprechende Forschungsergebnisse stütze, bisher nicht angenommen werden. Zwar werde die Stimulanzienbehandlung mit Methylphenidat im Erwachsenenalter als Therapie der ersten Wahl empfohlen, es fehlten hierzu jedoch umfassende Forschungsergebnisse. Publizierte Daten zu Effekten und Nebenwirkungen einer medikamentösen Langzeittherapie existierten noch nicht. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 könne der Kläger nichts herleiten, da diese Entscheidung nur Erkrankungen betreffe, die lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufen. Unter einer solchen Erkrankung leide er aber nicht.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 03.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 04.12.2006 Berufung eingelegt. Aufgrund der Tatsache, dass es sich vorliegend nicht um die Frage verschiedener Indikationen im Sinne verschiedener Erkrankungen handele und auch im Hinblick auf die Anwendung eines im Rahmen der Behandlung von Kindern zugelassenen Medikaments auf Erwachsene keinerlei erweitertes Risikopotenzial zu erkennen sei, bedürfe es gar nicht der Prüfung der weiteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sogenannten Off-Label-Use. Es könne nicht angehen, ihm das Medikament allein wegen starrer Altersgrenzen vorzuenthalten, obwohl bei Erwachsenen keine Risiken gegeben seien. Die Betroffenen litten unter zum Teil erheblichen krankheitsbedingten Einschränkungen ihrer Alltagsfähigkeiten, Auswirkungen auf die Lebensqualität seien offenkundig. Andere wirksame Therapien seien aber nicht ersichtlich. Der Kläger wiederholt und vertieft im Übrigen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Abschließend trägt er vor, die Firma Medice habe vor Stellung des Zulassungsantrages (für Medikinet retard) in enger Abstimmung mit der Zulassungsbehörde eine klinische Studie der Phase III durchgeführt (sog EMMA-Studie). Die Auswertung der Studienergebnisse ergebe einen signifikanten Unterschied zugunsten des Medikaments im Vergleich zum Placebo
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2005 zu verurteilen, ihm die seit Oktober 2004 für verordnete methylphenidathaltige Arzneimittel entstandenen Kosten zu erstatten und ihn zukünftig mit dem Arzneimittel Concerta retard 36 mg zu versorgen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich durch das Gutachten des Dr.B. in ihrer Auffassung bestätigt und sieht weiterhin keinen Spielraum für die Übernahme der Kosten des Medikaments Concerta mit dem Wirkstoff Methylphenidat.
Auf Anfrage des Senats hat Dr. B. vom MDK in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 29.08.2007 zum Stand der wissenschaftlichen Forschungen Stellung genommen. Seinen Ausführungen zufolge lagen den bisherigen Studien zu geringe Fallzahlen zugrunde. Das BSG verlange einen medizinischen Kenntnisstand, der eine Zulassung ermögliche, mangels Größe der Studien und fehlender Langzeitergebnisse könne hiervon nicht ausgegangen werden. Relevante Studien für Methylphenidat seien zu anderen Erkrankungen in der Bundesrepublik ergangen. Eine zulassungsrelevante Studie für Erwachsene liege bisher nicht vor. In Anbetracht wenig belegter therapeutischer Alternativen werde zwar in medizinischen Fachaufsätzen die Gabe von Methylphenidat empfohlen, aufgrund der bekannten Daten wäre aber eine Zulassung als Arzneimittel nicht möglich. Für das Medikament Medikinet retard sei zwar ein Zulassungsantrag im Frühjahr 2007 eingereicht worden, über den indes noch nicht entschieden worden sei.
Der Senat hat aus einem Parallelverfahren die Stellungnahme des MDK Rheinland-Pfalz vom 11.02.2008 (Dr. St.) beigezogen. Daraus ergibt sich, dass im November 2007 die Zulassungsbehörde eine Erweiterung der bisherigen Phase III Studie (EMMA-Studie) verlangt habe. Bei den weiteren Ergebnissen gehe es um die Frage der Dosierung und der geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Ansprechen auf Methylphenidat. Zwei Hypothesen seien diskutiert worden. Methylphenidat wirke vor allem bei Frauen, weniger bei Männern. Diese Studien müssten erst noch durchgeführt werden. Realistisch sei ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Vorher sei eine Entscheidung über die Zulassungserweiterung nicht zu erwarten. Alle anderslautenden Aussagen seien nicht seriös. Andererseits sei die Verordnung von Methylphenidatpräparaten an Kindern wieder in die Diskussion gekommen. Man wolle in tierexperimentellen Versuchen prüfen, inwieweit eine im juvenilen Alter beginnende Methylphenidat-Langzeitbehandlung zu irreversiblen Funktionsstörungen dopaminerger Nervenzellen und zu neurodegenerativen Veränderungen führe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Arzneimittel auf Methylphenidatbasis (wie Concerta 36 mg) als Sachleistung zu gewähren bzw. die Kosten für die in der Zwischenzeit erfolgte Beschaffung solcher Arzneimittel zu erstatten. Er hat darauf keinen Anspruch.
Das Begehren des Klägers ist auf die Versorgung mit dem Medikament Concerta 36 mg mit dem Wirkstoff Methylphenidat im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gerichtet, sei es (für die Zukunft) als Sachleistung, sei es (für die Vergangenheit) im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Das genannte Arzneimittel (bzw. der genannte Wirkstoff) gehören auch nach Ansicht des Senats aber nicht zu den Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten zu erbringen haben. Die Beklagte muss sie dem Kläger daher nicht als Sachleistung zur Verfügung stellen und infolgedessen auch die Kosten für vom Kläger selbst beschafften Medikamente nicht erstatten. Denn der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht grundsätzlich nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch (vgl. etwa BSG Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R m.w.N.).
Die Leistungsansprüche der gesetzlich Krankenversicherten sind in § 27 Abs. 1 SGB V grundlegend umschrieben. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn dies notwendig ist, um (u.a.) eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 SGB V). Allerdings haben die Krankenkassen nicht für jegliche Art von Behandlung aufzukommen. Ihre Leistungspflicht unterliegt vielmehr den in § 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V gesetzlich festgelegten Grenzen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V - vgl. zum Vorstehenden Urteil des Senats vom 30.08.2006 - L 5 KR 281/06).
Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG vom 27.03.2007 - B 1 KR 30/06 R).
Das Krankenversicherungsrecht verzichtet bei der Arzneimittelversorgung, anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung (siehe dazu §§ 135 bis 139 SGB V), weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft in so weit an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikamentes abhängig macht (§ 21 Abs. 2 Arzneimittelgesetz - AMG). Da dies dieselben Kriterien sind, an denen die Leistungen der Krankenversicherung gemessen werden, rechtfertigt dies die Vorgreiflichkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die arzneimittelrechtliche Zulassung lässt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikamentes aber nur so weit zu, wie ihre rechtliche Bedeutung reicht. Nur so weit reicht auch der dem Hersteller abverlangte Wirksamkeitsnachweis des Arzneimittels. Umgekehrt sagt wegen der Beschränkung auf die vom Hersteller genannten Anwendungsgebiete die Zulassung nichts darüber aus, ob das betreffende Arzneimittel auch bei anderen Indikationen verträglich und angemessen wirksam ist. Für das Krankenversicherungsrecht bedeutet dies, dass ein Arzneimittel nur so weit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden kann, wie seine Zulassung reicht (BSG v. 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R).
Die Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall bedeutet, dass die Krankenkasse die Kosten für methylphenidathaltige Arzneimittel nicht zu tragen hat, weil diese Arzneimittel, wie etwa Concerta retard nur für Kinder zugelassen sind. Da dem Kläger das Medikament erstmals mit 19 Jahren verschrieben wurde, erfolgte die Verschreibung außerhalb des Zulassungsbereiches.
Eine zulassungsüberschreitende Verordnung eines Medikamentes ist nur in Ausnahmefällen möglich, nämlich wenn einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt ist. Die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt deshalb nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R) nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachteilig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.
Die letztere Voraussetzung kann nur angenommen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Im Fall des Klägers sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob der Kläger unter einer die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung leidet (wie sein behandelnder Arzt Dr. Sch. meint) oder ob diese Voraussetzungen angesichts des konkreten Krankheitsbildes zu verneinen sind, wozu Dr. B. in der Stellungnahme vom 29.04.2005 neigt. Auch kann dahingestellt bleiben, ob die Erfolge in der Behandlung des Klägers in erster Linie auf die Verordnung von Concerta retard 36 mg zurückzuführen sind, oder ob für die deutliche Verbesserung der Stimmungslage nicht auch wesentlich das zusätzlich gegebene Antidepressivum verantwortlich ist, was sich aus der Aussage von Dr. Sch. vom 27.02.2006 gegenüber dem SG (Bl. 34 SG-Akte) entnehmen lässt. Dahingestellt bleiben kann auch, ob sich im Falle des Klägers durch die Vorordnung von Psychotherapie und Antidepressiva die Möglichkeit einer effektiven anderweitigen Therapie ergibt. Denn die Voraussetzungen unter Nr. 3 liegen nicht vor.
Aufgrund der Datenlage kann derzeit nicht (sicher) angenommen werden, dass das Arzneimittel für die Behandlung von Erwachsenen zugelassen wird. Wie Dr. B. in seiner Stellungnahme für den Senat vom 29.08.2007 überzeugend ausgeführt hat, geben die bisherigen Veröffentlichungen und klinischen Beobachtungen zwar Anlass zu der Annahme, dass die Gabe von methylphenidathaltigen Arzneimitteln bei Erwachsenen, bei denen die Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Störung noch weiter andauert, zu Heilerfolgen führen kann, belegt ist dies bisher durch eine kontrollierte klinische Prüfung der Phase III noch nicht. Die bisher veröffentlichten Studien erstreckten sich auf eine zu geringe Teilnehmerzahl und enthielten noch keine Langzeitbeobachtungen. Wie der Senat dem weiteren, hier beigezogenen Gutachten des MDK Rheinland-Pfalz vom 11.02.2008 entnimmt, hat die von der Firma Medice vorgelegte kontrollierte Studie der Phase III (sogenannte EMMA-Studie) den Nachweis für einen unbedenklichen Einsatz methylphenidathaltiger Arzneimittel bei Erwachsenen noch nicht erbracht. Die von dieser Firma vorgelegte (und bisher auch nur teilweise veröffentlichte) Studie hat den Nachweis einer guten Evidenz zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bisher noch nicht erbringen können. Insbesondere hat es Zweifel zu Fragen der Dosierung und geschlechtsspezifischer Unterschiede beim Ansprechen auf die Medikamente gegeben. Angesichts der bisher vorliegenden Studienergebnisse ist jedenfalls noch als ungeklärt anzusehen, ob das Medikament wirkt, welche Dosierung langfristig vertretbar ist und insbesondere, dass eine Langzeitbehandlung keine nachhaltigen Folgeschäden hervorruft.
Die Internetrecherche des Berichterstatters in der Woche vor der mündlichen Verhandlung hat - wie in der mündlichen Verhandlung besprochen wurde - keine davon abweichenden Ergebnisse erbracht. Da von den Beteiligten keine anderen Studien konkret vorgetragen wurden, geht der Senat davon aus, dass beweiskräftige Phase III-Studien auch zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung (noch) nicht vorliegen. Darauf hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass auch Empfehlungen oder sonstige Ergebnisse einer gemäß § 35 b Abs. 3 SGB V konstituierten Expertengruppe zur Frage des Off-Label-Uses von methylphenidathaltigen Medikamenten bei Erwachsenen bislang noch nicht veröffentlicht worden sind.
Damit sind aber die vom BSG genannten Voraussetzungen für einen die Zulassungsbereiche überschreitenden Einsatz im Einzelfall nicht erfüllt. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten bestätigt. Die Berufung des Klägers kann deswegen keinen Erfolg haben.
Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht weiter der Frage nachzugehen, wie der Umstand zu würdigen ist, dass der GBA früher in Anlage 9 der Arzneimittelrichtlinien die Anwendung von Methylphenidat bereits bei postpubertären Kindern untersagt hat, weil es sich bei dieser Substanz um eine Psychostimulanz handelt, sich heute aber keine Erwähnung dieses Wirkstoffes in Anlage 9 finden lässt und zwar weder in Teil A (zugelassener Off-Label-Use) noch in Teil B (nicht erlaubter Off-Label-Use). Auch braucht nicht weiter geprüft zu werden, wie der Umstand zu bewerten ist, dass Methylphenidat unter das Betäubungsmittelgesetz fällt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit methylphenidathaltigen Medikamenten (wie z.B. Concerta retard 36 mg) hat.
Dem am 14.05.1985 geborenen Kläger wurde erstmals im Oktober 2004 ein methylphenidathaltiges Arzneimittel, hier zunächst Ritalin, verschrieben. Im Februar 2005 beantragte er die Übernahme der Kosten dieses Medikaments. Er sei seit Kindertagen hyperaktiv gewesen, seit einem halben Jahr sei diese Hyperaktivität im Erwachsenenalter wieder zum Vorschein gekommen. Das Krankheitsbild nenne sich ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktiv-Syndrom). Er erhalte deswegen die Medikamente Ritalin und Concerta, die ihm helfen. Er könne nicht nachvollziehen, warum er die Medikamente nur deshalb nicht erhalte, weil er über 18 Jahre alt sei. Die Krankheit habe mit dem Alter nichts zu tun. Beigefügt war dem Antrag der Arztbrief von Dr. Sch., Zentrum für Nervenheilkunde Stadtmitte-Mannheim, in dem die Diagnosen Aufmerksamkeitsdefizit bei hyperaktivem Syndrom mit hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens und Störung der Impulskontrolle sowie minimale cerebrale Dysfunktion mitgeteilt wurden. Die Verordnung mit Ritalin hole den Kläger runter, wenn er zur Aggressivität neige, er könne dann auch lesen oder sich in ein anderes Thema versenken. Darüber hinaus erhalte er Antidepressiva und spezielle Mittel wegen unruhiger Beine. In einem Fragebogen der Beklagten teilte derselbe Arzt am 10.03.2005 mit, unter der Medikation mit Concerta sei eine deutliche Verhaltensmodifikation eingetreten. Der Kläger sei ruhig, freundlich, belastbar und konzentriert ohne Hyperaktivitäten, Alkohol oder Drogen. Antidepressiva und Psychotherapie allein seien ohne ausreichenden Effekt. Bezüglich der Medikamente Concerta und Medikinet retard seien Zulassungsstudien angelaufen. Es bestehe insoweit Konsens in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen.
Die Beklagte holte das Gutachten von Dr. B., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg - MDK - , vom 29.04.2005 ein. Concerta sei ein zugelassenes und verkehrsfähiges Arzneimittel, allerdings nicht für Erwachsene. Es sei auch im Ausland zugelassen, die üblichen weltweiten Zulassungen bezögen sich aber immer hinsichtlich der ADS nur auf Kinder und allein bei Narkolepsie auf Erwachsene. Methylphenidat sei ein Psychostimulans, dessen Verschreibung der Betäubungsmittelverordnung unterliege. Darüber hinaus verbiete die Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses - GBA - die Anwendung von Methylphenidat bereits bei postpubertären Kindern. Ein Off-Label-Use könne nicht empfohlen werden. Die Krankheit sei zwar sehr belastend, jedoch nicht akut behandlungsbedürftig. Bei Erwachsenen komme in erster Linie ein psychotherapeutischer Ansatz in Frage, daneben auch die Medikation des entsprechenden, parallel bestehenden oder zugrunde liegenden psychischen Leidens. Zulassungsrelevante Studien für Erwachsene ließen sich nicht feststellen. Eine Zulassung für Erwachsene liege durch die entsprechenden europäischen Behörden nicht vor. Hinzu komme, dass noch nicht einmal ein Zulassungsantrag gestellt sei, auch wenn ein sehr weitgehender Konsens herrsche, diese Substanzen unter bestimmten Voraussetzungen einzusetzen.
Mit Bescheid vom 14.06.2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab. Grundsätzlich dürften Medikamente nur verordnet und von den Kassen übernommen werden, die zulassungsbezogen verordnet würden. Nur ausnahmsweise könnten Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikation zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Die dafür vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt. Eine nachhaltig die Lebensqualität beeinträchtigende Erkrankung liege nicht vor, die Erkrankung könne zudem allgemein mit Psychotherapie behandelt werden. Die Studien-Datenlage sei noch nicht ausreichend, um eine Zulassung zu bewirken. Deswegen sei die Kostenübernahme des beantragten Medikamentes nicht möglich.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch, der nicht weiter begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 22.12.2005 bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) Klage. Er brachte zur Begründung vor, bereits in der Grundschule habe er psychiatrisch-psychologische Hilfe benötigt, weil er sich aggressiv "gegen alle" verhalten habe, leicht reizbar, kränkbar und oft in Streit geraten sei. Bei Beginn der Lehre habe er sich nicht unterordnen können und sei mit seinem Chef nicht zurechtgekommen. Danach sei es zu Aggressionsschüben gekommen, er habe Gegenstände herumgeworfen und sei gegen Freunde, sogar die eigene Freundin und die Eltern tätlich geworden. Diese Tätlichkeiten hätten letztendlich sogar zu einem Jugendstrafverfahren geführt. Anschließend habe es nächtliche Fressattacken und Trinken bis zur Alkoholvergiftung gegeben, auch habe er Drogenerfahrungen gemacht. Sogenannte Restless-Legs-Beschwerden hätten anschließend den Nachtschlaf gestört und weitere Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bei Tag bewirkt. Ab Oktober 2004 sei eine Behandlung mit Methylphenidatmedikamenten begonnen worden. Dies habe zu einer spürbaren Verbesserung seiner Problematik geführt. "Ausraster" seien beseitigt worden, der Alkoholkonsum reduziert und ein Konsum weiterer Drogen habe nicht mehr stattgefunden.
Das Medikament Concerta sei gerade wegen der Krankheit ADHS zugelassen worden. Es gehe hier nicht um die Anwendung dieses Medikamentes bei anderen Indikationen, die Krankheit sei die gleiche geblieben, unabhängig davon, ob der Patient nun Kind, Jugendlicher oder Erwachsener sei. Die ADHS-Störungen dauerten auch in das Erwachsenenalter fort. Die Altersbindung für die Indikation habe sich bei der Zulassung des Medikaments allein daraus ergeben, dass es damals noch weitgehend unbekannt gewesen sei, dass ADHS auch bei Erwachsenen vorliegen könne. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Erwachsene spreche, dass gegenüber der Anwendung bei Kindern kein erweitertes Risikopotenzial zu erkennen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Erkrankung schwerwiegend und beeinträchtige die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig, die Betroffenen litten zum Teil unter erheblichen krankheitsbedingten Einschränkungen ihrer Alltagsfähigkeiten.
Das SG hat bei Dr. Sch. und bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Auskünfte eingeholt. Dr. Sch. (Schreiben vom 27.2.2006) gab an, die Lebensqualität des Klägers werde insbesondere durch die Impulsdurchbrüche eingeschränkt. Hinzu kämen Begleitphänomene wie Alkoholkonsum, Drogenkonsum und Essstörungen mit nächtlichen Fressattacken. Schwierigkeiten bestünden auch in der Schule, weswegen der Kläger ohne adäquate Therapie nicht in der Lage sei, einen Abschluss zu erreichen, der seinen intellektuellen Fähigkeiten entspreche. Dies gelte auch für die Berufsausbildung. Die aus der Symptomatik resultierenden Misserfolgserlebnisse, sowohl hinsichtlich der Ausbildung als auch im privaten Umfeld führten wiederum zu depressivem Rückzug, zu Grübeln, unter Umständen auch zu vermehrtem Alkoholkonsum und verstärkten die Essstörung. Inzwischen habe sich folgendes Behandlungsregime ergeben: Konsequente ambulante Verhaltenstherapie, dazu medikamentöse Behandlung mit Concerta 36 mg; da dies die Impulskontrollstörung sowie assoziierte Stimmungsschwankungen allein nicht nachhaltig gebessert habe, zusätzlich ein Antidepressivum (Serotoninwiederaufnahmehemmer). Seitdem sei die Stimmungslage stabiler. Das Sozialverhalten habe sich im Laufe der Behandlung gebessert, der Alkoholkonsum sei deutlich zurückgegangen, andere Drogen würden nicht mehr benutzt. Ein Auslassversuch im Juli 2005 habe dazu geführt, dass der Kläger sehr rasch wieder ausgesprochen zappelig, nervös, innerlich unruhig, gereizt gewesen sei und wieder verstärkt herumgebrüllt habe.
Das BfArM teilte unter dem 23.06.2006 mit, derzeit verfüge kein Arzneimittel über eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Behandlung des ADHS bei Erwachsenen. Eine Expertengruppe habe vom Bundesministerium für Gesundheit einen Arbeitsauftrag erhalten mit der Frage eines Einsatzes bei nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassenen Indikationen für den Wirkstoff Methylphenidat. Ergebnisse lägen gegenwärtig noch nicht vor. Selbst wenn ein pharmazeutischer Unternehmer aber eine Erweiterung der bestehenden Zulassung beantragt habe, könnten Aussagen zur Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des geänderten Anwendungsgebietes erst nach Abschluss des Zulassungs- oder Änderungsverfahrens gemacht werden.
Mit Urteil vom 27.10.2006 wies das SG die Klage ab. Von dem Verbot, Arzneimittel außerhalb des arzneimittelrechtlichen Zulassungsbereichs zu verschreiben, könne ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es bei einer schweren Erkrankung keine Behandlungsalternative gebe und nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem Medikament ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Letzteres könne hier jedoch nicht angenommen werden, weil entsprechende Forschungsergebnisse noch nicht vorlägen. Auch könne ein Konsens in der wissenschaftlichen Literatur, der sich auf entsprechende Forschungsergebnisse stütze, bisher nicht angenommen werden. Zwar werde die Stimulanzienbehandlung mit Methylphenidat im Erwachsenenalter als Therapie der ersten Wahl empfohlen, es fehlten hierzu jedoch umfassende Forschungsergebnisse. Publizierte Daten zu Effekten und Nebenwirkungen einer medikamentösen Langzeittherapie existierten noch nicht. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 könne der Kläger nichts herleiten, da diese Entscheidung nur Erkrankungen betreffe, die lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufen. Unter einer solchen Erkrankung leide er aber nicht.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 03.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 04.12.2006 Berufung eingelegt. Aufgrund der Tatsache, dass es sich vorliegend nicht um die Frage verschiedener Indikationen im Sinne verschiedener Erkrankungen handele und auch im Hinblick auf die Anwendung eines im Rahmen der Behandlung von Kindern zugelassenen Medikaments auf Erwachsene keinerlei erweitertes Risikopotenzial zu erkennen sei, bedürfe es gar nicht der Prüfung der weiteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sogenannten Off-Label-Use. Es könne nicht angehen, ihm das Medikament allein wegen starrer Altersgrenzen vorzuenthalten, obwohl bei Erwachsenen keine Risiken gegeben seien. Die Betroffenen litten unter zum Teil erheblichen krankheitsbedingten Einschränkungen ihrer Alltagsfähigkeiten, Auswirkungen auf die Lebensqualität seien offenkundig. Andere wirksame Therapien seien aber nicht ersichtlich. Der Kläger wiederholt und vertieft im Übrigen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Abschließend trägt er vor, die Firma Medice habe vor Stellung des Zulassungsantrages (für Medikinet retard) in enger Abstimmung mit der Zulassungsbehörde eine klinische Studie der Phase III durchgeführt (sog EMMA-Studie). Die Auswertung der Studienergebnisse ergebe einen signifikanten Unterschied zugunsten des Medikaments im Vergleich zum Placebo
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2005 zu verurteilen, ihm die seit Oktober 2004 für verordnete methylphenidathaltige Arzneimittel entstandenen Kosten zu erstatten und ihn zukünftig mit dem Arzneimittel Concerta retard 36 mg zu versorgen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich durch das Gutachten des Dr.B. in ihrer Auffassung bestätigt und sieht weiterhin keinen Spielraum für die Übernahme der Kosten des Medikaments Concerta mit dem Wirkstoff Methylphenidat.
Auf Anfrage des Senats hat Dr. B. vom MDK in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 29.08.2007 zum Stand der wissenschaftlichen Forschungen Stellung genommen. Seinen Ausführungen zufolge lagen den bisherigen Studien zu geringe Fallzahlen zugrunde. Das BSG verlange einen medizinischen Kenntnisstand, der eine Zulassung ermögliche, mangels Größe der Studien und fehlender Langzeitergebnisse könne hiervon nicht ausgegangen werden. Relevante Studien für Methylphenidat seien zu anderen Erkrankungen in der Bundesrepublik ergangen. Eine zulassungsrelevante Studie für Erwachsene liege bisher nicht vor. In Anbetracht wenig belegter therapeutischer Alternativen werde zwar in medizinischen Fachaufsätzen die Gabe von Methylphenidat empfohlen, aufgrund der bekannten Daten wäre aber eine Zulassung als Arzneimittel nicht möglich. Für das Medikament Medikinet retard sei zwar ein Zulassungsantrag im Frühjahr 2007 eingereicht worden, über den indes noch nicht entschieden worden sei.
Der Senat hat aus einem Parallelverfahren die Stellungnahme des MDK Rheinland-Pfalz vom 11.02.2008 (Dr. St.) beigezogen. Daraus ergibt sich, dass im November 2007 die Zulassungsbehörde eine Erweiterung der bisherigen Phase III Studie (EMMA-Studie) verlangt habe. Bei den weiteren Ergebnissen gehe es um die Frage der Dosierung und der geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Ansprechen auf Methylphenidat. Zwei Hypothesen seien diskutiert worden. Methylphenidat wirke vor allem bei Frauen, weniger bei Männern. Diese Studien müssten erst noch durchgeführt werden. Realistisch sei ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Vorher sei eine Entscheidung über die Zulassungserweiterung nicht zu erwarten. Alle anderslautenden Aussagen seien nicht seriös. Andererseits sei die Verordnung von Methylphenidatpräparaten an Kindern wieder in die Diskussion gekommen. Man wolle in tierexperimentellen Versuchen prüfen, inwieweit eine im juvenilen Alter beginnende Methylphenidat-Langzeitbehandlung zu irreversiblen Funktionsstörungen dopaminerger Nervenzellen und zu neurodegenerativen Veränderungen führe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Arzneimittel auf Methylphenidatbasis (wie Concerta 36 mg) als Sachleistung zu gewähren bzw. die Kosten für die in der Zwischenzeit erfolgte Beschaffung solcher Arzneimittel zu erstatten. Er hat darauf keinen Anspruch.
Das Begehren des Klägers ist auf die Versorgung mit dem Medikament Concerta 36 mg mit dem Wirkstoff Methylphenidat im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gerichtet, sei es (für die Zukunft) als Sachleistung, sei es (für die Vergangenheit) im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Das genannte Arzneimittel (bzw. der genannte Wirkstoff) gehören auch nach Ansicht des Senats aber nicht zu den Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten zu erbringen haben. Die Beklagte muss sie dem Kläger daher nicht als Sachleistung zur Verfügung stellen und infolgedessen auch die Kosten für vom Kläger selbst beschafften Medikamente nicht erstatten. Denn der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht grundsätzlich nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch (vgl. etwa BSG Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R m.w.N.).
Die Leistungsansprüche der gesetzlich Krankenversicherten sind in § 27 Abs. 1 SGB V grundlegend umschrieben. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn dies notwendig ist, um (u.a.) eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 SGB V). Allerdings haben die Krankenkassen nicht für jegliche Art von Behandlung aufzukommen. Ihre Leistungspflicht unterliegt vielmehr den in § 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V gesetzlich festgelegten Grenzen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V - vgl. zum Vorstehenden Urteil des Senats vom 30.08.2006 - L 5 KR 281/06).
Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG vom 27.03.2007 - B 1 KR 30/06 R).
Das Krankenversicherungsrecht verzichtet bei der Arzneimittelversorgung, anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung (siehe dazu §§ 135 bis 139 SGB V), weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft in so weit an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikamentes abhängig macht (§ 21 Abs. 2 Arzneimittelgesetz - AMG). Da dies dieselben Kriterien sind, an denen die Leistungen der Krankenversicherung gemessen werden, rechtfertigt dies die Vorgreiflichkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die arzneimittelrechtliche Zulassung lässt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikamentes aber nur so weit zu, wie ihre rechtliche Bedeutung reicht. Nur so weit reicht auch der dem Hersteller abverlangte Wirksamkeitsnachweis des Arzneimittels. Umgekehrt sagt wegen der Beschränkung auf die vom Hersteller genannten Anwendungsgebiete die Zulassung nichts darüber aus, ob das betreffende Arzneimittel auch bei anderen Indikationen verträglich und angemessen wirksam ist. Für das Krankenversicherungsrecht bedeutet dies, dass ein Arzneimittel nur so weit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden kann, wie seine Zulassung reicht (BSG v. 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R).
Die Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall bedeutet, dass die Krankenkasse die Kosten für methylphenidathaltige Arzneimittel nicht zu tragen hat, weil diese Arzneimittel, wie etwa Concerta retard nur für Kinder zugelassen sind. Da dem Kläger das Medikament erstmals mit 19 Jahren verschrieben wurde, erfolgte die Verschreibung außerhalb des Zulassungsbereiches.
Eine zulassungsüberschreitende Verordnung eines Medikamentes ist nur in Ausnahmefällen möglich, nämlich wenn einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt ist. Die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt deshalb nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R) nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachteilig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.
Die letztere Voraussetzung kann nur angenommen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Im Fall des Klägers sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob der Kläger unter einer die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung leidet (wie sein behandelnder Arzt Dr. Sch. meint) oder ob diese Voraussetzungen angesichts des konkreten Krankheitsbildes zu verneinen sind, wozu Dr. B. in der Stellungnahme vom 29.04.2005 neigt. Auch kann dahingestellt bleiben, ob die Erfolge in der Behandlung des Klägers in erster Linie auf die Verordnung von Concerta retard 36 mg zurückzuführen sind, oder ob für die deutliche Verbesserung der Stimmungslage nicht auch wesentlich das zusätzlich gegebene Antidepressivum verantwortlich ist, was sich aus der Aussage von Dr. Sch. vom 27.02.2006 gegenüber dem SG (Bl. 34 SG-Akte) entnehmen lässt. Dahingestellt bleiben kann auch, ob sich im Falle des Klägers durch die Vorordnung von Psychotherapie und Antidepressiva die Möglichkeit einer effektiven anderweitigen Therapie ergibt. Denn die Voraussetzungen unter Nr. 3 liegen nicht vor.
Aufgrund der Datenlage kann derzeit nicht (sicher) angenommen werden, dass das Arzneimittel für die Behandlung von Erwachsenen zugelassen wird. Wie Dr. B. in seiner Stellungnahme für den Senat vom 29.08.2007 überzeugend ausgeführt hat, geben die bisherigen Veröffentlichungen und klinischen Beobachtungen zwar Anlass zu der Annahme, dass die Gabe von methylphenidathaltigen Arzneimitteln bei Erwachsenen, bei denen die Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Störung noch weiter andauert, zu Heilerfolgen führen kann, belegt ist dies bisher durch eine kontrollierte klinische Prüfung der Phase III noch nicht. Die bisher veröffentlichten Studien erstreckten sich auf eine zu geringe Teilnehmerzahl und enthielten noch keine Langzeitbeobachtungen. Wie der Senat dem weiteren, hier beigezogenen Gutachten des MDK Rheinland-Pfalz vom 11.02.2008 entnimmt, hat die von der Firma Medice vorgelegte kontrollierte Studie der Phase III (sogenannte EMMA-Studie) den Nachweis für einen unbedenklichen Einsatz methylphenidathaltiger Arzneimittel bei Erwachsenen noch nicht erbracht. Die von dieser Firma vorgelegte (und bisher auch nur teilweise veröffentlichte) Studie hat den Nachweis einer guten Evidenz zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bisher noch nicht erbringen können. Insbesondere hat es Zweifel zu Fragen der Dosierung und geschlechtsspezifischer Unterschiede beim Ansprechen auf die Medikamente gegeben. Angesichts der bisher vorliegenden Studienergebnisse ist jedenfalls noch als ungeklärt anzusehen, ob das Medikament wirkt, welche Dosierung langfristig vertretbar ist und insbesondere, dass eine Langzeitbehandlung keine nachhaltigen Folgeschäden hervorruft.
Die Internetrecherche des Berichterstatters in der Woche vor der mündlichen Verhandlung hat - wie in der mündlichen Verhandlung besprochen wurde - keine davon abweichenden Ergebnisse erbracht. Da von den Beteiligten keine anderen Studien konkret vorgetragen wurden, geht der Senat davon aus, dass beweiskräftige Phase III-Studien auch zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung (noch) nicht vorliegen. Darauf hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass auch Empfehlungen oder sonstige Ergebnisse einer gemäß § 35 b Abs. 3 SGB V konstituierten Expertengruppe zur Frage des Off-Label-Uses von methylphenidathaltigen Medikamenten bei Erwachsenen bislang noch nicht veröffentlicht worden sind.
Damit sind aber die vom BSG genannten Voraussetzungen für einen die Zulassungsbereiche überschreitenden Einsatz im Einzelfall nicht erfüllt. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten bestätigt. Die Berufung des Klägers kann deswegen keinen Erfolg haben.
Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht weiter der Frage nachzugehen, wie der Umstand zu würdigen ist, dass der GBA früher in Anlage 9 der Arzneimittelrichtlinien die Anwendung von Methylphenidat bereits bei postpubertären Kindern untersagt hat, weil es sich bei dieser Substanz um eine Psychostimulanz handelt, sich heute aber keine Erwähnung dieses Wirkstoffes in Anlage 9 finden lässt und zwar weder in Teil A (zugelassener Off-Label-Use) noch in Teil B (nicht erlaubter Off-Label-Use). Auch braucht nicht weiter geprüft zu werden, wie der Umstand zu bewerten ist, dass Methylphenidat unter das Betäubungsmittelgesetz fällt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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