Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 4846/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1926/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es liegen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vor, dass die Personengruppe der als Geigen- oder Bratschenspieler tätigen Berufsmusiker durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung der Gefahr ausgesetzt ist, an Erkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule oder der Schultereckgelenke zu leiden.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Frage, ob die Erkrankungen des Klägers im Bereich der Halswirbelsäule, der Brust- und Lendenwirbelsäule, des Schulter- und Nackenbereichs sowie der Ellenbogengelenke beidseits als oder wie eine Berufskrankheit (BK) anzuerkennen sind.
Der 1951 geborene Kläger war als koordinierter 1. Konzertmeister beim S. Orchester P., S. P., beschäftigt. Seinen Beruf als Geiger übte er seit 1968 aus. Seit 1. Januar 2004 bezieht der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, die im Jahr 2005 zuerkannt worden war. Bis dahin war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Unter dem 10. Januar 2003 zeigte der Beschäftigungsbetrieb an, dass beim Kläger möglicherweise eine BK vorliege, das P., Arbeitsmedizinischer Dienst, zeigte unter dem 11. November 2002 den Verdacht des Bestehens einer BK (Epicondylopathie beidseits, AC-Gelenksarthrose rechts) an. Im Fragebogen vom November 2002 gab der Kläger an, seit etwa 1995 unter starken Schmerzen in beiden Schultern und Ellbogen zu leiden. Er legte zahlreiche Befundberichte und Arztbriefe bei.
Im Auftrag der Beklagten erstellte am 14. Oktober 2003 Prof. Dr. B., Klinikum der J.-G.-U. M., ein musikermedizinisches Fachgutachten. Als Diagnosen führte er eine AC-Gelenksarthrose mit Impingement rechts, belastungsbedingtes Rotatorensyndrom linke Schulter, cervicale Myotendopathie, Epicondylitis humeri medialis beidseits und degeneratives LWS-Syndrom auf. Jede Erkrankung einzeln gesehen, sei nicht in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) als BK bezeichnet. Aus seiner Sicht komme aber eine Entschädigung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Betracht. Der Kläger gehöre als Berufsgeiger zu einer Personengruppe, die bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung einer besonderen Einwirkung ausgesetzt sei. Diese bestehe insbesondere in der Arbeit mit dem Instrument Geige, welche durch ihre Wirkung gegen die Schwerkraft mit einer außergewöhnlichen starken Belastung des Schultergelenks verbunden sei. Hinzu komme, dass der linke Arm und damit auch die linke Schulter bei den üblichen Techniken in die maximale Außenrotation gezwungen sei, welche praktisch bis zur aktiven Bewegungsgrenze gehe. Hierdurch komme es auch zu einer sehr starken Belastung auf die Epicondylen im Ellenbogengelenkbereich. Aufgrund der doch insgesamt geringen Zahl von Berufsgeigern sei eine epidemiologische Statistik mit signifikanten Ereignissen bezüglich der angesprochenen Krankheitskomplexe nicht verfügbar, dennoch deuteten vorhandene Feldstudien auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Entwicklung dieser Beschwerden und der Überbeanspruchung durch die berufliche Tätigkeit hin. Die Erkrankung des Klägers stehe daher mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der berufsbedingten schädigenden Einwirkung im Sinne der Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, sicherlich seien auch degenerative Anlagen mitbeteiligt, allerdings müsse eine wesentliche Verursachung durch die berufsbezogene Tätigkeit angenommen werden. Es liege eine dauernde, richtunggebende Verschlimmerung vor. Die Tätigkeit als Geiger könne nur bei einer Reduzierung der Arbeitsbelastung auf ein Drittel weiter ausgeübt werden. Die MdE belaufe sich vom 27. November 2000 (Angaben des behandelnden Orthopäden) bis 6. Oktober 2003 (Tag vor der Untersuchung) auf 30 v.H.
Die Beklagte nahm daraufhin weitere Ermittlungen auf und zog u.a. Operationsberichte über Ganglion-Operationen rechts 1982 und 1984, das Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenversicherung sowie die von Prof. Dr. B. im Gutachten erwähnten Feldstudien bei. Dieser übersandte unter dem 14. Januar 2004 Kopien verschiedener Veröffentlichungen ("Schmerzen an Schultergelenken bei Streichinstrumentalisten - Diagnostische Kriterien und Maßnahmen der Rehabilitation", F. Danckwerth in: Musikerphysiologie und Musikermedizin 1996 S. 21 ff; "Instrumental Musicians with Upper Extremity Disorders", Knishkowy et al. 1986; Auszüge aus dem von ihm 1995 herausgegebenen Buch "Medizinische Probleme bei Musikern" S. 116 ff; "Die Hand des Musikers - Musikphysiologische und musikermedizinische Aspekte"; J. Blum 2002).
Die Beklagte holte weiter die Stellungnahme des Bundesverbands der U. vom 3. März 2004 zur Frage der Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII ein und zog Unterlagen über noch offene Anerkennungsfälle beim R. G. und medizinische Unterlagen des Rentenversicherungsträgers bei, die im Rahmen des Rentenverfahrens des Klägers erstellt worden waren. U.a. war darin das Gutachten des Orthopäden Dr. T. vom 18. März 2004 enthalten, in welchem als Diagnosen Impingement-Syndrom beide Schultergelenke bei degenerativen Schultergelenksveränderungen, Epicondylitis ulnaris beidseits, Zustand nach Carpaltunnel-Operation links, mäßiggradiges Carpaltunnelsyndrom rechts, Rezidivganglion am rechten Daumen und Cervical- und Lumbalsyndrom aufgeführt waren. Weiter hatte Dr. T. ausgeführt, dass ein chronisches und glaubhaft vorgetragenes Überlastungssyndrom der Schultergelenke bei beruflicher Fehlbelastung und mangelndem sportlichen Trainingszustand der Schultergürtelmuskulatur (ausgeprägte Muskelinsuffizienz) und im Bereich der Ober- und Unterarme bestehe. Sollte der Kläger ausreichend Muskel- und Krafttraining durchführen, sei mittel- bis langfristig auch wieder für eine Tätigkeit als Geiger Arbeitsfähigkeit gegeben. Enthalten war weiter das Gutachten des Nervenarztes Dr. U. vom 29. April 2004, der als Diagnosen einen dringenden Verdacht auf Alkoholkrankheit, Polyneuropathie, wahrscheinlich alkoholbedingt, Meralgia parästhetika rechts und Angst und Depression gemischt aufführte.
Im Auftrag der Beklagten erstattete am 19. November 2004 Prof. Dr. H., Fachkliniken H., ein fachorthopädisches Gutachten nach Aktenlage. Zusammenfassend kam er zum Schluss, dass der Beruf des Geigers durch repetitive Armbewegungen eine große Belastung für Schulter und Ellenbogengelenke darstelle, nach Aktenlage die beruflichen Einflüsse auf das gesamte Krankheitsgeschehen aber nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könnten. Denn faktisch leide der Kläger an einer Schultereckgelenksarthrose, deren Verursachung durch die berufliche Tätigkeit nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Bei der ulnaren Epicondylopathie beidseits sei eine berufliche, wenigstens Mitbeteiligung, in der Genese durchaus vorstellbar und eher nachvollziehbar. Eine gesicherte Datenbasis zur Anerkennung als BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV liege allerdings nicht vor. Nicht zuletzt müsse beachtet werden, dass der Kläger noch immer im Arbeitsverhältnis stehe und die schier rekordverdächtige Zahl von 59 Ärzten, die der Kläger bei insgesamt 365 Gelegenheiten in den letzten Jahren konsultiert habe, darauf schließen lasse, dass nur ein Teil der Krankschreibungen tatsächlich auf der Schulter- oder Ellenbogenproblematik beruhe.
Der Staatliche Gewerbearzt Dr. S. teilte am 21. März 2005 mit, dass eine BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Rücksprache mit dem Bundesverband der Unfallkassen keine ausreichenden neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen würden, wonach Beschwerden im Bereich der HWS, des Schulter-/Nackenbereichs, der BWS und der LWS insbesondere bei Geigern in erheblich höherem Maße auftreten würden als in der übrigen Bevölkerung und durch die berufliche Tätigkeit verursacht seien. Auch habe sich der Sachverständigenbeirat noch nicht mit dieser Fragestellung beschäftigt. Nicht zuletzt habe die Beurteilung von Prof. Dr. H. ergeben, dass ein Zusammenhang der Beschwerden mit der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich sei. Mit Bescheid vom 13. April 2005 lehnte die Beklagte eine BK sowie die Entschädigung wie eine BK ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2005 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 30. November 2005 Klage zum Sozialgericht K. (SG) erhoben und mit der Klagebegründung Aufsätze vorgelegt, die aus seiner Sicht den Zusammenhang der bei ihm bestehenden Beschwerden mit der Tätigkeit als Geiger belegen ("Hinweise für morphologische HWS-Veränderungen bei professionellen oberen Streichinstrumentalisten?" F. Dankwerth et al. Zbl Arbeitsmed 46 (1996) S. 362 ff; "Musikermedizin/Musikerarbeitsplätze", Pangert/Loock 2002).
Das SG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angefragt, was bei der letzten Verordnungsgebung der medizinische Erkenntnisstand zu Fragen berufskrankheitenbedingter orthopädischer Erkrankungen bei Musikern war. In seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2006 hat das BMAS ausgeführt, entsprechende Fragen seien noch nicht geprüft worden und eine Prüfung auch nicht beabsichtigt. Es lägen deshalb auch keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Die Epicondylitis sei beim Kläger nach Nr. 2101 grundsätzlich anerkennungsfähig.
Mit Urteil vom 27. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, zwar liege mit der ulnaren Epicondylitis eine Erkrankung im Sinne der BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV vor. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass diese Erkrankung der Sehnen- und Muskelansätze zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich gewesen seien. Der Kläger leide unter vielfachen Erkrankungen des Halte- und Bewegungsapparats. Prof. Dr. B. habe die Beweglichkeit der Ellenbogengelenke als uneingeschränkt beschrieben. Die im Übrigen beschriebenen orthopädischen Befunde, die Ausführungen von Dr. T. zur Alkoholsituation des Klägers sowie des Dr. U., wonach der Kläger ihm gegenüber geäußert habe, dass er wegen psychischer Probleme seinem Dienst nicht mehr nachkommen könne, ließen es nicht zu, die Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2101 der Anlage als ursächlich für die Berufsaufgabe zu bewerten. Die Schultereckgelenksarthrose unterfalle nicht der BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV. Die Voraussetzungen zur Anerkennung dieser Erkrankung als BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII seien ebenfalls nicht gegeben, da eine sogenannte Verordnungsreife der Erkrankung nicht vorliege.
Gegen das am 14. März 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. April 2007, einem Montag, Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass er, abweichend von der Auffassung des SG, nur unter Schmerzen in der Lage sei, Geige zu spielen. Daher sei die Anerkennung der Epicondylitis als BK auszusprechen. Zusammen mit den anderen Erkrankungen des Halteapparats habe dies auch zur Unterlassung der Berufstätigkeit als Geiger geführt; eventuelle psychische Probleme hätten diesbezüglich keine Rolle gespielt. Durch die vorgelegte Literatur seien darüber hinaus auch die Voraussetzungen für die Anerkennung der Schultergelenkseckarthrose wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts K. vom 27. Februar 2007 sowie den Bescheid vom 13. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, als BK seine Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, der Brustwirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, des Schulter- und Nackenbereichs sowie der Ellenbogengelenke beidseits anzuerkennen und Leistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat Prof. Dr. H. ergänzend um Stellungnahme gebeten, ob die Epicondylitis beidseits ursächlich oder jedenfalls wesentlich mitursächlich für die Tätigkeitsaufgabe im Januar 2004 gewesen ist. In seiner Stellungnahme vom 12. September 2007 hat Prof. Dr. H. aufgeführt, die Tätigkeitsaufgabe sei nicht durch die Epicondylitis wesentlich verursacht.
Darüber hinaus hat der Senat den Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband um Stellungnahme gebeten, ob das aus den Verwaltungsakten ersichtliche Anerkennungsverfahren bezüglich orthopädischer Erkrankungen eines Berufsmusikers zur Anerkennung von Erkrankungen als BK oder wie eine BK geführt hat. Auf die Stellungnahme vom 30. August 2007 wird inhaltlich Bezug genommen. Auf den Hinweis des Klägers, dass beim Sächsischen Landessozialgericht ein Verfahren wegen einer epidemiologischen Arbeit von Prof. Dr. D. ruhe, hat der Senat das Sächsische Landessozialgericht um nähere Auskünfte, insbesondere um Übersendung dieser Arbeit, gebeten. Das Sächsische Landessozialgericht hat unter dem 17. Juli 2008 zahlreiche Unterlagen übersandt, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, und mitgeteilt, in dem dort anhängigen Verfahren stehe die Entschädigung eines Cervikalsyndroms nach § 9 Abs. 2 SGB VII im Streit. Prof. Dr. D. habe keine Studie zu Wirbelsäulenbeschwerden bei Musikern erstellt, ihm seien auch keine anderweitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Frage bekannt. Übermittelt hat das Sächsische LSG auch die Stellungnahme der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung an die Unfallkasse S. vom 28. April 2008. Danach seien neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund der besonderen Einwirkung bei der beruflichen Tätigkeit, insbesondere die der Geigen- und Bratschenspieler, in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an Erkrankungen der HWS und der Schultergelenke leidet, nicht bekannt. Es fehle weiterhin an entsprechenden epidemiologischen Erkenntnissen. Auch der ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMAS habe sich noch nicht damit befasst. Mit Bezugsschreiben vom 1. August 2008 hat das Sächsische LSG die von Prof. Dr. S., Institut für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik F. L., W., gefertigte Stellungnahme vom 29. Juli 2008 über die derzeit vorhandenen und laufenden Untersuchungen im Fachbereich Musikermedizin und Musikphysiologie übersandt. Beigezogen wurden auch die Akten des Rentenversicherungsträgers. Die Beklagte hat die weitere Stellungnahme des Prof. Dr. H., gefertigt in ihrem Auftrag, vom 20. Dezember 2007 vorgelegt. Auf diese Unterlagen wird inhaltlich verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die auf orthopädisch-neurologischem Fachgebiet bestehenden Beschwerden des Klägers sind nicht als BK nach Nr. 2101 oder wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 2101 der Anlage zur BKV sind Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK beschrieben.
Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtverordnung bezeichnet ist, oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Erkrankung des Klägers im Bereich der Ellenbogen nicht als BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV anzuerkennen.
Wie das SG in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, stellt die ulnare Epicondylitis, die im Bereich beider Ellenbogen beim Kläger besteht - wie Prof. Dr. H. und Prof. Dr. B. zutreffend ausgeführt haben - eine Erkrankung der Sehnen im Sinne der Nr. 2101 der Anlage zur BKV dar. Dies genügt jedoch nicht, um diese Erkrankung schon als BK anerkennen zu können. Erforderlich ist vielmehr der dadurch begründete Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten.
Das auf der Ermächtigung in § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII fußende, noch in einer Reihe weiterer BK-Tatbestände gleichlautend verwandte Merkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt regelmäßig voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat und unterlässt bzw. nicht (wieder) aufnimmt. Die Entschädigungspflicht tritt bei einer BK mit Unterlassungszwang nicht schon mit dem Auftreten der beruflich verursachten Erkrankung, sondern erst dann ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale der BK, also auch die Aufgabe der belastenden Tätigkeit, erfüllt sind (so schon BSGE 10, 286; siehe auch Urteil des BSG vom 31. März 1981 - 2 RU 81/80 - HVBG RdSchr VB 140/81 und zuletzt vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 12/06 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Der aus arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten erforderliche Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit als Geiger wegen der ulnaren Epicondylitis ist nach dem gesamten Akteninhalt aber nicht zu bejahen.
Der Kläger selbst hat in den Angaben gegenüber den Gutachtern im Verwaltungsverfahren, aber auch gegenüber denjenigen, die Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente tätig geworden sind, den Schwerpunkt seiner Beschwerden im Schulterbereich geschildert und ausgeführt, diese hinderten ihn an der Weiterführung seiner Tätigkeit.
Darüber hinaus hat im März 2002 aber auch noch im Dezember 2003 der behandelnde Nervenarzt Dr. M. in seinen Attesten für den Kläger ausgeführt, dass es wegen der nervenärztlichen Störungen des Klägers schon in der Vergangenheit zu Phasen gekommen sei, in denen er den Belastungen seitens der verantwortlichen Tätigkeit im S. Orchester nicht habe gerecht werden können.
Nicht zuletzt sind die auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet bestehenden funktionellen Einschränkungen, die durch die ulnare Epicondylitis im Bereich beider Ellenbogen begründet sind, nicht derart gravierend, dass sie unter arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten einen objektiven Zwang zur Beendigung der beruflichen Tätigkeit begründen können. So hat der behandelnde Orthopäde Dr. H. bezüglich der orthopädischen Erkrankungen, also auch im Bereich der Ellenbogen, gegenüber dem Rentenversicherungsträger immer nur vorübergehende Phasen der Arbeitsunfähigkeit attestiert, zuletzt im Februar 2005. Auch der Gutachter Dr. T. hat nur feststellen können, dass der Kläger als Geiger im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung arbeitsunfähig sei, unter Therapie (auch der Alkoholproblematik) aber wieder vollschichtig leistungsfähig würde. Dem entsprechend hat auch der im sozialgerichtlichen Verfahren um die Gewährung einer vollen Erwerbminderungsrente (Az.: S 12 R 605/05, SG Karlsruhe) gehörte Orthopäde Dr. M. eine freie Beweglichkeit der Ellbogen, der Neurologe und Psychiater Dr. K., W.-Klinik St. B., in seinem Gutachten vom 4. August 2006 eine chronische Epicondylitis ulnaris an beiden Ellenbogen mit geringer Ausprägung festgestellt.
Über das Bestehen weiterer Listen-Berufskrankheiten, unter die die Erkrankungen im Wirbelsäulenbereich oder im Bereich der Schultern gefasst werden könnten, hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden. Es sind aber auch keine Berufskrankheitenziffern erkennbar, unter die die funktionellen Einschränkungen gefasst werden könnten.
Deshalb käme eine im Sinne des Klägers zusprechende Entscheidung nur in Betracht, wenn die Erkrankungen - antragsgemäß - im Bereich der HWS, BWS, LWS und der Schultern wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden könnten. Dies ist aber nicht der Fall, da es an der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen in § 9 Abs. 2 SGB VII fehlt.
Es müssten nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung dieser Erkrankungen nach § 9 Absatz 1 Satz 2 SGB VII vorliegen, d.h. Nachweise dafür, dass Erkrankungen durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Solche neueren Erkenntnisse liegen allerdings nicht vor. Deshalb kann offen bleiben, ob die beim Kläger bestehenden Veränderungen im Bereich der Schultereckgelenke und der LWS überhaupt durch die berufliche Belastung verursacht sein können. Im Bereich der HWS und BWS liegen schon keine krankhaften Befunde vor.
Der Kläger leidet neben der ulnaren Epicondylitis insbesondere an einem chronischen rezidivierenden subakromialen Syndrom beider Schultern bei Schultergelenkarthrose, Bursitis subakromialis und Tendinopathie der Rotatorenmanschette und einem rezidivierenden pseudoradikulären Lumbalsyndrom mit muskulär-ligamentären Reizungen bei Ileosakralgelenkblockierung sowie einer Bandscheibendegeneration mit angeborener relativer Enge des Spinalkanals. Dies haben Dr. T. in seinem Gutachten vom 18. März 2004 und zuletzt Dr. M. in seinem für das SG angefertigten Gutachten im Rentenrechtsstreit des Klägers festgestellt.
Soweit nicht schon infolge der angeborenen Fehlbildung im Bereich des Spinalkanals eine berufliche Verursachung per se ausscheidet, liegen nach den vorliegenden umfangreichen aktenkundigen Stellungnahmen zu musikerspezifischen Erkrankungen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür vor, dass unter den übrigen, beim Kläger festgestellten Erkrankungen Berufsgeiger in erheblich höherem Grad leiden als die übrige Bevölkerung.
Zuletzt hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung in ihrer Stellungnahme an die Unfallkasse Sachsen vom 28. April 2008, vorgelegt im Verfahren vor dem Sächsischen LSG, ausgeführt, dass neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund der besonderen Einwirkung bei der beruflichen Tätigkeit, insbesondere die der Geigen- und Bratschenspieler, in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an Erkrankungen der HWS und der Schultergelenke leidet, nicht bekannt sind.
Auch der ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMAS hat sich noch nicht mit dieser Frage befasst.
Es fehlt darüber hinaus an entsprechenden epidemiologischen Erkenntnissen. Die von Prof. Dr. B. seinem Gutachten beigefügten wissenschaftlichen Berichte genügen, unabhängig von der Frage, ob darin die beim Kläger bestehenden Krankheitsbilder überhaupt genau erfasst sind (an Erkrankungen im Bereich der HWS leidet der Kläger nicht, vielmehr sind Veränderungen nur im lumbalen Bereich der Wirbelsäule festgestellt), diesen Anforderungen nicht.
Die vom Kläger vorgetragene wissenschaftliche Studie von Prof. Dr. D., gefertigt für das Sächsische LSG, existiert nicht. Nach der Aussage von Prof. Dr. D. gegenüber dem dortigen Gericht sind ihm auch keine anderweitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Wirbelsäulenbeschwerden bei Musikern bekannt.
Die von Prof. Dr. S. dem Sächsischen Landessozialgericht übersandte Auflistung der derzeit vorhandenen oder laufenden Untersuchungen im Fachbereich Musikermedizin lässt ebenfalls nicht den Schluss auf das Vorliegen epidemiologischer bzw. neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im Schultereckgelenksbereich oder im Bereich der lumbalen Wirbelsäule zu. So hat Prof. Dr. S. ausgeführt, dass es bei hohen Streichern in Folge der ergonomischen Konstellation zu einer Zangenbewegung komme, die die gesamte infrahyoidale und linksseitige Muskulatur der HWS beanspruche. In diesen, möglicherweise für Folgen beruflich bedingter Fehlhaltungen anfälligen Bereich der HWS, liegen beim Kläger aber keine altersuntypischen Veränderungen vor, wie insbesondere Dr. T. bei seiner Untersuchung festgestellt hat ("alterstypischer unauffälliger HWS-Befund) und auch von Dr. M. entsprechend festgestellt worden ist. Für einen Zusammenhang der Entstehung einer AC-Gelenksarthrose mit der beruflichen Tätigkeit als Geiger fehlt es auch nach der Auflistung von Prof. Dr. S. an repräsentativen Untersuchungsergebnissen. Gleiches gilt für die Problematik im Bereich der lumbalen Wirbelsäule.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Frage, ob die Erkrankungen des Klägers im Bereich der Halswirbelsäule, der Brust- und Lendenwirbelsäule, des Schulter- und Nackenbereichs sowie der Ellenbogengelenke beidseits als oder wie eine Berufskrankheit (BK) anzuerkennen sind.
Der 1951 geborene Kläger war als koordinierter 1. Konzertmeister beim S. Orchester P., S. P., beschäftigt. Seinen Beruf als Geiger übte er seit 1968 aus. Seit 1. Januar 2004 bezieht der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, die im Jahr 2005 zuerkannt worden war. Bis dahin war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Unter dem 10. Januar 2003 zeigte der Beschäftigungsbetrieb an, dass beim Kläger möglicherweise eine BK vorliege, das P., Arbeitsmedizinischer Dienst, zeigte unter dem 11. November 2002 den Verdacht des Bestehens einer BK (Epicondylopathie beidseits, AC-Gelenksarthrose rechts) an. Im Fragebogen vom November 2002 gab der Kläger an, seit etwa 1995 unter starken Schmerzen in beiden Schultern und Ellbogen zu leiden. Er legte zahlreiche Befundberichte und Arztbriefe bei.
Im Auftrag der Beklagten erstellte am 14. Oktober 2003 Prof. Dr. B., Klinikum der J.-G.-U. M., ein musikermedizinisches Fachgutachten. Als Diagnosen führte er eine AC-Gelenksarthrose mit Impingement rechts, belastungsbedingtes Rotatorensyndrom linke Schulter, cervicale Myotendopathie, Epicondylitis humeri medialis beidseits und degeneratives LWS-Syndrom auf. Jede Erkrankung einzeln gesehen, sei nicht in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) als BK bezeichnet. Aus seiner Sicht komme aber eine Entschädigung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Betracht. Der Kläger gehöre als Berufsgeiger zu einer Personengruppe, die bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung einer besonderen Einwirkung ausgesetzt sei. Diese bestehe insbesondere in der Arbeit mit dem Instrument Geige, welche durch ihre Wirkung gegen die Schwerkraft mit einer außergewöhnlichen starken Belastung des Schultergelenks verbunden sei. Hinzu komme, dass der linke Arm und damit auch die linke Schulter bei den üblichen Techniken in die maximale Außenrotation gezwungen sei, welche praktisch bis zur aktiven Bewegungsgrenze gehe. Hierdurch komme es auch zu einer sehr starken Belastung auf die Epicondylen im Ellenbogengelenkbereich. Aufgrund der doch insgesamt geringen Zahl von Berufsgeigern sei eine epidemiologische Statistik mit signifikanten Ereignissen bezüglich der angesprochenen Krankheitskomplexe nicht verfügbar, dennoch deuteten vorhandene Feldstudien auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Entwicklung dieser Beschwerden und der Überbeanspruchung durch die berufliche Tätigkeit hin. Die Erkrankung des Klägers stehe daher mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der berufsbedingten schädigenden Einwirkung im Sinne der Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, sicherlich seien auch degenerative Anlagen mitbeteiligt, allerdings müsse eine wesentliche Verursachung durch die berufsbezogene Tätigkeit angenommen werden. Es liege eine dauernde, richtunggebende Verschlimmerung vor. Die Tätigkeit als Geiger könne nur bei einer Reduzierung der Arbeitsbelastung auf ein Drittel weiter ausgeübt werden. Die MdE belaufe sich vom 27. November 2000 (Angaben des behandelnden Orthopäden) bis 6. Oktober 2003 (Tag vor der Untersuchung) auf 30 v.H.
Die Beklagte nahm daraufhin weitere Ermittlungen auf und zog u.a. Operationsberichte über Ganglion-Operationen rechts 1982 und 1984, das Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenversicherung sowie die von Prof. Dr. B. im Gutachten erwähnten Feldstudien bei. Dieser übersandte unter dem 14. Januar 2004 Kopien verschiedener Veröffentlichungen ("Schmerzen an Schultergelenken bei Streichinstrumentalisten - Diagnostische Kriterien und Maßnahmen der Rehabilitation", F. Danckwerth in: Musikerphysiologie und Musikermedizin 1996 S. 21 ff; "Instrumental Musicians with Upper Extremity Disorders", Knishkowy et al. 1986; Auszüge aus dem von ihm 1995 herausgegebenen Buch "Medizinische Probleme bei Musikern" S. 116 ff; "Die Hand des Musikers - Musikphysiologische und musikermedizinische Aspekte"; J. Blum 2002).
Die Beklagte holte weiter die Stellungnahme des Bundesverbands der U. vom 3. März 2004 zur Frage der Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII ein und zog Unterlagen über noch offene Anerkennungsfälle beim R. G. und medizinische Unterlagen des Rentenversicherungsträgers bei, die im Rahmen des Rentenverfahrens des Klägers erstellt worden waren. U.a. war darin das Gutachten des Orthopäden Dr. T. vom 18. März 2004 enthalten, in welchem als Diagnosen Impingement-Syndrom beide Schultergelenke bei degenerativen Schultergelenksveränderungen, Epicondylitis ulnaris beidseits, Zustand nach Carpaltunnel-Operation links, mäßiggradiges Carpaltunnelsyndrom rechts, Rezidivganglion am rechten Daumen und Cervical- und Lumbalsyndrom aufgeführt waren. Weiter hatte Dr. T. ausgeführt, dass ein chronisches und glaubhaft vorgetragenes Überlastungssyndrom der Schultergelenke bei beruflicher Fehlbelastung und mangelndem sportlichen Trainingszustand der Schultergürtelmuskulatur (ausgeprägte Muskelinsuffizienz) und im Bereich der Ober- und Unterarme bestehe. Sollte der Kläger ausreichend Muskel- und Krafttraining durchführen, sei mittel- bis langfristig auch wieder für eine Tätigkeit als Geiger Arbeitsfähigkeit gegeben. Enthalten war weiter das Gutachten des Nervenarztes Dr. U. vom 29. April 2004, der als Diagnosen einen dringenden Verdacht auf Alkoholkrankheit, Polyneuropathie, wahrscheinlich alkoholbedingt, Meralgia parästhetika rechts und Angst und Depression gemischt aufführte.
Im Auftrag der Beklagten erstattete am 19. November 2004 Prof. Dr. H., Fachkliniken H., ein fachorthopädisches Gutachten nach Aktenlage. Zusammenfassend kam er zum Schluss, dass der Beruf des Geigers durch repetitive Armbewegungen eine große Belastung für Schulter und Ellenbogengelenke darstelle, nach Aktenlage die beruflichen Einflüsse auf das gesamte Krankheitsgeschehen aber nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könnten. Denn faktisch leide der Kläger an einer Schultereckgelenksarthrose, deren Verursachung durch die berufliche Tätigkeit nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Bei der ulnaren Epicondylopathie beidseits sei eine berufliche, wenigstens Mitbeteiligung, in der Genese durchaus vorstellbar und eher nachvollziehbar. Eine gesicherte Datenbasis zur Anerkennung als BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV liege allerdings nicht vor. Nicht zuletzt müsse beachtet werden, dass der Kläger noch immer im Arbeitsverhältnis stehe und die schier rekordverdächtige Zahl von 59 Ärzten, die der Kläger bei insgesamt 365 Gelegenheiten in den letzten Jahren konsultiert habe, darauf schließen lasse, dass nur ein Teil der Krankschreibungen tatsächlich auf der Schulter- oder Ellenbogenproblematik beruhe.
Der Staatliche Gewerbearzt Dr. S. teilte am 21. März 2005 mit, dass eine BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Rücksprache mit dem Bundesverband der Unfallkassen keine ausreichenden neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen würden, wonach Beschwerden im Bereich der HWS, des Schulter-/Nackenbereichs, der BWS und der LWS insbesondere bei Geigern in erheblich höherem Maße auftreten würden als in der übrigen Bevölkerung und durch die berufliche Tätigkeit verursacht seien. Auch habe sich der Sachverständigenbeirat noch nicht mit dieser Fragestellung beschäftigt. Nicht zuletzt habe die Beurteilung von Prof. Dr. H. ergeben, dass ein Zusammenhang der Beschwerden mit der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich sei. Mit Bescheid vom 13. April 2005 lehnte die Beklagte eine BK sowie die Entschädigung wie eine BK ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2005 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 30. November 2005 Klage zum Sozialgericht K. (SG) erhoben und mit der Klagebegründung Aufsätze vorgelegt, die aus seiner Sicht den Zusammenhang der bei ihm bestehenden Beschwerden mit der Tätigkeit als Geiger belegen ("Hinweise für morphologische HWS-Veränderungen bei professionellen oberen Streichinstrumentalisten?" F. Dankwerth et al. Zbl Arbeitsmed 46 (1996) S. 362 ff; "Musikermedizin/Musikerarbeitsplätze", Pangert/Loock 2002).
Das SG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angefragt, was bei der letzten Verordnungsgebung der medizinische Erkenntnisstand zu Fragen berufskrankheitenbedingter orthopädischer Erkrankungen bei Musikern war. In seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2006 hat das BMAS ausgeführt, entsprechende Fragen seien noch nicht geprüft worden und eine Prüfung auch nicht beabsichtigt. Es lägen deshalb auch keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Die Epicondylitis sei beim Kläger nach Nr. 2101 grundsätzlich anerkennungsfähig.
Mit Urteil vom 27. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, zwar liege mit der ulnaren Epicondylitis eine Erkrankung im Sinne der BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV vor. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass diese Erkrankung der Sehnen- und Muskelansätze zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich gewesen seien. Der Kläger leide unter vielfachen Erkrankungen des Halte- und Bewegungsapparats. Prof. Dr. B. habe die Beweglichkeit der Ellenbogengelenke als uneingeschränkt beschrieben. Die im Übrigen beschriebenen orthopädischen Befunde, die Ausführungen von Dr. T. zur Alkoholsituation des Klägers sowie des Dr. U., wonach der Kläger ihm gegenüber geäußert habe, dass er wegen psychischer Probleme seinem Dienst nicht mehr nachkommen könne, ließen es nicht zu, die Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2101 der Anlage als ursächlich für die Berufsaufgabe zu bewerten. Die Schultereckgelenksarthrose unterfalle nicht der BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV. Die Voraussetzungen zur Anerkennung dieser Erkrankung als BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII seien ebenfalls nicht gegeben, da eine sogenannte Verordnungsreife der Erkrankung nicht vorliege.
Gegen das am 14. März 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. April 2007, einem Montag, Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass er, abweichend von der Auffassung des SG, nur unter Schmerzen in der Lage sei, Geige zu spielen. Daher sei die Anerkennung der Epicondylitis als BK auszusprechen. Zusammen mit den anderen Erkrankungen des Halteapparats habe dies auch zur Unterlassung der Berufstätigkeit als Geiger geführt; eventuelle psychische Probleme hätten diesbezüglich keine Rolle gespielt. Durch die vorgelegte Literatur seien darüber hinaus auch die Voraussetzungen für die Anerkennung der Schultergelenkseckarthrose wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts K. vom 27. Februar 2007 sowie den Bescheid vom 13. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, als BK seine Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, der Brustwirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, des Schulter- und Nackenbereichs sowie der Ellenbogengelenke beidseits anzuerkennen und Leistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat Prof. Dr. H. ergänzend um Stellungnahme gebeten, ob die Epicondylitis beidseits ursächlich oder jedenfalls wesentlich mitursächlich für die Tätigkeitsaufgabe im Januar 2004 gewesen ist. In seiner Stellungnahme vom 12. September 2007 hat Prof. Dr. H. aufgeführt, die Tätigkeitsaufgabe sei nicht durch die Epicondylitis wesentlich verursacht.
Darüber hinaus hat der Senat den Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband um Stellungnahme gebeten, ob das aus den Verwaltungsakten ersichtliche Anerkennungsverfahren bezüglich orthopädischer Erkrankungen eines Berufsmusikers zur Anerkennung von Erkrankungen als BK oder wie eine BK geführt hat. Auf die Stellungnahme vom 30. August 2007 wird inhaltlich Bezug genommen. Auf den Hinweis des Klägers, dass beim Sächsischen Landessozialgericht ein Verfahren wegen einer epidemiologischen Arbeit von Prof. Dr. D. ruhe, hat der Senat das Sächsische Landessozialgericht um nähere Auskünfte, insbesondere um Übersendung dieser Arbeit, gebeten. Das Sächsische Landessozialgericht hat unter dem 17. Juli 2008 zahlreiche Unterlagen übersandt, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, und mitgeteilt, in dem dort anhängigen Verfahren stehe die Entschädigung eines Cervikalsyndroms nach § 9 Abs. 2 SGB VII im Streit. Prof. Dr. D. habe keine Studie zu Wirbelsäulenbeschwerden bei Musikern erstellt, ihm seien auch keine anderweitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Frage bekannt. Übermittelt hat das Sächsische LSG auch die Stellungnahme der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung an die Unfallkasse S. vom 28. April 2008. Danach seien neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund der besonderen Einwirkung bei der beruflichen Tätigkeit, insbesondere die der Geigen- und Bratschenspieler, in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an Erkrankungen der HWS und der Schultergelenke leidet, nicht bekannt. Es fehle weiterhin an entsprechenden epidemiologischen Erkenntnissen. Auch der ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMAS habe sich noch nicht damit befasst. Mit Bezugsschreiben vom 1. August 2008 hat das Sächsische LSG die von Prof. Dr. S., Institut für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik F. L., W., gefertigte Stellungnahme vom 29. Juli 2008 über die derzeit vorhandenen und laufenden Untersuchungen im Fachbereich Musikermedizin und Musikphysiologie übersandt. Beigezogen wurden auch die Akten des Rentenversicherungsträgers. Die Beklagte hat die weitere Stellungnahme des Prof. Dr. H., gefertigt in ihrem Auftrag, vom 20. Dezember 2007 vorgelegt. Auf diese Unterlagen wird inhaltlich verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die auf orthopädisch-neurologischem Fachgebiet bestehenden Beschwerden des Klägers sind nicht als BK nach Nr. 2101 oder wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 2101 der Anlage zur BKV sind Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK beschrieben.
Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtverordnung bezeichnet ist, oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Erkrankung des Klägers im Bereich der Ellenbogen nicht als BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV anzuerkennen.
Wie das SG in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, stellt die ulnare Epicondylitis, die im Bereich beider Ellenbogen beim Kläger besteht - wie Prof. Dr. H. und Prof. Dr. B. zutreffend ausgeführt haben - eine Erkrankung der Sehnen im Sinne der Nr. 2101 der Anlage zur BKV dar. Dies genügt jedoch nicht, um diese Erkrankung schon als BK anerkennen zu können. Erforderlich ist vielmehr der dadurch begründete Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten.
Das auf der Ermächtigung in § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII fußende, noch in einer Reihe weiterer BK-Tatbestände gleichlautend verwandte Merkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt regelmäßig voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat und unterlässt bzw. nicht (wieder) aufnimmt. Die Entschädigungspflicht tritt bei einer BK mit Unterlassungszwang nicht schon mit dem Auftreten der beruflich verursachten Erkrankung, sondern erst dann ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale der BK, also auch die Aufgabe der belastenden Tätigkeit, erfüllt sind (so schon BSGE 10, 286; siehe auch Urteil des BSG vom 31. März 1981 - 2 RU 81/80 - HVBG RdSchr VB 140/81 und zuletzt vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 12/06 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Der aus arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten erforderliche Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit als Geiger wegen der ulnaren Epicondylitis ist nach dem gesamten Akteninhalt aber nicht zu bejahen.
Der Kläger selbst hat in den Angaben gegenüber den Gutachtern im Verwaltungsverfahren, aber auch gegenüber denjenigen, die Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente tätig geworden sind, den Schwerpunkt seiner Beschwerden im Schulterbereich geschildert und ausgeführt, diese hinderten ihn an der Weiterführung seiner Tätigkeit.
Darüber hinaus hat im März 2002 aber auch noch im Dezember 2003 der behandelnde Nervenarzt Dr. M. in seinen Attesten für den Kläger ausgeführt, dass es wegen der nervenärztlichen Störungen des Klägers schon in der Vergangenheit zu Phasen gekommen sei, in denen er den Belastungen seitens der verantwortlichen Tätigkeit im S. Orchester nicht habe gerecht werden können.
Nicht zuletzt sind die auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet bestehenden funktionellen Einschränkungen, die durch die ulnare Epicondylitis im Bereich beider Ellenbogen begründet sind, nicht derart gravierend, dass sie unter arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten einen objektiven Zwang zur Beendigung der beruflichen Tätigkeit begründen können. So hat der behandelnde Orthopäde Dr. H. bezüglich der orthopädischen Erkrankungen, also auch im Bereich der Ellenbogen, gegenüber dem Rentenversicherungsträger immer nur vorübergehende Phasen der Arbeitsunfähigkeit attestiert, zuletzt im Februar 2005. Auch der Gutachter Dr. T. hat nur feststellen können, dass der Kläger als Geiger im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung arbeitsunfähig sei, unter Therapie (auch der Alkoholproblematik) aber wieder vollschichtig leistungsfähig würde. Dem entsprechend hat auch der im sozialgerichtlichen Verfahren um die Gewährung einer vollen Erwerbminderungsrente (Az.: S 12 R 605/05, SG Karlsruhe) gehörte Orthopäde Dr. M. eine freie Beweglichkeit der Ellbogen, der Neurologe und Psychiater Dr. K., W.-Klinik St. B., in seinem Gutachten vom 4. August 2006 eine chronische Epicondylitis ulnaris an beiden Ellenbogen mit geringer Ausprägung festgestellt.
Über das Bestehen weiterer Listen-Berufskrankheiten, unter die die Erkrankungen im Wirbelsäulenbereich oder im Bereich der Schultern gefasst werden könnten, hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden. Es sind aber auch keine Berufskrankheitenziffern erkennbar, unter die die funktionellen Einschränkungen gefasst werden könnten.
Deshalb käme eine im Sinne des Klägers zusprechende Entscheidung nur in Betracht, wenn die Erkrankungen - antragsgemäß - im Bereich der HWS, BWS, LWS und der Schultern wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden könnten. Dies ist aber nicht der Fall, da es an der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen in § 9 Abs. 2 SGB VII fehlt.
Es müssten nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung dieser Erkrankungen nach § 9 Absatz 1 Satz 2 SGB VII vorliegen, d.h. Nachweise dafür, dass Erkrankungen durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Solche neueren Erkenntnisse liegen allerdings nicht vor. Deshalb kann offen bleiben, ob die beim Kläger bestehenden Veränderungen im Bereich der Schultereckgelenke und der LWS überhaupt durch die berufliche Belastung verursacht sein können. Im Bereich der HWS und BWS liegen schon keine krankhaften Befunde vor.
Der Kläger leidet neben der ulnaren Epicondylitis insbesondere an einem chronischen rezidivierenden subakromialen Syndrom beider Schultern bei Schultergelenkarthrose, Bursitis subakromialis und Tendinopathie der Rotatorenmanschette und einem rezidivierenden pseudoradikulären Lumbalsyndrom mit muskulär-ligamentären Reizungen bei Ileosakralgelenkblockierung sowie einer Bandscheibendegeneration mit angeborener relativer Enge des Spinalkanals. Dies haben Dr. T. in seinem Gutachten vom 18. März 2004 und zuletzt Dr. M. in seinem für das SG angefertigten Gutachten im Rentenrechtsstreit des Klägers festgestellt.
Soweit nicht schon infolge der angeborenen Fehlbildung im Bereich des Spinalkanals eine berufliche Verursachung per se ausscheidet, liegen nach den vorliegenden umfangreichen aktenkundigen Stellungnahmen zu musikerspezifischen Erkrankungen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür vor, dass unter den übrigen, beim Kläger festgestellten Erkrankungen Berufsgeiger in erheblich höherem Grad leiden als die übrige Bevölkerung.
Zuletzt hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung in ihrer Stellungnahme an die Unfallkasse Sachsen vom 28. April 2008, vorgelegt im Verfahren vor dem Sächsischen LSG, ausgeführt, dass neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund der besonderen Einwirkung bei der beruflichen Tätigkeit, insbesondere die der Geigen- und Bratschenspieler, in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an Erkrankungen der HWS und der Schultergelenke leidet, nicht bekannt sind.
Auch der ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMAS hat sich noch nicht mit dieser Frage befasst.
Es fehlt darüber hinaus an entsprechenden epidemiologischen Erkenntnissen. Die von Prof. Dr. B. seinem Gutachten beigefügten wissenschaftlichen Berichte genügen, unabhängig von der Frage, ob darin die beim Kläger bestehenden Krankheitsbilder überhaupt genau erfasst sind (an Erkrankungen im Bereich der HWS leidet der Kläger nicht, vielmehr sind Veränderungen nur im lumbalen Bereich der Wirbelsäule festgestellt), diesen Anforderungen nicht.
Die vom Kläger vorgetragene wissenschaftliche Studie von Prof. Dr. D., gefertigt für das Sächsische LSG, existiert nicht. Nach der Aussage von Prof. Dr. D. gegenüber dem dortigen Gericht sind ihm auch keine anderweitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Wirbelsäulenbeschwerden bei Musikern bekannt.
Die von Prof. Dr. S. dem Sächsischen Landessozialgericht übersandte Auflistung der derzeit vorhandenen oder laufenden Untersuchungen im Fachbereich Musikermedizin lässt ebenfalls nicht den Schluss auf das Vorliegen epidemiologischer bzw. neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im Schultereckgelenksbereich oder im Bereich der lumbalen Wirbelsäule zu. So hat Prof. Dr. S. ausgeführt, dass es bei hohen Streichern in Folge der ergonomischen Konstellation zu einer Zangenbewegung komme, die die gesamte infrahyoidale und linksseitige Muskulatur der HWS beanspruche. In diesen, möglicherweise für Folgen beruflich bedingter Fehlhaltungen anfälligen Bereich der HWS, liegen beim Kläger aber keine altersuntypischen Veränderungen vor, wie insbesondere Dr. T. bei seiner Untersuchung festgestellt hat ("alterstypischer unauffälliger HWS-Befund) und auch von Dr. M. entsprechend festgestellt worden ist. Für einen Zusammenhang der Entstehung einer AC-Gelenksarthrose mit der beruflichen Tätigkeit als Geiger fehlt es auch nach der Auflistung von Prof. Dr. S. an repräsentativen Untersuchungsergebnissen. Gleiches gilt für die Problematik im Bereich der lumbalen Wirbelsäule.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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