L 2 R 389/05

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 4 RA 54/04
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 R 389/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Tätigkeit einer Krankenschwester in einer Kurklinik oder einem Sanatorium unterscheidet sich von einer Tätigkeit in einer Rehabilitationsklinik dadurch, dass regelmäßig gehfähige Patienten betreut werden und somit überwiegend leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne schweres Heben und Tragen von Lasten anfallen.
2. Arbeitsplätze für Krankenschwestern, die dem typischen Anforderungsprofil einer solchen Tätigkeit entsprechen, sind auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland in einer nennenswerten Anzahl im Sinne der Rechtsprechung des BSG zum sog. Seltenheitsfall (BSG , Urteil vom 14.5.1998 = BSGE 78,207 = SozR 3- 2600 § 43 Nr. 13) vorhanden.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 13.9.2005 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit streitig.

Die 1953 geborene Klägerin absolvierte von 1970 bis 1973 eine Lehre zur Kinderkrankenschwester und arbeitete anschließend bis 1994 im erlernten Beruf. Von 1995 bis 2003 war sie als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson rentenversichert.

Im Juli 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und machte geltend, insbesondere an den Folgen eines im Jahr 1987 erlittenen Verkehrsunfalls, überwiegend im Stütz- und Bewegungsapparat, zu leiden.

In einem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten von Dr. B vom September 2003 wurden nach Auswertung diverser ärztlicher Unterlagen und erhobener Befunde folgende Diagnosen gestellt: "Chronisches fehlstatisch bedingtes Schmerzsyndrom der Lenden-Becken-Hüftregion nach in Fehlstellung verheilter Beckenringfraktur mit Arthrose des linken Iliosacralgelenkes, muskulären und ligamentären Belastungsbeschwerden, Fehlstatik des Schultergürtels, cervico-cephaler Begleitsymptomatik, sekundärtraumatische Arthrose des linken Ellenbogengelenks nach Olecranonfraktur mit Streckbehinderung". Der Gutachter führte aus, die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in einem mindestens 6 stündigen Umfang zu verrichten, sofern sie im Wechsel der Körperhaltungen erfolgten und nicht mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule und den Gelenken der linken oberen und unteren Extremitäten einhergingen. Länger andauernde stehende Tätigkeiten, länger andauernde Tätigkeiten in gebückter oder hockender Haltung, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten oder in ungünstiger Witterung sollten vermieden werden. Einschränkungen der Wegefähigkeit lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 9.10.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Es liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor. In der ihr zumutbaren Tätigkeit als Arzthelferin könne sie noch täglich mindestens sechs Stunden tätig sein.

Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom Oktober 2003 vor, der die Leistungsfähigkeit der Klägerin täglich auf unter drei Stunden schätzte.

Die Beklagte holte einen Befundbericht von Dr. K vom Januar 2004 nebst ärztlicher Unterlagen ein.

Nach Auswertung der medizinischem Unterlagen durch Frau Dr. L im Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.3.2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei als Kinderkrankenschwester auf eine Tätigkeit einer Krankenschwester nach den Vergütungsgruppen Kr. V/Va BAT in Kurkliniken, Sanatorien bzw. Rehabilitationskliniken (ohne AHB) verweisbar.

Die Klägerin hat am 31.3.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Trier erhoben.

Sie hält die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten für unzumutbar. Zum einen seien sie mittelschwer, zum anderen fehlten ihr die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten. Es handele sich schließlich um Schonarbeitsplätze, die Außenstehenden nicht zugänglich seien.

Sie hat ein Attest des behandelnden Arztes Dr. E vom März 2004 vorgelegt, in dem dieser ausgeführt hat, dass sie die im Widerspruchsbescheid benannte Verweisungstätigkeit nicht mehr ausführen und auch nur unter drei Stunden täglich im Einsatz sein könne. Des Weiteren hat sie einen Arztbrief des Orthopäden Dr. S vom Mai 2004 vorgelegt, in dem berichtet wird, dass sich bei einem MRT der HWS vom April 2004 keine Wurzel- oder Myelonkompressionen gezeigt hätten, aber eine relativ fortgeschrittene Osteochondrose C5/6 und C6/7.

Das SG hat einen Befundbericht beim Neurologen und Psychiater Dr. O vom November 2004 eingeholt, der eine linksseitige dissoziative Sensibilitätsstörung festgestellt hat. Es hat außerdem einen Befundbericht beim Orthopäden Dr. T vom März 2005 eingeholt, der folgende Diagnosen stellte: "ISG Arthrose links, Osteochondrose L5/S1; generalisiertes WS-Syndrom, linksseitiger Gesichtsschmerz". Eine ambulante Vorstellung in der Klinik und Poliklink für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Johannes Gutenberg-Universitätsklinken am 31.3.2005 hat den Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10; F 45.4 V) und eine leicht depressive Episode (ICD 10; F 32.0) ergeben. Im Arztbrief vom April 2005 ist ausgeführt, eine suffiziente Therapie sei bisher nicht erfolgt. Der Klägerin werde empfohlen, sich nach Abschluss des Rentenverfahrens wieder vorzustellen.

Das SG hat sodann von Amts wegen ein Gutachten bei dem Psychotherapeuten und Psychiater Dr. H eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom Juni 2005 ausgeführt, bei der Klägerin liege eine Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz (ICD 10: F 45.0) vor. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Klägerin aus Sicht seiner Fachgebiete imstande sei, leichte körperliche Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an die Konzentration, das Verständnis und das Gedächtnis für Arbeitsanweisungen, das Verantwortungsgefühl und die geistige Beweglichkeit ganztags zu verrichten. Die von orthopädischer Seite genannten Einschränkungen seien zusätzlich zu beachten.

Mit Urteil vom 13.9.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Vorliegend komme eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 43, 240 SGB VI) in Betracht. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung der in den Gutachten von Dr. B und Dr. H genannten qualitativen Einschränkungen verrichten. Auch eine teilweise Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit liege bei der Klägerin nicht vor. Sie sei zumutbar auf die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid genannten Tätigkeiten verweisbar. Die Tätigkeiten im Berufsbereich der Krankenschwester nach den Vergütungsgruppen Kr V/Va BAT in Kurkliniken, Sanatorien bzw. Rehabilitationskliniken (ohne AHB) seien ihr aufgrund ihrer Vorbildung zumutbar. Sie könne sie trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen auch verrichten. Es könne daher dahinstehen, ob die Klägerin außerdem auf die Tätigkeit einer Arzthelferin verwiesen werden könne. Es sei auch nicht anzunehmen, dass der Arbeitsmarkt für die genannte Tätigkeiten verschlossen sei, weil es sich um Arbeitsplätze handele, die Außenstehenden nicht zugänglich seien. Die Zumutbarkeit der Verweisung entspreche auch der obergerichtlichen Rechtssprechung

Gegen das ihr am 20.9.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.10.2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingelegt.

Der Senat hat einen Entlassungsbericht der M St. J in L vom Januar 2006 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 11.1.2006 bis zum 26.1.2006 und einen Befundbericht des Orthopäden Dr. M vom März 2006 beigezogen.

Der Senat hat sodann von Amts wegen ein fachorthopädisches Gutachten von Prof. Dr. H vom Juli 2006 eingeholt. Der Sachverständige hat folgende Gesundheitseinschränkungen diagnostiziert: "Zustand nach Beckenringfraktur mit Iliosacralfugensprengung (Malgaigne-Fraktur) mit geringgradiger Beckensymmetrie ohne wesentliche Funktionsstörung, Zustand nach osteosynthetisch versorgter Olecranonfraktur links mit endgradigem Streckdefizit, degeneratives HWS-Syndrom mit Osteochondrose C5/6 und C6/7 mit endgradiger Rotationseinschränkung ohne neurologische Ausfallserscheinungen, Zustand nach Polytrauma 1978 mit Contusio cerebri, Beckenfraktur, Olecranonfraktur, Clavikulafraktur rechts, unklare halbseitige Sensibilitätsstörung links ohne motorische Ausfälle". Der Klägerin sei es zuzumuten, leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten, wobei ein Wechsel zwischen den Körperhaltungen möglich sein solle. Tätigkeiten in dauernder schwerer Zwangshaltung seien zu vermeiden. Gegen ein gelegentliches Bücken oder Wenden des Oberkörpers oder gegen das Einnehmen kurzzeitiger Zwangshaltungen sei nichts einzuwenden. Auch gegen das Besteigen von Treppen bestünden keine Einwände. Akkord- oder Fließbandarbeiten seien ebenfalls möglich. Tätigkeiten unter extremen Temperatureinwirkungen, Nässe, Zugluft und außergewöhnliche Kälte sollten vermieden werden. Das gelegentliche Besteigen von Leitern und Gerüsten könne abverlangt werden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Öffentliche Verkehrsmittel könnten benutzt werden. Nicht ganz nachvollziehbar sei, weshalb Dr. B nur noch leichte körperliche Tätigkeiten für zumutbar angesehen habe. Bei seiner Untersuchung hätten sich nur leichte bis mäßiggradige Funktionseinschränkungen gezeigt, die diese Einschränkung nicht rechtfertigen würden. Soweit Dr. H aus Sicht seines Fachgebietes nur leichte körperliche Tätigkeiten für zumutbar angesehen habe, seien erkennbar lediglich die von orthopädischer Seite genannten Einschränkungen durch Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. B übernommen worden.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres weiterverfolgten Begehrens auf Anerkennung eines Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit erneut darauf verwiesen, dass sie den genannten Verweisungsberuf einer Krankenschwester in Kurkliniken, Sanatorien und Reha-Kliniken (nicht AHB) schon aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten könne. Aus berufskundlichen Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes (LAA) Bayern für das bayerische LSG und der Rechtsprechung verschiedener bayerischer Gerichte ergebe sich, dass Arbeiten anfielen, denen sie nicht gewachsen sei. So fielen zeitweise mittelschwere und schwere Arbeiten an, es seien Grundpflege- und Behandlungspflegearbeiten vorzunehmen, es könne zu Zwangshaltungen kommen und es werde Notfalldienst verlangt. Zudem sei fraglich, ob es eine nennenswerte Zahl von Arbeitsplätzen dieser Art gebe oder ob solche Arbeitsplätze nicht als Schonarbeitsplätze nur betriebsintern vergeben würden.

Der Senat hat eine berufskundliche Stellungnahme der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland der Bundesagentur für Arbeit vom Mai 2007 und eine ergänzende Stellungnahme vom August 2007 eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird (Blatt 387 ff und 402 f GA).

Die Klägerin hat die Auskünfte als unzureichend angesehen und die Durchführung weiterer Ermittlungen angeregt.

Der Senat hat die Beklagte aufgefordert darzulegen, wie viele Kurkliniken und Sanatorien durch sie betreiben werden und wie viele offene und besetzte Stellen für Krankenschwestern und Krankenpfleger bzw. Gesundheitspfleger und Gesundheitspflegerinnen in diesen Kliniken vorhanden sind.

Der Berufskundliche Dienst der Beklagten hat im Dezember 2007 mitgeteilt, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund in 22 Rehabilitationszentren 27 Rehabilitations- und Kurkliniken betreibe. Dort gebe es 411,25 Vollzeitstellen für die genannten Berufsgruppen. Insgesamt betreibe die Deutsche Rentenversicherung 98 Kliniken. Neben der Deutschen Rentenversicherung seien beispielsweise auch Müttergenesungswerke oder Krankenkassen Träger solcher Einrichtungen.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Definition der Betriebsart Kurklinik nach der Internationalen Terminologie DIN ISO 18513 (veröffentlicht in http/www.klassifizierung/definitionen/betriebsarten.de) hingewiesen und diese Veröffentlichung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 13.9.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 9.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren,

hilfsweise ein berufskundliches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob die Klägerin unter Berücksichtigung der bei ihr festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen und unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Arbeitsmarktes zumutbar auf eine Tätigkeit als Krankenschwester in Kurkliniken und Sanatorien in Vollschicht verwiesen werden kann.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf Rechtsprechung verschiedener Landessozialgerichte aus anderen Bundesländern und auf die Stellungnahmen ihres berufskundlichen Dienstes vom Dezember 2006 und Dezember 2007, auf deren Inhalt verwiesen werde. Sie gehe insbesondere davon aus, dass Arbeitsplätze, die den Anforderungen der benannten Verweisungstätigkeiten entsprechen, in einer ausreichenden Anzahl zur Verfügung stehen

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Zu Recht hat das SG Trier entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 240 SGB VI in der ab dem 1.1.2001 geltenden Fassung. Andere Rentenansprüche hat die Klägerin zuletzt nicht mehr weiterverfolgt.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, und sie 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

§ 240 SGB VI ergänzt diese Vorschriften insoweit, als ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch vorliegt, wenn die Versicherten vor dem 2.1.1961 geboren und berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit liegen bei der Klägerin nicht vor.

Die Klägerin hat eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester absolviert und während ihres Berufslebens bis zum Jahr 1994 im erlernten Beruf gearbeitet. Sie genießt damit den qualifizierten Berufsschutz einer dreijährig Ausgebildeten, weshalb eine Verweisung auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes von vorneherein ausscheidet. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Während für die bisherige Tätigkeit als Kinderkrankenschwester (neue Berufsbezeichnung: Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin) unstreitig ein nur noch dreistündiges bzw. aufgehobenes Leistungsvermögen besteht, steht für den Senat fest, dass die Klägerin mit dem verbliebenen Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der vom Senat eingeholten berufskundlichen Auskünfte der Regionaldirektion Rheinland/Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit vom Mai 2007 und August 2007 als Krankenschwester in Kurkliniken und Sanatorien arbeiten kann (Vergütung nach Kr V/Va BAT).

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der ebenfalls noch als aktuell zu bezeichnenden Auskunft des berufskundlichen Dienstes der Beklagten vom Dezember 2006, des Weiteren mit der Rechtsprechung verschiedener Landessozialgerichte aus anderen Bundesländern (Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 6.4.2001 - L 13 RA 2/00 und vom 25.6.2003 - L 13 RA 19/00; Urteil des LSG Niedersachsen/Bremen vom 25.9.2003 - L 1 RA 38/00), mit einer Stellungnahme des LAA Nordrhein-Westfalen vom März 2001 und der Rechtsprechung des ebenfalls für Rentenversicherung zuständigen 6. Senats des LSG Rheinland/Pfalz (Urteil vom 11.2.2004 - L 6 RA 52/03).

Die Tätigkeit in Kurkliniken und Sanatorien unterscheidet sich nach den Auskünften der Regionaldirektion Rheinland/Pfalz-Saarland im Kern dadurch von einer Tätigkeit als Gesundheitspflegerin, dass in der Regel gehfähige Patienten betreut werden und somit überwiegend leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten anfallen. In Sanatorien werden grundsätzlich pflegebedürftige Patienten nicht aufgenommen. Bei ernsthaften Erkrankungen erfolgt die Verlegung in ein Akutkrankenhaus.

Anders verhält es sich in Reha-Kliniken: Dort kann nicht ausgeschlossen werden, dass Patienten im Rahmen der Grund- und Behandlungspflege gehoben/gebettet/gelagert werden müssen. Es kommt in diesen Kliniken vermehrt zu gesundheitlichen Problemen bei den Patienten bis hin zu Notfallsituationen, in denen schnell reagiert werden muss und ein Arzt häufig nicht greifbar ist.

Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Aussage der Regionaldirektion Rheinland/Pfalz-Saarland, wonach in der Regel nur gehfähige Personen in Kurkliniken und Sanatorien behandelt werden, zu zweifeln, zumal gerade die Unterschiede in der Betriebsstruktur die Differenzierung zwischen einer Rehabilitationsklinik und einer Kurklinik bzw. einem Sanatorium kennzeichnet. Denn aus der Definition der Betriebsarten nach der Internationalen Terminologie der Kurklinik (DIN EN ISO 18513) ergibt sich, dass dort "vorrangig ortsgebundene Heilmittel" zum Einsatz gelangen (http://www.klassifizierung. -de/definitionen/betriebsarten). Sanatorien bieten vorwiegend Behandlungs-maßnahmen, meist Bewegungsübungen, Bäder, Bestrahlungen und Diäten. Akut erkrankte, pflegebedürftige, bettlägerige oder nicht gehfähige Patienten können jedoch keine Bewegungsübungen oder Anwendungen in Bädern durchführen.

Im Übrigen ist in Bezug auf die Anforderung an eine Verweisungstätigkeit nur das typische Anforderungsprofil einer Verweisungstätigkeit zugrunde zu legen (zur Notwendigkeit der Ermittlung lediglich des "typischen" Anforderungs- und Belastungsprofils in sog. Seltenheitsfällen vgl. auch BSG, Urteil vom 23.10.1996 - 4 RA 1/96 = SozR 3 - 2600 § 43 Nr. 14). Denn bei der Beurteilung von Verweisungstätigkeiten im Rahmen der Bearbeitung von Fällen der gesetzlichen Rentenversicherung finden regelmäßig typisierende Berufsbeschreibungen Verwendung, wie sie sich z.B. aus der Internet-Homepage (http://berufenet.arbeitsamt.de) oder den Berufsinformationskarten (BIK) der Bundesanstalt für Arbeit ergeben.

Die Auskunft des LAA Bayern steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar führt das LAA Bayern auf Seite 7 der Auskunft vom Januar 2004 aus, dass es einem Bewerber, der den "möglicherweise" auftretenden Belastungen infolge pflegebedürftiger Patienten, auch wenn sie tatsächlich nur gelegentlich vorkommen, nicht mehr gewachsen sei, "nicht möglich sein dürfte", einen direkten Zugang zu einer Tätigkeit als Krankenpfleger auch in Kurheimen und Sanatorien zu finden. Aus der einschränkenden Wortwahl wird aber deutlich, dass hier gerade nicht von dem typischen Anforderungs- und Belastungsprofil die Rede ist. Insofern ergibt sich bei zutreffender Würdigung kein Widerspruch zu den Auskünften der Regionaldirektion Rheinland/Pfalz-Saarland.

Die Klägerin erfüllt auch das typische Anforderungsprofil für die Tätigkeit einer Krankenschwester in Kurkliniken und Sanatorien. Bei der Klägerin liegt nämlich ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vor, die im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ausgeübt werden können. Schweres Heben und Tragen von Lasten über 25 Kilogramm, langandauernde Zwangshaltungen, Arbeiten in Nässe, Kälte und Zugluft sowie Tätigkeit auf Leitern und Gerüsten sollten vermieden werden. Schichtarbeit ist möglich. Möglich sind auch gelegentliches Bücken, das Wenden des Oberkörper sowie kurzzeitige Zwangshaltungen. Durchschnittlichen Anforderungen an die Konzentration, das Verständnis und das Gedächtnis ist die Klägerin gewachsen. Das Verantwortungsbewusstsein und die geistige Beweglichkeit ist nicht eingeschränkt.

Der Senat stützt sich dabei sowohl auf das im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholte Gutachten von Prof. Dr. H als auch auf das erstinstanzlich ebenfalls von Amts wegen eingeholte Gutachten von Dr. H.

Soweit die Klägerin dem Gutachten von Prof. Dr. H insoweit entgegentritt, als dieser -anders als Dr. B - auch gelegentlich mittelschwere Arbeiten für zumutbar hält, überzeugt dies nicht. Die bei dessen Untersuchung festgestellten nur leichten bis mäßigen Funktionseinschränkungen von Seiten des Stütz- und Halteapparates lassen den Rückschluss auf eine weitergehende körperliche Leistungseinschränkung nicht zu. Prof. Dr. H hat nachvollziehbar und widerspruchsfrei begründet, weshalb er die Klägerin für imstande hält, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Dr. H hat hierzu von Seiten seiner Fachgebiete erkennbar keine eigenständige Beurteilung abgegeben, so dass sich diesbezüglich kein Widerspruch ergibt.

Für den Senat steht ebenfalls fest, dass im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 14.5.1996 - 4 RA 60/94 = BSGE 78, 207 = SozR 3 -2600 § 43 Nr. 13) eine nennenswerte Zahl von Stellen für Krankenschwestern in Kurkliniken und Sanatorien zur Verfügung stehen. Nach den erteilten Auskünften der Regionaldirektion Rheinland/Pfalz-Saarland sind im Zeitpunkt der Recherche allein auf dem virtuellen (d.h. auf dem im Internet angebotenen) Arbeitsmarkt mehrere hundert Stellen für Krankenschwestern angeboten worden, darunter auch solche in Kurklinken und Sanatorien. Der Senat sieht sich nicht gehindert, diese Auskünfte seiner Entscheidungsfindung zu Grunde zu legen, zumal alleine das virtuelle Angebot berücksichtigt wurde. Hinzu kommen die Stellen, die nicht im Internet (z.B. in Tageszeitungen oder anderen Druckerzeugnissen) angeboten werden.

Der Senat sieht sich bestätigt durch das Ergebnis weiterer Ermittlungen, die die Beklagte auf Veranlassung des Senats durchgeführt hat. Der Berufskundliche Dienst der Deutschen Rentenversicherung Bund hat im Dezember 2007 die Auskunft erteilt, dass alleine in den von der Deutschen Rentenversicherung Bund betriebenen 22 Rehabilitationszentren mit insgesamt 27 Rehabilitations- und Kurkliniken 411,25 Vollzeitstellen für Gesundheitspfleger, Gesundheitspflegerinnen, Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen vorhanden sind. Es besteht keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln. Zwar wird bei dieser Auskunft nicht nach Betriebsarten differenziert. Es ist dennoch davon auszugehen, dass genügend Arbeitsplätze für Krankenschwestern in Sanatorien und Kurkliniken zur Verfügung stehen. Wie das BSG im Urteil vom 23.10.1996 - 4 RA 1/96 (aaO) entschieden hat, ist bei der Feststellung der Anzahl der Stellen beweiswürdigend abzuwägen, ob ein "typisches Anforderungs- und Belastungsprofil" aus den am Arbeitsmarkt angebotenen Arbeitsplätzen ermittelt werden kann. Berücksichtigt man, dass es sich bei den beschriebenen Stellen nur um diejenigen handelt, die in Kliniken vorhanden sind, die in der Trägerschaft der Deutschen Rentenversicherung Bund stehen und dass der Auskunft zufolge insgesamt 98 Kliniken von der gesamten Deutschen Rentenversicherung betrieben werden, so steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es alleine in den von der Deutschen Rentenversicherung bundesweit betriebenen Kliniken mehr als 300 Stellen in dem der Klägerin zumutbaren Arbeitsbereich gibt. Nicht eingerechnet sind hierbei diejenigen Stellen, die für diese Berufsgruppen in Einrichtungen anderer Träger vorhanden sind, beispielsweise in der Trägerschaft von Krankenkassen, Müttergenesungswerken, der Arbeiterwohlfahrt oder in kirchlichen Einrichtungen. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland mithin ausreichend, d.h. mehr als 300 der beschriebenen Stellen, seien sie offen oder besetzt.

Der Klägerin kann eine solche Tätigkeit, die ihr hinsichtlich ihrer tarifvertraglichen Einordnung und Entlohnung zumutbar ist, angesichts ihrer Vorkenntnisse aus dem gleichen Berufsbereich in einer Einarbeitungszeit von längstens 3 Monaten vollwertig ausfüllen. Das von Dr. H umschriebene geistige Leistungsprofil steht dem nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es auch nicht ersichtlich, dass es sich bei den angebotenen Stellen um Schonarbeitsplätze handelt. Die externe Ausschreibung der Stellen zeigt, dass diese Arbeitsplätze gerade nicht leistungsgeminderten Bewerbern aus dem eigenen Haus vorbehalten sind.

Es kommt schließlich nicht darauf an, ob die Klägerin im Hinblick auf die gegenwärtige Arbeitsmarktlage oder angesichts ihres Lebensalters keine oder nur geringe Chancen hat, tatsächlich eine Arbeitsstelle der beschriebenen Art zu finden. Es handelt sich insoweit um ein Risiko der Arbeitsverwaltung (BSG, Urteil vom 19. 12.1996- GS 2/95, SozR 3-2600 § 43 Nr.16).

Der Senat hält den Sachverhalt angesichts des eingeholten Gutachtens und der durchgeführten berufskundlichen Ermittlungen für ausreichend aufgeklärt und sieht sich nicht zu weiteren Ermittlungen, insbesondere nicht zur Einholung eines berufskundlichen Gutachtens, veranlasst.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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