L 4 KR 4374/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 5101/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4374/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin seit 01. Oktober 1976 bei der Firma R. F. Raumausstattung, deren Inhaber ihr Ehemann R. F. (Beigeladener zu 1) ist, gesamtsozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die am 1953 geborene Klägerin ist seit 04. Juli 1974 mit dem Beigeladenen zu 1) verheiratet. Bei ihnen besteht der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Beigeladene zu 1), der Raumausstattermeister ist, betreibt als Einzelhandelsfirma einen Raumausstattungsbetrieb. In O. besteht neben dem Handwerksbetrieb ein Ladengeschäft. Dieses Betriebsgelände steht im Alleineigentum des Beigeladenen zu 1). Ferner besteht ein weiteres Ladengeschäft in B., wobei dieses Betriebsgelände im Miteigentum der Eheleute steht. Die Klägerin, die bis zum 30. April 1975 als Kinderkrankenpflegerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, war von dem Beigeladenen zu 1) seit 01. Oktober 1976 bei der Beklagten als zuständige Einzugsstelle als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte angemeldet. Ebenfalls war die Schwester des Beigeladenen zu 1), S. K. (S.K.), seit 01. Juni 1979 als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte bei der Beklagten angemeldet worden. Es wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Klägerin - ebenfalls für S.K. - abgeführt, für die Klägerin zuletzt aus einem monatlichen Bruttogehalt von 1.646,36 EUR (vgl. Versicherungsverlauf vom 23. Februar 2005 sowie Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge für Dezember 2004 und Dezember 2005). Die Klägerin, deren Gehalt steuerlich als Betriebsausgaben abgesetzt wurde, versteuerte ihre Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit (vgl. Einkommensteuerbescheide der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) für die Jahre 2000 bis 2004 (Bl. 39 bis 46 der LSG-Akte).

Am 15. Mai 2005 ging bei der Beklagten der Antrag der Klägerin vom 16. Februar 2005 auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ein. Darin wurde angegeben, sie, die Klägerin, sei seit 01. Mai 1975 als mitarbeitende Ehegattin in der Firma des Beigeladenen zu 1) tätig. Sie bitte um sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für den Zeitraum nach ihrer Einarbeitung ab 01. Juli 1976 bis heute. Sie sei nicht an Zeit, Ort und Art ihrer weisungsfreien Tätigkeit gebunden. Aus unternehmerischen Aspekten habe sie Darlehen für die Firma mit unterschrieben. Aufgrund ihrer gleichberechtigten Verantwortung habe sie alle Vollmachten. Es wurde ein "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" vom 16. Februar 2005 eingereicht, der von der Klägerin sowie dem Beigeladenen zu 1) unterschrieben und in dem angegeben war, dass die Klägerin seit 01. Mai 2005 in der Firmenleitung mit dem gesamten Verkauf, Beratung und Einkauf mit Bankvollmacht und mündlicher Handlungsvollmacht tätig sei. Die wöchentliche Arbeitszeit bestehe nach Bedarf; nach Belieben bestimme sie die Arbeitszeit. Das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt wurde mit 1.646,00 EUR angegeben. Eine schriftliche arbeitsvertragliche Vereinbarung wurde verneint. Bejaht wurde, dass sie, die Klägerin, als mitarbeitende Angehörige in den Betrieb eingegliedert sei, dass ohne ihre Mitarbeit eine andere Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen, dass sie ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten könne, dass sie bei der Führung des Betriebs aufgrund ihrer Fachkenntnisse mitwirke, dass die Mitarbeit aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt sei, dass das Arbeitsentgelt dem tariflichen oder dem ortsüblichen Lohn/Gehalt entspreche, dass das Arbeitsentgelt regelmäßig gezahlt werde, dass von dem Arbeitsentgelt Lohnsteuer entrichtet und es als Betriebsausgabe gebucht werde. Ferner wurde angegeben, dass sie, die Klägerin, dem Betriebsinhaber Darlehen gewährt und für ihn Bürgschaften übernommen habe. Sie habe eine Privateinlage für die Firma getätigt. Das Betriebs-/Wohngebäude stehe im Eigentum der Eheleute. Verneint wurde, dass sie an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit gebunden sei und das Weisungsrecht tatsächlich ausgeübt werde, dass ein Urlaubanspruch und/oder eine Kündigungsfrist vereinbart sei, dass bei Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsentgelt fortgezahlt werde und dass sonstige Bezüge (beispielsweise Weihnachts-, Urlaubsgeld, Sachbezüge, Gewinnausschüttung) gewährt würden. In einer eingereichten Bestätigung vom 16. Februar 2002 gab der Beigeladene zu 1) an, dass die Klägerin aufgrund ihrer Verantwortung und ihrer Fachkenntnisse seit 01. Juli 1976 eine mündliche Handlungsvollmacht besitze, die auch in der Praxis definitiv ausgeübt werde. Beigefügt wurden Darlehensverträge, auch von der Klägerin unterschrieben, vom 21. Dezember 2004 sowie vom 22. Februar 2005, ferner eine unbeglaubigte Grundbuchabschrift aus dem Grundbuch der Gemeinde B. (betreffend die Hof- und Gebäudefläche S.-str. in B.) sowie Kontoauszüge vom 24. April und 19. September 2004 und ferner Banküberweisungen, die die Klägerin am 26. Mai 1982 (21.000,00 DM), am 11. August 1995 (10.000,00 DM), am 09. August 2001 (10.000,00 DM) und am 08. April 2004 (5.000,00 EUR) an den Beigeladenen zu 1) getätigt hatte. Diese Unterlagen übersandte die Beklagte an die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2), die diese mit Schreiben vom 22. Juni 2005 an die Beklagte zurückgab, und zwar mit dem Hinweis, dass für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hier die Beklagte als Einzugsstelle zuständig sei.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Prüfung habe ergeben, dass die Klägerin seit 01. Oktober 1976 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Abgrenzung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und sozialversicherungsfreien Selbstständigen entschieden, dass in den Fällen, in denen auch nur eine geringe Weisungsgebundenheit bestehe und kein Unternehmerrisiko vorhanden sei, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Dies gelte selbst dann, wenn ein Weisungsrecht tatsächlich nicht ausgeübt werde. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses stehe dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Familienangehörigen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt sei und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur eingeschränkt oder gar nicht ausgeübt werde. Die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einer familienhaften Mithilfe hänge von den gesamten Umständen des Einzelfalls ab. In der Gesamtheit betrachtet sei hier ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Eine Mitunternehmereigenschaft liege nicht vor, ein Unternehmerrisiko werde nicht getragen. Auch die Darlehensgewährung könne nicht dazu führen, dass keine versicherungspflichtige Beschäftigung bestehe. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei nicht, wie es ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraussetze, als fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert. Die innerbetriebliche Ordnung gebe nicht der Beigeladene zu 1) vor, sondern die im Betrieb anfallenden Tätigkeiten würden von beiden Eheleuten in gegenseitiger Abstimmung erledigt. Es fehle auch an einer Weisungsgebundenheit in Bezug auf Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung. Bei ihnen bestehe gleichberechtigt nebeneinander ausnahmslos eine arbeitsteilige Gestaltung. Diese familiäre Komponente dürfe im Rahmen der Abwägung und Beurteilung nicht außer Acht gelassen werden. Sei jemand lediglich bei bestimmten wichtigeren Geschäften in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, ohne einem für die persönliche Abhängigkeit ausschlaggebenden Direktionsrecht in Bezug auf die Ausführung seiner Arbeit unterworfen zu sein, liege eine abhängige Beschäftigung nicht vor. Entscheidend sei die tatsächliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses. Es sei auch zu berücksichtigen, dass kein schriftlicher Anstellungsvertrag abgefasst worden sei. Dieses Indiz sei beim anzustellenden Fremdvergleich mit Beschäftigungsverhältnissen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu berücksichtigen. Sie, die Klägerin, habe spätestens zu Beginn der achtziger Jahre immer wieder Geldbeträge in den ehelichen Betrieb gesteckt. Damit habe sie ein erhebliches finanzielles Risiko auf sich genommen, welches in keiner Hinsicht mehr dem typischen Verhalten eines durchschnittlichen Fremdbeschäftigten entspreche. Dies werde durch die vorgelegten Darlehensverträge, die sie mit unterschrieben habe, bestätigt. Aus dem Umstand, dass bei ihrem Ausfall eine andere, fremde Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen, sei kein für eine Versicherungspflicht sprechendes Indiz herzuleiten. Sie nehme, seitdem sie sich mit dem Beigeladenen zu 1) im ehelichen Unternehmen engagiere, und zwar stets gemeinsam mit diesem, nur einen Bruchteil des ihr bereits von Gesetzes wegen zustehenden Urlaubs. Insofern gebe es im Betrieb ausschließlich zwei Wochen Betriebsferien, in denen der Beigeladene zu 1) und sie allerdings auch teilweise noch Schulungen zur Fortführung des Betriebs besuchen würden. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 30. November 2005 wurde ausgeführt, die Klägerin sei an der Firma des Beigeladenen zu 1) nicht beteiligt. Sie trage kein Unternehmerrisiko. Sie erhalte ein festes monatliches Gehalt, das nicht von der unmittelbaren Ertragslage abhängig sei. Die Klägerin habe keine Möglichkeit, entscheidenden Einfluss auf die Firma des Beigeladenen zu 1) zu nehmen. Der Firmeninhaber habe das Recht, ihr jederzeit Weisungen zu erteilen. Der Vortrag, dass die Klägerin eigenverantwortlich handle und ihr keine Weisungen erteilt würden, weil der Beigeladene zu 1) ihr bei ihrer Berufsausübung im Wesentlichen freie Hand lasse, sei unerheblich, weil die Abhängigkeit unter Familienangehörigen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt sei als in Betrieben außerhalb eines Familienverbands. Ohne die Beschäftigung der Klägerin müsste zur Bewältigung der anfallenden Arbeiten eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden.

In einem entsprechenden Feststellungsantrag hatte auch S.K. gegenüber der Beklagten geltend gemacht, sie sei seit 01. Juni 1979 als selbständige Leiterin der Filiale in B. (eigenständige Leitung dieser Filiale, Personalleitung, Wareneinkauf und gesamter kaufmännischer Bereich mit mündlicher Handlungsvollmacht) tätig. Die Beklagte stellte insoweit mit Bescheid vom 18. Mai 2005 fest, dass S.K. seit 01. Juni 1979 beim Beigeladenen zu 1) in einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als Arbeitnehmerin stehe. Der insoweit eingelegte Widerspruch blieb ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. August 2005). Im deswegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) anhängigen Klageverfahren S 3 KR 3544/05 hörte das SG nach Beiladung der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung Bund und des R. F. (Beiladungsbeschlüsse vom 09. März und 06. Juni 2006) die dortige Klägerin im Termin vom 25. Juli 2006 an. Am 21. September 2006 nahm S.K. die Klage zurück.

Die Klägerin ihrerseits erhob am 16. Dezember 2005 Klage beim SG. Sie verwies auf ihren Angaben im Feststellungsbogen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG lud R. F., Beigeladener zu 1.), die Deutsche Rentenversicherung Bund, Beigeladene zu 2), und die Bundesagentur für Arbeit, Beigeladene zu 3), zu dem Verfahren bei (Beschlüsse vom 01. März und 24. Juli 2006). Im Termin vom 24. Mai 2006 hörte das SG die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) an, wobei die Klägerin Angaben zur Tätigkeit machte; es vernahm auch S.K. als Zeugin. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 24. Mai 2006 verwiesen ( Bl. 29 bis 37 der SG-Akte).

Mit Urteil vom 24. Mai 2006, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28. Juli 2006 zugestellt wurde, wies das SG die Klage, mit der die Klägerin die Feststellung begehrte, dass sie seit 01. Juli 1976 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei, hilfsweise ihr eine weitere Stellungnahmefrist zur Frage der Zulässigkeit der Klage einzuräumen und für den Fall, dass das Gericht die Klage als teilweise unzulässig ansehe, die mündliche Verhandlung zu vertagen, ab. Das SG führte aus, die Klage habe keinen Erfolg. Ob sie mangels Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses für die bis 31. Dezember 2000 gezahlten Sozialversicherungsbeiträge bereits unzulässig sei, bleibe dahingestellt. Die Kammer sei der Überzeugung, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Tätigkeit der Klägerin in der Firma des Beigeladenen zu 1) sei als abhängige Beschäftigung einzustufen. Die Klägerin sei weder Miteigentümerin im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit noch stelle ihre Tätigkeit lediglich eine familienhafte Mithilfe dar. Für die abhängige Beschäftigung spreche das Gesamtbild der Tätigkeit, welches sich aus den vorgelegten Unterlagen und der Befragung der Klägerin persönlich, des Beigeladenen zu 1) sowie der Zeugin S.K. ergebe. Zwar sei ein schriftlicher Arbeitsvertrag nicht geschlossen worden. Das bezahlte Arbeitsentgelt in Höhe von 1.646,00 EUR brutto monatlich gehe jedoch über ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinaus, so dass es als Indiz für eine abhängige Beschäftigung zu werten sei. Für diese Wertung spreche auch, dass der Klägerin der entsprechende Betrag regelmäßig auf ein Girokonto überwiesen werde, über das sie verfügen könne. Nach ihren Angaben werde ihr monatliches Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht, was ebenfalls für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche. Auch unterliege es der Lohnsteuerpflicht. Dass die Klägerin verschiedene Darlehensverpflichtungen zugunsten des Betriebs ihres Ehemanns übernommen habe, spreche nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Die Übernahme eines Unternehmerrisikos, wie es für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit typisch sei, könne darin nicht gesehen werden. Vielmehr setze ein typisches Unternehmerrisiko im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit die Beteiligung an Gewinn und Verlust voraus. Eine entsprechende Beteiligung der Klägerin habe jedoch nicht stattgefunden. Vielmehr erhalte die Klägerin, mit Ausnahme gewisser Zahlungsrückstände bei finanziellen Engpässen der Firma, ein monatlich gleichbleibendes Arbeitsentgelt, ohne dass dies vom Erfolg ihrer Tätigkeit, etwa dem Gewinnen von Kunden, abhängig wäre. Die Auszahlung eines regelmäßigen, gleichbleibenden Arbeitnehmerentgelts sei jedoch gerade in einem Ehegattenarbeitsverhältnis entscheidendes Merkmal dafür, dass der Arbeitnehmer-Angehörige tatsächlich wie eine fremde Arbeitskraft für den Arbeitgeber-Angehörigen tätig werde. Für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin spreche ferner, dass ihre Arbeitszeiten von den Öffnungszeiten des Raumausstattergeschäfts in O. abhängig seien. Die Klägerin könne mithin nicht frei ihre Arbeitszeit bestimmen. Dass die Klägerin in der Ausübung ihrer kundenberatenden Tätigkeit keinen engen Vorgaben seitens des Beigeladenen zu 1) unterliege, spreche indessen nicht gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang zum einen, dass das Weisungsrecht bei der Eingliederung des Ehegatten in den Betrieb abgeschwächt sei. Zum anderen sei es Charakteristikum einer beratenden Tätigkeit, dass enge Vorgaben diesbezüglich in der Regel nicht möglich seien, da der Verlauf eines Kundengesprächs von den individuellen Wünschen des Kunden abhängig sei. Für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche auch, dass der Klägerin seitens des Beigeladenen zu 1) Vorgaben dahin gemacht würden, wann Besuche von Vertretern zu empfangen seien und zu welchem Zeitpunkt welche Kommission an welchem Ort untergebracht werden müsse.

Gegen das Urteil des SG hat die Klägerin am 28. August 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Klägerin macht geltend, dass Urteil sei durchweg unbrauchbar. Es lasse die Zulässigkeit der Klage unbeantwortet. Das SG lasse auch die wesentlichen Wertungskriterien außer Acht. Sie, die Klägerin, habe nicht geltend gemacht, dass lediglich eine bloße familienhafte Mithilfe vorliege. Das SG habe auch nicht näher begründet, weshalb die steuerliche Handhabung für eine abhängige Beschäftigung sprechen solle. Die stillschweigende Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses durch die zuständige Finanzbehörde lasse nicht den Schluss auf ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu, wie das BSG im Urteil vom 21. April 1993 (11 RAr 67/92) entschieden habe. Lohnsteuerpflichtige Tätigkeiten seien nicht zwingend auch gleichzeitig sozialversicherungspflichtig. Die Einzugsstellen hätten insoweit eine eigenständige Prüfungsaufgabe. Die Annahme des SG, dass sie, die Klägerin, in Ansehung des dem Betrieb eingeräumten Darlehens kein Unternehmerrisiko trage, sei schon im Hinblick auf den hypothetischen Insolvenzfall unzutreffend. Es seien die Realitäten des Wirtschaftslebens nicht berücksichtigt worden. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine derartige Darlehensgewährung der Üblichkeit eines typischen Fremdbeschäftigungsverhältnisses entspreche. Es sei vielmehr anzunehmen, dass gerade der tatsächlichen Bereitstellung eines Darlehens durch einen Ehegatten die ernsthafte Prüfung der Bereitschaft zu finanziellem Risiko vorausgehe. Diese Bereitschaft, die sie hier gezeigt habe, sei gleichbedeutend mit einer unternehmerischen Risikobereitschaft. Es bestehe kein Zwang, dass Ehegatten einander entsprechende Darlehen gewähren müssten. Es komme auch nicht darauf an, dass sie, die Klägerin, ihre Tätigkeit nach den Öffnungszeiten des Geschäfts gerichtet habe. Dabei sei es nicht um eine Anweisung des Beigeladenen zu 1) gegangen, sondern sie habe sich nach den Bedürfnissen der Kunden gerichtet. Sie, die Klägerin, hätte das Geschäft auch etwa morgens um 2:00 Uhr öffnen und auf Kunden warten können. Soweit das SG auf Vorgaben ihres Ehemanns, wann Besuche von Vertretern zu empfangen seien und wann welche Kommission an welchem Ort überbracht werden müsse, abgestellt habe, habe es sich um im praktischen Geschäftsablauf notwendige Informationen gehandelt. Sie, die Eheleute, hätten Hand in Hand gearbeitet, weshalb die entsprechenden Vorgaben für die Beurteilung nicht brauchbar seien. Bei einer Gesamtbetrachtung liege der Tatbestand einer abhängigen Beschäftigung nicht vor. Die Buchhaltung und die damit verbundenen Angelegenheiten seien für den Betrieb von einem Steuerberaterbüro erledigt worden. Eine Kenntnis hinsichtlich des Inhalts des § 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) hätten sie, die Eheleute, nicht gehabt. Sie seien in der Vergangenheit stets davon ausgegangen, dass jeder, der nicht selbst Inhaber oder Teilhaber eines Unternehmens sei, der lückenlosen Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen unterliege. Weder sie noch der Beigeladene zu 1) seien zur Differenzierung zwischen einem abhängig und damit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und einem nicht abhängig und damit sozialversicherungsfrei Tätigen mangels detaillierter Kenntnisse des Rechts der Sozialversicherungspflicht in der Lage gewesen. Es bestehe auch kein Anlass, ihre Unkenntnis in Frage zu stellen. Auch von Seiten der Steuerberater habe eine Beratung, ob ein Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig gewesen sei oder nicht, nicht erwartet werden können. Es könne ihnen, den Eheleuten, daher nicht angelastet werden, dass sie in der Vergangenheit jahrlang ohne jedes Problembewusstsein Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hätten. Es gehe bei ihr, der Klägerin, auch nicht um das Problem eines sog. "abgewickelten Versicherungsverhältnisses". Bei den von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) gehe es um Fragen der Bemessungshöhe ähnlich der rückwirkenden Änderung der Grundlagen eines tatsächlich bestehenden Versicherungsverhältnisses, nicht aber um Fragen des Bemessungsgrunds. § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) eröffne im Übrigen auch durchaus die Möglichkeit, eine in der Vergangenheit bestandskräftig, gleichwohl fehlerhaft ergangene Feststellung der Sozialversicherungspflicht zurückzunehmen und die tatsächlich versicherungsfreie Tätigkeit als solche anzuerkennen. Die Klägerin hat einen Versicherungsverlauf vom 23. Februar 2005 der Beigeladenen zu 2) vorgelegt, ferner Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge für Dezember 2004 und Dezember 2005 und die Einkommensteuerbescheide der Eheleute des Finanzamts Baden-Baden für die Jahre 2000 bis 2004.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2005 aufzuheben und festzustellen, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) seit 01. Oktober 1976 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und ab 01. Januar 1995 auch nicht der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung unterliegt.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 4) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie verweist auch auf die vorgelegten Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 2007 (L 4 KR 79/06 und L 4 KR 308/05). Auch im Fall der Klägerin sprächen keine vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrelang mit Billigung aller Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen. Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder die Erschleichung eines Versicherungsschutzes seien auszuschließen. Gerade weil eine solche in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel verschiedener Beteiligter zutreffenden Rechtszustands zu solchen Unklarheiten und Unsicherheiten wie im vorliegenden Fall führten, habe das BSG den einleuchtenden Rechtssatz formuliert, dass Versicherungsverhältnisse grundsätzlich rückwirkend nicht geändert werden sollten. Der Gedanke von der Kontinuität eines Versicherungslebens, wonach Änderungen darin erst für die Zukunft gelten sollten, sei ein beachtlicher Grundsatz und die Grundlage einer soliden Zukunftssicherung, wie sie von der Beigeladenen zu 2) ohne Rücksicht auf konjunkturbestimmte und andere Gestaltungsmöglichkeiten konstant zu leisten sei. Das monatliche Arbeitsentgelt sei auf ein privates Konto der Klägerin überwiesen worden, es sei Lohnsteuer abgeführt und das Gehalt als Betriebsausgabe verbucht worden. Auch diese Tatsachen sprächen dafür, dass die praktizierte Beziehung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gewesen sei. Diese Tatsachen ließen sich nicht als unerhebliche Bagatelle beiseite schieben, sondern hätten das Gesamtbild über Jahre entscheidend geprägt. Die Klägerin begehre die Beitragserstattung für bereits vor Jahren entrichtete Beiträge, um diese nun anderweitig verwenden zu können. Dass eine derartig weitreichende Umwandlung der sozialversicherungsrechtlichen Biographie nicht im gesetzgeberischen Sinne sei, ergebe sich auch aus § 28p Abs. 1 in Verbindung mit § 28f Abs. 1 SGB IV.

Der Berichterstatter des Senats hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 noch die Pflegekasse der Beklagten, Beigeladene zu 4), zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich am Verfahren nicht beteiligt und keine Anträge gestellt.

Der Berichterstatter des Senats hat ferner vom SG die Akte S 3 KR 3544/05 beigezogen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte S 3 KR 3544/05 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht der Klägerin in allen Zweigen der Sozialversicherung über einen längeren Zeitraum als ein Jahr, und zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin seit 01. Oktober 1976 im Betrieb des Beigeladenen zu 1) der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt, ab 01. Januar 1995 auch in der Pflegeversicherung.

Streitgegenstand ist insoweit die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 1) seit 01. Oktober 1976, nachdem die Klägerin (Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. Januar 2007) die Klage, soweit es um die Zeit vom 01. Juli bis 30. September 2006 geht, zurückgenommen hat.

Der Senat erachtet die Feststellungsklage als zulässig, ohne dass zu entscheiden war, ob und für welche Zeit in der Vergangenheit eine Beitragserstattung in Betracht kommen könnte (vgl. auch Urteil des Senats vom 27. Januar 2006 - L 4 KR 702/03 -).

1. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war hier die Beklagte, weil diese bei der Klägerin die Krankenversicherung seit 01. Oktober 1976 durchführt. Da die Beklagte auf den entsprechenden Antrag der Klägerin ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht einleitete, scheidet das Antragsverfahren nach § 7a SGB IV aus, für das die (Beigeladene zu 1) zuständig ist. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall noch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Nach dieser Bestimmung hat die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Nach § 28h Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 30. März 2005 durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818), müssen die Meldungen enthalten für jeden Versicherten insbesondere bei der Anmeldung die Angabe, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte oder Lebenspartner, seit 01. Januar 2008 auch als Abkömmling (erweitert durch Art. 15 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I, S. 3024) besteht. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Ehegatten damit erst bei Anmeldungen durchzuführen, die ab 30. März 2005 bei den Einzugsstellen erfolgen, worauf auch die Beigeladene zu 1) im Schreiben vom 22. Juni 2005 hingewiesen hat. Die Anmeldung der Klägerin erfolgte bereits vor dem 30. März 2005, nämlich mit Beginn ihrer Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1); gemäß dem Versicherungsverlauf der Beigeladenen zu 2) war dies der 01. August 1976.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V, bis zum 31. Dezember 1988 § 165 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs SGB VI), bis zum 31. Dezember 1991 §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB III], bis zum 31. Dezember 1997 § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes) sowie (ab 01. Januar 1995) in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse sind in diesem Sinne die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 17).

Hierbei hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG Urteile vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 - und vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -; jeweils veröffentlicht in juris). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltfortzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f.; 17, 1, 7 f.; 74, 275, 278 f.; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich übertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 11 AL 34/02 R -, veröffentlicht in juris). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

3. Vor diesem Hintergrund bestimmen sich vorliegend die rechtlich relevanten Beziehungen nach dem in der Praxis gelebten Ablauf der Tätigkeit, da eine schriftliche vertragliche Vereinbarung (Arbeitsvertrag) zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) als Inhaber des Raumausstattungsgeschäfts nach deren Angaben nicht besteht.

Trotz der von der Klägerin schlüssig dargelegten Freiheiten in der Ausübung ihrer Tätigkeit im Hinblick auf die Leitung des Ladengeschäfts in O. während der Betriebszeiten, der Ausübung der Beratungs- und Bestelltätigkeit dabei sowie der Ausführung auch von Näharbeiten hinsichtlich Gardinen, überwiegen qualitativ die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Die Tätigkeit der Klägerin seit 01. Oktober 1976 wurde und wird wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgewickelt. Die Klägerin erhält seit Beginn ihrer Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt, das nach den vorgelegten Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge für Dezember 2004 und Dezember 2005 zuletzt 1.646,36 EUR betragen hat. Nach den genannten Abrechnungen wurden durch den Arbeitgeber bei entsprechendem Gehaltsverzicht auch eine Direktversicherung durchgeführt sowie vermögenswirksame Leistungen gezahlt. Das regelmäßige monatliche Bruttoentgelt entspricht typischerweise der Vergütung abhängig Beschäftigter. Dabei geht der Senat auch davon aus, dass es sich bei dem Gehalt um einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit handelt. Insoweit wurde in dem Feststellungsbogen auch angegeben, dass das Arbeitsentgelt dem tariflichen bzw. ortsüblichen Lohn entspreche. Dieses Arbeitsentgelt wurde der Klägerin auf ihr privates Konto überwiesen, für das sie verfügungsberechtigt ist. Ausweislich der vorgelegten Abrechnungen für Dezember 2004 und Dezember 2005 enthielt der Bruttolohn keine Bestandteile, die auch nur ansatzweise auf eine ggfs. geringfügige Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung schließen lassen. Insoweit war in dem Feststellungsbogen auch eine Gewinnausschüttung verneint worden. Damit wird durch die Zahlung des Arbeitsentgelts deutlich gemacht, dass ein (sozialversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis von Anfang an gewollt war.

Aus dem gezahlten Bruttoentgelt, das als Betriebsausgabe verbucht wird, wurden von Anfang an Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung, ab 01. Januar 1995 auch zur Pflegeversicherung, abgeführt. Die Verbuchung der Vergütung an Ehegatten als Betriebsausgaben und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer ist jedoch ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO).

Zu Beginn der Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) hat offenbar kein Interesse bestanden, sich der Versicherungspflicht und damit des Versicherungsschutzes, insbesondere auch bei der Krankenversicherung, zu entledigen oder dies wenigstens seitens der Versicherungsträger bzw. der Einzugsstelle prüfen zu lassen. Demgemäß ist mit der Einleitung des vorliegenden Verfahrens, erstmals dokumentiert durch den am 15. Mai 2005 eingegangenen Antrag, ein "Sinneswandel" eingetreten. Eine Änderung in der Entgeltform wurde dennoch nicht vorgenommen. Damit ist die Klägerin nicht - im Sinne des vom Senat regelmäßig besonders gewichteten Kriteriums - am Unternehmensrisiko beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - RdNr. 26). Ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Unternehmerrisiko ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin am 26. Mai 1982, am 11. August 1995, am 09. August 2001 und am 08. April 2004 Zahlungen per Überweisung an ihren Ehemann geleistet hat, die ihrem Vorbringen zufolge in den Betrieb geflossen sind. Selbst wenn es sich insoweit um Darlehen gehandelt haben sollte, ist die Gewährung von Darlehen unter Eheleuten nicht mit der untypischen Gewährung eines Darlehens durch einen fremden Arbeitnehmer, der nicht Angehöriger des Betriebsinhabers ist, zu vergleichen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 -, veröffentlicht in juris). Denn die Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass die Klägerin ein wesentliches Unternehmerrisiko eingegangen ist. Dies zeigt sich maßgeblich darin, dass sie unabhängig von dem wirtschaftlichen Erfolg des Beigeladenen zu 1) eine feste monatliche Vergütung für ihre Tätigkeit erhält. Dies hat die Klägerin auch bei ihrer Anhörung vor dem SG am 24. Mai 2006 bestätigt. Darauf, dass sie eingeschränkt hat, dass das Gehalt derzeit allerdings "ein bisschen hängt", wobei sie mit dem Gehalt drei Monate im Rückstand sei, kommt es nicht an.

Die Klägerin ist auch nicht formal am Unternehmen des Beigeladenen zu 1) beteiligt. Daraus, dass die Klägerin nach dem vorgelegten Grundbuchauszug Miteigentümerin des Grundstücks ist, auf dem der Beigeladene zu 1) das weitere Ladengeschäft in B. betreibt, ergibt sich keine formale Beteiligung der Klägerin am Unternehmen des Beigeladenen zu 1). Wenn in finanzieller Hinsicht insoweit eine formale Beteiligung fehlt, setzt die Annahme eines Unternehmerrisikos jedenfalls voraus, dass eine für eine abhängige Beschäftigung unübliche Vereinbarung oder tatsächliche Handhabung der Gestaltung und Zahlung der Vergütung besteht, die den Schluss zulässt, dass möglicherweise bei entsprechend schlechter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens die Vergütungsforderung in der bisherigen Höhe nicht durchgesetzt werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vereinbarung bzw. für eine derartige tatsächliche Handhabung sind nicht ersichtlich. Aus dem kurzzeitigen Rückstand mit den Gehaltszahlungen, den die Klägerin am 24. Mai 2006 angegeben hat, kann nicht gefolgert werden, dass die Vergütungsforderung der Klägerin nicht durchsetzbar ist.

Gegenüber den genannten fixen Entgeltbedingungen vermag die Klägerin ihren Anteil an den unternehmerischen Dispositionen bei der Führung des Ladengeschäfts in O. und bei der dort ausgeübten Beratungs- und Bestelltätigkeit sowie beim Nähen von Gardinen nicht entscheidend ins Feld führen. Die Entscheidungen der Klägerin vollzogen sich im Rahmen der alleinigen Unternehmerschaft des Beigeladenen zu 1), der aufgrund seiner Berufsausbildung (mit Meisterprüfung 1976) die wesentliche Fachkompetenz hat und auch alleiniger Träger des Insolvenzrisikos ist. Wäre die Klägerin nicht Ehefrau des Beigeladenen zu 1), sondern eine Fremde unter Akzeptanz der gleichen Bedingungen, wäre die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorstellbar. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Zeugin S.K. (selbst als Schwester des Beigeladenen zu 1)), indem sie das Ladengeschäft des Beigeladenen zu 1) in B. leitet und die Finanzbuchhaltung der Firma erledigt, beim Beigeladenen zu 1) unstreitig gesamtsozialversicherungspflichtig beschäftigt ist (vgl. bestandskräftig gewordener Feststellungsbescheid der Beklagten vom 16. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2005). Die Klägerin ist in O. auch nicht an eigener Betriebsstätte tätig, sondern an derjenigen des Beigeladenen zu 1). Dieser hat bei seiner Anhörung am 24. Mai 2006 angegeben, dass das Betriebsgebäude in O. auf ihn als Alleineigentümer laufe. Danach läuft lediglich die Betriebsfläche in B. auf ihn und seine Ehefrau als Miteigentümer.

Eine Rechtsgrundlage, die die weitgehende Dispositionsfreiheit der Klägerin rechtfertigen würde, ist nicht erkennbar. Der Beigeladene zu 1) hätte es in der Hand, als alleiniger Unternehmer hindernd in die Freiheiten der Klägerin, auch soweit es um die Führung des Ladengeschäfts in O. geht, einzugreifen und
Rechtskraft
Aus
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