L 10 U 5246/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 504/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5246/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.08.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass als Folge des Unfalls vom 25.10.2003 eine operativ behandelte Quadrizepssehnenruptur beidseits mit wiederhergestellter Funktion festgestellt wird.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Quadrizepssehnenruptur beidseits als Folge eines Arbeitsunfalls vom 25.10.2003 festzustellen ist.

Der am 1951 geborene Kläger ist als Verkehrsaufsicht bei der R R. S. m.b.H. beschäftigt. Am 25.10.2003 kontrollierte er einen Fahrgast, der nicht über einen gültigen Fahrschein verfügte. Um sich einer Meldung bei der Polizei zu entziehen, flüchtete der Fahrgast bei der nächsten Haltestelle aus der Türe des Busses, in dem sich der Kläger und der Fahrgast befanden. Bei dem Versuch, den Fahrgast aufzuhalten, hielt der Kläger diesen nach seinen Angaben unter erheblicher Kraftaufwendung fest, knickte dann mit beiden Beinen ein und fiel aus dem Bus heraus auf beide Knie. Anschließend wurde er liegend im Krankenwagen in die Kreiskliniken R. gebracht, wo eine Prellung beider Kniegelenke und multiple Schürfwunden diagnostiziert wurden (Durchgangsarztbericht des Dr. V. ). Der Kläger sollte - so seine Angaben - nach Hause entlassen werden; beim Versuch, mit zwei Unterarmgehstöcken zu gehen, sackten ihm die Beine jedoch erneut weg, woraufhin er nochmals auf die Knie fiel. Der Kläger wurde daraufhin stationär aufgenommen (Durchgangsarztbericht des Dr. V. ) und befand sich anschließend bis 18.11.2003 in stationärer Behandlung in den Kreiskliniken R ... Dort wurde zunächst eine Mobilisation angeordnet. Nachdem der Kläger am 30.10.2003 beim Gang zur Toilette mit Hilfe eines Rollators erneut eingeknickt und auf die Knie gefallen war, wurde eine beidseitige Quadrizepssehnenruptur festgestellt, die am 03.11.2003 operativ versorgt wurde. Der histologische Befund ergab eine mehrzeitige Quadrizepsruptur rechts und links mit reparativen und degenerativen Veränderungen (Befundbericht des Prof. Dr. B. ).

In dem von der Beklagten veranlassten Zusammenhangsgutachten stellte Prof. Dr. W. eine operativ behandelte Quadrizepssehnenruptur mit wiederhergestellter Funktion, eine Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke und eine Schwellung beider Unterschenkel fest. In der Literatur würden direkte Verletzungen der Quadrizepssehne durch lokale Gewalteinwirkung, besonders bei komplexen Knietraumen beschrieben; typischerweise würden Quadrizepssehnenrupturen jedoch eher durch indirekte Traumata bei über 40-jährigen männlichen Patienten auftreten. Da gesunde Sehnen derartigen Belastungen standhielten, müssten Vorschäden der Sehne die Ruptur begünstigen. Zur endgültigen Beurteilung sei ein histologisches Zusatzgutachten erforderlich. In dem daraufhin von der Beklagten eingeholten histologischen Zusatzgutachten führte Prof. Dr. B. aus, die entnommenen Gewebeproben der Quadrizepssehne rechts und links zeigten degenerativ verändertes Sehnengewebe, wobei die degenerativen Veränderungen ausgeprägt seien (ca. 50 bis 60 % des entfernten Sehnengewebes). Gleichzeitig hätten die entnommenen Gewebsproben frische traumatische Veränderungen gezeigt, die auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Prof. Dr. W. kam daraufhin in ergänzender Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass auf Grund des fehlenden Unfallmechanismus einer direkten Quadrizepssehnenschädigung und ausgeprägter degenerativer Veränderungen im histologischen Untersuchungsgewebe kein Zusammenhang zwischen der Quadrizepssehnenläsion und dem Unfall bestehe.

Mit Bescheid vom 09.07.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab; eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen einer Prellung beider Kniegelenke und Schürfwunden wurde bis 16.11.2003 anerkannt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2005 zurück.

Der Kläger hat am 22.02.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und geltend gemacht, er habe die Quadrizepssehnenruptur beidseits bei dem Sturz aus dem Bus erlitten. Das Sozialgericht hat eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Chirurgen Dr. A. und ein Gutachten von Prof. Dr. C. , orthopädische Universitätsklinik H. , eingeholt. Dr. A. hat ausgeführt, das Ereignis vom 25.10.2003 sei im Hinblick auf die bereits vorhandenen degenerativen Veränderungen nicht alleinige Ursache des Quadrizepssehnenrisses, stelle allerdings eine wesentliche Teilursache zur Entstehung des Schadens dar. Prof. Dr. C. hat ausgeführt, im Hinblick auf den Geschehensablauf (innerhalb von fünf Tagen vier Unfälle) könne keine eindeutige Aussage getroffen werden, ob der Unfall für die Quadrizepssehnenruptur verantwortlich sei. Für einen Unfallzusammenhang spreche, dass der Kläger bis zum Unfalltag keinerlei Beschwerden im Bereich der Kniegelenke hatte. Gegen die Annahme eines Unfallzusammenhangs spreche der aus seiner Sicht nicht geeignete Unfallmechanismus und das Vorliegen fortgeschrittener degenerativer Veränderungen, außerdem sei eine beidseitige Ruptur ausgesprochen ungewöhnlich. Des Weiteren wäre, wenn eine Quadrizepssehnenruptur im Rahmen des Unfalls vom 25.10.2003 stattgefunden hätte, üblicherweise eine Schwellung und möglicherweise auch Hämatomverfärbung im Bereich der Quadrizepssehne durch den erstbehandelnden Arzt oder die nachfolgenden Ärzte beschrieben worden. Zusammenfassend würden mehr Argumente gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der operativ versorgten Quadrizepssehnenruptur beidseits und dem Unfall vom 25.10.2003 sprechen. Der Kläger habe bei dem Unfall eine Knieprellung erlitten, die folgenlos ausgeheilt sei.

Mit Urteil vom 20.08.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2005 verurteilt, dem Kläger unter Feststellung einer Quadrizepssehnenruptur beidseits als Unfallfolge Entschädigungsleistungen in Form von Verletztengeld und medizinischer Behandlung zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Quadrizepssehnenruptur sei rechtlich wesentlich wahrscheinlich durch den Arbeitsunfall vom 25.10.2003 verursacht worden. Zum einen sei der Unfall als geeignet anzusehen, eine Quadrizepssehnenruptur zu verursachen, zum anderen spreche für einen Unfallzusammenhang, dass Prof. Dr. B. in seinem histologischen Gutachten frische traumatische Veränderungen festgestellt habe, die auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Ferner spreche für eine unfallbedingte Verletzung, dass der Kläger vor dem Unfall völlig beschwerdefrei gewesen sei. Die degenerativen Veränderungen würden keine andere Beurteilung rechtfertigen, da sich in Anbetracht der Ausführungen von Prof. Dr. B. nicht der Schluss ziehen lasse, dass die degenerative Veränderungen allein wesentlich den Riss verursacht hätten. Wegen der Unfallfolgen habe der Kläger Anspruch auf Heilbehandlung sowie Anspruch auf Verletztengeld bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit, hingegen keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, da eine MdE um mindestens 20 v. H. nicht verblieben sei.

Gegen das am 12.10.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.11.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Rupturen der Quadrizepssehnen seien nicht rechtlich wesentlich durch den Unfall herbeigeführt worden. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, S. 515) seien Unfallereignisse, die zu einem Riss der Quadrizepssehnen führen könnten, indirekte Verletzungen unter stärkerer Beugung des Kniegelenks und maximaler Anspannung des Muskelquadrizeps gegen das Körpergewicht. Direkte Traumen seien dagegen nur selten geeignet, die Sehne reißen zu lassen. Der Kläger habe die Sehnenrisse nicht bei einem Hergang, der zur Herbeiführung einer Ruptur der Quadrizepssehnen geeignet sei, erlitten. Des weiteren hätten bei dem Kläger erhebliche verschleißbedingte Sehnenveränderungen beider Kniegelenke vorgelegen; diese ausgeprägte Schadensanlage lasse folgern, dass die anlagebedingten Gewebeveränderungen so leicht ansprechbar gewesen seien, dass es zur Auslösung des akuten Krankheitsbildes eines nur beliebig austauschbaren Ereignisses bedurft habe.

In einem Termin zur Beweisaufnahme und Erörterung des Sachverhalts haben die Beteiligten am 02.10.2008 folgenden Teilvergleich geschlossen:

1. Die Beklagte wird für den Fall einer rechtskräftigen Feststellung der Quadrizepssehnenruptur als Unfallfolge dem Kläger die im Raum stehenden Entschädigungsleistungen in Form von Verletztengeld und medizinischer Behandlung in gesetzlicher Höhe gewähren. 2. Der Kläger nimmt die Klage, soweit sie auf Gewährung von Entschädigungsleistungen gerichtet war, zurück.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.08.2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 09.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2005 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat den Kläger zum Unfallhergang in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor der Berichterstatterin am 19.06.2008 persönlich angehört, ergänzende schriftliche Stellungnahmen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. C. eingeholt und diesen in einem Termin zur Beweisaufnahme und Erörterung des Sachverhalts vor der Berichterstatterin am 02.10.2008 ergänzend gehört. Im Termin zur Beweisaufnahme hat Prof. Dr. C. ausgeführt, er gehe nach nochmaliger Durchsicht der Akten und unter Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers davon aus, dass der Kläger die Sehnenruptur beider Quadrizepssehnen zu dem Zeitpunkt erlitt, als er versuchte, den Schwarzfahrer im Bus festzuhalten. Dass der Kläger anschließend im Krankenhaus das Bein noch von der Unterlage habe anheben können, spreche nicht gegen eine bereits eingetretene Sehnenruptur, denn dies sei dadurch erklärbar, dass ein Reservestreckapparat vorhanden sei, der eine derartige Bewegung noch ermögliche. Auf Grund der Degeneration der Sehnen sei davon auszugehen, dass diese irgendwann einmal spontan gerissen wären, allerdings nicht auf beiden Seiten auf einmal. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Sehnen zu dem gleichen Zeitpunkt wie dem streitigen Unfallvorgang auf beiden Seiten gerissen wären, auch nicht bei einer alltäglichen Belastung wie Gehen oder Treppensteigen, auch nicht beim Aufstehen aus dem Sitzen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Nachdem der Kläger im Rahmen des Teilvergleichs vom 02.10.2008 die auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen gerichtete Klage zurückgenommen hat und das Urteil des Sozialgerichts insoweit gegenstandslos geworden ist, ist streitgegenständlich vorliegend allein, ob die beidseitige Quadrizepssehnenruptur durch den Unfall vom 25.10.2003 verursacht worden ist. Insoweit hat der Kläger Anspruch auf Feststellung einer operativ behandelten Quadrizepssehnenruptur beidseits mit wiederhergestellter Funktion als Unfallfolge gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Zur Klarstellung korrigiert der Senat den Tenor des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Feststellung der Unfallfolge.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr.14), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu¬rechnen ist (innerer bzw. sach¬licher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat und letzteres einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten ver¬ursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfall¬folgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Vor¬aussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Bei dem Ereignis vom 25.10.2003 handelte es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Hiervon geht auch die Beklagte in den angefochtenen Entscheidungen aus. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es infolge des Unfallereignisses bei dem Kläger zu einer beidseitigen Quadrizepssehnenruptur gekommen. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. C. sowie das im Verwaltungsverfahren eingeholte histologische Gutachten des Prof. Dr. B ... Zwar lagen bei dem Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses degenerative Veränderungen des Gewebes der Quadrizepssehnen in einem Umfang von 50 bis 60 % vor; die histologische Untersuchung ergab daneben jedoch auch frische Einblutungen und reparative Vorgänge in Form von Granulationsgewebsbildung, die - so Prof. Dr. B. - auf das Unfallereignis vom 25.10.2003 zurückzuführen sind. Wie Prof. Dr. C. bei seiner persönlichen Anhörung schlüssig dargelegt hat, trat die Ruptur beider Quadrizepssehnen auf, als der Kläger versuchte, den Schwarzfahrer im Bus festzuhalten. Dies erklärt sich dadurch - so Prof. Dr. C. -, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Muskulatur maximal anspannte. Der bei der Erstuntersuchung nach dem Unfall in den Kreiskliniken R. erhobene Befund spricht, wie Prof. Dr. C. dargelegt hat, nicht dagegen, dass die Sehnenruptur bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten war. Hiergegen spricht insbesondere nicht, dass der Kläger bei der Untersuchung in den Kreiskliniken R. die Beine noch gestreckt von der Unterlage abheben konnte, da sich - so Prof. Dr. C. - eine derartige Bewegung durch den vorhandenen Reservestreckapparat erklärt. Infolge der gerissenen Sehnen ist allerdings eine Stabilisierung des Beines in der Standphase nicht mehr möglich. Genau dieses Bild hat der Kläger beschrieben, denn nach seinen Angaben kam es bereits zu dem Sturz aus dem Bus deshalb, weil ihm die Knie weggeknickt sind. Auch den Hergang der beiden weiteren Stürze in den Kreiskliniken R. hat der Kläger so beschrieben, dass er stürzte, weil ihm die Knie wegknickten. Der Senat hat keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Schilderungen des Klägers zu zweifeln, zumal dieser über anatomische Kenntnisse nicht verfügt und in seiner laienhaften Wertung die Rupturen auf das Hinfallen auf die Knie zurückgeführt hat. Auch die weiteren Ausführungen des Dr. V. im Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung in den Kreiskliniken R. vom 25.10.2003 bis 18.11.2003 geben keinen Anlass, an der Schlüssigkeit der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. C. zu zweifeln. Soweit im Entlassungsbericht ausgeführt wird, dass sich die zunächst angeordnete Mobilisation am 28. und 29.10. weitgehend unauffällig gestaltete, spricht dies nicht dagegen, dass die Sehnenrupturen zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten waren. Nach den glaubhaften Schilderungen des Klägers gestaltete sich die Mobilisation dahingehend, dass er zusammen mit einer Krankengymnastin mit Unterarmgehstöcken und durchgestreckten Knien im Krankenhaus gegangen ist. Dass eine derartige Bewegung dem Kläger unter Zuhilfenahme zweier Unterarmgehstöcke, auf die er sein Körpergewicht im Wesentlichen stützen konnte und - wie im Entlassungsbericht ausgeführt - mühsam möglich war, erklärt sich für den Senat nachvollziehbar auf Grund des von Prof. Dr. C. erläuterten Reservestreckapparates.

Nach Überzeugung des Senats war das Unfallereignis für die eingetretenen Quadrizepssehnenrupturen auch wesentlich. Zwar waren nach den Feststellungen des Prof. Dr. B. die Quadrizepssehnen bereits zum Unfallzeitpunkt zu 50 bis 60 % degenerativ verändert. Bei der Frage der haftungsausfüllenden Kausalität kommt es jedoch nicht darauf an, wann bei einer normalen, weitgehend oder vollständig gesunden Sehne eine äußere Einwirkung zu einem Schaden führt, denn der Versicherte ist nicht mit einem Gesunden zu vergleichen, sondern in dem Zustand versichert, wie er im Zeitpunkt des Unfalls besteht. Zu prüfen ist in einem solchen Fall vielmehr, ob der bereits vorliegende regelwidrige Zustand so leicht ansprechbar war, dass der Schaden durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis etwa zu derselben Zeit verursacht worden wäre oder auch ohne jede äußere Einwirkung zu etwa derselben Zeit wahrscheinlich aufgetreten wäre (BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Hiervon kann nach Überzeugung des Senats nicht ausgegangen werden. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. C. hat bei seiner persönlichen Vernehmung insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund der histologisch nachgewiesenen Degeneration der Sehnen diese zwar irgendwann einmal spontan gerissen wären, allerdings nicht auf beiden Seiten zum gleichen Zeitpunkt. Wann es zu einer spontanen Zerreißung der Sehnen gekommen wäre, lässt sich, wie Prof. Dr. C. dargelegt hat, nicht sagen. Darüber hinaus kann - so Prof. Dr. C. - auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Quadrizepssehnen zu etwa dem gleichen Zeitpunkt wie dem streitigen Unfallereignis bei einer alltäglichen Belastung (z. B. Gehen, Treppensteigen, Aufstehen aus dem Sitzen) gleichzeitig gerissen wären. Damit ist es zur Überzeugung des Senats hinreichend wahrscheinlich, dass die Quadrizepssehnenrupturen beidseits Folgen des Unfalls vom 25.10.2003 sind.

Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. W. überzeugt hingegen nicht. Soweit Prof. Dr. W. seine Auffassung damit begründet, dass der Unfallmechanismus nicht geeignet sei, eine Quadrizepssehnenschädigung herbeizuführen, überzeugt dies nicht, zumal Prof. Dr. W. allein von einem Anpralltrauma ausgegangen ist, ohne die von Prof. Dr. C. dargelegte Muskelanspannung bei dem Versuch, den Schwarzfahrer zurückzuhalten, zu berücksichtigen. Soweit Prof. Dr. W. allein aus der Degeneration der Sehnen zu 50 bis 60 % ableitet, der Unfall sei für die aufgetretene Quadrizepssehnenläsion nicht ursächlich, ist dies nicht zulässig, da - wie bereits oben dargelegt - nicht allein aus den degenerativen Vorschäden darauf geschlossen werden kann, dass das Unfallereignis nicht wesentliche Ursache für den eingetretenen Schaden war. Dass die degenerativen Veränderungen der Quadrizepssehnen so leicht ansprechbar waren, dass sie etwa zum gleichen Zeitpunkt durch ein alltägliches Ereignis oder ohne äußere Einwirkung spontan gerissen wären, hat auch Prof. Dr. W. nicht plausibel dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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