Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNR 4383/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KNR 3979/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. September 2003 hat.
Die am 1953 in Polen geborene Klägerin absolvierte nach ihren Angaben in ihrem Herkunftsland vom 01. September 1968 bis 30. Juni 1972 eine Ausbildung zur Ökonomietechnikerin im Bereich des Post- und Telefunkenwesens und war vom 01. August 1972 bis 31. Oktober 1973 in einem Steinkohlebergwerk als Arbeiterin im Büro sowie nach einer einjährigen Ausbildung vom 01. November 1973 bis 30. April 1989 als Polizeibeamtin beschäftigt. Seit 01. Mai 1989 erhält sie eine Polizeirente (Bescheid vom 18. Mai 1989), die nach ihren eigenen Angaben ca. EUR 170,00 monatlich beträgt. Im Juni 1989 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland um. Seither war sie, unterbrochen von zeitweiser Arbeitslosigkeit (zum Teil auch ohne Leistungsbezug), versicherungspflichtig in verschiedenen Tätigkeiten als Arbeiterin beschäftigt. Von September 1995 bis Juni 1996 nahm sie an einer Qualifizierungsmaßnahme (kaufmännisch-bürotechnische Assistentin) teil. Seit 01. Januar 2003 arbeitet die Klägerin in Teilzeit (30 Stunden an vier Tagen in der Woche) als kaufmännische Angestellte im Reisebüro ihres Ehemanns (Arbeitgeberauskunft vom 11. November 2003). Vom 05. März bis 09. April 2002 nahm sie an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der K.-klinik S. B. teil. Dr. F. gab im Entlassungsbericht vom 18. April 2002 folgende Diagnosen an: Dysthymia, Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom und klimakterisches Syndrom. Die Klägerin wurde als arbeitsfähig entlassen. Sie könne als Fabrikarbeiterin noch sechs Stunden und mehr arbeiten.
Am 03. September 2003 beantragte die Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rente wegen Erwerbsminderung. Der Antrag wurde an die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg und zuletzt an die Bundesknappschaft Bochum, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), weitergeleitet. Die Beklagte zog verschiedene medizinische Unterlagen über die Klägerin bei und ließ sie begutachten. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 16. März 2004 eine somatisierte Depression bei hysterischer Persönlichkeitsstörung. Neurologische Ausfälle seien nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin sei noch vollschichtig leistungsfähig, wobei auf die vorhandene Allergie Rücksicht genommen werden müsse. Schweres Heben und Tragen von Lasten müssten ebenso wie Akkordarbeit oder Nachtschicht vermieden werden. Arzt für Sozialmedizin Dr. S. gelangte in seinem Gutachten vom 23. Februar/18. März 2004 unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. P. zu folgenden Diagnosen: vielfältige funktionelle Beschwerden bei Somatisierungsneigung infolge einer konversionsneurotischen Persönlichkeitsstörung, rezidivierendes Halswirbelsäulen (HWS)-Syndrom bei Fehlhaltung C4/5, rezidivierendes unteres Lumbalsyndrom bei leichtem Übergangswirbel L5 und Hausstaubmilbenallergie (derzeit ohne chronische Bronchitis). Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Auszuschließen seien Nachtschicht, Zeitdruck, langanhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Staubbelastung. Außerdem müsse die Klägerin Allergene (Formaldehydharz und Perubalsam) meiden. Die bisherige Tätigkeit als Mitarbeiterin in einem Reisebüro sei (auch über sechsstündig) leidensgerecht.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege (Bescheid vom 29. Juni 2004). Die Klägerin könne folgende Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten: Pförtner, Telefonist, Botengänger, Sortieren von Unterlagen nach einfachen Ordnungsmerkmalen, einfache Dateneingabe ohne gerätetechnische Kenntnisse, einfache Schreib- oder Rechenarbeiten nach vorbereiteten Unterlagen, Auszeichnen und Kontrollieren von Waren nach einfachen Ordnungsmerkmalen, Anfertigen von Lichtpausen einschließlich dazugehöriger einfacher Karteiführung, Bürohilfskraft und Bote. Den Widerspruch der Klägerin wies die Widerspruchsstelle der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 08. November 2004). Die Widerspruchsstelle wiederholte die Verweisungstätigkeiten und wies darauf hin, dass die genannten Tätigkeiten der Klägerin als kaufmännische Angestellte sozial zumutbar seien. Es liege daher weder teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor.
Gegen den am 20. November 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 10. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Sie begehrte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, sie leide an erheblichen Schmerzen im Bewegungsapparat, an Migräne, Durchschlaf-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, an multiplen Allergien, an depressiven bzw. psychovegetativen Beschwerden sowie an einer chronischen Sinusitis beidseits. Sie sei deswegen im Februar 2005 operiert worden. Hierbei sei eine MRSA-Besiedelung (Oxacillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme) des Sputums und der Haut festgestellt worden. Des Weiteren sei am 29. November 2005 wegen Belastungsharninkontinenz ein operativer Eingriff erfolgt. Sie reichte verschiedene medizinische Unterlagen ein.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den Inhalt der Rentenakten entgegen.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Orthopädie Dr. K. (Auskunft vom 03. April 2005) und Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sc. (Auskunft vom 11. April 2005) schlossen sich im Wesentlichen den im Verwaltungsverfahren erhobenen Gutachten an. HNO-Arzt Dr. Kl. gab an (Auskunft vom 11. April 2005), die Klägerin habe über Beschwerden im Rahmen einer Sinusitis und einer Allergie, über Heiserkeit sowie Beschwerden nach zwei Nasennebenhöhlenoperationen geklagt. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Kr. gab an (Auskunft vom 12. Mai 2005), die Klägerin leide zunehmend unter der chronischen MRSA-Infektion. Die Beschwerden hätten sich in den letzten sechs Monaten wesentlich verschlechtert. Er beobachte eine rapide Wesensveränderung mit Verdacht auf agitierte Depression. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. teilte mit (Auskunft vom 04. Juli 2005), er habe eine histrionisch ausgestaltete Somatisierung und eine agitierte Depression diagnostiziert. Er könne als behandelnder Arzt nicht mit zureichender Sicherheit das Restleistungsvermögen beurteilen. Vom Gesamtaspekt müsse jedoch von einer Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden für leichte Tätigkeiten (z.B. Büroarbeiten im Sitzen) ausgegangen werden.
Im Auftrag des SG erstattete Facharzt für Innere und Psychotherapeutische Medizin Dr. Ma. das Gutachten vom 05. Dezember 2005. Er diagnostizierte eine Somatisierungsstörung (ICD-10: F 45.0) bei auffälliger histrionischer Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.4) und vorbekannter dissoziativer Bewegungsstörung der rechten Körperregion (1983 in Polen) mit Berentungsfolge (ICD-10: F 44.4). Des Weiteren bestehe eine chronisch rezidivierende Sinusitis mit bekannter MRSA-Besiedelung und zweimaliger Operation (2003/2005) sowie eine bekannte Mehrfachallergie (speziell Hausstaubmilbenallergie und Laktoseunverträglichkeit). Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe ein rezidivierendes HWS-/LWS-Syndrom (Ausschluss einer Fibromyalgie und Ausschluss einer somatoformen Schmerzstörung). Als weitere Diagnosen nannte er eine chronische Bronchitis mit nur leichter zentraler Obstruktion sowie eine bekannte positive Serologie bei Helicobacter Pylori ohne augenblickliche Beschwerden. Die Klägerin könne Erwerbstätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten, wenn ein Rahmen geschaffen werden könne, der ihren nach außen gewendeten Möglichkeiten entgegenkomme (z.B. mit öffentlichem Publikumsverkehr) oder ihr selbst das Gefühl gebe, an wichtiger Vermittlungsstelle psychosoziale Anerkennung zu bekommen und damit im Rahmen dieser Funktionsausübung gesellschaftlich partizipieren zu können. Insoweit seien leichte und zuweilen mittelschwere Tätigkeiten möglich, wobei das Heben und Tragen von Lasten sechs bis acht kg nicht überschreiten solle. Vermieden werden müssten dauerndes und überwiegendes Stehen, Gehen oder Sitzen, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an laufenden Maschinen. Bei einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit im Beruf als Bürokraft solle die Tätigkeit mit zeitweiligem Gehen oder auch Stehen verbunden sein. Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, Arbeiten in Kälte, Nässe, im Freien, unter zu hohem Wärmeeinfluss oder unter Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen sollten ebenfalls vermieden werden. Zu vermeiden sei möglichst auch eine hohe nervliche Belastung, jedoch seien mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art durchaus möglich, da die Klägerin sich in sehr offener und exponierter Weise positiv darstellen könne und auch durch Publikumsverkehr psychosozial positiv profitiere und narzisstische Gratifikation erhalte. Verglichen mit früheren krankheitsrelevanten Zuständen oder Befunden habe sich jetzt eine positive Kompensation vieler Beschwerdefelder ergeben.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete Dr. He. das Gutachten vom 18. September 2006. Er diagnostizierte eine chronische Sinusitis maxillaris und eine MRSA-Erkrankung. Eine dauerhafte Einschränkung des Gesundheitszustandes sei deswegen nicht anzunehmen. Die Bronchitis und die bronchiale Hyperreagibilität seien am ehesten im Rahmen eines sinobronchialen Syndroms aufgetreten und seien derzeit nicht akut und ohne Relevanz. Weiterhin bestehe eine Laktoseintoleranz (ohne sozialmedizinische Relevanz), eine Hiatuschwäche und Refluxösophagitis Grad I bei leichterer chemischer Gastritis (ohne sozialmedizinische Relevanz), eine Helicobacter induzierte Gastritis (ohne Einschränkung), eine medikamentös gut eingestellte Hashimoto Thyreoiditis (ohne körperlicher oder geistiger Einschränkung), eine Dyspnoe bei Belastung (Einschränkung für körperlich schwere Arbeiten) sowie erhebliche mukoloskelettale Beschwerden. Eine leichte körperliche Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen sei bei ergonomisch geformter Sitzmöglichkeit und üblichen Pausen möglich. Wesentlich seien vor allem die neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen, wobei als Diagnosen vor allem die histrionische Persönlichkeitsstörung, die Somatisierungsstörung sowie die wieder in Ansätzen vorhandene bzw. berichtete dissoziative Bewegungsstörung der rechten Körperhälfte mit entsprechenden Beschwerden bestünden. Leichte Tätigkeiten ohne Stressbelastung seien möglich und wahrscheinlich auch hilfreich, da die positiven Aspekte gestärkt würden und die Klägerin die Möglichkeit hätte, Anerkennung zu bekommen. Leistungseinschränkungen auf unter sechs Stunden ergäben sich nicht. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Heben oder Tragen über sechs bis acht kg, mit häufigem Bücken sowie Arbeiten auf Leitern, Gerüsten oder an laufenden Maschinen, Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Zugluft, Stäuben, Gasen, Dämpfen und Arbeiten mit starker Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens. Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten am Fließband sollten ebenfalls vermieden werden. Dies gelte auch für eine hohe nervliche Beanspruchung. Tätigkeiten geistiger Art (auch anspruchsvollere Tätigkeiten, auch mit Publikumsverkehr) seien sicher möglich.
Mit Urteil vom 26. Juni 2007 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente, da sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig sei. Die Klägerin könne noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig, d.h. sechs Stunden täglich und mehr, erwerbstätig sein. Es stützte sich hierbei auf die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Aufgrund ihrer zuletzt verrichteten Tätigkeit sei die Klägerin allenfalls als angelernte Arbeiterin des unteren Bereichs anzusehen. Infolgedessen genieße sie keinen Berufsschutz und könne auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden.
Gegen das Urteil, dessen Empfang der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit dem 03. August 2007 bescheinigt hat, hat die Klägerin am 14. August 2007 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und weiterhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Die Leistungseinschätzung des Dr. Ma. sei nicht nachvollziehbar. Sie könne keine Tätigkeiten mehr verrichten. Ihre psychische Situation habe sich durch familiäre Auseinandersetzungen weiter erheblich verschlechtert. Sie hat diesbezüglich Arztberichte des Facharztes für Innere Medizin Dr. A. vom 03. August 2007 und 22. Januar 2008 sowie einen Beschluss der Woiwodschaftlichen Ärztlichen Kommission K. vom 06. Februar 1989, wonach sie (die Klägerin) wegen einer Depression erheblichen Grades und einer ausgeheilten Ulzeration des Zwölffingerdarms seit Februar 1989 ständig dienstunfähig bei der Bürgermiliz sei, vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. September 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihr Vorbringen in der ersten Instanz.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, auf die Gerichtsakte erster Instanz sowie auf die Senatsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2004 ist im Ergebnis rechtmäßig.
1. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Sie leidet zwar an zahlreichen Erkrankungen, diese sind jedoch nicht so ausgeprägt, dass das Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht gemindert wäre.
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin Beschwerden auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet. Die Klägerin leidet an einem rezidivierenden HWS-Syndrom bei Fehlhaltung C4/5 und an einem rezidivierenden unteren Lumbalsyndrom bei leichtem Übergangswirbel L5. Der Senat stützt sich insoweit auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. S ... Entsprechende Befunde werden auch vom behandelnden Orthopäden Dr. K. in seiner Auskunft vom 03. April 2005 dargelegt. Dr. A. hat in seinem Arztbrief vom 22. Januar 2008 zusätzlich ein Impingement-Syndrom rechts angegeben. Auf nervenärztlichem Fachgebiet leidet die Klägerin an einer Somatisierungsstörung bei auffälliger histrionischer Persönlichkeitsstörung und vorbekannter dissoziativer Bewegungsstörung der rechten Körperregion. Der Senat stützt sich insoweit auf das im Klageverfahren eingeholte Gutachten des Dr. Ma. vom 05. Dezember 2005. Entsprechende Befunde wurden allerdings auch schon in dem früher erstatteten Gutachten des Dr. P. vom 16. März 2004 dargelegt und von dem Sachverständigen Dr. He. in seinem Gutachten vom 18. September 2006 bestätigt. Auch der behandelnde Arzt Dr. B. gab eine histrionisch ausgestaltete Somatisierung und eine agitierte Depression an.
Trotz dieser im Vordergrund stehender Gesundheitsstörungen ist die Klägerin jedoch noch in der Lage, leichte und zuweilen mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat folgt der Leistungseinschätzung des Dr. Ma., die auch durch Dr. He. bestätigt wurde. Auch die Gutachter Dr. S. und Dr. P. gelangten im Verwaltungsverfahren zu diese Leistungseinschätzung. Zu vermeiden sind allerdings Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über sechs bis acht kg, mit dauerndem und überwiegendem Stehen, Gehen, Sitzen oder häufigem Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an laufenden Maschinen. Geeignet sind Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen oder Sitzen. Darüber hinaus müssen Tätigkeiten mit Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten in Kälte, Nässe, im Freien, unter zu hohem Wärmeeinfluss oder Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen wegen der Allergieneigung der Klägerin sowie mit zu hoher nervlicher Beanspruchung vermieden werden. Diese Einschränkungen entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. Ma ... Sie werden auch durch das Gutachten des Dr. He. bestätigt. Dr. Ma. hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art für die Klägerin durchaus möglich sind, da sie sich in sehr offener und exponierter Weise positiv darstellen kann und auch vom Publikumsverkehr psychosozial positiv profitiert. Dem hat sich letztlich auch Dr. He. angeschlossen, indem er ebenfalls hervorhob, dass leichte Tätigkeiten insofern hilfreich sind, als sie positive Aspekte stärken und die Klägerin die Möglichkeit hat, Anerkennung zu bekommen.
Die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen führen ebenfalls nicht zu einer Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht. Die Klägerin leidet zwar an einer chronisch-rezidivierenden Sinusitis mit MRSA-Besiedelung, an einer Helicobacter-induzierten Gastritis, einer Mehrfachallergie (speziell Hausstaubmilbenallergie und Laktoseunverträglichkeit), an einer Hashimoto-Thyrioditis, einer Dyspnoe bei Belastung und an einer chronischen Osteomyelitis am rechten Oberkiefer (derzeit - nach dem Arztbrief des Dr. A. vom 22. Januar 2008 - nicht aktiv). Dies entnimmt der Senat den im Klageverfahren eingeholten Gutachten und den von Dr. A. im Arztbrief vom 22. Januar 2008 genannten Diagnosen. Aus dem Gutachten des Dr. Ma. und dem Gutachten des Dr. He. folgt aber, dass die eben genannten Diagnosen nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht führen. Dr. Ma. hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich - verglichen mit früheren krankheitsrelevanten Zuständen oder Befunden - sogar eine positive Kompensation vieler Beschwerdefelder ergeben hat. Dr. He. sah wegen der Dyspnoe bei Belastung nur eine Einschränkung für körperlich schwere Tätigkeiten. Solche Tätigkeiten kann die Klägerin jedoch nicht mehr verrichten. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten folgt hieraus aber nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den sachverständigen Zeugenauskünften. Zwar geht Dr. A. in seinem Arztbrief vom 22. Januar 2008 davon aus, dass bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom vom Typ Fibromyalgie bei Cervical- und Lumbalsyndrom sowie eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt. Beide Diagnosen wurden jedoch vom Gutachter Dr. Ma. ausgeschlossen. Selbst wenn jedoch nunmehr ein chronifiziertes Schmerzsyndrom vom Typ Fibromyalgie bzw. eine somatoforme Schmerzstörung vorlägen, folgt hieraus nicht, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Einsicht eingeschränkt ist. Denn im Vordergrund steht das Cervical- und Lumbalsyndrom, das auch Dr. Ma. bei seiner Leistungsbeurteilung berücksichtigt hat. Dieser gelangte jedoch zu der schlüssigen und nachvollziehbaren Leistungseinschätzung, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist. Ein weiteres Gutachten von Amts wegen war nicht erforderlich, nachdem im Berufungsverfahren eine wesentliche Befundverschlechterung weder geltend gemacht wurde, noch eine solche nach Vorlage des Arztbriefes des Dr. A. vom 22. Januar 2008 ersichtlich ist.
2. Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keinen Berufsschutz geltend gemacht und keinen Antrag auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) gestellt. Vor diesem Hintergrund musste der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als kaufmännische Angestellte Berufsschutz genießt und ob die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten zumutbar sind und sie diese mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. September 2003 hat.
Die am 1953 in Polen geborene Klägerin absolvierte nach ihren Angaben in ihrem Herkunftsland vom 01. September 1968 bis 30. Juni 1972 eine Ausbildung zur Ökonomietechnikerin im Bereich des Post- und Telefunkenwesens und war vom 01. August 1972 bis 31. Oktober 1973 in einem Steinkohlebergwerk als Arbeiterin im Büro sowie nach einer einjährigen Ausbildung vom 01. November 1973 bis 30. April 1989 als Polizeibeamtin beschäftigt. Seit 01. Mai 1989 erhält sie eine Polizeirente (Bescheid vom 18. Mai 1989), die nach ihren eigenen Angaben ca. EUR 170,00 monatlich beträgt. Im Juni 1989 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland um. Seither war sie, unterbrochen von zeitweiser Arbeitslosigkeit (zum Teil auch ohne Leistungsbezug), versicherungspflichtig in verschiedenen Tätigkeiten als Arbeiterin beschäftigt. Von September 1995 bis Juni 1996 nahm sie an einer Qualifizierungsmaßnahme (kaufmännisch-bürotechnische Assistentin) teil. Seit 01. Januar 2003 arbeitet die Klägerin in Teilzeit (30 Stunden an vier Tagen in der Woche) als kaufmännische Angestellte im Reisebüro ihres Ehemanns (Arbeitgeberauskunft vom 11. November 2003). Vom 05. März bis 09. April 2002 nahm sie an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der K.-klinik S. B. teil. Dr. F. gab im Entlassungsbericht vom 18. April 2002 folgende Diagnosen an: Dysthymia, Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom und klimakterisches Syndrom. Die Klägerin wurde als arbeitsfähig entlassen. Sie könne als Fabrikarbeiterin noch sechs Stunden und mehr arbeiten.
Am 03. September 2003 beantragte die Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rente wegen Erwerbsminderung. Der Antrag wurde an die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg und zuletzt an die Bundesknappschaft Bochum, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), weitergeleitet. Die Beklagte zog verschiedene medizinische Unterlagen über die Klägerin bei und ließ sie begutachten. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 16. März 2004 eine somatisierte Depression bei hysterischer Persönlichkeitsstörung. Neurologische Ausfälle seien nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin sei noch vollschichtig leistungsfähig, wobei auf die vorhandene Allergie Rücksicht genommen werden müsse. Schweres Heben und Tragen von Lasten müssten ebenso wie Akkordarbeit oder Nachtschicht vermieden werden. Arzt für Sozialmedizin Dr. S. gelangte in seinem Gutachten vom 23. Februar/18. März 2004 unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. P. zu folgenden Diagnosen: vielfältige funktionelle Beschwerden bei Somatisierungsneigung infolge einer konversionsneurotischen Persönlichkeitsstörung, rezidivierendes Halswirbelsäulen (HWS)-Syndrom bei Fehlhaltung C4/5, rezidivierendes unteres Lumbalsyndrom bei leichtem Übergangswirbel L5 und Hausstaubmilbenallergie (derzeit ohne chronische Bronchitis). Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Auszuschließen seien Nachtschicht, Zeitdruck, langanhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Staubbelastung. Außerdem müsse die Klägerin Allergene (Formaldehydharz und Perubalsam) meiden. Die bisherige Tätigkeit als Mitarbeiterin in einem Reisebüro sei (auch über sechsstündig) leidensgerecht.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege (Bescheid vom 29. Juni 2004). Die Klägerin könne folgende Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten: Pförtner, Telefonist, Botengänger, Sortieren von Unterlagen nach einfachen Ordnungsmerkmalen, einfache Dateneingabe ohne gerätetechnische Kenntnisse, einfache Schreib- oder Rechenarbeiten nach vorbereiteten Unterlagen, Auszeichnen und Kontrollieren von Waren nach einfachen Ordnungsmerkmalen, Anfertigen von Lichtpausen einschließlich dazugehöriger einfacher Karteiführung, Bürohilfskraft und Bote. Den Widerspruch der Klägerin wies die Widerspruchsstelle der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 08. November 2004). Die Widerspruchsstelle wiederholte die Verweisungstätigkeiten und wies darauf hin, dass die genannten Tätigkeiten der Klägerin als kaufmännische Angestellte sozial zumutbar seien. Es liege daher weder teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor.
Gegen den am 20. November 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 10. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Sie begehrte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, sie leide an erheblichen Schmerzen im Bewegungsapparat, an Migräne, Durchschlaf-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, an multiplen Allergien, an depressiven bzw. psychovegetativen Beschwerden sowie an einer chronischen Sinusitis beidseits. Sie sei deswegen im Februar 2005 operiert worden. Hierbei sei eine MRSA-Besiedelung (Oxacillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme) des Sputums und der Haut festgestellt worden. Des Weiteren sei am 29. November 2005 wegen Belastungsharninkontinenz ein operativer Eingriff erfolgt. Sie reichte verschiedene medizinische Unterlagen ein.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den Inhalt der Rentenakten entgegen.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Orthopädie Dr. K. (Auskunft vom 03. April 2005) und Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sc. (Auskunft vom 11. April 2005) schlossen sich im Wesentlichen den im Verwaltungsverfahren erhobenen Gutachten an. HNO-Arzt Dr. Kl. gab an (Auskunft vom 11. April 2005), die Klägerin habe über Beschwerden im Rahmen einer Sinusitis und einer Allergie, über Heiserkeit sowie Beschwerden nach zwei Nasennebenhöhlenoperationen geklagt. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Kr. gab an (Auskunft vom 12. Mai 2005), die Klägerin leide zunehmend unter der chronischen MRSA-Infektion. Die Beschwerden hätten sich in den letzten sechs Monaten wesentlich verschlechtert. Er beobachte eine rapide Wesensveränderung mit Verdacht auf agitierte Depression. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. teilte mit (Auskunft vom 04. Juli 2005), er habe eine histrionisch ausgestaltete Somatisierung und eine agitierte Depression diagnostiziert. Er könne als behandelnder Arzt nicht mit zureichender Sicherheit das Restleistungsvermögen beurteilen. Vom Gesamtaspekt müsse jedoch von einer Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden für leichte Tätigkeiten (z.B. Büroarbeiten im Sitzen) ausgegangen werden.
Im Auftrag des SG erstattete Facharzt für Innere und Psychotherapeutische Medizin Dr. Ma. das Gutachten vom 05. Dezember 2005. Er diagnostizierte eine Somatisierungsstörung (ICD-10: F 45.0) bei auffälliger histrionischer Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.4) und vorbekannter dissoziativer Bewegungsstörung der rechten Körperregion (1983 in Polen) mit Berentungsfolge (ICD-10: F 44.4). Des Weiteren bestehe eine chronisch rezidivierende Sinusitis mit bekannter MRSA-Besiedelung und zweimaliger Operation (2003/2005) sowie eine bekannte Mehrfachallergie (speziell Hausstaubmilbenallergie und Laktoseunverträglichkeit). Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe ein rezidivierendes HWS-/LWS-Syndrom (Ausschluss einer Fibromyalgie und Ausschluss einer somatoformen Schmerzstörung). Als weitere Diagnosen nannte er eine chronische Bronchitis mit nur leichter zentraler Obstruktion sowie eine bekannte positive Serologie bei Helicobacter Pylori ohne augenblickliche Beschwerden. Die Klägerin könne Erwerbstätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten, wenn ein Rahmen geschaffen werden könne, der ihren nach außen gewendeten Möglichkeiten entgegenkomme (z.B. mit öffentlichem Publikumsverkehr) oder ihr selbst das Gefühl gebe, an wichtiger Vermittlungsstelle psychosoziale Anerkennung zu bekommen und damit im Rahmen dieser Funktionsausübung gesellschaftlich partizipieren zu können. Insoweit seien leichte und zuweilen mittelschwere Tätigkeiten möglich, wobei das Heben und Tragen von Lasten sechs bis acht kg nicht überschreiten solle. Vermieden werden müssten dauerndes und überwiegendes Stehen, Gehen oder Sitzen, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an laufenden Maschinen. Bei einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit im Beruf als Bürokraft solle die Tätigkeit mit zeitweiligem Gehen oder auch Stehen verbunden sein. Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, Arbeiten in Kälte, Nässe, im Freien, unter zu hohem Wärmeeinfluss oder unter Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen sollten ebenfalls vermieden werden. Zu vermeiden sei möglichst auch eine hohe nervliche Belastung, jedoch seien mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art durchaus möglich, da die Klägerin sich in sehr offener und exponierter Weise positiv darstellen könne und auch durch Publikumsverkehr psychosozial positiv profitiere und narzisstische Gratifikation erhalte. Verglichen mit früheren krankheitsrelevanten Zuständen oder Befunden habe sich jetzt eine positive Kompensation vieler Beschwerdefelder ergeben.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete Dr. He. das Gutachten vom 18. September 2006. Er diagnostizierte eine chronische Sinusitis maxillaris und eine MRSA-Erkrankung. Eine dauerhafte Einschränkung des Gesundheitszustandes sei deswegen nicht anzunehmen. Die Bronchitis und die bronchiale Hyperreagibilität seien am ehesten im Rahmen eines sinobronchialen Syndroms aufgetreten und seien derzeit nicht akut und ohne Relevanz. Weiterhin bestehe eine Laktoseintoleranz (ohne sozialmedizinische Relevanz), eine Hiatuschwäche und Refluxösophagitis Grad I bei leichterer chemischer Gastritis (ohne sozialmedizinische Relevanz), eine Helicobacter induzierte Gastritis (ohne Einschränkung), eine medikamentös gut eingestellte Hashimoto Thyreoiditis (ohne körperlicher oder geistiger Einschränkung), eine Dyspnoe bei Belastung (Einschränkung für körperlich schwere Arbeiten) sowie erhebliche mukoloskelettale Beschwerden. Eine leichte körperliche Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen sei bei ergonomisch geformter Sitzmöglichkeit und üblichen Pausen möglich. Wesentlich seien vor allem die neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen, wobei als Diagnosen vor allem die histrionische Persönlichkeitsstörung, die Somatisierungsstörung sowie die wieder in Ansätzen vorhandene bzw. berichtete dissoziative Bewegungsstörung der rechten Körperhälfte mit entsprechenden Beschwerden bestünden. Leichte Tätigkeiten ohne Stressbelastung seien möglich und wahrscheinlich auch hilfreich, da die positiven Aspekte gestärkt würden und die Klägerin die Möglichkeit hätte, Anerkennung zu bekommen. Leistungseinschränkungen auf unter sechs Stunden ergäben sich nicht. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Heben oder Tragen über sechs bis acht kg, mit häufigem Bücken sowie Arbeiten auf Leitern, Gerüsten oder an laufenden Maschinen, Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Zugluft, Stäuben, Gasen, Dämpfen und Arbeiten mit starker Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens. Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten am Fließband sollten ebenfalls vermieden werden. Dies gelte auch für eine hohe nervliche Beanspruchung. Tätigkeiten geistiger Art (auch anspruchsvollere Tätigkeiten, auch mit Publikumsverkehr) seien sicher möglich.
Mit Urteil vom 26. Juni 2007 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente, da sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig sei. Die Klägerin könne noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig, d.h. sechs Stunden täglich und mehr, erwerbstätig sein. Es stützte sich hierbei auf die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Aufgrund ihrer zuletzt verrichteten Tätigkeit sei die Klägerin allenfalls als angelernte Arbeiterin des unteren Bereichs anzusehen. Infolgedessen genieße sie keinen Berufsschutz und könne auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden.
Gegen das Urteil, dessen Empfang der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit dem 03. August 2007 bescheinigt hat, hat die Klägerin am 14. August 2007 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und weiterhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Die Leistungseinschätzung des Dr. Ma. sei nicht nachvollziehbar. Sie könne keine Tätigkeiten mehr verrichten. Ihre psychische Situation habe sich durch familiäre Auseinandersetzungen weiter erheblich verschlechtert. Sie hat diesbezüglich Arztberichte des Facharztes für Innere Medizin Dr. A. vom 03. August 2007 und 22. Januar 2008 sowie einen Beschluss der Woiwodschaftlichen Ärztlichen Kommission K. vom 06. Februar 1989, wonach sie (die Klägerin) wegen einer Depression erheblichen Grades und einer ausgeheilten Ulzeration des Zwölffingerdarms seit Februar 1989 ständig dienstunfähig bei der Bürgermiliz sei, vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. September 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihr Vorbringen in der ersten Instanz.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, auf die Gerichtsakte erster Instanz sowie auf die Senatsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2004 ist im Ergebnis rechtmäßig.
1. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Sie leidet zwar an zahlreichen Erkrankungen, diese sind jedoch nicht so ausgeprägt, dass das Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht gemindert wäre.
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin Beschwerden auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet. Die Klägerin leidet an einem rezidivierenden HWS-Syndrom bei Fehlhaltung C4/5 und an einem rezidivierenden unteren Lumbalsyndrom bei leichtem Übergangswirbel L5. Der Senat stützt sich insoweit auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. S ... Entsprechende Befunde werden auch vom behandelnden Orthopäden Dr. K. in seiner Auskunft vom 03. April 2005 dargelegt. Dr. A. hat in seinem Arztbrief vom 22. Januar 2008 zusätzlich ein Impingement-Syndrom rechts angegeben. Auf nervenärztlichem Fachgebiet leidet die Klägerin an einer Somatisierungsstörung bei auffälliger histrionischer Persönlichkeitsstörung und vorbekannter dissoziativer Bewegungsstörung der rechten Körperregion. Der Senat stützt sich insoweit auf das im Klageverfahren eingeholte Gutachten des Dr. Ma. vom 05. Dezember 2005. Entsprechende Befunde wurden allerdings auch schon in dem früher erstatteten Gutachten des Dr. P. vom 16. März 2004 dargelegt und von dem Sachverständigen Dr. He. in seinem Gutachten vom 18. September 2006 bestätigt. Auch der behandelnde Arzt Dr. B. gab eine histrionisch ausgestaltete Somatisierung und eine agitierte Depression an.
Trotz dieser im Vordergrund stehender Gesundheitsstörungen ist die Klägerin jedoch noch in der Lage, leichte und zuweilen mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat folgt der Leistungseinschätzung des Dr. Ma., die auch durch Dr. He. bestätigt wurde. Auch die Gutachter Dr. S. und Dr. P. gelangten im Verwaltungsverfahren zu diese Leistungseinschätzung. Zu vermeiden sind allerdings Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über sechs bis acht kg, mit dauerndem und überwiegendem Stehen, Gehen, Sitzen oder häufigem Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an laufenden Maschinen. Geeignet sind Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen oder Sitzen. Darüber hinaus müssen Tätigkeiten mit Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten in Kälte, Nässe, im Freien, unter zu hohem Wärmeeinfluss oder Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen wegen der Allergieneigung der Klägerin sowie mit zu hoher nervlicher Beanspruchung vermieden werden. Diese Einschränkungen entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. Ma ... Sie werden auch durch das Gutachten des Dr. He. bestätigt. Dr. Ma. hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art für die Klägerin durchaus möglich sind, da sie sich in sehr offener und exponierter Weise positiv darstellen kann und auch vom Publikumsverkehr psychosozial positiv profitiert. Dem hat sich letztlich auch Dr. He. angeschlossen, indem er ebenfalls hervorhob, dass leichte Tätigkeiten insofern hilfreich sind, als sie positive Aspekte stärken und die Klägerin die Möglichkeit hat, Anerkennung zu bekommen.
Die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen führen ebenfalls nicht zu einer Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht. Die Klägerin leidet zwar an einer chronisch-rezidivierenden Sinusitis mit MRSA-Besiedelung, an einer Helicobacter-induzierten Gastritis, einer Mehrfachallergie (speziell Hausstaubmilbenallergie und Laktoseunverträglichkeit), an einer Hashimoto-Thyrioditis, einer Dyspnoe bei Belastung und an einer chronischen Osteomyelitis am rechten Oberkiefer (derzeit - nach dem Arztbrief des Dr. A. vom 22. Januar 2008 - nicht aktiv). Dies entnimmt der Senat den im Klageverfahren eingeholten Gutachten und den von Dr. A. im Arztbrief vom 22. Januar 2008 genannten Diagnosen. Aus dem Gutachten des Dr. Ma. und dem Gutachten des Dr. He. folgt aber, dass die eben genannten Diagnosen nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht führen. Dr. Ma. hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich - verglichen mit früheren krankheitsrelevanten Zuständen oder Befunden - sogar eine positive Kompensation vieler Beschwerdefelder ergeben hat. Dr. He. sah wegen der Dyspnoe bei Belastung nur eine Einschränkung für körperlich schwere Tätigkeiten. Solche Tätigkeiten kann die Klägerin jedoch nicht mehr verrichten. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten folgt hieraus aber nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den sachverständigen Zeugenauskünften. Zwar geht Dr. A. in seinem Arztbrief vom 22. Januar 2008 davon aus, dass bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom vom Typ Fibromyalgie bei Cervical- und Lumbalsyndrom sowie eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt. Beide Diagnosen wurden jedoch vom Gutachter Dr. Ma. ausgeschlossen. Selbst wenn jedoch nunmehr ein chronifiziertes Schmerzsyndrom vom Typ Fibromyalgie bzw. eine somatoforme Schmerzstörung vorlägen, folgt hieraus nicht, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Einsicht eingeschränkt ist. Denn im Vordergrund steht das Cervical- und Lumbalsyndrom, das auch Dr. Ma. bei seiner Leistungsbeurteilung berücksichtigt hat. Dieser gelangte jedoch zu der schlüssigen und nachvollziehbaren Leistungseinschätzung, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist. Ein weiteres Gutachten von Amts wegen war nicht erforderlich, nachdem im Berufungsverfahren eine wesentliche Befundverschlechterung weder geltend gemacht wurde, noch eine solche nach Vorlage des Arztbriefes des Dr. A. vom 22. Januar 2008 ersichtlich ist.
2. Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keinen Berufsschutz geltend gemacht und keinen Antrag auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) gestellt. Vor diesem Hintergrund musste der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als kaufmännische Angestellte Berufsschutz genießt und ob die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten zumutbar sind und sie diese mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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