L 3 U 72/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 827/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 72/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2000 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger wegen einer Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule) und einer BK Nr. 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) Ansprüche auf Verletztenrente gegen die Beklagte zustehen.

Der 1944 geborene Kläger, der den Beruf des Stahlbetonbauers erlernt hat, war von 1960 bis 1990 durchgehend bei mehreren Firmen als Eisenflechter beschäftigt. Nach seinen Angaben hatte der Kläger im August 1990 einen „Berufsunfall“ erlitten, als er während der Arbeit mit der Schläfe gegen eine Träger gestoßen sei. Seither leide er an Schwindelanfällen und Kopfschmerzen und habe - auch unter Berücksichtigung seiner Rückenbeschwerden - nicht mehr arbeiten können.

Die Landesversicherungsanstalt (LVA) B hatte ihm durch Bescheid vom 13. Januar 1996 mit Wirkung vom 1. Januar 1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit bewilligt und die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente abgelehnt. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 31 J 540/97) Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Mit am 4. April 1996 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. März 1996 reichte der Kläger mit dem Hinweis, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe, eine Vielzahl medizinischer Unterlagen ein, u.a. ein „Ärztliches Attest zur Vorlage beim Versorgungsamt“ der Ärztin für Orthopädie Dr. A vom 9. Januar 1995, in dem es u.a. heißt, aufgrund der rezidivierenden Cephalgien mit Gleichgewichtsstörungen sei der Kläger nicht mehr arbeits- bzw. berufsfähig, sowie eine „Ärztliche Bescheinigung (zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger)“ das Arztes für Orthopädie Dr. D vom 9. März 1995, in der die von Dr. A festgestellten rezidivierenden Beschwerden, insbesondere im Nacken- und Schulterbereich bei Halswirbelsäulensymptomatik und entsprechenden anatomischen Veränderungen bestätigt wurden. Dem Kläger seien wegen der Beschwerden schwere körperliche Arbeiten in fixierter Körperhaltung nicht mehr möglich, insbesondere auch nicht in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Eisenflechter.

In dem daraufhin von der Beklagten eingeleiteten Verfahren zur Feststellung der Berufskrankheiten Nrn. 2108 und 2109 erstattete zunächst der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. R am 31. Mai 1996 einen Ersten Untersuchungsbefund. Er empfahl die Einholung eines medizinischen Gutachtens, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen der genannten Berufskrankheiten erfüllt sein sollten. Nachdem der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten die Ansicht geäußert hatte, es lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 vor, nicht jedoch diejenigen der Nr. 2109, veranlasste die Beklagte eine medizinische Begutachtung des Klägers durch den Ärztlichen Leiter des Oskar-Helene-Heimes Prof. Dr. W. Dieser kam in dem unter Mitwirkung des Arztes Dr. K erstatteten fachorthopädischen Zusammenhangsgutachtens vom 27. Januar 1998 zu dem Ergebnis, aus gutachterlicher Sicht liege bei dem Kläger eine BK der Nr. 2108 nicht vor, weil degenerative Veränderungen an allen Wirbelsäulenabschnitten bestünden und sich im Bereich der Lendenwirbelsäule keine das Altersmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen fänden.

Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1998 die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK nach Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV ab: Nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes unter Auswertung der Dokumentation über das Berufsbild eines Beton- und Stahlbetonbauers seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2109 nicht erfüllt. Nach den medizinischen Feststellungen, insbesondere dem Gutachten Prof. Dr. W vom 27. Januar 1998, lägen die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 nicht vor.

Mit seiner gegen diese Entscheidungen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er habe während seiner Tätigkeit als Eisenflechter von 1960 bis 1990 täglich regelmäßig zwischen 1,5 und 2 Tonnen Stahlgeflecht zu transportieren gehabt. Im Rahmen seiner jahrzehntelangen Berufstätigkeit habe er nahezu durchgängig pro Woche zwischen 60 und 70 Stunden auf Baustellen gearbeitet. Hierdurch hätten sich bei ihm im Laufe der Jahre bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lenden- und Halswirbelsäule eingestellt.

Das Sozialgericht (SG) zog die Schwerbehindertenakten des Klägers bei. Ihnen ist zu entnehmen, dass bei ihm aufgrund eines Gutachtens der Ärztin S D vom 27. Oktober 1997 durch Bescheid vom 20. Februar 1998
a) anhaltende funktionelle Behinderungen und Nervenwurzelreizerscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen,
b) Bluthochdruck, rezidivierender Schwindel, Kopfschmerzen, Stoffwechselstörungen, Übergewicht und
c) rezidivierende Kniegelenksbeschwerden beiderseits bei degenerativen Veränderungen, degenerative Hüftgelenksveränderungen, Achillessehnenschmerz beiderseits
mit einem dadurch bedingten Grad der Behinderung (GdB) von 40 als Behinderungen anerkannt wurden, wobei Frau D für die Behinderung zu a) einen GdB von 30 in Ansatz gebracht hatte.

Weiterhin nahm das SG Kopien der im Rentenverfahren erstatteten Gutachten aus den Rentenakten der LVA B zur Akte, und zwar das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Ärztin für Neurologie W vom 24. Mai 1993 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K vom 31. Juli 1995. Der Kläger übersandte dem SG eine Kopie des in dem Rechtsstreit S 45 SB 2097/98 erstatteten Gutachtens des Arbeitsmediziners Dr. G vom 29. August 1999, der u.a. „anhaltende funktionelle Behinderungen und Nervenwurzelreizerscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen“ mit einem GdB von 30 feststellte und die Bildung eines Gesamt-GdB von 50 empfahl.

Nach Eingang der vom SG angeforderten Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. A vom 11. Februar 1999 und des Chirurgen und Durchgangsarztes Dr. Sch (ohne Datum, bei dem SG am 17. Mai 1999 eingegangen) beauftragte es den Arzt für Orthopädie, Rheumatologie - Sozialmedizin Dr. Z (Chefarzt der Orthopädischen Klinik des Klinikum B) mit der Erstattung eines medizinischen Gutachtens zum Vorliegen der BK Nr. 2108. Der Sachverständige kam in dem unter Mitwirkung der Ärztin für Orthopädie Dr. P erstatteten Gutachten vom 1. November 1999 zu dem Ergebnis, bei dem Kläger lägen als Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet
a. chronisches Halswirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle bei Osteochondrose und Spondylose C4 bis C 7,
b. hyperostotische Spondylose der unteren und mittleren Brustwirbelsäule und
c. chronisches Lumbalsyndrom ohne neurologische Ausfälle bei initialer Osteochondrose L4/5 und L5/S1 bei ausgeprägter Spondylarthrose vor. Keine dieser Gesundheitsstörungen sei im Sinne der erstmaligen Entstehung oder der wesentlichen Verschlimmerung ursächlich auf die berufliche Tätigkeit als Eisenflechter zurückzuführen.

Der Kläger legte dem SG eine Aufstellung seiner Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Angabe der Diagnosen für die Jahre 1986 bis 1995 der AOK Berlin und seinen am 14. Juli 2000 ausgestellten Schwerbehindertenausweis (GdB 50 ab Januar 2000) sowie weitere Bescheinigungen der ihn behandelnden Ärzte vor.

Durch Urteil vom 15. August 2000 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der BK Nr. 2109 stehe dem Kläger nicht zu, weil er die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser Berufskrankheit nicht erfülle. Eisenflechter verrichteten zwar schwere körperliche Arbeit, ihre Arbeit sei aber nicht dadurch gekennzeichnet, dass sie typischerweise schwere Lasten auf der Schulter, wie etwa ein Fleischer, der Rinderhälften auf der Schulter trage, zu bewältigen hätten. Für einen Anspruch auf Leistungen nach der BK Nr. 2108 lägen die medizinischen Voraussetzungen nicht vor. Darüber hinaus fehle es an dem Erfordernis, dass der Kläger im Jahre 1990 seine Berufstätigkeit wegen der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule aufgegeben habe. Aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen folge, dass bei dem Kläger andere Erkrankungen im Vordergrund gestanden hätten, nämlich Kopfschmerzen, Bluthochdruck, ein depressives Syndrom und eine Persönlichkeitsstörung, die auch zur Berentung geführt hätten. Darüber hinaus habe der Kläger mehrfach vorgetragen, wegen eines 1990 erlittenen Anprallunfalls die Arbeit aufgegeben zu haben.

Gegen das am 12. September 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Oktober 2000 Berufung eingelegt. Er trägt zu seiner beruflichen Tätigkeit vor, es seien Träger von einem Gewicht zwischen 400 und 500 kg zu zweit zu transportieren gewesen, und zwar in der Weise, dass zunächst die Träger auf verlegten Bohlen gerollt und dann auf einen Meter hohe Böcke gebracht worden seien, von wo aus sie dann einen Meter hochgezogen worden seien. In den Rohbau seien sie dann nochmals einen weiteren Meter hochgehoben worden, wofür in der Regel für zwei Arbeiter vier Stunden Zeit erforderlich gewesen sei. Hiernach sei davon auszugehen, dass er arbeitstäglich mindestens zwischen ein bis zwei Tonnen zu transportieren gehabt habe. Es seien arbeitstäglich zwischen 6 und 12 m lange Eisenstangen transportiert worden, die bis zu 100 kg gewogen hätten. Weiterhin habe er im Rahmen seiner Tätigkeiten Decken und Sohlen abziehen und glätten müssen, und zwar in einer Größenordnung zwischen 100 bis 660 m2. Dies habe eine Arbeitshaltung in gebückter Körperhaltung zwischen drei bis zehn Stunden täglich erfordert. Die Herstellung von Verbindungen der Eisen mit Draht sei ebenfalls nur in gebückter Haltung möglich gewesen, und zwar bis zu vier Stunden täglich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1998 zu verurteilen, seine bandscheibenbedingten Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule als Berufskrankheiten nach Nr. 2108 und Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und ihm jeweils eine Verletztenrente vom frühestmöglichen Zeitpunkt an zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Schreiben vom 2. und 20. Februar 2001 über die berufliche Tätigkeit eines Stahlbetonbauers/Eisenflechters und die damit verbundenen körperlichen Belastungen Auskünfte der Baugewerksinnung B eingeholt, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird (Schreiben des Dipl.-Ing. W R vom 15. Februar und 3. April 2001).

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihm steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, kein Anspruch auf Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankungen als Berufskrankheiten zu. Er kann deshalb auch keine Verletztenrente beanspruchen.

Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung werden nach § 547 Reichsversicherungsordnung (RVO), der hier gemäß § 212 Sozialgesetzbuch Siebentes Buch - SGB VII - zur Anwendung kommt, weil ein Versicherungsfall vor dem Außerkrafttreten des Dritten Buches der RVO am 31. Dezember 1996 (Art. 35 Nr. 1, 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes - UVEG - vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254, 1317) geltend gemacht wird, nach Eintritt eines Arbeitsunfalls gewährt, soweit die jeweiligen Voraussetzungen der begehrten Leistung erfüllt sind. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO wird, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, als Verletztenrente der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

Als Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen seiner Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule kommt nur § 551 Abs. 1 RVO i.V.m. Nr. 2108 und Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV i.d.F. der 2. Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18. Dezember 1992 (2. ÄndVO, BGBl. I S. 2343) in Betracht.

I.
Nach der BK Nr. 2109 sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen.

Der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente wegen einer BK Nr. 2109 scheitert schon daran, dass, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK nicht erfüllt sind. Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2109 (Bundesarbeitsblatt 3/1993 S. 53 ff.) steht unter den beruflichen Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule verursachen oder verschlimmern können, ein fortgesetztes Tragen schwerer Lasten mit einem Gewicht von mindestens 50 kg auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der cervikalen Bewegungssegmente und ungewöhnlicher Zwangshaltung der Halswirbelsäule im Vordergrund. Eine derartige kombinierte Belastung der Halswirbelsäule wird regelmäßig dann beobachtet, wenn zusätzlich zu dem Tragen auf der Schulter eine nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige maximale Anspannen der Nackenmuskulatur erforderlich wird. Auch wird bei der BK Nr. 2109 gefordert, dass die Lastgewichte mit gewisser Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen werden müssen. Diese Voraussetzungen werden bei Fleischträgern, die Tierhälften oder -viertel in Schlachthöfen tragen müssen, sowie bei Kohle- und Lastenträgern angenommen.

Aufgrund des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren und den von der Baugewerks-innung B erteilten Auskünften über das Berufsbild des Stahlbetonbauers/Eisenflechters und die damit verbundenen körperlichen Belastungen steht fest, dass der Kläger während seiner Erwerbstätigkeit als Eisenflechter von 1960 bis 1990 nur in geringem Umfang schwere Lasten auf der Schulter getragen hatte. Aus der Schilderung seiner Arbeitstätigkeit, die von ihm selbst in einem Schreiben vom 10. Oktober 2000 abgegeben wurde, sowie aus der Darstellung seines Berufsbildes in dem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 7. März 2001 folgt, dass er überwiegend in gebückter Körperhaltung gearbeitet hatte. Das Abziehen und Glätten von Decken und Sohlen habe eine gebückte Haltung zwischen drei bis 10 Stunden am Tag gefordert. Die ebenfalls in gebückter Haltung vorzunehmende Herstellung von Verbindungen der Eisen mit Draht habe bis zu vier Stunden täglich in Anspruch genommen. Auch nach der Auskunft der Baugewerksinnung vom 15. Februar 2001 ist davon auszugehen, dass Eisenflechter häufig, wenn nicht überwiegend in Rumpfbeuge arbeiten. Diese - von der Baugewerksinnung sicherlich zu Recht als ungesund bezeichnete - Körperhaltung hat jedoch für die BK Nr. 2109 keine Relevanz. Maßgeblich ist allein das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter. Soweit der Kläger vorgetragen hat, schweres Eisengeflecht und Träger transportiert zu haben, folgt aus seinen Angaben auf S. 2 Mitte des Schriftsatzes vom 7. März 2001, dass diese Teile nicht auf der Schulter getragen wurden, insbesondere nicht, wie es erforderlich wäre, in einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Kopfhaltung bei gleichzeitiger Anspannung der Hals- und Nackenmuskulatur. Sofern überhaupt in dieser Weise Lasten von mindestens 50 kg vom Kläger auf der Schulter getragen wurden, geschah dies in einem geringen Umfang. Nach der Auskunft der Baugewerksinnung B vom 3. April 2001 sind im Wesentlichen nur Zementsäcke in dieser Weise auf der Schulter getragen worden. Der Dipl.-Ing. R erklärte nach Rücksprache mit dort tätigen Praktikern, der Zeitanteil der Belastung durch das Tragen schwerer Lasten von mindestens 50 kg auf der Schulter habe 5 % oder weniger der Arbeitszeit betragen. Damit bestätigt die Baugewerksinnung die in der Dokumentation des Belastungsumfangs Beton- und Stahlbetonbauer, Stand Januar 1996, der Arbeitsgemeinschaft der Bau-Berufsgenossenschaften vorgenommene Schätzung des Zeitanteils des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter von ( 5 %. Selbst wenn der Kläger, wie er vorträgt, zehn bis zwölf oder sogar vierzehn Stunden täglich gearbeitet haben sollte, würde er die nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 17. August 2000 - L 3 U 81/97 - und vom 3. Mai 2001 - L 3 U 57/95 -) geforderte Netto-Tragezeit von einer Stunde täglich mindestens nicht erreichen.

II.
Auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente wegen einer BK Nr. 2108 sind nicht erfüllt. Hiernach sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als Berufskrankheit anzusehen.

Die Feststellung der vorgenannten Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsausfüllende Kausalität).

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der streitigen Berufskrankheit erfüllt sind. Der Kläger kann mit seinem Begehren jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil es an der erforderlichen Kausalität zwischen der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit und den Veränderungen an der Wirbelsäule fehlt. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den vorhandenen Gesundheitsschäden muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Nach dem im Unfallversicherungsrecht maßgeblichen Grundsatz von der wesentlichen Bedingung, der im Recht der Berufskrankheiten nach der Rechtsprechung des BSG ebenfalls gilt (vgl. u.a. BSGE 2, 178, 181), ist eine Bedingung als ursächlich oder mit ursächlich anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (u.a. BSG SozR 2200 § 551 Nr. 33). Hiernach ist ein bestimmter Erfolg durch eine Berufstätigkeit auch dann als verursacht anzusehen, wenn eine schon bestehende Krankheit durch die Berufstätigkeit richtunggebend verschlimmert wird und mittelbar die entschädigungspflichtige Folge herbeiführt (BSGE 2, 178, 181; 40, 273, 274 und SozR a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des BSG sowie der darauf gestützten überwiegenden Meinung im Schrifttum reicht für die Bejahung der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl. BSGE 45, 285, 286; 58, 76, 79; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Auflage, S. 480 m). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).

Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule im Sinne der erstmaligen Entstehung oder im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines bestehenden Leidens ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sind, nicht.

Das folgt aus den überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Z vom 1. November 1999 und dem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten des Prof. Dr. W vom 27. Januar 1998. Letzterer hat ausgeführt, es fänden sich keine das Altersausmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Vielmehr liege eine deutlich führende Degeneration der Brustwirbelsäule vor. Radiologisch seien vor allem in der Brustwirbelsäule und, wie die Röntgenaufnahmen vom 23. Mai 1996 - HWS in zwei Ebenen - zeigten, zum Teil auch in der unteren Halswirbelsäule das Altersmaß deutlich überschreitende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule nachzuweisen. Seine Schlussfolgerung, wegen des Fehlens einer führenden Degeneration der Lendenwirbelsäule, insbesondere deren unterer Bereiche, liege die zur Anerkennung der BK Nr. 2108 geforderte haftungsausfüllende Kausalität nicht vor, ist schlüssig und nachvollziehbar. Sie entspricht den Vorgaben in dem Merkblatt zur Nr. 2108 und der herrschenden medizinischen Lehrmeinung (vgl. Pöhl/Eilebrecht/Hax/Römer: „Zusammenhangsbeurteilung bei den bandscheibenbedingten Wirbelsäulenerkrankungen“ in: Die Berufsgenossenschaft 1997, S. 670; Baars/Bolm-Audorf/Hittmann/Stahlkopf: „Gewerbeärztliche Thesen zur Berufskrankheit 2108 unter Berücksichtigung von Exposition, Krankheitsbild, Prävention, Rehabilitation und Kompensation“ in: Verbandsmitteilung Vereinigung Deutscher Staatlicher Gewerbeärzte e.V., Berlin, Arbeitsmedizin-Sozialmedizin-Umweltmedizin 1997 Heft 12 S. 480; Weber/Morgenthaler: „Gibt es das typische berufsbedingte Schadensbild“ in: Kügelgen/Böhm/Schröder (Hrsg), „Lumbale Bandscheibenerkrankung“, W. Zuckschwerdt Verlag Neuroorthopädie 7 S. 277 ff.; jeweils m.w.N.).

Der gerichtliche Sachverständige Dr. Z bestätigt die diagnostischen Feststellungen und Einschätzungen Prof. Dr. W. Nach den dort angefertigten Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule zeigten sich degenerative Veränderungen vorwiegend im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule, in den beiden untersten Segmenten der Lendenwirbelsäule waren sie nur gering ausgeprägt. Auch Dr. Z sieht die dortigen Veränderungen als noch im Bereich der Altersnorm liegend und als keineswegs untypisch für einen 55-jährigen Versicherten an.

Die Erkenntnisse der beiden Gutachten stimmen im Wesentlichen mit den Feststellungen und Bewertungen der den Kläger behandelnden Ärzte überein, auf deren Zeugnis er sich zur Stützung seines Begehrens berufen hat. Insbesondere in den Attesten der Dr. A vom 9. Januar 1995 und des Dr. D vom 9. März 1995 werden die im Nacken- und Schulterbereich bestehenden Veränderungen des Klägers hervorgehoben und dafür verantwortlich gemacht, dass er seinen Beruf als Eisenflechter nicht mehr ausüben könne.

Liegen degenerative Veränderungen in allen Wirbelsäulenabschnitten vor oder sind sogar, wie im vorliegenden Fall, die degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule geringer ausgeprägt als in den anderen Wirbelsäulenabschnitten, spricht dies gegen eine berufliche Verursachung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, so dass die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs nicht bejaht werden kann.

Die Berufung war daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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