L 4 KN 1458/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KN 3218/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KN 1458/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Februar 2007 bezüglich der Kostenentscheidung sowie insoweit aufgehoben, als das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger vom 01. Juni 2003 bis 31. März 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheids vom 19. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2004 verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01. Juni 2003 bis 31. März 2009 zu gewähren.

Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Klage des Klägers abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten im Klageverfahren und die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist im Berufungsverfahren noch, ob dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Juni 2003 bis 31. Mai 2009 zusteht.

Der am 1965 geborene Kläger legte am 23. Mai 1984 das Abitur ab. Nach dem Grundwehrdienst (Juli 1984 bis Juli 1985) war der Kläger vom 01. August 1985 bis 13. März 1986 im Rahmen eines Bergbaupraktikums in der knappschaftlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig tätig. Von September 1986 bis Juni 1988 durchlief der Kläger eine Ausbildung als Bürokaufmann. Von März 1990 bis Mai 1994 studierte er an der Fachhochschule Rheinland-Pfalz im Studiengang Management und Rechnungswesen/Controlling. Insoweit wurde ihm am 11. Mai 1994 der Diplomgrad Diplom-Betriebswirt (FH) verliehen. Der Versicherungsverlauf des Klägers vom 25. Januar 2008 weist in der Zeit vom 15. Juni 1986 bis 31. Dezember 1989 sowie vom 01. April 1995 bis 31. Dezember 1999 (unterbrochen durch Leistungsbezug nach dem Arbeitsförderungsgesetz vom 14. Mai bis 05. Oktober 1996) Pflichtbeitragszeiten zur allgemeinen Rentenversicherung (Rentenversicherung der Angestellten) aus. Seit 01. Januar 2000 war der Kläger nicht versicherungspflichtig als kaufmännischer Geschäftsführer bei der M. GmbH, die Produkt- und Handelsmarketing betrieb (GmbH), tätig. Insoweit hatte die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte festgestellt, dass er auch nicht der Versicherungspflicht als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger nach § 2 Nr. 9 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) unterliege (Bescheid vom 31. Januar 2001). Auch die Techniker Krankenkasse hatte mit Bescheid vom 04. April 2000 ab 01. Januar 2000 wegen hauptberuflicher selbstständiger Tätigkeit Versicherungspflicht in der Krankenversicherung verneint. Ferner war der Kläger selbstständig bei der G. International Ltd. in Hongkong (GSR) tätig. Am 15. September 2000 erlitt der Kläger bei einem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma; dieser Unfall wurde von der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft nicht als versicherter Arbeitsunfall anerkannt, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der GmbH gestanden hatte (Bescheid vom 23. Oktober 2003). Wegen der Folgen dieses Unfalls bestand vom 15. September 2000 bis 30. März 2001 Arbeitsunfähigkeit (Bescheinigung der Techniker Krankenkasse vom 16. Juli 2003). Danach nahm der Kläger die Tätigkeit bei der GmbH (delegierende Managementaufgaben im Umfang von nicht mehr als vier bis fünf Stunden täglich) wieder auf. Aus krankheitsbedingten Gründen wurde dann das Vertragsverhältnis mit der GmbH durch deren Kündigung zum 05. Juli 2002 beendet, wobei der Kläger seit 28. März 2002 Resturlaub in Anspruch genommen hatte (Schreiben der GmbH vom 05. März 2002). Die Vertragsbeziehung zur GSR wurde durch Kündigungsschreiben vom 15. Januar 2001 zum 30. April 2001 beendet. Von der GmbH bezog der Kläger im Jahre 2000 DM 109.191,00, 2001 DM 109.253,00 und 2002 EUR 28.098,00. Die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit für die GSR betrugen 2000 DM 36.812,00 und 2001 minus DM 2.494,00 (vgl. dazu die Einkommensteuerbescheide des Finanzamts W. für die Jahre 2000 bis 2002 (Bl. 184 bis 196 der SG-Akte). Seit September 2000 gewährt ihm die Schweizerische Rentenanstalt (Rentenanstalt) aufgrund einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung Versicherungsleistungen (Bl. 64/65 der LSG-Akte). Seit dem 01. Juli 2002 besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 50.

Am 22. Juni 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Er reichte das für die Rentenanstalt erstattete neurologische Gutachten des Prof. Dr. H., Direktor der Neurologischen Universitätsklinik H. vom 12. März 2002, mit neuropsychologischem Zusatzgutachten vom 07. März 2002 ein. In dem Gutachten vom 12. März 2002 wurde ausgeführt, dass der Kläger nach eigenen Angaben nur fünf bis sechs Stunden arbeite, dabei aber nur 20 v.H. verglichen mit seinen früheren normalen Leistungen leiste; eine Mehrarbeit als diese erscheine nicht angebracht. Der Umfang der Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund der Folgen des Unfalls vom 15. September 2000 wurde auf 50 v.H. eingeschätzt. Die Beklagte erhob das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 12. Dezember 2003. Der Gutachter stellte folgende Diagnosen: Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma mit Contusio cerebri mit Kontusionsblutungen temporo-polar rechts sowie frontal links am 15. September 2000, organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma mit Störungen von Antrieb, Emotionalität und Sozialverhalten, Hyposmie und Dysgeusie (Störungen des Geruchssinns und des Geschmacks). Der Gutachter hielt den Kläger noch für fähig, einer über sechsstündigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Es wäre vorstellbar, dass der Kläger nach einer Wiedereingliederungsphase als einfacher weisungsgebundener Angestellter Bürotätigkeiten ausüben, Hilfstätigkeiten verrichten oder als Produktionsarbeiter eingesetzt werden könne. Die ausgeübte berufliche Tätigkeit als kaufmännischer Geschäftsführer könne er auch unter dreistündig nicht mehr ausüben. Mit Bescheid vom 19. Februar 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab, denn der Kläger sei noch fähig, eine Erwerbstätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts auszuüben. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe deswegen nicht, da der Kläger nach dem 01. Januar 1961 geboren sei und somit nicht zu den anspruchsberechtigten Personen gehöre. Dagegen legte der Kläger am 18. März 2004 Widerspruch mit dem Begehren ein, den Ablehnungsbescheid aufzuheben und "Rentenzahlungen wegen vollständiger Erwerbsminderung zu bewilligen". Er sei teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Er wies auf aufgeführte gesundheitliche Beeinträchtigungen hin. Ärztlicherseits sei dringend davon abgeraten worden, dass er eine berufliche Tätigkeit aufnehme, da dadurch sein Gesundheitszustand, insbesondere auch in psychischer Hinsicht, eine Verschlimmerung erfahren würde. Auch bei Bejahung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens wäre der Arbeitsmarkt für ihn verschlossen, denn er könnte keine Vollzeittätigkeit unter in Betrieben üblichen Bedingungen ausüben. Insoweit würde er zusätzliche Arbeitspausen benötigen, die im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen seien. Die teilweise Erwerbsminderung schlage daher in volle Erwerbsminderung durch. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden ihm etwaige Arbeitsplätze überhaupt nicht zugänglich wären. Insoweit sei es auch erforderlich, ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Die vom Gutachter Dr. S. genannten Bürotätigkeiten, Hilfstätigkeiten und Tätigkeiten als Produktionsarbeiter kämen aufgrund der chronischen Kopfschmerzen, der Lese- und Konzentrationsprobleme sowie des Schwindels nicht in Betracht. Die Beklagte verwies auf das Gutachten des Dr. S. und forderte den Kläger auf, ärztliche Befunde einzureichen, die geeignet seien, die bisherige gutachterliche Feststellung zu entkräften. Dazu legte der Kläger, jeweils für die Rentenanstalt abgegeben, den Bericht des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. vom 17. März 2004 sowie die Stellungnahme (Arztbrief zur Prüfung der Berufsunfähigkeit) der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. v. Ba. vom 13. April 2004 vor. Dazu äußerte sich Dr. Kr. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten vom 22. April 2000 dahin, dass das Gutachten der Dr. S. schlüssig sei und durch die vorgelegten Berichte nicht als unzutreffend angesehen werden könne. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses München III vom 22. Juli 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Da der Kläger noch leistungsfähig im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich sei, liege teilweise Erwerbsminderung nicht vor; die jeweilige Arbeitsmarktlage sei nicht zu berücksichtigen. Ferner wurde ausgeführt: "Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des verschlossenen Arbeitsmarkts bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden und beim Vorliegen besonderer zusätzlicher Leistungsminderungen konnte ebenfalls sozialmedizinisch nicht bestätigt werden".

Der Kläger erbat von der Beklagten auch eine Auskunft über die Berechnung der Monatsrente bei Zugrundelegung eines Leistungsfalls 15. September 2000, die am 26. August 2004 erteilt wurde.

Gegen den nach Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers ihnen am 10. August 2004 zugegangenen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 09. September 2004 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren auf Zahlung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 15. September 2000 (Schriftsatz vom 09. September 2004) bzw. ab 01. Juni 2003 (Antrag in der mündlichen Verhandlung). Er wiederholte sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trug weiter vor, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Rentenanspruchs seien erfüllt, denn der Leistungsfall sei am 15. September 2000 eingetreten und der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. Sc. habe bestätigt, dass bei ihm seit 15. September 2000 teilweise Erwerbsminderung und seit Mitte 2002 volle Erwerbsminderung vorliege. Auf den vorliegenden Sachverhalt sei § 43 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung anwendbar. Es gebe keine Sonderregelungen, die die Weitergeltung des alten Rechts hier vorschreiben würden. Den Rentenantrag habe er erst im Jahre 2003 gestellt. Auch bei Anwendung des alten Rechts stünde ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. zu. Insoweit wäre zu prüfen, ob er mit dem Leistungsvermögen noch in der Lage gewesen wäre, mehr als den festgelegten Bruchteil der monatlichen Bezugsgröße zu verdienen. Das Gesetz stelle ausdrücklich auf die Fähigkeit zu einem derartigen Erwerb ab. Diese sei danach zu beurteilen, ob der Versicherte ohne gesundheitliche Überforderung einen bestimmten Arbeitsplatz ausfüllen könne, an dem mit seinem konkreten Leistungsvermögen Arbeitsentgelt zu erzielen sei. Dies sei nach den ärztlicherseits festgestellten Gesundheitsstörungen jedoch seit 15. September 2000 nicht mehr der Fall gewesen. Dass er gleichwohl bis Juli 2002 Einkünfte wegen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auf Kulanzbasis der GmbH erzielt habe, könne dem Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit aufgrund des eindeutigen Wortlauts sowie von Sinn und Zweck der Vorschrift nicht entgegenstehen. Die Hinzuverdienstgrenze selbst sei auch keine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, bestimme vielmehr nur den Umfang der Rentenzahlungen. Die bis 31. Juli 2002 erzielten Einnahmen hätten lediglich zur Folge, dass der Umfang der zu beanspruchenden Rentenleistung der Höhe nach für diese Zeit zu kürzen wäre. Der Anspruch dem Grunde nach bleibe dagegen unberührt. Eine selbstständige Tätigkeit habe er lediglich bis zum 15. September 2000 ausgeübt. Im Übrigen sei er bis 30. März 2001 vollständig arbeitsunfähig gewesen. Auch nach dem 31. März 2001 hätten noch erhebliche gesundheitliche Einschränkungen bestanden. Ferner wäre er auch berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Insoweit habe er jedenfalls unter der für ihn geltenden gesetzlichen Lohnhälfte gelegen. Auch habe das Gesetz Hinzuverdienste ausdrücklich zugelassen. Der Kläger reichte verschiedene Unterlagen ein, auch zu den nach dem 15. September 2000 erzielten Einkünften.

Die Beklagte trat der Klage zunächst entgegen, ging dann aber aufgrund des Gutachtens des Dr. Sc. davon aus, dass mit einem Leistungsfall vom 22. Juni 2003 volle Erwerbsminderung im medizinisch Sinne vorliege, zu diesem Zeitpunkt aber die Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Der Leistungsfall sei nicht bereits am 15. September 2000 eingetreten. Der Kläger sei noch bis zum 30. Juni 2002 als kaufmännischer Geschäftsführer der GmbH tätig gewesen. Teilweise Erwerbsminderung habe am 15. September 2000 ohnehin nicht vorgelegen, da § 43 SGB VI diesbezüglich erst zum 01. Januar 2001 geändert worden sei. Nach dem bis dahin geltenden Recht habe Erwerbsunfähigkeit dann nicht vorgelegen, wenn man in der Lage gewesen sei, mehr als nur geringfügige Einkünfte (DM 630,00 monatlich) zu erzielen. Die Einkünfte aus der Tätigkeit für die GmbH hätten 2000 und 2001 eindeutig über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Bei der Prüfung, ob Berufsunfähigkeit vorliege, komme es darauf an, ob der Kläger in seinem bisherigen Beruf oder einer zumutbaren Verweisungstätigkeit mindestens die gesetzliche Lohnhälfte habe erzielen können. Berufsunfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht liege nicht vor. Nach Änderung des § 43 SGB VI zum 01. Januar 2001 ergebe sich kein Grund, den vorliegenden Sachverhalt neu zu bewerten, da die selbstständige Tätigkeit bis Juli 2002 ausgeübt worden sei. Volle sowie teilweise Erwerbsminderung hätten bei ausgeübter selbstständiger Tätigkeit nicht vorgelegen. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI komme nicht in Betracht, da der Kläger erst nach dem 01. Januar 1961 geboren sei. Erst nach Aufgabe der rentenrechtlich als selbstständige Tätigkeit zu bewertenden Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH zum 05. Juli 2002 sei der Sachverhalt erneut zu prüfen. Dabei sei festzustellen, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung mit der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit im Juli 2002 eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die erforderliche Wartezeit nicht mehr erfüllt. Von einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf Kulanzbasis über fast zwei Jahre könne bei einem Geschäftsführer eines Betriebs nicht ausgegangen werden. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger im September 2000 lediglich arbeitsunfähig, nicht jedoch erwerbsgemindert gewesen sei. Der Zustand der Erwerbsminderung habe sich erst Mitte 2002 eingestellt. Die zeitnahe sozialmedizinische Leistungsbeurteilung durch Dr. S. vom 03. Dezember 2002 habe ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestätigt. Im Übrigen ergebe sich eine Behandlung durch Dr. M. erst seit 11. Dezember 2003. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die berufliche Qualifikation bei der Bewertung des Rentenanspruchs nach neuem Recht keine Rolle mehr spiele.

Das SG holte schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen der Dr. v. Ba. vom 17. Januar 2005, die über Behandlungen des Klägers seit 09. Januar 2003 berichtete und weitere Arztbriefe einreichte (Bl. 52 bis 62 der SG-Akte), und des Dr. M. vom 31. Januar 2005, der über Behandlungen seit 11. Dezember 2003 berichtete (Bl. 63 bis 67 der SG-Akte), ein. Ferner erhob das SG das aufgrund von Untersuchungen am 18. und 20. Mai sowie am 02. Juni 2006 erstattete Gutachten des Dr. Sc., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Neurologie und Psychiatrie, vom 11. November 2005 (Bl. 83 bis 139 der SG-Akte), dem (vom Kläger erstellt) eine Übersicht der Lebensdaten (19. Mai 2005), Fotos, verschiedene vom Kläger ausgefüllte Fragebogen/Auswertungsbogen und eine Leitlinie "Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirn-Trauma" beigefügt waren. Der Sachverständige stellte beim Kläger ein organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma fest, das jetzt unter Berücksichtigung der deutlichen Chronifizierung auch als organische Persönlichkeitsstörung bezeichnet werden könne. Im Hinblick auf die psychosozialen Beeinträchtigungen sei der Kläger seit "etwa fünf Jahren", seit 22. Juni 2003, "sehr wahrscheinlich aber schon vorher", nicht mehr in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit, d.h. mindestens drei Stunden und mehr täglich nachzugehen. In der weiter abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 05. März 2006 (Bl. 173 bis 177 der SG-Akte) legte der Sachverständige dar, er gehe mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Kenntnis der Akten davon aus, dass der Kläger seit dem Unfall vom 15. September 2000 nicht mehr in der Lage gewesen sei, mindestens täglich sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts einer Tätigkeit nachzugehen. Seine berufliche Tätigkeit nach dem Unfall im Jahre 2001 sei von erheblichen Leistungsbeeinträchtigungen gekennzeichnet. Er habe unbedingt seine alte Leistungsfähigkeit wieder erreichen und im bisherigen Beruf als Geschäftsführer arbeiten wollen. Erst relativ spät habe er eingesehen bzw. sich überzeugen lassen, dass er seinen Aufgaben nicht mehr gewachsen gewesen sei. Sehr wahrscheinlich sei deswegen die Rentenantragstellung erst im Juni 2003 erfolgt. Volle Erwerbsunfähigkeit habe sehr wahrscheinlich seit Mitte 2002 vorgelegen.

Mit Urteil vom 21. Februar 2007 hob das SG den Bescheid vom 19. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2004 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Juni 2003 bis 31. März 2009 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es führte aus, der Kläger sei seit September 2000 (Leistungsfall) teilweise erwerbsgemindert. Die teilweise Erwerbsminderung beurteile sich im Hinblick auf die Rentenantragstellung vom Juni 2003 nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht. Schon seit dem 15. September 2000 sei das Leistungsvermögen des Klägers durchgehend bis heute auf drei bis unter sechs Stunden täglich gesunken. Der Kläger erfülle auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI n.F. Insbesondere sei auch die Drei-Fünftel-Belegung - bezogen auf das Vorliegen teilweiser Erwerbsminderung - zu bejahen. Die Auslegung des Begriffs der Erwerbsminderung müsse nach dem heute, d.h. seit 01. Januar 2001 geltenden Recht erfolgen. Es sei zum einen davon auszugehen, dass der Begriff der teilweisen Erwerbsminderung in Nr. 1 nicht anders zu verstehen sei als der Begriff der Erwerbsminderung in Nr. 2. Auch für die Auslegung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gelte die Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI, wonach grundsätzlich auf alte Sachverhalte neues Recht anzuwenden sei, soweit nicht eine Übergangsregelung bestehe. Eine solche Übergangsregelung, die für die Frage, ob die Drei-Fünftel-Belegung vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Interpretation des Erwerbsminderungsbegriffs noch nach altem Recht vorgebe, soweit deren Eintritt vor dem 01. Januar 2001 erfolgt sei, finde sich aber im SGB VI nicht. Auch vor diesem Hintergrund sei demnach im Hinblick auf eine Antragstellung des Klägers erst im Jahre 2003 vom Begriff der teilweisen Erwerbsminderung nach heute gültigem Recht auszugehen. Eine andere Auslegung könne auch nicht allein deshalb erfolgen, weil der Kläger in diesem Zusammenhang von der Neuregelung des Erwerbsminderungsrechts seit 01. Januar 2001 im Hinblick darauf habe profitieren können, dass seine gesundheitliche Situation möglicherweise aufgrund zu hoher Verdienste nach § 43 SGB VI a.F. noch nicht die Voraussetzungen einer teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung erreicht hätte. Der Gesetzgeber habe konkrete Übergangsregelungen zur fortgesetzten Anwendung alten Rechts formuliert, die vorliegend nicht griffen. Die Schaffung eines weiteren Ausnahmetatbestands im Wege der Richterrechtsfortbildung komme vor diesem Hintergrund nicht in Betracht. Demgegenüber lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht vor, weil insoweit der Kläger die Drei-Fünftel-Belegung und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Volle Erwerbsminderung habe nach der Einschätzung des Dr. Sc. erst Mitte 2002 vorgelegen. Nur wegen einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts schlage die Rente in eine solche wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit um. Eine Rente auf unbefristete Zeit sei nicht zu gewähren, da eine Verbesserung insbesondere der kognitiven Defizite bei konsequenter neurophysiologischer Therapie nicht von vornherein ausgeschlossen sei.

Gegen das der Beklagten am 12. März 2007 zugestellte Urteil hat diese beim SG am 16. März 2007 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, das SG habe zu Unrecht über Rente wegen voller Erwerbsminderung entschieden, denn eine (ablehnende) Verwaltungsentscheidung zum Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung habe bisher nicht vorgelegen. Der Kläger habe lediglich Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung im Verwaltungsverfahren beantragt gehabt. Der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2004 sei kein erweiterter Rentenantrag. Es sei vielmehr ausschließlich ein Rechtsbehelf eingelegt worden, welcher das Ziel gehabt habe, die ergangene Ablehnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu beseitigen. Das SG sei nicht befugt gewesen, die fehlende Antragstellung zu ersetzen und anstelle der Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Insoweit verweise sie auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. März 2006 (B 4 RA 24/05 B). Zu Unrecht habe das SG einen rentenrechtlich relevanten Leistungsfall im September 2000 unter Anwendung des erst seit 01. Januar 2001 geltenden Rechts angenommen. Der Leistungsfall beurteile sich nicht nur nach dem Restleistungsvermögen. Er liege vielmehr erst dann vor, wenn weitere gegebenenfalls die Rente hindernden Gründe ebenfalls zeitgleich nicht vorliegen würden. Zu nennen wäre hier etwa eine mangelnde Vorversicherungszeit, eine nicht erfüllte Wartezeit, eine fortbestehende Beschäftigung mit mehr als geringfügigen Einkünften oder bis 31. Dezember 2000 auch eine selbstständige Tätigkeit. Erst wenn alle die Rente gegebenenfalls ausschließenden Gründe zeitgleich wenigstens an einem Tag nicht vorliegen würden, werde ein Leistungsfall in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Der Rentenantrag sei in diesem Zusammenhang lediglich für den Beginn einer Rente maßgeblich. Am 15. September 2000 habe ein Tatbestand in diesem Sinne, d.h. ein Leistungsfall, nicht vorgelegen. Der Kläger sei zwar leistungsgemindert gewesen, habe jedoch mit dieser Minderung weiterhin Einkünfte von weit mehr als DM 100.000,00 jährlich erzielen können. Bei der in der Rentenversicherung vorherrschenden konkreten Betrachtungsweise habe insoweit kein Leistungsfall einer Rentengewährung (weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit) vorgelegen, da der soziale Absicherungszweck, nämlich der gesundheitlich bedingte Wegfall von Erwerbseinkommen, nicht vorgelegen habe. Ebenso wenig sei mit diesen Entgelten die so genannte Lohnhälfte für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit unterschritten gewesen. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit habe somit nicht zu einem echten Leistungs- bzw. Versicherungsfall in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt. Bis zur Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit am 05. Juli 2002 habe kein maßgeblicher Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit vorgelegen, da die Höhe des erzielten Einkommens bereits einen Rentenanspruch dem Grunde nach verhindert habe. Im Jahre 2002 sei dann unstreitig das ab 01. Januar 2001 geltende Recht anzuwenden gewesen. Der Kläger wäre dann zwar wenigstens teilweise erwerbsgemindert gewesen. Auch insoweit liege jedoch kein rentenrelevanter Leistungsfall vor, da die erforderliche Vorversicherungszeit im Juli 2002 bereits nicht mehr gegeben gewesen sei. Auch das Recht ab 01. Januar 2001 billige keinen Rentenanspruch jenseits einer konkreten Betrachtungsweise zu. Solange ein Versicherter weiterhin in der Lage sei, Einkommen zu erzielen, welches im Vergleich mit dem eines vollzeitbeschäftigten Pflichtversicherten keinerlei Einschränkungen bedinge, könne ein rentenrelevanter Leistungsfall nicht eintreten. Die Vorversicherungszeit sei dagegen nicht nur von einem Element eines Leistungsfalls aus zu beurteilen, sondern es sei einheitlich ein Zeitpunkt zu bilden, an welchem alle Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen müssten. Die Beklagte hat den Versicherungsverlauf vom 25. Januar 2008 vorgelegt (Bl. 51/52 der LSG-Akte).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Februar 2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe zutreffend auch über einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung entschieden. Jedenfalls mit dem Widerspruch habe er auch Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend gemacht. Im Widerspruchsbescheid sei auch über diesen Anspruch mitentschieden worden, da dort ausgeführt worden sei, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des verschlossenen Arbeitsmarkts bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden und beim Vorliegen besonderer zusätzlicher Leistungsminderungen sozialmedizinisch nicht habe bestätigt werden können. Dass die Widerspruchsbehörde insoweit möglicherweise sachlich-funktionell unzuständig gewesen sei, ändere nichts daran, dass faktisch auch insoweit eine ablehnende Verwaltungsentscheidung vorliege. Andererseits wäre auch zu berücksichtigen, dass bisher über den Antrag ohne zureichenden Grund in angemessener Zeit nicht entschieden worden wäre. Im Hinblick auf den Widerspruchsbescheid wäre im Übrigen auch vernünftigerweise keine andere Entscheidung der Ausgangsbehörde zu erwarten. Aufgrund des Widerspruchsbescheids sei zu erkennen, dass ein erneuter Antrag und ein Widerspruch keinen Erfolg haben würde. Dies werde auch durch das bisherige Vorbringen der Beklagten im Klageverfahren bestätigt. Nur vorsorglich habe er den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, der bereits im Schreiben vom 18. März 2004 enthalten gewesen sei, mit Schreiben vom 18. Februar 2008 wiederholt. Hinsichtlich eines solchen weiteren Bescheids wäre dann auch § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) anzuwenden. Auch sonst habe das SG zutreffend entschieden. Es sei das ab 01. Januar 2001 geltende Recht maßgebend. Am 15. September 2000 habe jedenfalls teilweise Erwerbsminderung bestanden. Er sei bis zum 30. März 2001 arbeitsunfähig krank gewesen. Aus Kulanz habe die GmbH ihm vollen Lohnausgleich gewährt. Auch bis Februar/März 2002 sei er weiterhin nicht regelmäßig, sondern nur eingeschränkt einsetzbar gewesen, weshalb ihm dann gekündigt worden sei. Die Zahlungen bis 07. Juli 2005 seien lediglich solche im Krankheitsfall bzw. Kulanzzahlungen gewesen. Tätigkeiten für die GSR habe er aufgrund des Unfalls nicht mehr ausgeübt. Formal sei das Vertragsverhältnis zum 30. April 2001 beendet worden. Am 15. September 2000 habe er auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch wegen Erwerbsminderung erfüllt. Es komme nicht darauf an, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch noch im Jahre 2002 erfüllt gewesen wären. Das SG habe zutreffend die Voraussetzungen der so genannten Arbeitsmarktrente als Rente wegen voller Erwerbsminderung bejaht. Seit 22. Juni 2003 sei er auch voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Für die Drei-Fünftel-Belegung komme es insoweit lediglich darauf an, dass vor Eintritt der Erwerbsminderung die entsprechenden Pflichtbeiträge vorlägen. Da das Gesetz insoweit nicht auf eine volle Erwerbsminderung abstelle, sondern lediglich auf eine Erwerbsminderung an sich, sei insoweit auch nur das Vorliegen einer Erwerbsminderung überhaupt entscheidend, die seit 15. September 2000 durchgehend vorgelegen habe. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach altem, bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht vor.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zur Zahlung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Juni 2003 bis 31. März 2009 verurteilt (1.). Die Berufung der Beklagten hat jedoch keinen Erfolg, soweit sich die Berufung der Beklagten auch dagegen wenden will, dass dem Kläger in der Zeit vom 01. Juni 2003 bis 31. März 2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht (2.).

Da lediglich die Beklagte Berufung gegen das sozialgerichtliche Urteil eingelegt hat, war nicht zu prüfen, ob dem Kläger Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung auch über den 31. März 2009 hinaus zusteht.

1. Zu Unrecht hat das SG zur Zahlung von Rente wegen voller Erwerbsminderung verurteilt. Insoweit fehlte es an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung, mit der die Beklagte diesen Antrag abgelehnt hat. Der Antrag des Klägers vom 22. Juni 2003 bezog sich ausdrücklich nur auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und bei der wegen voller Erwerbsminderung um unterschiedliche Rentenarten handelt (vgl. § 33 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB VI). Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 19. Februar 2004 hat die Beklagte unter dem Betreff "Antrag auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 1 SGB VI" dann ausdrücklich auch nur die beantragte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung abgelehnt, da der Kläger "nicht teilweise erwerbsgemindert ist". Zwar hat der Kläger dann mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs seiner Verfahrensbevollmächtigten am 18. März 2004 unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Februar 2004 beantragen lassen, "Rentenzahlungen wegen vollständiger Erwerbsminderung zu bewilligen", mit der Begründung, es liege teilweise Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI vor, die wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in volle Erwerbsminderung umschlage. Über diesen mit dem Rechtsbehelf gestellten Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde jedoch im Widerspruchsbescheid nicht entschieden. Der Tenor des Widerspruchsbescheids lautet auf seine Zurückweisung, weil teilweise Erwerbsminderung nicht vorliege. Soweit nach dieser Entscheidung der Zurückweisung des Widerspruchs wegen teilweiser Erwerbsminderung im Widerspruchsbescheid auch noch darauf hingewiesen wurde, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des verschlossenen Arbeitsmarkts bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden und beim Vorliegen besonderer zusätzlicher Leistungsminderungen ebenfalls sozialmedizinisch nicht habe bestätigt werden können, erachtet der Senat diesen Hinweis nicht als Verfügungssatz hinsichtlich der Ablehnung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Abgesehen davon wäre der Widerspruchsausschuss funktional und sachlich nicht zuständig gewesen, anstelle der Beklagten als Ausgangsbehörde über das erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachte weitergehende Begehren auf selbstständige Rente wegen voller Erwerbsminderung zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2004 - B 4 RA 48/01 R -). Diese fehlende Entscheidung der Beklagten über einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung kann auch nicht deswegen als entbehrlich angesehen werden, weil sich aus dem Vorbringen der Beklagten im Klageverfahren die Ablehnung eines solchen Anspruchs ergibt. Auch auf § 88 SGG kann sich der Kläger nicht berufen, weil er eine Untätigkeitsklage bisher nicht erhoben hat. Somit hätte auch das SG nicht anstelle der Beklagten über einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts entscheiden dürfen.

Ob insoweit wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts überhaupt volle Erwerbsminderung vorlag oder ob der Kläger bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der GmbH am 05. Juli 2002 eine zumutbare selbstständige Teilzeiterwerbstätigkeit ausgeübt hat, weshalb bis dahin eine Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts überhaupt nicht in Betracht gekommen wäre und damit volle Erwerbsminderung nicht hätte bejaht werden können, war hier daher nicht zu prüfen.

2. Jedoch steht dem Kläger, wie von ihm hilfsweise in der mündlichen Verhandlung beim SG beantragt, vom 01. Juni 2003 bis 31. März 2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist, wie das SG zutreffend entschieden hat, § 43 Abs. 1 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung. § 43 Abs. 1 SGB VI findet hier gemäß der am 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Bestimmung des § 300 Abs. 1 SGB VI Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob der "Sachverhalt", auf den sich der Anspruch gründet, d.h. zunächst der Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit, bereits vor dem 01. Januar 2001 vorgelegen hat. Die bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI a.F. waren hier nicht maßgebend, denn der Kläger hat den Rentenantrag erst im Juni 2003, also nicht etwa innerhalb der Frist von drei Monaten nach § 300 Abs. 2 SGB VI bis zum 31. März 2001 gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2007 - B 12 R 18/07 R -). Danach beurteilt sich auch der "Sachverhalt" der teilweisen Erwerbsminderung als Leistungsfall nach § 43 Abs. 1 SGB VI, unabhängig vom nach § 99 SGB VI zu beurteilenden Leistungsbeginn. Entgegen der Ansicht der Beklagten war für den Leistungsfall der (teilweisen) Erwerbsminderung nicht auf die bis zum 31. Dezember 2000 bzw. 31. März 2001 geltenden §§ 43, 44 SGB VI a.F. zurückzugreifen, weshalb der Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI überhaupt erst ab dem 01. Januar bzw. 01. April 2001 hätte eintreten können. Der Gesetzgeber hat vielmehr in Kauf genommen, dass bei erstmaliger Rentenantragstellung nach dem 01. April 2001 der Leistungsfall stets nach neuem Recht zu beurteilen ist, unabhängig davon, ob Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit vor dem 01. Januar 2001 vorgelegen hatten oder ausgeschlossen waren.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze - insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 2 Nr. 12 des RV-Altersgrenzen-Anpassungsgesetzes vom 20. September 2007, BGBl. I, S. 554 - Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert ist. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich, bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche, ermöglicht, liegt keine teilweise Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert. § 43 Abs. 4 SGB VI regelt dann Aufschubtatbestände im Hinblick auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Die entsprechende Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist nach Abs. 5 der Vorschrift nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Dies bezieht sich beispielsweise nach § 53 Satz 1 SGB VI auf den Fall, dass der Versicherte wegen eines Arbeitsunfalls vermindert erwerbsfähig geworden ist. Der Kläger ist hier jedoch nicht am 15. September 2000 bei einem versicherten Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) verletzt worden (bestandskräftiger Bescheid der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 23. Oktober 2003).

Der Senat geht auch davon aus, wie das SG zutreffend entschieden hat, dass beim Kläger der Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit bereits mit dem Unfall vom 15. September 2000 eingetreten war. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffende Begründung des angegriffenen Urteils. Soweit sich die Beklagte auf das Gutachten des Dr. S. vom 12. Dezember 2003, erstattet aufgrund einer am 03. Dezember 2003 durchgeführten Untersuchung, bezieht, überzeugt den Senat dessen Annahme einer mindestens sechsstündigen Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den der Kläger durchaus verweisbar wäre, nicht, denn der Sachverständige hielt eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in diesem zeitlichen Umfang erst nach einer Wiedereingliederungsphase, die ersichtlich zuvor bei der GmbH gescheitert war, für "vorstellbar". Auch geht die Beklagte unzutreffenderweise davon aus, dass beim Kläger die Unfallfolgen dann erst ab 11. Dezember 2003 ärztlich behandelt worden sind. Zwar berichtet Dr. M. über Behandlungen erst seit 11. Dezember 2003. Aus den vom Kläger vorgelegten "Angaben über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen" (Bl. 44 der SG-Akte) ergeben sich jedoch kontinuierliche Behandlungen wegen der Unfallfolgen durch andere Ärzte auch schon vor dem 11. Dezember 2003 bzw. vor dem 09. Januar 2003. Solche Behandlungen sind auch in dem neurologischen Gutachten des Prof. Dr. H. erwähnt.

Der Bejahung teilweiser Erwerbsminderung steht nicht entgegen, dass dem Kläger lediglich bis zum 30. März 2001 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war und er dann ab 31. März 2001 im Rahmen der Vereinbarung mit der GmbH vier bis fünf Stunden täglich Büroarbeiten verrichtet hat. Dem Eintritt des Leistungsfalls der verminderten Erwerbsfähigkeit ab 15. September 2000 steht auch nicht entgegen, dass der Kläger noch bis zum 28. März 2002 die selbstständige Tätigkeit für die GmbH eingeschränkt und teilzeitig ausgeübt und bis zum 05. Juli 2002 Entgelt dafür bezogen hat. Denn nach § 43 Abs. 1 SGB VI n.F. schließt die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit teilweise Erwerbsminderung nicht aus. Zwar bestimmt § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI, dass eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet wird, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird, wobei sich die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus § 96a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI ergibt, Sofern eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung insoweit nicht geleistet wird, bedeutet dies jedoch nicht, dass der Leistungsfall der verminderten Erwerbstätigkeit nicht eintreten konnte. Es handelt sich bei der Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen nicht um eine negative Anspruchsvoraussetzung für den Leistungsfall.

Auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI liegen bei Eintritt des Leistungsfalls am 15. September 2000 ersichtlich vor (Versicherungsverlauf vom 25. Januar 2008, Bl. 51 der LSG-Akte). Dies wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Darauf, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei der Beendigung der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Klägers für die GmbH am 05. Juli 2002 bzw. bei der Antragstellung im Juni 2003 nicht mehr vorgelegen haben, kann sich die Beklagte nicht berufen. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI kommt es auf die Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung an, womit ersichtlich auf die in Nr. 1 erwähnte (teilweise Erwerbsminderung" (ebenso wie in § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI für den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung) Bezug genommen wird. Beim Kläger ist auch die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung am 15. September 2000 nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung war hier, wie auch vom SG für die Rente wegen voller Erwerbsminderung entschieden, vom 01. Juni 2003 bis 31. März 2009 zu befristen (vgl. §§ 98, 102 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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