Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 VG 3452/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2240/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts F. vom 15. April 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) aufgrund sexuellen Missbrauchs in der Kindheit hat.
Die 1962 geborene Klägerin, bei der nach dem Schwerbehindertenrecht durch Bescheid des Versorgungsamts F. vom 10. Juni 2002 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt worden ist, bezieht seit September 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (ausgehend von einem Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden). Sie durchlief von 1979 bis 1982 eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin. Bis 1990 war sie in verschiedenen Zahnarztpraxen in diesem Beruf tätig. In den Jahren 1991 bis 1995 half sie auf Geringfügigkeitsbasis als Verkäuferin in einem Bastelgeschäft aus und betätigte sich daneben selbstständig im Bereich des Kunsthandwerks. Vom 25. Januar 1993 bis 16. September 1995 war sie daneben als Bürokraft bei einer Kurverwaltung tätig. Nach dem Erziehungsurlaub aufgrund der Geburt ihrer Zwillinge 1996 nahm sie am 22. August 2000 eine Tätigkeit als Verkäuferin in einem Zoofachmarkt auf. Ab Juli 2001 arbeitete sie mit einer Unterbrechung durch Arbeitslosigkeit bis August 2002 wieder als Zahnarzthelferin. Danach trat wieder Arbeitslosigkeit ein.
Im Mai 1984 war die Klägerin aus der elterlichen Wohnung, in der sie mit ihrem Zwillingsbruder in Köln aufgewachsen war, ausgezogen. Im Jahr 1987 heiratete sie S. G. und zog von Köln in eine Gemeinde in der Rhön. Zusammen zogen sie im Jahr 1989 nach Grafenhausen. Die Ehe wurde im Februar 2001 geschieden. Die Klägerin lebt seither in F ... Das Sorgerecht für die Söhne, die bei den Schwiegereltern aufwachsen, wurde dem Ehemann übertragen.
Am 30. August 1999 stellte die Klägerin wegen einer Borderline-Störung einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie gab an, in den Jahren 1972 bis 1979 von ihrem Stief-Großvater (nachfolgend: Großvater) sexuell missbraucht worden zu sein. In den Jahren 1976 bis 1985 sei es zum sexuellen Missbrauch und zu körperlichen Misshandlungen durch ihren Vater gekommen. Sie gab an, deswegen seit 1991 in ärztlicher Behandlung zu stehen. Ferner verwies die Klägerin auf ihre Strafanzeige gegen ihren Vater vom 19. Juli 1999. Darin hatte sie erhebliche sexuelle Missbrauchshandlungen einschließlich Oralverkehr sowie versuchtem Vaginal- und Analverkehr beschrieben. Darüber hinaus hatte sie von einer Verbrühung mit heißem Wasser durch ihre Mutter, einer massiven Prügelszene ihres Vaters sowie einem erzwungenen Geschlechtsverkehr durch einen Freund im Jahr 1984 berichtet. Sie sei im Jahr 1989 von ihrem Gynäkologen, der sie wegen einem unerfüllten Kinderwunsch behandelte, auf sexuellen Missbrauch und körperliche Gewalt angesprochen worden, nachdem sie während einer Behandlung eine Panikattacke erlitten habe. Daraufhin habe sie eine analytische Therapie begonnen, welche 1997 geendet habe. Die Klägerin fügte ihrem Antrag den Kurzarztbrief der Psychiatrischen Universitätsklinik F. über einen stationären Aufenthalt vom 24. September bis 14. Oktober 1999 wegen Zuspitzung der familiären Konfliktsituation mit vermehrter emotionaler Instabilität und vermehrten Selbstverletzungen bei. Darin wurde weiter ausgeführt, die Klägerin habe Ende September 1999 die Scheidung eingereicht und etwa gleichzeitig eine Anzeige gegen ihren Vater wegen sexuellen Missbrauchs erhoben. Es wurde eine Borderlinepersönlichkeitsstörung mit deutlich progressiver Entwicklung beschrieben. Der Beklagte zog Unterlagen aus dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren (Staatsanwaltschaft Köln 173 Js 1113/99, Staatsanwaltschaft Bonn 20 Js 91/00) bei. Am 29. Dezember 1999 hatte die Klägerin bei der Polizeidirektion Waldshut-Tiengen ergänzende Angaben gemacht. Die seit Januar 1998 behandelnde Psychotherapeutin der Klägerin Dr. H. war am 4. April 2000 als Zeugin vernommen worden. Der Vater der Klägerin hatte im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vom 29. Mai 2000 genauso wie die Mutter in der Zeugenvernehmung vom 13. September 2000 die Angaben der Klägerin bestritten. Seine Tochter sei nicht sehr stabil gewesen. Sie habe sich gegenüber ihrem Bruder benachteiligt gefühlt. Während der ganzen Schulzeit habe es Probleme gegeben, die dann in psychosomatischen Problemen geendet hätten. Er habe sie streng erzogen, das stimme schon. Die Eltern der Klägerin reichten Briefe der Klägerin aus den Jahren 1987 bis 1998 ein. Mit Beschluss vom 5. Januar 2001 stellte die Staatsanwaltschaft Bonn das Ermittlungsverfahren ein. Die vom Vater und der Mutter bestrittenen Angaben der Klägerin seien mit objektiven Mitteln nicht beweisbar.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2001 lehnte das Versorgungsamt Münster den Antrag der Klägerin auf Beschädigtenversorgung ab. Ein tätlicher Angriff sei nicht nachgewiesen und auch nicht glaubhaft gemacht.
Am 3. Dezember 2001 stellte die Klägerin einen Antrag auf Neuüberprüfung dieser Entscheidung. Der Beklagte werde sich ein eigenes Bild von ihrer Glaubwürdigkeit machen müssen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 2002 ab. Die Angaben des Antragsstellers, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen bezögen, seien der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu verschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers verloren gegangen seien, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erschienen. Im vorliegenden Fall hätten jedoch Staatsanwaltschaftsakten vorgelegen, aus welchen hervorgegangen sei, dass der Beschuldigte die Taten bestritten und die Ehefrau die Aussage des Beschuldigten bestätigt habe. Eine Beweiserleichterung aus § 15 Abs. 1 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) komme nicht in Betracht.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie unter anderem schriftliche Aussagen von Frau G. L. vom 14. Januar 2002 und Frau C. K. (geschiedene Ehefrau des Bruders der Klägerin) vom 17. Januar 2002 betreffend Gewalttätigkeiten des Vaters der Klägerin, ferner die schriftliche Stellungnahme von S. G. vom 23. Januar 2002, der seinem Ex-Schwiegervater exzessive Gewalt und Missbrauch zutraute, vorlegte. Der Beklagte zog mehrere ärztliche Berichte bei. In dem Arztbrief der Klinik O. vom 16. August 1991 über die stationäre Behandlung vom 22. Januar bis 4. Juni 1991 wurde diagnostisch eine schwere Identitätskrise, einhergehend mit depressiven Einbrüchen im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeit vor dem Hintergrund eines schweren Inzesttraumas beschrieben. Bei der Aufnahme habe die Klägerin angegeben, sexuelle Übergriffe von Seiten des Großvaters seien im elften und zwölften Lebensjahr erfolgt, durch den Vater im Alter von fünfzehn Jahren über einen Zeitraum von ca. einem dreiviertel Jahr. Schon als Kleinkind sei sie viel geschlagen worden. Im Jahr 1986 habe Sie einen ernsthaften Suizidversuch unternommen, nachdem im Jahr zuvor eine Beckenvenenthrombose im linken Bein aufgetreten sei, die mit Marcumar behandelt worden sei. Zwischen dem 22. und 24. Lebensjahr habe sie verstärkt getrunken. Zwischenzeitlich habe sie dieses Problem weitgehend unter Kontrolle. Für den Verlauf der Behandlung wurde ausgeführt, mit Unterstützung des Therapeuten habe es die Klägerin geschafft, an ihren Vater einen "knallharten" Brief zu schreiben. Im Antwortschreiben sei ihr Vater mit keiner Silbe auf den Inhalt des Briefes eingegangen. Im Arztbrief der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik F. vom 14. Oktober 1999 betreffend die stationäre Behandlung vom 24. September bis 14. Oktober 1999 wurden die Diagnosen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderlein-Typus und eines Faktor V-Mangel APC-Resistenz gestellt. Der Entlassbericht der psychosomatischen Fachklinik B. D. vom 25. Februar 2000 betraf die stationäre Behandlung der Klägerin vom 14. Oktober 1999 bis 2. Februar 2000. Darin wurden als Diagnosen eine schwere depressive Episode, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und eine Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung genannt. Die Klägerin habe angegeben, von 1984 bis 1986 immer viel Alkohol konsumiert zu haben, heute nur noch ganz selten Alkohol zu trinken, jedoch 30 bis 40 Zigaretten täglich zu rauchen. Von 1979 bis 1982 habe sie einen Medikamentenmissbrauch betrieben. Im Arztbrief des Zentrums für Psychiatrie E. vom 4. Februar 2002 betreffend die stationäre Behandlung vom 23. bis 28. Januar 2002 wurde als Diagnose eine depressive Krise mit Suizidalität im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung genannt.
Auf Anforderung des Beklagten machte die Klägerin am 14. Juli 2002 nähere Angaben zum Missbrauch durch den Großvater. Mit Schreiben vom 23. September 2002 nahm die Dipl.-Psychologin Dr. P.-H. ihre dem Beklagten gegebene Zusage, ein aussagepsychologisches Gutachten über die Klägerin zu erstellen, zurück. Sie habe die Akte gründlich durchgelesen. Die nach strafrechtlichen Maßstäben durchzuführende Exploration wäre äußerst umfangreich und für die Klägerin psychisch belastend. Hauptschwierigkeit sei, dass es sich um eine offenbar schwer traumatisierte Persönlichkeit mit der Diagnose einer ausgeprägten Borderline-Persönlichkeitsstörung handle. Damit gelange sie an die Grenzen ihrer Beurteilungsmöglichkeiten. Zusätzlich erschwerend sei, dass die gesamten Erlebnisse sehr weit zurücklägen, zwischenzeitlich viel Therapiearbeit stattgefunden und sich die Klägerin intensiv mit der Missbrauchsthematik vertraut gemacht habe. In vergleichbaren Fällen, in denen sie im Strafrecht damit zu tun gehabt habe, habe dies dazu geführt, dass eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung nicht möglich gewesen sei. In der Annahme, die Glaubhaftigkeitsfrage werde in einem OEG-Verfahren nicht so eng wie im Strafrecht gesehen, schlug sie vor, ein Gutachten durch einen traumatologisch erfahrenen Gutachter über die Frage der Glaubwürdigkeit der Person und weniger über die Glaubhaftigkeit sämtlicher Einzelbekundungen erstellen zu lassen.
Auf die schriftliche Befragung teilte der Bruder der Klägerin am 14. Januar und 27. Februar 2003 unter anderem mit, das Verhältnis seitens der Eltern zu den Kindern könne als liebevoll und verständnisvoll bezeichnet werden. Seine Schwester habe Probleme in der Schule und im Berufsleben gehabt.
Im Rahmen einer mündlichen Anhörung führte die Klägerin am 14. März 2003 aus, im Jahr 1989 sei sie erstmals auf mögliche sexuelle Gewalterfahrungen von einem Gynäkologen, der sie wegen Fertilitätsstörungen behandelt habe, angesprochen worden. An diesem Tag habe sie im Behandlungszimmer auf den Arzt gewartet, dieser sei von hinten an sie herangetreten, worauf sie blitzartig in eine Zimmerecke geflüchtet sei, sich dort hingekauert habe und spontan von sich gegeben habe: "Papa tu mir nichts!" Daraufhin habe sie der Gynäkologe in ambulante therapeutische Behandlung geschickt. Damals habe sie erstmals den Missbrauch verbalisieren können. Bei der Anhörung übergab sie ein schriftliches Telefonprotokoll über ein Telefonat, dass ihr damaliger Ehegatte mit ihrem Vater am 10. Februar 1991 geführt habe. Dabei ging es u.a. um den Brief, den die Klägerin in der Klinik O. an den Vater geschrieben hatte.
Mit Schreiben vom 6. März 2003 äußerte sich der neue Lebensgefährte der Klägerin Herr F ...
Mit Bescheid vom 13. Juni 2003 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Versorgung nach dem OEG bezogen auf die behaupteten Tätlichkeiten ihres Großvaters wegen objektiver Beweislosigkeit ab. Die Angaben der Klägerin zum Zeitraum des sexuellen Missbrauchs im Rahmen der Behandlung in der Klinik O. im Jahr 1991 und im OEG-Antrag im Jahr 1999 seien widersprüchlich. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe die schädigenden Handlungen detailreich beschrieben. Von den zeitlichen Angaben, die sie in der Klinik O. gemacht habe, habe sie sich distanziert. Damals sei die zeitliche Einordnung völlig nachrangig gewesen. Im Vordergrund habe die Möglichkeit gestanden, überhaupt in verbalisierter Form über das Erlebte zu berichten. Der Bruder der Klägerin habe sich an den geschilderten Sachverhalt nicht erinnert. Die herangezogenen Zeugen seien Familienangehörige, deren Aussagen aufgrund fehlender Objektivität oder Distanz nicht unbedingt geeignet seien, die Angaben der Klägerin zu entkräften. Insbesondere in Inzestfamilien bestehe eine kranke Familieneinheit.
Die Klägerin legte noch den Abschlussbericht über die vom 5. November bis 16. Dezember 2003 im Arbeitstrainings- und Therapiezentrum, Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke und Behinderte Saarbrücken durchgeführte medizinische Belastungserprobungsmaßnahme vom 20. Januar 2004 bei. Die Klägerin habe körperliche Misshandlungen und sexuellen Missbrauch aus den Jahren 1973 bis 1983 geschildert. Sie habe den Vater stets als dominant und gewaltbereit erlebt, seine Partnerschaft mit außerehelichen Sexualkontakten als verletzend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2004 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 3. Januar 2002 und 13. Juni 2003 zurück. Es lasse sich nicht feststellen, dass die seelische Störung aus Gewalttaten im Sinne des OEG resultiere. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihren Vater hätten keinen hinreichenden Beweis für eine Anklage erbracht. Hinsichtlich der Anschuldigung gegenüber ihrem Großvater habe kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren stattgefunden. Die Erstellung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens sei gescheitert. Dessen ungeachtet seien ihre Angaben von ihrer Mutter und ihrem Bruder nicht bestätigt worden. Selbst wenn man unterstelle, dass diese Dritte schützen wollten, gäben die eigenen Angaben der Klägerin kein einheitliches Bild und seien auch nicht widerspruchsfrei. Auch aus dem beschriebenen Krankheitsbild "Borderline-Persönlichkeitsstörung, endogene Depression" könne nicht zwingend auf sexuellen Missbrauch geschlossen werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. September 2004 beim Sozialgericht F. (SG) Klage erhoben. Der Beklagte habe seine Amtsermittlungspflicht nicht umfassend erfüllt. Die Klägerin legte das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 18. August 2004 vor. In der Anamnese heißt es, die Klägerin habe mitgeteilt, sie sei erstmals 1989 von einer Gynäkologin, die sie wegen unerfülltem Kinderwunsch aufgesucht habe, gefragt worden, ob sie eine Vorgeschichte sexuellen Missbrauchs gehabt habe. Seither sei sie immer wieder in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Von den im Februar 1996 geborenen Zwillingen habe sie von Anfang an den jüngeren, den sie auch körperlich misshandelt habe, abgelehnt. Im Jahr 2002 habe sie erneut einen Selbstmordversuch unternommen. Diagnostisch wurde eine Borderlinestörung und ein Verdacht auf eine schwere posttraumatische Störung mit Persönlichkeitsänderung nach sexuellem Missbrauch genannt. Im ebenfalls vorgelegten Abschlussbericht über ein vom 21. April bis 14. Juli 2004 im beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum KarlsB.-L. durchgeführtes Arbeitstraining vom 2. September 2004 wird erwähnt, mit dem Arbeitstherapeuten sei es wiederholt zu Missverständnissen, die eine paranoide Wahrnehmungsverzerrung erkennen ließen, gekommen. Mit Urteil vom 15. April 2005 wies das SG die Klage ab. Es fehle bereits an dem Vollbeweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs. Eine Beweiserleichterung komme nicht in Betracht. Nach Würdigung der Beweismittel könne nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die von der Klägerin beschriebenen Taten geschehen seien. Ein Glaubwürdigkeitsgutachten sei ungeeignet, den erforderlichen Vollbeweis zu erbringen.
Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 29. April 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Mai 2005 beim SG Berufung eingelegt. Sie bestreitet die Aussagen ihrer Familienangehörigen. Deren Aussageverhalten sei typisch für eine Inzestfamilie. Sinngemäß habe ihre Mutter im Jahr 1991 telefonisch die Möglichkeit eingeräumt, dass es "so" gewesen sein könnte. Die von Dr. W. in dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten eingeschätzte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei zu niedrig bemessen. Aus den beigezogenen Unterlagen von Dr. K. ergebe sich, dass über den sexuellen Missbrauch bereits ab dem Jahr 1989 gesprochen worden sei. Ergänzend hat die Klägerin einen im Jahr 1990 verfassten, umfangreichen Lebenslauf vorgelegt. Hierzu weist sie darauf hin, der Lebenslauf sei unter der Prämisse des unerfüllten Kinderwunsches und eines "Therapeutenantrags" verfasst worden. Hieraus erkläre sich die teilweise zu positive "Heile-Welt-Vorstellung". Die Klägerin hat ferner die ärztliche Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten Kurz vom 18. Mai 2007 vorgelegt. Sie präzisiert, sie habe die Behandlung bei Dr. K. aufgenommen, nachdem sie schon 15 Sitzungen ab Frühjahr 1989 bei einer anderen Therapeutin absolviert hatte. Verzögerte Erinnerung seien bei Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit einer dissoziativen Identitätsstörung häufig anzutreffen. Nach neuen, groß angelegten Studien sei ein sexueller Missbrauch ein sehr hoher Risikofaktor für Störungen, wie sie bei ihr vorlägen. Eine weitere Begutachtung sei angemessen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts F. vom 15. April 2005 und unter Aufhebung der Bescheide vom 3. Januar 2002 und 13. Juni 2003, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2004 zu verurteilen, den Bescheid vom 16. Februar 2001 zurückzunehmen und ihr Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen um mindestens 60 ab 1. August 1999 zu zahlen, hilfsweise ein traumatologisches Gutachten beim Traumatologischen Institut Köln einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. St. vom 11. August 2006 und 26. September 2007 vorgelegt. Diese gelangte zu der Einschätzung, es spreche mehr dafür als dagegen, dass die in der O.klinik 1991 genannten schädigenden Vorgänge glaubhaft seien. Sie könnten jedoch nicht als wesentliche Teilursache der diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung gewertet werden. Es sei spekulativ, aus den 1991 dokumentierten, insgesamt unscharfen Angaben den Schluss zu ziehen, sexuelle Missbrauchshandlungen seien eine wesentliche Teilursache der gutachterlich bestätigten Borderlinepersönlichkeitsstörung. Im Übrigen verwies sie auf die ebenfalls vorgelegte Stellungnahme der Dipl.-Psychologin - Regierungsrätin - Sch. vom 27. November 2006. Dr. W. habe die Mehrbelastungshypothese, die nicht zu verwerfen sei, nicht geprüft. Nicht nur die Aussageinkonstanz gebe einen Hinweis auf ein allmähliches Entwickeln der Aussage in Richtung Mehrbelastung, sondern auch die von der Klägerin nach 1987 an die Eltern geschriebenen herzlichen Briefe. Ihre Einlassung hierzu, dieses Verhalten entspringe eventuell ihrer unerfüllt gebliebenen Sehnsucht nach ein bisschen familiärer Normalität bzw. sie habe gedacht, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen zu müssen, ließe sich noch mit einem eher zeitlich begrenzten Missbrauchshintergrund in einen plausiblen Kontext bringen, nicht aber mit den letztlich vorgebrachten mehrjährigen, massiven und zerstörerischen Misshandlungen und Übergriffen. Es sei nicht mehr entscheidbar, welcher "Kern" der ursprünglichen Erlebnisbasis entspreche und welche Erweiterungen nachträglich hinzugekommen seien. Denkbar als Erlebniskern seien durchaus Handlungen, Verbalisierungen, Vernachlässigung, Instrumentalisierung unterhalb der strafrechtlich relevanten Schwelle, die gleichwohl zerstörerisch und pathogen für das heranwachsende Kind seien. Ferner hat der Beklagte die weitere Stellungnahme von Dipl.-Psych. Sch. vom 15. April 2008 vorgelegt. Das Gutachten von Dr. W. weise hinsichtlich der Dokumentation der Exploration methodische Mängel auf. Auch unter Berücksichtigung des handschriftlichen Lebenslaufs lasse sich die Mehrbelastungshypothese nicht verwerfen. Von einem glaubhaften Kernsachverhalt, der in seiner Konkretheit sowohl eine Zuordnung zum OEG-Schutzbereich als auch eine medizinische Kausalitätsbeurteilung ermögliche, könne nicht ausgegangen werden.
Der Senat hat umfangreiche Unterlagen der ehemaligen Groddeck-Klinik F. betreffend die Zeit ab April 1997 beigezogen. Unter anderem wurde die Klägerin dort vom 22. April bis 14. November 1997 stationär behandelt, nachdem es im Rahmen eines schweren Erregungszustandes zu Gewalttätigkeiten gegenüber ihren vierzehn Monate alten Zwillingen gekommen war.
Der Senat hat handschriftliche Aufzeichnungen von Dr. K. über die Therapie in den Jahren 1989 und 1990 beigezogen, ferner die Verwaltungsakte der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Im Gutachten vom 4. November 2004 hatte Dr. Sch.-B. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Er sah sich aufgrund der einmaligen Begutachtung und nicht ausreichend aussagekräftiger Unterlagen im Rahmen des Rentenverfahrens nicht in der Lage zu beurteilen, worauf diese zurückzuführen sei. Ihm gegenüber hatte die Klägerin angegeben, mit ca. 18 Jahren vom Vater vergewaltigt worden zu sein. Ihr Großvater habe sie in den Jahren 1972 bis 1979 missbraucht. Von ihrem ersten Freund sei sie im 22. Lebensjahr vergewaltigt worden. Dr. K. (Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) hatte im Gutachten vom 29. März 2006 ausgeführt, diagnostisch liege eine Borderlinepersönlichkeitsstörung vor, wobei Traumatisierungen in der Kindheit und Jugend maßgebend zur Entwicklung beigetragen hätten. Es lägen jedoch auch psychologische Dispositionen vor, weil sie schon als Kind sehr impulsiv und erregbar gewesen sei. In diesem Zusammenhang seien auch Konzentrationsstörungen und eine Affektlabilität aufgefallen, die als physiologische Risikofaktoren für die spätere Borderline-Störung zu werten seien.
Im Auftrag des Senats hat Dr. W. (Arzt für Psychiatrie, forensische Psychiatrie) das forensich-psychiatrische Gutachten vom 10. Juli 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 22. Juli 2007 erstellt. Bei der Klägerin liege eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetypus vor. Sie reiche bis in die frühe Adoleszenz zurück und gehe mit erheblichen persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Am Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bestünden erhebliche Zweifel. Die Diagnose-Kriterien seien nicht hinreichend erfüllt. Die Klägerin sei aussagetüchtig. Die Aussagequalität ergebe ein inhomogenes Bild. Hinsichtlich der zeitlichen Dauer der vorgetragenen sexuellen Missbrauchshandlungen sei von einer gewichtigen Aussageinkonstanz auszugehen. Eine relative Konstanz finde sich, wenn man die Aussage-Analyse auf den Zeitraum seit 1997 beschränke. Es bestünden mehrere positive Glaubwürdigkeitsmerkmale wie strukturelle Aussagedetailliertheit, eigenpsychische Komplikationsketten, Erlebnisfundiertheit und eine Selbstbelastung. Die positiven Glaubwürdigkeitsmerkmale würden die Glaubwürdigkeits-Bedenken überwiegen. Hinsichtlich der Aussagezuverlässigkeit könnten eine fehlerhafte Interpretation oder Missverständnisse des Verhaltens der Beschuldigten, eine unbewusste und unabsichtliche fälschliche Übertragung von Erlebnissen mit anderen Personen auf die Beschuldigten und frei erfundene Angaben beispielsweise aus Rachemotiven ausgeschlossen werden. Näherer Betrachtung bedürfe jedoch die Suggestionshypothese. Vor allem das Wiederauftauchen von Erinnerungen an sexuellen Missbrauch in der Kindheit nach einer beträchtlichen Zeit des Vergessens sei Gegenstand kontroverser Betrachtungen. Unter anderem werde von einer wachsenden Epidemie erzeugter falscher Erinnerungen gewarnt. Exakte wissenschaftliche Daten stünden nicht zur Verfügung. Erinnern sei immer ein aktiver, rekonstruktiver Prozess und kein identischer Abruf vergangener Erfahrungen. Bei der Klägerin komme eine erhebliche psychische Problematik in Form einer Borderline-Persönlichkeitsstörung hinzu. Sie sei eventuell in erhöhtem Maße selbst- und fremdsuggestiven Einflüssen ausgesetzt. Zwar fänden sich in der biographischen Anamnese von Borderline-Patientinnen gehäuft sexuelle Missbrauchserfahrungen. Der Umkehrschluss, dass einer Borderline-Störung immer eine Vorgeschichte (sexueller) Traumatisierung zugrunde liegen müsse, sei aber eindeutig abzulehnen. Gegen eine Suggestionshypothese spreche, dass die Klägerin ihren Angaben zufolge ihrem späteren Ehemann noch vor der Eheschließung zumindest andeutungsweise von ihrem innerfamiliären sexuellen Missbrauch berichtet haben solle und ein Tagebucheintrag am 9. Juli 1986, der auf die Missbrauchsthematik hinweise: "Ich habe Angst, ein Baby von ihm (- das heißt S. G.- ) zu bekommen und verkrampfe mich. Erinnerungen an Opa Karl und Papa". Diese Aspekte ließen eine Suggestionshypothese als ausgesprochen unwahrscheinlich erscheinen. Schwierig zu beantworten sei, ob es möglicherweise aufgrund eines tatsächlich erlittenen Missbrauchs im weiteren Verlauf zu einer Ausweitung der von der Klägerin erhobenen Tatvorwürfe gekommen sei. Insgesamt spreche mehr dafür als dagegen, die belastenden Einlassungen der Klägerin als hinreichend glaubwürdig einzustufen. Damit solle dem Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung nicht vorgegriffen werden. Auch eine Aussage, bei der mehrere Glaubwürdigkeitsmerkmale erfüllt seien, könne gleichwohl unwahr sein. Aus methodischen Gründen sei bewusst darauf verzichtet worden, die in den Akten enthaltenen Zeugenaussagen einer Bewertung zu unterziehen. Vor dem Hintergrund der Daten zu ihrer Erwerbsbiographie schätzte er die durch die mutmaßlichen Missbrauchshandlungen bedingte MdE auf 10 bis 20 v.H. ein. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte er aus, eine exakte Gewichtung einzelner Belastungsfaktoren hinsichtlich der Genese der Borderline-Persönlichkeitsstörung sei nicht möglich. Der Versuch einer derartigen prozentualen Gewichtung würde den Bereich seriös-wissenschaftlichen Argumentierens verlassen. Es müsse allerdings von einem überaus komplexen Ineinandergreifen von sich wechselseitig verstärkenden sexuell traumatisierenden und nicht-sexuellen Belastungsfaktoren ausgegangen werden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. März 2008 hat der Senat die Klägerin angehört.
Der Senat hat den Frauenarzt Dr. K. und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. M. hat sich nicht mehr in der Lage gesehen, zu früheren Behandlungen der Klägerin eine Aussage zu machen. Dr. K. hat in seinen Schreiben vom 7. und 22. April 2008 ausgeführt, im Vordergrund der Behandlung habe der zwanghafte Kinderwunsch mit erheblichen Störungen im aggressiven Bereich gestanden. Die Klägerin habe ihm den Missbrauch anlässlich der Erstkonsultation von sich aus mitgeteilt.
In dem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. September 2008 hat der Senat die Eltern der Klägerin W. und M. S. sowie den Bruder der Klägerin R. S. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Der Vater der Klägerin hat einen Auszug aus einer Illustrierten sowie den Brief der Klägerin vom 9. Februar 1991 zur Akte gereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die beigezogene Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund (vormals BfA), die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaften Bonn (20 Js 91/00) und Köln (173 Js 1113/99) sowie auf die Gerichtakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente. Denn es ist nicht festzustellen, dass der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 16. Februar 2001 unrichtig war (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Der Beklagte hat dessen Rücknahme daher zu Recht abgelehnt (Bescheid vom 3. Januar 2002) und auch zu Recht mit dem Bescheid vom 13. Juni 2003 einen Rentenanspruch verneint.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Der Senat konnte sich keine Überzeugung vom Vorliegen eines oder mehrerer solcher Angriffe verschaffen. Er muss vielmehr einräumen, nicht feststellen zu können, dass die Behauptungen der Klägerin zu den sexuellen Übergriffen ihres Vaters und ihres Großvaters in vollem Umfang oder zumindest teilweise zutreffend sind. Nach Auswertung des umfangreichen Aktenmaterials und unter Berücksichtigung der Aussagen der als Zeugen gehörten Eltern der Klägerin und ihres Bruders hält es der Senat zwar durchaus für möglich, dass die von der Klägerin geschilderten Ereignisse jedenfalls zum Teil vorgefallen sind. Jedoch hält es den Senat ebenso für möglich, dass dies gerade nicht der Fall war. Damit vermag der Senat auch kein hinreichend fassbares Kerngeschehen zu beschreiben und festzustellen, um beurteilen zu können, ob die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit einem oder mehreren schädigenden Ereignissen im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG stehen.
In der Regel muss der Schädigungstatbestand gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, wie es für soziale Leistungsansprüche allgemein gilt, zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht das zu Lasten desjenigen, der eine Leistung aus diesem Schädigungstatbestand begehrt (objektive Beweis- und Feststellungslast).
Allerdings kann - worauf das SG nicht eingegangen ist - auch die Beweiserleichterung aus § 15 Abs. 1 KOV-VfG Berücksichtigung finden. Nach dieser Vorschrift können der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zu Grunde gelegt werden, wenn Unterlagen nicht vorhanden sind oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind. Diese Vorschrift gilt gem. § 6 Abs. 3 OEG auch für die Entschädigung nach dem OEG und nicht nur im Verwaltungsverfahren, sondern auch im gerichtlichen Verfahren. Die Anwendung des § 15 KOV-VfG setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann (BSG Urteil vom 28. Juni 2000, B 9 VG 3/99 R, zitiert nach Juris, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Ausreichend ist bei der Anwendung dieser Beweiserleichterung, dass die Angaben glaubhaft gemacht sind, d.h. dass die gute Möglichkeit besteht, dass der Vorgang sich so zugetragen haben könnte, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, zitiert nach Juris).
Auch bei Anwendung dieses erleichterten Beweismaßstabs gelangt der Senat zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis, denn wie bereits ausgeführt, hält er es zwar für möglich, dass sie in ihrer Kindheit von ihrem Vater (und ihrem Großvater) sexuell missbraucht wurde, er hält jedoch ebenso auch das Gegenteil für möglich. Diese Unsicherheit geht damit einher, dass selbst ein hinreichend klares Kerngeschehen nicht festgestellt werden kann. Ein solches Kerngeschehen ist als Anknüpfungspunkt für die Feststellung eines konkreten tätlichen Angriffs, dessen Folgen zu entschädigen wären, aber unabdingbar.
Die Schilderungen der Klägern zu sexuellen Übergriffen durch ihren Vater und ihren Großvater erscheinen auf den ersten Blick sehr plastisch. Allerdings bleiben doch verschiedene Zweifel bezüglich der Richtigkeit des umfangreichen Vorbringens der Klägerin. Soweit der Sachverständige Dr. W. dargelegt hat, dass trotz der aufgetretenen erheblichen Aussageinkonstanz hinsichtlich der Dauer des Zeitraums, über den sich die von der Klägerin vorgetragenen sexuellen Missbrauchshandlungen erstreckt haben, die aus seiner Sicht gegebenen positiven Glaubwürdigkeitsmerkmale einer strukturellen Aussagedetailliertheit, eigenpsychischer Komplikationsketten, Erlebnisfundiertheit und Selbstbelastung die Glaubwürdigkeitsbedenken überwiegen, kann der Senat dem nicht in jeder Hinsicht folgen. Er berücksichtigt dabei u. a. die Ausführungen der Dipl.-Psych. Sch., die in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2008 zu Recht eingewandt hat, dass es aufgrund der aufgetretenen Widersprüche und einer - auch aus Sicht des Senats - nahezu als sicher anzusehenden Ausweitung der Aussage nicht mehr möglich ist, von einem hinreichend klaren, im Sinne § 15 KOV-VfG gut möglichen "Kerngeschehen" auszugehen. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, ein solches Kerngeschehen als tätlichen Angriff oder Angriffe abzugrenzen und als Schädigungstatbestand einer Entscheidung zugrunde zu legen. Aus eben diesem Grund hat auch Dipl.-Psych. P.-H. im Schreiben vom 23. September 2002 die Erstellung eines Gutachtens gegenüber dem Beklagten abgelehnt. Sie verwies hierzu darauf, dass in vergleichbaren, strafrechtlichen Fällen, in denen auch eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (angesichts dieser so gut wie durchgängig gestellten Diagnose sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt, dass auch der Senat vom Vorliegen dieses Krankheitsbilds ausgeht) und eine bereits stattgefundene erhebliche Therapiearbeit vorlagen, keine zuverlässige Beurteilung mehr möglich war. Auch Dr. W. hat bei der Prüfung der Aussagezuverlässigkeit gerade auch der Suggestionshypothese ein besonderes Augenmerk gewidmet. Angesichts des langen Zeitraums zwischen der vorgetragenen Schädigung und dem Zeitpunkt der strafrechtlichen Anzeigenerstattung, diverser psychotherapeutischer Interventionen, selbstständigem intensiven Befassen der Klägerin mit der Missbrauchsthematik und der Borderlinestörung ist es wahrscheinlich, dass aufgrund fremd- und eigensuggestiver Einflüsse sog. falsche Erinnerungen entstanden sind. Zwar schließt Dr. W. aus, dass es sich bei sämtlichen Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch um falsche Erinnerungen handelt. Allerdings schließt er nicht aus, dass es auf der Grundlage eines tatsächlich erlittenen innerfamiliären Missbrauchs im weiteren Verlauf zu einer Ausweitung der erhobenen Tatvorwürfe gekommen ist, in deren Zuge erlebnisbasiertes Material und nachträgliche Deck-Erinnerungen sich überlagert haben könnten. Eine solche Entwicklung beschreibt auch die Dipl.-Psychologin Sch ... Sowohl aus der von Dr. W. beschriebenen und nicht für ausreichend erklärbar erachteten Inkonstanz hinsichtlich der Tatzeiträume - aus einem im Jahr 1991 angegebenen Zeitraum von 2 ¾ Jahren wurde im Antrag im Jahr 1999 ein Zeitraum von 13 Jahren - als auch aus den herzlichen Briefen an die Eltern im Jahr 1987 muss auf eine fremd- oder eigensuggestiv bedingte Ausweitung der Tatvorwürfe geschlossen werden. Zu Recht weist Dipl.-Psychologin Sch. darauf hin, dass die von der Klägerin für die Briefe im nachhinein abgegebene Erklärung nicht mit den letztlich vorgetragenen mehrjährigen, massiven und zerstörerischen Misshandlungen und Übergriffen in Einklang gebracht werden kann. Zudem beschränkte die Klägerin anlässlich der Begutachtungen im Rentenverfahren (Gutachten Dr. Sch.-B. vom 4. November 2004, Gutachten Dr. K. vom 29. März 2006) ihren Tatvorwurf gegen ihren Vater auf eine Vergewaltigung im 18. Lebensjahr, was angesichts des im Antrag genannten Zeitraums von 1976-1985 eine weitere, nun auch - entgegen dem Hinweis von Dr. W. - nach dem Jahr 1997 aufgetretene zeitliche Inkonstanz darstellt.
Für eine erhebliche, nicht auf tatsächlich Erlebtem beruhende Ausweitung der Tatvorwürfe sprechen weitere Widersprüche, die sich aufgrund der Angaben in dem nach der Erstellung des Gutachtens durch Dr. W. vorgelegten Lebenslauf aus dem Jahr 1990 ergeben. In der Anzeige vom 19. Juli 1999 behauptete die Klägerin, sie sei 1966 von ihrer Mutter mit heißem Wasser verbrüht worden - es habe sich um keinen Unfall gehandelt. Den gleichen Vorfall schilderte die Klägerin im Lebenslauf wie folgt: " Als ich mir meine Schulter mit siedend heißem Wasser verbrannte, weinte sogar meine Mutter und überschüttete mich mit Zärtlichkeit und Liebe". Die Schilderungen der Klägerin zu diesem Vorfall, bei dem sie erst 3½ Jahre alt war, in der Verhandlung vom 13. März 2008 waren von einem nicht nachvollziehbaren Erinnerungsvermögen gekennzeichnet. Die Behauptung, die Mutter habe die Klägerin durch Verbrühen bestraft, da sie zu laut mit ihrem Bruder gespielt habe, ist nicht plausibel. In der Schilderung des Missbrauchs durch den Großvater gab die Klägerin im Schreiben vom 14. Juli 2002 an, sie könne (wegen des Zusammenhangs mit dem vorgetragenen Geschehen) bis heute keinen Flieder riechen, ihr werde schlecht davon. Im Lebenslauf aus dem Jahr 1990 erwähnte sie: " wollte ich meiner Oma Flieder schenken, für den ich schon damals schwärmte". In der Strafanzeige vom 19. Juli 1999 schilderte sie detailliert einen sexuellen Missbrauch durch ihren Vater während des Portugalurlaubs im Jahr 1998. In der Beschreibung dieses Urlaubs im Lebenslauf ist zwar eine tätliche und verbale Konfrontation mit dem Vater enthalten, jedoch kein sexueller Missbrauch. Eine verständliche Erklärung für diesen Widerspruch konnte die Klägerin auch im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung durch den Senat nicht geben. Widersprüche bestehen auch hinsichtlich des angezeigten sexuellen Missbrauchs während eines Krankenhausaufenthalts im Jahr 1985, der sich trotz eingehender Beschreibung dieses Aufenthalts im Lebenslauf nicht wiederfindet. Auch die Ausführungen in der Anzeige zu einer Vergewaltigung durch ihren Freund im Jahr 1984 können nicht mit dem Inhalt des Lebenslaufs in Übereinstimmung gebracht werden, vielmehr ist eine Verschiebung von Geschehensabläufen festzustellen. Im Lebenslauf berichtete die Klägerin zwar ausführlich, der Geschlechtsverkehr sei eine Qual für sie gewesen, gleichwohl habe sie ihren Freund nicht verlieren wollen. Eine Bewertung als Vergewaltigung - wie sodann in der Anzeige - nahm sie aber in keiner Weise vor. Soweit sie in der Anzeige berichtete, sie sei ausgerastet und habe ihren Freund "mit einem Messer bedroht, ihm meine Faust auf die Nase gesetzt", findet sich im Lebenslauf eine ganz andere Darstellung. Dort schrieb die Klägerin, sie habe einer anderen Frau, auf die sie eifersüchtig gewesen sei, in das Gesicht geschlagen und "wollte mit dem Messer auf sie einstechen". In diese Richtung ging auch die Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2008.
Auch das Vorbringen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren, sie sei im Jahr 1989 von ihrem Gynäkologen Dr. K., nachdem sie auf sein Erscheinen panikartig mit den Worten "Papa tu mir nichts" reagiert habe, erstmals auf eine mögliche sexuelle Gewalterfahrung angesprochen worden, ließ sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigen. Vielmehr geht der Senat aufgrund der schriftlichen Zeugenaussage von Dr. K. davon aus, dass ihm die Klägerin von sich aus bei der Erstkonsultation am 8. November 1989 von einem Missbrauch berichtet hat. Die im Rahmen der Anhörung vom 14. März 2003 plastisch von der Klägerin geschilderte Situation bei Dr. K. hat sich zur Überzeugung des Senats tatsächlich so nicht zugetragen. Auch dies hat den Senat veranlasst, an anderen von der Klägerin, ebenfalls äußerst plastisch geschilderten Geschehnissen zu zweifeln. In diesem Zusammenhang räumte die Klägerin zuletzt schließlich sogar ein, dass sie nicht von Dr. K. erstmalig in eine Psychotherapie überwiesen wurde, eine solche vielmehr bereits seit dem Frühjahr 1989 stattgefunden habe.
Diese Widersprüche sind aus Sicht des Senats bedeutend. Entgegen der Auffassung von Dr. W. kann vor diesem Hintergrund das Glaubwürdigkeitskriterium der strukturellen Aussagedetailliertheit nicht als erfüllt angesehen werden.
Soweit Dr. W. als ein wichtiges Argument gegen die Suggestionshypothese anführt, die Klägerin habe ihren Angaben zufolge ihrem späteren Ehemann noch vor der Eheschließung zumindest andeutungsweise von ihrem innerfamiliären sexuellen Missbrauch berichtet, stimmt dies zwar mit den Angaben im Lebenslauf überein: "Ich erzählte ihm (S. G.) die Geschichte mit meinem Opa und meinem Vater, ich vertraute mich das erste Mal jemanden an und er verstand, warum ich nur oberflächliche Zärtlichkeiten bisher zugelassen habe". Dieses Anvertrauen kann jedoch nicht mit der Stellungnahme, die S. G. am 23. Januar 2002 gegenüber dem Beklagten abgegeben hat, in Einklang gebracht werden. Darin zeigte er sich ersichtlich ohne eigene Kenntnis und versuchte aus verschiedenen Hilfstatsachen Argumente für die Glaubwürdigkeit der von seiner früheren Ehefrau erhobenen Vorwürfe herzuleiten. Angesichts der Tragweite einer vertraulichen Mitteilung über einen (über Jahre hinweg) erlittenen sexuellen Missbrauch kann ausgeschlossen werden, dass S. G. dies nach ca. fünf Jahren vergessen haben könnte.
Aufgrund der bei der Klägerin bestehenden Borderlinestörung ist - was Dr. W. jedenfalls andeutet und was schon oben erwähnt wurde - in erhöhtem Maße anzunehmen, dass die Klägerin fremd- und selbstsuggestiven Einflüssen ausgesetzt ist. So werden im Abschlussbericht des Arbeitstrainings- und Therapiezentrums Saarbrücken vom 20. Januar 2004 bei der Klägerin u.a. im formalen Gedankengang immer wiederkehrende Phasen einer Denkbeschleunigung bei großer Fülle der Einfälle und wiederkehrender Gedanken sowie in Situationen psychischer Überforderung eine affektive Dysregulation mit dramatisierenden Darstellungen beschrieben. Im Kostenübernahme-Verlängerungsantrag der Groddeck-Klinik vom 12. September 1997 wird ausgeführt, die Klägerin sei zeitweise auch wieder von massiven Flash-backs von Misshandlungs- und Missbrauchsszenen überflutet worden. Im ärztlichen Bericht des Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrums KarlsB.-L. vom 2. September 2004 wird von wiederholten Missverständnissen mit dem Arbeitstherapeuten, die eine paranoide Wahrnehmungsverzerrung hätten erkennen lassen, berichtet.
Somit bleibt als Argument gegen eine - vollumfängliche - Suggestionshypothese zwar der Tagebucheintrag vom 9. Juli 1986. Dieser stammt allerdings zum einen aus einer Zeit vermehrten Alkoholkonsums. Zum anderen kann auch aus diesem Eintrag nicht auf ein konkretes schädigendes Ereignis geschlossen werden. Daneben liegen noch die handschriftlichen Aufzeichnungen von Dr. K. vor, aus denen auch noch aus der Zeit des Therapiebeginns auf eine sexuelle Belästigung geschlossen werden kann, wobei sich jedoch zuletzt herausstellte, dass Dr. K. nicht der zuerst behandelnde Psychotherapeut war. Seiner Behandlung waren bereits 15 Therapiestunden bei einer anderen Psychotherapeutin vorausgegangen. Zudem geht aus den Aufzeichnungen von Dr. K. "nur" eine sexuelle Belästigung hervor, im Jahr 1991 lag - worauf Dr. St. in der Stellungnahme vom 11. August 2006 hinweist - nur eine konkrete Angabe zu einer versuchten Vergewaltigung vor. Zu Recht bezeichnet Dr. St. den Sachverhalt in ihrer Stellungnahme vom 26. September 2007 als unscharf und hält die gutachtliche Schlussfolgerung, dass allein der im Jahr 1991 in der O.klinik angegebene Missbrauchsumfang geeignet sei, die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wesentlich mitzubedingen für spekulativ. Davon abzugrenzen sind im Übrigen die von Dr. Sch. angesprochenen gut möglichen familiären Belastungen unterhalb der hier maßgeblichen strafrechtlich relevanten Schwelle.
Auch die Vernehmung des Bruders und der Eltern der Klägerin hat im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines sexuellen Missbrauchs zu keiner weiteren Klärung beigetragen. Aufgrund der Aussagen aller Zeugen steht für den Senat fest, dass die Erziehung der Klägerin und ihres Bruders autoritär geprägt war und es auch zu körperlichen Züchtigungen sowohl von Seiten des Vaters als auch der Mutter gekommen ist. Der Senat kann sich dabei nicht des Eindrucks erwehren, dass der Bruder der Klägerin bei seiner Vernehmung eine starke Tendenz zeigte, seine Kindheit und Jugend in einem sehr günstigen Licht darzustellen. Er gab vor, sich kaum an körperliche Züchtigungen zu erinnern bzw. verteidigte die von ihm erinnerten Züchtigungen als gerechtfertigt und angemessen. Auch der Vater der Klägerin war aus Sicht des Senats bestrebt, das Thema körperliche Gewalt in der Erziehung herunterzuspielen. Demgegenüber wirkte die Aussage der Mutter deutlich authentischer. Sie räumte ohne Umschweife ein, dass die Kinder in entsprechenden Situationen auch "eine gefegt" bekamen, so wie sie es selbst in ihrer Kindheit erlebt hatte. Am offensichtlichsten stellte sich die Neigung des Bruders und des Vaters zum Verschweigen von Vorfällen, die möglicherweise ein schlechtes Licht auf die Atmosphäre in der Familie hätten werfen können, hinsichtlich der von der Klägerin und der geschiedenen Ehefrau des Bruders geschilderten Ohrfeige dar, die der Vater der Klägerin ihrem damals bereits über zwanzigjährigen Bruder im Sommerurlaub in Portugal gegeben hatte. Dieses Vorbringen wurde von der Mutter in ihrer Zeugenaussage klar bestätigt, so dass auch der Senat keinen Zweifel daran hat, dass sich dieser Vorfall ereignet hat. Dass sich der Bruder und der Vater der Klägerin daran nicht erinnern, ist für den Senat nicht glaubhaft. Die Aussage des Bruders der Klägerin erschien auch zum Teil in sich widersprüchlich. So hat er zunächst ausgeführt, von den Vorwürfen gegenüber seinem Vater und Großvater erstmals im Jahr 2003 erfahren zu haben. Nachfolgend gab er jedoch an, dass ihm seine Schwester vielleicht schon in den 90er Jahren etwas davon erzählt habe und er seinerzeit auch über ihren im Jahr 1991 verfassten Brief an den Vater informiert gewesen sei.
Der Inhalt dieses in der mündlichen Verhandlung vom Vater vorgelegten Briefes vom 9. Februar 1991 brachte keinen weiteren Erkenntnisgewinn. Denn auch darin berichtet die Klägerin von ihrer angeblich erstmaligen Überweisung durch den Gynäkologen an einen Psychotherapeuten und von der angeblichen Unterrichtung ihres damaligen Ehemannes über den sexuellen Missbrauch. Dies sind Umstände, die aus Sicht des Senats nicht zutreffend sind (s.o.). Aus diesem Grund muss auch der übrige Inhalt des Briefes in Frage gestellt werden.
Klar zu Tage getreten ist durch die Zeugenvernehmungen, dass in Kindheit und Jugend erhebliche Spannungen zwischen den Eltern und der Klägerin bestanden haben. Die Klägerin erfüllte die Leistungserwartungen der Eltern, auch im Vergleich zum Bruder, offensichtlich nicht. Auch mit der Auswahl ihrer Freunde und des Ehemanns waren die Eltern nicht einverstanden. Der Erziehungsstil war von Sanktionen und Repressionen einerseits, andererseits aber auch von großer Fürsorge und vielfältigen familiären Aktivitäten geprägt. Aus all dem kann jedoch nicht (ohne Weiteres) auf die gute Möglichkeit geschlossen werden, dass es auch zu einem sexuellen Missbrauch gekommen ist. Letzteres wurde vom Vater der Klägerin klar verneint, aber auch von dessen Ehefrau und dem Sohn für ausgeschlossen erachtet. Angesichts der genannten Bedenken hinsichtlich der Aussagen des Bruders und des Vaters hält es der Senat entgegen deren Aussagen zwar für denkbar, dass es gleichwohl zu sexuellen Missbrauchshandlungen - welcher Art auch immer - gekommen ist, jedoch lässt sich von dem eben beschriebenen Erziehungsstil und den genannten Spannungen nicht auf sexuelle Missbrauchshandlungen schließen, zumal der Erziehungsstil auch im damaligen zeitlichen Kontext zu sehen ist.
Die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung eines weiteren Gutachtens war trotz der verbliebenen Unsicherheit nicht angezeigt. Der Senat hat mit dem Gutachten von Dr. W. auch bereits zur Frage der Glaubwürdigkeit ihrer Angaben medizinischen Sachverstand eingeholt. Soweit der Senat der gutachtlichen Einschätzung von Dr. W. nicht folgt, steht dies im Einklang mit dessen Hinweisen, dass mit einem solchen Gutachten der richterlichen Beweiswürdigung nicht vorgegriffen werden kann und auch eine Aussage, bei der mehrere Glaubwürdigkeitsmerkmale erfüllt sind, gleichwohl unwahr sein könne. Vor diesem Hintergrund sind gerade auch die Erkenntnisquellen zu nennen, die dem Senat zur Verfügung standen, die Dr. W. jedoch noch nicht nutzen konnte. Zu nennen sind hier insbesondere der handschriftliche Lebenslauf der Klägerin und ihre eigene Anhörung durch den Senat sowie die Zeugenaussagen des Dr. K. und der Familienangehörigen der Klägerin. Die Feststellung der hier streitgegenständlichen Ereignisse, die als solche keine medizinischen Umstände darstellen, ist im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung vorzunehmen. Die Abweichung von der Auffassung von Dr. W. hat der Senat unter Anwendung der von ihm beschriebenen Kriterien und unter Bewertung der von ihm zu Grunde gelegten Tatsachen begründet. Weiterer medizinischer Sachverstand musste dazu nicht eingeholt werden.
Ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff ist mithin auch nach einem erleichterten Beweismaßstab nicht festzustellen. Ein Entschädigungsanspruch kommt bereits deswegen nicht in Betracht.
Die Berufung der Klägerin war nach alledem somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) aufgrund sexuellen Missbrauchs in der Kindheit hat.
Die 1962 geborene Klägerin, bei der nach dem Schwerbehindertenrecht durch Bescheid des Versorgungsamts F. vom 10. Juni 2002 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt worden ist, bezieht seit September 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (ausgehend von einem Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden). Sie durchlief von 1979 bis 1982 eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin. Bis 1990 war sie in verschiedenen Zahnarztpraxen in diesem Beruf tätig. In den Jahren 1991 bis 1995 half sie auf Geringfügigkeitsbasis als Verkäuferin in einem Bastelgeschäft aus und betätigte sich daneben selbstständig im Bereich des Kunsthandwerks. Vom 25. Januar 1993 bis 16. September 1995 war sie daneben als Bürokraft bei einer Kurverwaltung tätig. Nach dem Erziehungsurlaub aufgrund der Geburt ihrer Zwillinge 1996 nahm sie am 22. August 2000 eine Tätigkeit als Verkäuferin in einem Zoofachmarkt auf. Ab Juli 2001 arbeitete sie mit einer Unterbrechung durch Arbeitslosigkeit bis August 2002 wieder als Zahnarzthelferin. Danach trat wieder Arbeitslosigkeit ein.
Im Mai 1984 war die Klägerin aus der elterlichen Wohnung, in der sie mit ihrem Zwillingsbruder in Köln aufgewachsen war, ausgezogen. Im Jahr 1987 heiratete sie S. G. und zog von Köln in eine Gemeinde in der Rhön. Zusammen zogen sie im Jahr 1989 nach Grafenhausen. Die Ehe wurde im Februar 2001 geschieden. Die Klägerin lebt seither in F ... Das Sorgerecht für die Söhne, die bei den Schwiegereltern aufwachsen, wurde dem Ehemann übertragen.
Am 30. August 1999 stellte die Klägerin wegen einer Borderline-Störung einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie gab an, in den Jahren 1972 bis 1979 von ihrem Stief-Großvater (nachfolgend: Großvater) sexuell missbraucht worden zu sein. In den Jahren 1976 bis 1985 sei es zum sexuellen Missbrauch und zu körperlichen Misshandlungen durch ihren Vater gekommen. Sie gab an, deswegen seit 1991 in ärztlicher Behandlung zu stehen. Ferner verwies die Klägerin auf ihre Strafanzeige gegen ihren Vater vom 19. Juli 1999. Darin hatte sie erhebliche sexuelle Missbrauchshandlungen einschließlich Oralverkehr sowie versuchtem Vaginal- und Analverkehr beschrieben. Darüber hinaus hatte sie von einer Verbrühung mit heißem Wasser durch ihre Mutter, einer massiven Prügelszene ihres Vaters sowie einem erzwungenen Geschlechtsverkehr durch einen Freund im Jahr 1984 berichtet. Sie sei im Jahr 1989 von ihrem Gynäkologen, der sie wegen einem unerfüllten Kinderwunsch behandelte, auf sexuellen Missbrauch und körperliche Gewalt angesprochen worden, nachdem sie während einer Behandlung eine Panikattacke erlitten habe. Daraufhin habe sie eine analytische Therapie begonnen, welche 1997 geendet habe. Die Klägerin fügte ihrem Antrag den Kurzarztbrief der Psychiatrischen Universitätsklinik F. über einen stationären Aufenthalt vom 24. September bis 14. Oktober 1999 wegen Zuspitzung der familiären Konfliktsituation mit vermehrter emotionaler Instabilität und vermehrten Selbstverletzungen bei. Darin wurde weiter ausgeführt, die Klägerin habe Ende September 1999 die Scheidung eingereicht und etwa gleichzeitig eine Anzeige gegen ihren Vater wegen sexuellen Missbrauchs erhoben. Es wurde eine Borderlinepersönlichkeitsstörung mit deutlich progressiver Entwicklung beschrieben. Der Beklagte zog Unterlagen aus dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren (Staatsanwaltschaft Köln 173 Js 1113/99, Staatsanwaltschaft Bonn 20 Js 91/00) bei. Am 29. Dezember 1999 hatte die Klägerin bei der Polizeidirektion Waldshut-Tiengen ergänzende Angaben gemacht. Die seit Januar 1998 behandelnde Psychotherapeutin der Klägerin Dr. H. war am 4. April 2000 als Zeugin vernommen worden. Der Vater der Klägerin hatte im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vom 29. Mai 2000 genauso wie die Mutter in der Zeugenvernehmung vom 13. September 2000 die Angaben der Klägerin bestritten. Seine Tochter sei nicht sehr stabil gewesen. Sie habe sich gegenüber ihrem Bruder benachteiligt gefühlt. Während der ganzen Schulzeit habe es Probleme gegeben, die dann in psychosomatischen Problemen geendet hätten. Er habe sie streng erzogen, das stimme schon. Die Eltern der Klägerin reichten Briefe der Klägerin aus den Jahren 1987 bis 1998 ein. Mit Beschluss vom 5. Januar 2001 stellte die Staatsanwaltschaft Bonn das Ermittlungsverfahren ein. Die vom Vater und der Mutter bestrittenen Angaben der Klägerin seien mit objektiven Mitteln nicht beweisbar.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2001 lehnte das Versorgungsamt Münster den Antrag der Klägerin auf Beschädigtenversorgung ab. Ein tätlicher Angriff sei nicht nachgewiesen und auch nicht glaubhaft gemacht.
Am 3. Dezember 2001 stellte die Klägerin einen Antrag auf Neuüberprüfung dieser Entscheidung. Der Beklagte werde sich ein eigenes Bild von ihrer Glaubwürdigkeit machen müssen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 2002 ab. Die Angaben des Antragsstellers, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen bezögen, seien der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu verschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers verloren gegangen seien, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erschienen. Im vorliegenden Fall hätten jedoch Staatsanwaltschaftsakten vorgelegen, aus welchen hervorgegangen sei, dass der Beschuldigte die Taten bestritten und die Ehefrau die Aussage des Beschuldigten bestätigt habe. Eine Beweiserleichterung aus § 15 Abs. 1 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) komme nicht in Betracht.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie unter anderem schriftliche Aussagen von Frau G. L. vom 14. Januar 2002 und Frau C. K. (geschiedene Ehefrau des Bruders der Klägerin) vom 17. Januar 2002 betreffend Gewalttätigkeiten des Vaters der Klägerin, ferner die schriftliche Stellungnahme von S. G. vom 23. Januar 2002, der seinem Ex-Schwiegervater exzessive Gewalt und Missbrauch zutraute, vorlegte. Der Beklagte zog mehrere ärztliche Berichte bei. In dem Arztbrief der Klinik O. vom 16. August 1991 über die stationäre Behandlung vom 22. Januar bis 4. Juni 1991 wurde diagnostisch eine schwere Identitätskrise, einhergehend mit depressiven Einbrüchen im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeit vor dem Hintergrund eines schweren Inzesttraumas beschrieben. Bei der Aufnahme habe die Klägerin angegeben, sexuelle Übergriffe von Seiten des Großvaters seien im elften und zwölften Lebensjahr erfolgt, durch den Vater im Alter von fünfzehn Jahren über einen Zeitraum von ca. einem dreiviertel Jahr. Schon als Kleinkind sei sie viel geschlagen worden. Im Jahr 1986 habe Sie einen ernsthaften Suizidversuch unternommen, nachdem im Jahr zuvor eine Beckenvenenthrombose im linken Bein aufgetreten sei, die mit Marcumar behandelt worden sei. Zwischen dem 22. und 24. Lebensjahr habe sie verstärkt getrunken. Zwischenzeitlich habe sie dieses Problem weitgehend unter Kontrolle. Für den Verlauf der Behandlung wurde ausgeführt, mit Unterstützung des Therapeuten habe es die Klägerin geschafft, an ihren Vater einen "knallharten" Brief zu schreiben. Im Antwortschreiben sei ihr Vater mit keiner Silbe auf den Inhalt des Briefes eingegangen. Im Arztbrief der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik F. vom 14. Oktober 1999 betreffend die stationäre Behandlung vom 24. September bis 14. Oktober 1999 wurden die Diagnosen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderlein-Typus und eines Faktor V-Mangel APC-Resistenz gestellt. Der Entlassbericht der psychosomatischen Fachklinik B. D. vom 25. Februar 2000 betraf die stationäre Behandlung der Klägerin vom 14. Oktober 1999 bis 2. Februar 2000. Darin wurden als Diagnosen eine schwere depressive Episode, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und eine Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung genannt. Die Klägerin habe angegeben, von 1984 bis 1986 immer viel Alkohol konsumiert zu haben, heute nur noch ganz selten Alkohol zu trinken, jedoch 30 bis 40 Zigaretten täglich zu rauchen. Von 1979 bis 1982 habe sie einen Medikamentenmissbrauch betrieben. Im Arztbrief des Zentrums für Psychiatrie E. vom 4. Februar 2002 betreffend die stationäre Behandlung vom 23. bis 28. Januar 2002 wurde als Diagnose eine depressive Krise mit Suizidalität im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung genannt.
Auf Anforderung des Beklagten machte die Klägerin am 14. Juli 2002 nähere Angaben zum Missbrauch durch den Großvater. Mit Schreiben vom 23. September 2002 nahm die Dipl.-Psychologin Dr. P.-H. ihre dem Beklagten gegebene Zusage, ein aussagepsychologisches Gutachten über die Klägerin zu erstellen, zurück. Sie habe die Akte gründlich durchgelesen. Die nach strafrechtlichen Maßstäben durchzuführende Exploration wäre äußerst umfangreich und für die Klägerin psychisch belastend. Hauptschwierigkeit sei, dass es sich um eine offenbar schwer traumatisierte Persönlichkeit mit der Diagnose einer ausgeprägten Borderline-Persönlichkeitsstörung handle. Damit gelange sie an die Grenzen ihrer Beurteilungsmöglichkeiten. Zusätzlich erschwerend sei, dass die gesamten Erlebnisse sehr weit zurücklägen, zwischenzeitlich viel Therapiearbeit stattgefunden und sich die Klägerin intensiv mit der Missbrauchsthematik vertraut gemacht habe. In vergleichbaren Fällen, in denen sie im Strafrecht damit zu tun gehabt habe, habe dies dazu geführt, dass eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung nicht möglich gewesen sei. In der Annahme, die Glaubhaftigkeitsfrage werde in einem OEG-Verfahren nicht so eng wie im Strafrecht gesehen, schlug sie vor, ein Gutachten durch einen traumatologisch erfahrenen Gutachter über die Frage der Glaubwürdigkeit der Person und weniger über die Glaubhaftigkeit sämtlicher Einzelbekundungen erstellen zu lassen.
Auf die schriftliche Befragung teilte der Bruder der Klägerin am 14. Januar und 27. Februar 2003 unter anderem mit, das Verhältnis seitens der Eltern zu den Kindern könne als liebevoll und verständnisvoll bezeichnet werden. Seine Schwester habe Probleme in der Schule und im Berufsleben gehabt.
Im Rahmen einer mündlichen Anhörung führte die Klägerin am 14. März 2003 aus, im Jahr 1989 sei sie erstmals auf mögliche sexuelle Gewalterfahrungen von einem Gynäkologen, der sie wegen Fertilitätsstörungen behandelt habe, angesprochen worden. An diesem Tag habe sie im Behandlungszimmer auf den Arzt gewartet, dieser sei von hinten an sie herangetreten, worauf sie blitzartig in eine Zimmerecke geflüchtet sei, sich dort hingekauert habe und spontan von sich gegeben habe: "Papa tu mir nichts!" Daraufhin habe sie der Gynäkologe in ambulante therapeutische Behandlung geschickt. Damals habe sie erstmals den Missbrauch verbalisieren können. Bei der Anhörung übergab sie ein schriftliches Telefonprotokoll über ein Telefonat, dass ihr damaliger Ehegatte mit ihrem Vater am 10. Februar 1991 geführt habe. Dabei ging es u.a. um den Brief, den die Klägerin in der Klinik O. an den Vater geschrieben hatte.
Mit Schreiben vom 6. März 2003 äußerte sich der neue Lebensgefährte der Klägerin Herr F ...
Mit Bescheid vom 13. Juni 2003 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Versorgung nach dem OEG bezogen auf die behaupteten Tätlichkeiten ihres Großvaters wegen objektiver Beweislosigkeit ab. Die Angaben der Klägerin zum Zeitraum des sexuellen Missbrauchs im Rahmen der Behandlung in der Klinik O. im Jahr 1991 und im OEG-Antrag im Jahr 1999 seien widersprüchlich. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe die schädigenden Handlungen detailreich beschrieben. Von den zeitlichen Angaben, die sie in der Klinik O. gemacht habe, habe sie sich distanziert. Damals sei die zeitliche Einordnung völlig nachrangig gewesen. Im Vordergrund habe die Möglichkeit gestanden, überhaupt in verbalisierter Form über das Erlebte zu berichten. Der Bruder der Klägerin habe sich an den geschilderten Sachverhalt nicht erinnert. Die herangezogenen Zeugen seien Familienangehörige, deren Aussagen aufgrund fehlender Objektivität oder Distanz nicht unbedingt geeignet seien, die Angaben der Klägerin zu entkräften. Insbesondere in Inzestfamilien bestehe eine kranke Familieneinheit.
Die Klägerin legte noch den Abschlussbericht über die vom 5. November bis 16. Dezember 2003 im Arbeitstrainings- und Therapiezentrum, Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke und Behinderte Saarbrücken durchgeführte medizinische Belastungserprobungsmaßnahme vom 20. Januar 2004 bei. Die Klägerin habe körperliche Misshandlungen und sexuellen Missbrauch aus den Jahren 1973 bis 1983 geschildert. Sie habe den Vater stets als dominant und gewaltbereit erlebt, seine Partnerschaft mit außerehelichen Sexualkontakten als verletzend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2004 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 3. Januar 2002 und 13. Juni 2003 zurück. Es lasse sich nicht feststellen, dass die seelische Störung aus Gewalttaten im Sinne des OEG resultiere. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihren Vater hätten keinen hinreichenden Beweis für eine Anklage erbracht. Hinsichtlich der Anschuldigung gegenüber ihrem Großvater habe kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren stattgefunden. Die Erstellung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens sei gescheitert. Dessen ungeachtet seien ihre Angaben von ihrer Mutter und ihrem Bruder nicht bestätigt worden. Selbst wenn man unterstelle, dass diese Dritte schützen wollten, gäben die eigenen Angaben der Klägerin kein einheitliches Bild und seien auch nicht widerspruchsfrei. Auch aus dem beschriebenen Krankheitsbild "Borderline-Persönlichkeitsstörung, endogene Depression" könne nicht zwingend auf sexuellen Missbrauch geschlossen werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. September 2004 beim Sozialgericht F. (SG) Klage erhoben. Der Beklagte habe seine Amtsermittlungspflicht nicht umfassend erfüllt. Die Klägerin legte das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 18. August 2004 vor. In der Anamnese heißt es, die Klägerin habe mitgeteilt, sie sei erstmals 1989 von einer Gynäkologin, die sie wegen unerfülltem Kinderwunsch aufgesucht habe, gefragt worden, ob sie eine Vorgeschichte sexuellen Missbrauchs gehabt habe. Seither sei sie immer wieder in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Von den im Februar 1996 geborenen Zwillingen habe sie von Anfang an den jüngeren, den sie auch körperlich misshandelt habe, abgelehnt. Im Jahr 2002 habe sie erneut einen Selbstmordversuch unternommen. Diagnostisch wurde eine Borderlinestörung und ein Verdacht auf eine schwere posttraumatische Störung mit Persönlichkeitsänderung nach sexuellem Missbrauch genannt. Im ebenfalls vorgelegten Abschlussbericht über ein vom 21. April bis 14. Juli 2004 im beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum KarlsB.-L. durchgeführtes Arbeitstraining vom 2. September 2004 wird erwähnt, mit dem Arbeitstherapeuten sei es wiederholt zu Missverständnissen, die eine paranoide Wahrnehmungsverzerrung erkennen ließen, gekommen. Mit Urteil vom 15. April 2005 wies das SG die Klage ab. Es fehle bereits an dem Vollbeweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs. Eine Beweiserleichterung komme nicht in Betracht. Nach Würdigung der Beweismittel könne nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die von der Klägerin beschriebenen Taten geschehen seien. Ein Glaubwürdigkeitsgutachten sei ungeeignet, den erforderlichen Vollbeweis zu erbringen.
Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 29. April 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Mai 2005 beim SG Berufung eingelegt. Sie bestreitet die Aussagen ihrer Familienangehörigen. Deren Aussageverhalten sei typisch für eine Inzestfamilie. Sinngemäß habe ihre Mutter im Jahr 1991 telefonisch die Möglichkeit eingeräumt, dass es "so" gewesen sein könnte. Die von Dr. W. in dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten eingeschätzte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei zu niedrig bemessen. Aus den beigezogenen Unterlagen von Dr. K. ergebe sich, dass über den sexuellen Missbrauch bereits ab dem Jahr 1989 gesprochen worden sei. Ergänzend hat die Klägerin einen im Jahr 1990 verfassten, umfangreichen Lebenslauf vorgelegt. Hierzu weist sie darauf hin, der Lebenslauf sei unter der Prämisse des unerfüllten Kinderwunsches und eines "Therapeutenantrags" verfasst worden. Hieraus erkläre sich die teilweise zu positive "Heile-Welt-Vorstellung". Die Klägerin hat ferner die ärztliche Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten Kurz vom 18. Mai 2007 vorgelegt. Sie präzisiert, sie habe die Behandlung bei Dr. K. aufgenommen, nachdem sie schon 15 Sitzungen ab Frühjahr 1989 bei einer anderen Therapeutin absolviert hatte. Verzögerte Erinnerung seien bei Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit einer dissoziativen Identitätsstörung häufig anzutreffen. Nach neuen, groß angelegten Studien sei ein sexueller Missbrauch ein sehr hoher Risikofaktor für Störungen, wie sie bei ihr vorlägen. Eine weitere Begutachtung sei angemessen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts F. vom 15. April 2005 und unter Aufhebung der Bescheide vom 3. Januar 2002 und 13. Juni 2003, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2004 zu verurteilen, den Bescheid vom 16. Februar 2001 zurückzunehmen und ihr Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen um mindestens 60 ab 1. August 1999 zu zahlen, hilfsweise ein traumatologisches Gutachten beim Traumatologischen Institut Köln einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. St. vom 11. August 2006 und 26. September 2007 vorgelegt. Diese gelangte zu der Einschätzung, es spreche mehr dafür als dagegen, dass die in der O.klinik 1991 genannten schädigenden Vorgänge glaubhaft seien. Sie könnten jedoch nicht als wesentliche Teilursache der diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung gewertet werden. Es sei spekulativ, aus den 1991 dokumentierten, insgesamt unscharfen Angaben den Schluss zu ziehen, sexuelle Missbrauchshandlungen seien eine wesentliche Teilursache der gutachterlich bestätigten Borderlinepersönlichkeitsstörung. Im Übrigen verwies sie auf die ebenfalls vorgelegte Stellungnahme der Dipl.-Psychologin - Regierungsrätin - Sch. vom 27. November 2006. Dr. W. habe die Mehrbelastungshypothese, die nicht zu verwerfen sei, nicht geprüft. Nicht nur die Aussageinkonstanz gebe einen Hinweis auf ein allmähliches Entwickeln der Aussage in Richtung Mehrbelastung, sondern auch die von der Klägerin nach 1987 an die Eltern geschriebenen herzlichen Briefe. Ihre Einlassung hierzu, dieses Verhalten entspringe eventuell ihrer unerfüllt gebliebenen Sehnsucht nach ein bisschen familiärer Normalität bzw. sie habe gedacht, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen zu müssen, ließe sich noch mit einem eher zeitlich begrenzten Missbrauchshintergrund in einen plausiblen Kontext bringen, nicht aber mit den letztlich vorgebrachten mehrjährigen, massiven und zerstörerischen Misshandlungen und Übergriffen. Es sei nicht mehr entscheidbar, welcher "Kern" der ursprünglichen Erlebnisbasis entspreche und welche Erweiterungen nachträglich hinzugekommen seien. Denkbar als Erlebniskern seien durchaus Handlungen, Verbalisierungen, Vernachlässigung, Instrumentalisierung unterhalb der strafrechtlich relevanten Schwelle, die gleichwohl zerstörerisch und pathogen für das heranwachsende Kind seien. Ferner hat der Beklagte die weitere Stellungnahme von Dipl.-Psych. Sch. vom 15. April 2008 vorgelegt. Das Gutachten von Dr. W. weise hinsichtlich der Dokumentation der Exploration methodische Mängel auf. Auch unter Berücksichtigung des handschriftlichen Lebenslaufs lasse sich die Mehrbelastungshypothese nicht verwerfen. Von einem glaubhaften Kernsachverhalt, der in seiner Konkretheit sowohl eine Zuordnung zum OEG-Schutzbereich als auch eine medizinische Kausalitätsbeurteilung ermögliche, könne nicht ausgegangen werden.
Der Senat hat umfangreiche Unterlagen der ehemaligen Groddeck-Klinik F. betreffend die Zeit ab April 1997 beigezogen. Unter anderem wurde die Klägerin dort vom 22. April bis 14. November 1997 stationär behandelt, nachdem es im Rahmen eines schweren Erregungszustandes zu Gewalttätigkeiten gegenüber ihren vierzehn Monate alten Zwillingen gekommen war.
Der Senat hat handschriftliche Aufzeichnungen von Dr. K. über die Therapie in den Jahren 1989 und 1990 beigezogen, ferner die Verwaltungsakte der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Im Gutachten vom 4. November 2004 hatte Dr. Sch.-B. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Er sah sich aufgrund der einmaligen Begutachtung und nicht ausreichend aussagekräftiger Unterlagen im Rahmen des Rentenverfahrens nicht in der Lage zu beurteilen, worauf diese zurückzuführen sei. Ihm gegenüber hatte die Klägerin angegeben, mit ca. 18 Jahren vom Vater vergewaltigt worden zu sein. Ihr Großvater habe sie in den Jahren 1972 bis 1979 missbraucht. Von ihrem ersten Freund sei sie im 22. Lebensjahr vergewaltigt worden. Dr. K. (Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) hatte im Gutachten vom 29. März 2006 ausgeführt, diagnostisch liege eine Borderlinepersönlichkeitsstörung vor, wobei Traumatisierungen in der Kindheit und Jugend maßgebend zur Entwicklung beigetragen hätten. Es lägen jedoch auch psychologische Dispositionen vor, weil sie schon als Kind sehr impulsiv und erregbar gewesen sei. In diesem Zusammenhang seien auch Konzentrationsstörungen und eine Affektlabilität aufgefallen, die als physiologische Risikofaktoren für die spätere Borderline-Störung zu werten seien.
Im Auftrag des Senats hat Dr. W. (Arzt für Psychiatrie, forensische Psychiatrie) das forensich-psychiatrische Gutachten vom 10. Juli 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 22. Juli 2007 erstellt. Bei der Klägerin liege eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetypus vor. Sie reiche bis in die frühe Adoleszenz zurück und gehe mit erheblichen persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Am Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bestünden erhebliche Zweifel. Die Diagnose-Kriterien seien nicht hinreichend erfüllt. Die Klägerin sei aussagetüchtig. Die Aussagequalität ergebe ein inhomogenes Bild. Hinsichtlich der zeitlichen Dauer der vorgetragenen sexuellen Missbrauchshandlungen sei von einer gewichtigen Aussageinkonstanz auszugehen. Eine relative Konstanz finde sich, wenn man die Aussage-Analyse auf den Zeitraum seit 1997 beschränke. Es bestünden mehrere positive Glaubwürdigkeitsmerkmale wie strukturelle Aussagedetailliertheit, eigenpsychische Komplikationsketten, Erlebnisfundiertheit und eine Selbstbelastung. Die positiven Glaubwürdigkeitsmerkmale würden die Glaubwürdigkeits-Bedenken überwiegen. Hinsichtlich der Aussagezuverlässigkeit könnten eine fehlerhafte Interpretation oder Missverständnisse des Verhaltens der Beschuldigten, eine unbewusste und unabsichtliche fälschliche Übertragung von Erlebnissen mit anderen Personen auf die Beschuldigten und frei erfundene Angaben beispielsweise aus Rachemotiven ausgeschlossen werden. Näherer Betrachtung bedürfe jedoch die Suggestionshypothese. Vor allem das Wiederauftauchen von Erinnerungen an sexuellen Missbrauch in der Kindheit nach einer beträchtlichen Zeit des Vergessens sei Gegenstand kontroverser Betrachtungen. Unter anderem werde von einer wachsenden Epidemie erzeugter falscher Erinnerungen gewarnt. Exakte wissenschaftliche Daten stünden nicht zur Verfügung. Erinnern sei immer ein aktiver, rekonstruktiver Prozess und kein identischer Abruf vergangener Erfahrungen. Bei der Klägerin komme eine erhebliche psychische Problematik in Form einer Borderline-Persönlichkeitsstörung hinzu. Sie sei eventuell in erhöhtem Maße selbst- und fremdsuggestiven Einflüssen ausgesetzt. Zwar fänden sich in der biographischen Anamnese von Borderline-Patientinnen gehäuft sexuelle Missbrauchserfahrungen. Der Umkehrschluss, dass einer Borderline-Störung immer eine Vorgeschichte (sexueller) Traumatisierung zugrunde liegen müsse, sei aber eindeutig abzulehnen. Gegen eine Suggestionshypothese spreche, dass die Klägerin ihren Angaben zufolge ihrem späteren Ehemann noch vor der Eheschließung zumindest andeutungsweise von ihrem innerfamiliären sexuellen Missbrauch berichtet haben solle und ein Tagebucheintrag am 9. Juli 1986, der auf die Missbrauchsthematik hinweise: "Ich habe Angst, ein Baby von ihm (- das heißt S. G.- ) zu bekommen und verkrampfe mich. Erinnerungen an Opa Karl und Papa". Diese Aspekte ließen eine Suggestionshypothese als ausgesprochen unwahrscheinlich erscheinen. Schwierig zu beantworten sei, ob es möglicherweise aufgrund eines tatsächlich erlittenen Missbrauchs im weiteren Verlauf zu einer Ausweitung der von der Klägerin erhobenen Tatvorwürfe gekommen sei. Insgesamt spreche mehr dafür als dagegen, die belastenden Einlassungen der Klägerin als hinreichend glaubwürdig einzustufen. Damit solle dem Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung nicht vorgegriffen werden. Auch eine Aussage, bei der mehrere Glaubwürdigkeitsmerkmale erfüllt seien, könne gleichwohl unwahr sein. Aus methodischen Gründen sei bewusst darauf verzichtet worden, die in den Akten enthaltenen Zeugenaussagen einer Bewertung zu unterziehen. Vor dem Hintergrund der Daten zu ihrer Erwerbsbiographie schätzte er die durch die mutmaßlichen Missbrauchshandlungen bedingte MdE auf 10 bis 20 v.H. ein. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte er aus, eine exakte Gewichtung einzelner Belastungsfaktoren hinsichtlich der Genese der Borderline-Persönlichkeitsstörung sei nicht möglich. Der Versuch einer derartigen prozentualen Gewichtung würde den Bereich seriös-wissenschaftlichen Argumentierens verlassen. Es müsse allerdings von einem überaus komplexen Ineinandergreifen von sich wechselseitig verstärkenden sexuell traumatisierenden und nicht-sexuellen Belastungsfaktoren ausgegangen werden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. März 2008 hat der Senat die Klägerin angehört.
Der Senat hat den Frauenarzt Dr. K. und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. M. hat sich nicht mehr in der Lage gesehen, zu früheren Behandlungen der Klägerin eine Aussage zu machen. Dr. K. hat in seinen Schreiben vom 7. und 22. April 2008 ausgeführt, im Vordergrund der Behandlung habe der zwanghafte Kinderwunsch mit erheblichen Störungen im aggressiven Bereich gestanden. Die Klägerin habe ihm den Missbrauch anlässlich der Erstkonsultation von sich aus mitgeteilt.
In dem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. September 2008 hat der Senat die Eltern der Klägerin W. und M. S. sowie den Bruder der Klägerin R. S. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Der Vater der Klägerin hat einen Auszug aus einer Illustrierten sowie den Brief der Klägerin vom 9. Februar 1991 zur Akte gereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die beigezogene Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund (vormals BfA), die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaften Bonn (20 Js 91/00) und Köln (173 Js 1113/99) sowie auf die Gerichtakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente. Denn es ist nicht festzustellen, dass der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 16. Februar 2001 unrichtig war (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Der Beklagte hat dessen Rücknahme daher zu Recht abgelehnt (Bescheid vom 3. Januar 2002) und auch zu Recht mit dem Bescheid vom 13. Juni 2003 einen Rentenanspruch verneint.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Der Senat konnte sich keine Überzeugung vom Vorliegen eines oder mehrerer solcher Angriffe verschaffen. Er muss vielmehr einräumen, nicht feststellen zu können, dass die Behauptungen der Klägerin zu den sexuellen Übergriffen ihres Vaters und ihres Großvaters in vollem Umfang oder zumindest teilweise zutreffend sind. Nach Auswertung des umfangreichen Aktenmaterials und unter Berücksichtigung der Aussagen der als Zeugen gehörten Eltern der Klägerin und ihres Bruders hält es der Senat zwar durchaus für möglich, dass die von der Klägerin geschilderten Ereignisse jedenfalls zum Teil vorgefallen sind. Jedoch hält es den Senat ebenso für möglich, dass dies gerade nicht der Fall war. Damit vermag der Senat auch kein hinreichend fassbares Kerngeschehen zu beschreiben und festzustellen, um beurteilen zu können, ob die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit einem oder mehreren schädigenden Ereignissen im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG stehen.
In der Regel muss der Schädigungstatbestand gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, wie es für soziale Leistungsansprüche allgemein gilt, zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht das zu Lasten desjenigen, der eine Leistung aus diesem Schädigungstatbestand begehrt (objektive Beweis- und Feststellungslast).
Allerdings kann - worauf das SG nicht eingegangen ist - auch die Beweiserleichterung aus § 15 Abs. 1 KOV-VfG Berücksichtigung finden. Nach dieser Vorschrift können der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zu Grunde gelegt werden, wenn Unterlagen nicht vorhanden sind oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind. Diese Vorschrift gilt gem. § 6 Abs. 3 OEG auch für die Entschädigung nach dem OEG und nicht nur im Verwaltungsverfahren, sondern auch im gerichtlichen Verfahren. Die Anwendung des § 15 KOV-VfG setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann (BSG Urteil vom 28. Juni 2000, B 9 VG 3/99 R, zitiert nach Juris, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Ausreichend ist bei der Anwendung dieser Beweiserleichterung, dass die Angaben glaubhaft gemacht sind, d.h. dass die gute Möglichkeit besteht, dass der Vorgang sich so zugetragen haben könnte, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, zitiert nach Juris).
Auch bei Anwendung dieses erleichterten Beweismaßstabs gelangt der Senat zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis, denn wie bereits ausgeführt, hält er es zwar für möglich, dass sie in ihrer Kindheit von ihrem Vater (und ihrem Großvater) sexuell missbraucht wurde, er hält jedoch ebenso auch das Gegenteil für möglich. Diese Unsicherheit geht damit einher, dass selbst ein hinreichend klares Kerngeschehen nicht festgestellt werden kann. Ein solches Kerngeschehen ist als Anknüpfungspunkt für die Feststellung eines konkreten tätlichen Angriffs, dessen Folgen zu entschädigen wären, aber unabdingbar.
Die Schilderungen der Klägern zu sexuellen Übergriffen durch ihren Vater und ihren Großvater erscheinen auf den ersten Blick sehr plastisch. Allerdings bleiben doch verschiedene Zweifel bezüglich der Richtigkeit des umfangreichen Vorbringens der Klägerin. Soweit der Sachverständige Dr. W. dargelegt hat, dass trotz der aufgetretenen erheblichen Aussageinkonstanz hinsichtlich der Dauer des Zeitraums, über den sich die von der Klägerin vorgetragenen sexuellen Missbrauchshandlungen erstreckt haben, die aus seiner Sicht gegebenen positiven Glaubwürdigkeitsmerkmale einer strukturellen Aussagedetailliertheit, eigenpsychischer Komplikationsketten, Erlebnisfundiertheit und Selbstbelastung die Glaubwürdigkeitsbedenken überwiegen, kann der Senat dem nicht in jeder Hinsicht folgen. Er berücksichtigt dabei u. a. die Ausführungen der Dipl.-Psych. Sch., die in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2008 zu Recht eingewandt hat, dass es aufgrund der aufgetretenen Widersprüche und einer - auch aus Sicht des Senats - nahezu als sicher anzusehenden Ausweitung der Aussage nicht mehr möglich ist, von einem hinreichend klaren, im Sinne § 15 KOV-VfG gut möglichen "Kerngeschehen" auszugehen. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, ein solches Kerngeschehen als tätlichen Angriff oder Angriffe abzugrenzen und als Schädigungstatbestand einer Entscheidung zugrunde zu legen. Aus eben diesem Grund hat auch Dipl.-Psych. P.-H. im Schreiben vom 23. September 2002 die Erstellung eines Gutachtens gegenüber dem Beklagten abgelehnt. Sie verwies hierzu darauf, dass in vergleichbaren, strafrechtlichen Fällen, in denen auch eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (angesichts dieser so gut wie durchgängig gestellten Diagnose sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt, dass auch der Senat vom Vorliegen dieses Krankheitsbilds ausgeht) und eine bereits stattgefundene erhebliche Therapiearbeit vorlagen, keine zuverlässige Beurteilung mehr möglich war. Auch Dr. W. hat bei der Prüfung der Aussagezuverlässigkeit gerade auch der Suggestionshypothese ein besonderes Augenmerk gewidmet. Angesichts des langen Zeitraums zwischen der vorgetragenen Schädigung und dem Zeitpunkt der strafrechtlichen Anzeigenerstattung, diverser psychotherapeutischer Interventionen, selbstständigem intensiven Befassen der Klägerin mit der Missbrauchsthematik und der Borderlinestörung ist es wahrscheinlich, dass aufgrund fremd- und eigensuggestiver Einflüsse sog. falsche Erinnerungen entstanden sind. Zwar schließt Dr. W. aus, dass es sich bei sämtlichen Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch um falsche Erinnerungen handelt. Allerdings schließt er nicht aus, dass es auf der Grundlage eines tatsächlich erlittenen innerfamiliären Missbrauchs im weiteren Verlauf zu einer Ausweitung der erhobenen Tatvorwürfe gekommen ist, in deren Zuge erlebnisbasiertes Material und nachträgliche Deck-Erinnerungen sich überlagert haben könnten. Eine solche Entwicklung beschreibt auch die Dipl.-Psychologin Sch ... Sowohl aus der von Dr. W. beschriebenen und nicht für ausreichend erklärbar erachteten Inkonstanz hinsichtlich der Tatzeiträume - aus einem im Jahr 1991 angegebenen Zeitraum von 2 ¾ Jahren wurde im Antrag im Jahr 1999 ein Zeitraum von 13 Jahren - als auch aus den herzlichen Briefen an die Eltern im Jahr 1987 muss auf eine fremd- oder eigensuggestiv bedingte Ausweitung der Tatvorwürfe geschlossen werden. Zu Recht weist Dipl.-Psychologin Sch. darauf hin, dass die von der Klägerin für die Briefe im nachhinein abgegebene Erklärung nicht mit den letztlich vorgetragenen mehrjährigen, massiven und zerstörerischen Misshandlungen und Übergriffen in Einklang gebracht werden kann. Zudem beschränkte die Klägerin anlässlich der Begutachtungen im Rentenverfahren (Gutachten Dr. Sch.-B. vom 4. November 2004, Gutachten Dr. K. vom 29. März 2006) ihren Tatvorwurf gegen ihren Vater auf eine Vergewaltigung im 18. Lebensjahr, was angesichts des im Antrag genannten Zeitraums von 1976-1985 eine weitere, nun auch - entgegen dem Hinweis von Dr. W. - nach dem Jahr 1997 aufgetretene zeitliche Inkonstanz darstellt.
Für eine erhebliche, nicht auf tatsächlich Erlebtem beruhende Ausweitung der Tatvorwürfe sprechen weitere Widersprüche, die sich aufgrund der Angaben in dem nach der Erstellung des Gutachtens durch Dr. W. vorgelegten Lebenslauf aus dem Jahr 1990 ergeben. In der Anzeige vom 19. Juli 1999 behauptete die Klägerin, sie sei 1966 von ihrer Mutter mit heißem Wasser verbrüht worden - es habe sich um keinen Unfall gehandelt. Den gleichen Vorfall schilderte die Klägerin im Lebenslauf wie folgt: " Als ich mir meine Schulter mit siedend heißem Wasser verbrannte, weinte sogar meine Mutter und überschüttete mich mit Zärtlichkeit und Liebe". Die Schilderungen der Klägerin zu diesem Vorfall, bei dem sie erst 3½ Jahre alt war, in der Verhandlung vom 13. März 2008 waren von einem nicht nachvollziehbaren Erinnerungsvermögen gekennzeichnet. Die Behauptung, die Mutter habe die Klägerin durch Verbrühen bestraft, da sie zu laut mit ihrem Bruder gespielt habe, ist nicht plausibel. In der Schilderung des Missbrauchs durch den Großvater gab die Klägerin im Schreiben vom 14. Juli 2002 an, sie könne (wegen des Zusammenhangs mit dem vorgetragenen Geschehen) bis heute keinen Flieder riechen, ihr werde schlecht davon. Im Lebenslauf aus dem Jahr 1990 erwähnte sie: " wollte ich meiner Oma Flieder schenken, für den ich schon damals schwärmte". In der Strafanzeige vom 19. Juli 1999 schilderte sie detailliert einen sexuellen Missbrauch durch ihren Vater während des Portugalurlaubs im Jahr 1998. In der Beschreibung dieses Urlaubs im Lebenslauf ist zwar eine tätliche und verbale Konfrontation mit dem Vater enthalten, jedoch kein sexueller Missbrauch. Eine verständliche Erklärung für diesen Widerspruch konnte die Klägerin auch im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung durch den Senat nicht geben. Widersprüche bestehen auch hinsichtlich des angezeigten sexuellen Missbrauchs während eines Krankenhausaufenthalts im Jahr 1985, der sich trotz eingehender Beschreibung dieses Aufenthalts im Lebenslauf nicht wiederfindet. Auch die Ausführungen in der Anzeige zu einer Vergewaltigung durch ihren Freund im Jahr 1984 können nicht mit dem Inhalt des Lebenslaufs in Übereinstimmung gebracht werden, vielmehr ist eine Verschiebung von Geschehensabläufen festzustellen. Im Lebenslauf berichtete die Klägerin zwar ausführlich, der Geschlechtsverkehr sei eine Qual für sie gewesen, gleichwohl habe sie ihren Freund nicht verlieren wollen. Eine Bewertung als Vergewaltigung - wie sodann in der Anzeige - nahm sie aber in keiner Weise vor. Soweit sie in der Anzeige berichtete, sie sei ausgerastet und habe ihren Freund "mit einem Messer bedroht, ihm meine Faust auf die Nase gesetzt", findet sich im Lebenslauf eine ganz andere Darstellung. Dort schrieb die Klägerin, sie habe einer anderen Frau, auf die sie eifersüchtig gewesen sei, in das Gesicht geschlagen und "wollte mit dem Messer auf sie einstechen". In diese Richtung ging auch die Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2008.
Auch das Vorbringen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren, sie sei im Jahr 1989 von ihrem Gynäkologen Dr. K., nachdem sie auf sein Erscheinen panikartig mit den Worten "Papa tu mir nichts" reagiert habe, erstmals auf eine mögliche sexuelle Gewalterfahrung angesprochen worden, ließ sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigen. Vielmehr geht der Senat aufgrund der schriftlichen Zeugenaussage von Dr. K. davon aus, dass ihm die Klägerin von sich aus bei der Erstkonsultation am 8. November 1989 von einem Missbrauch berichtet hat. Die im Rahmen der Anhörung vom 14. März 2003 plastisch von der Klägerin geschilderte Situation bei Dr. K. hat sich zur Überzeugung des Senats tatsächlich so nicht zugetragen. Auch dies hat den Senat veranlasst, an anderen von der Klägerin, ebenfalls äußerst plastisch geschilderten Geschehnissen zu zweifeln. In diesem Zusammenhang räumte die Klägerin zuletzt schließlich sogar ein, dass sie nicht von Dr. K. erstmalig in eine Psychotherapie überwiesen wurde, eine solche vielmehr bereits seit dem Frühjahr 1989 stattgefunden habe.
Diese Widersprüche sind aus Sicht des Senats bedeutend. Entgegen der Auffassung von Dr. W. kann vor diesem Hintergrund das Glaubwürdigkeitskriterium der strukturellen Aussagedetailliertheit nicht als erfüllt angesehen werden.
Soweit Dr. W. als ein wichtiges Argument gegen die Suggestionshypothese anführt, die Klägerin habe ihren Angaben zufolge ihrem späteren Ehemann noch vor der Eheschließung zumindest andeutungsweise von ihrem innerfamiliären sexuellen Missbrauch berichtet, stimmt dies zwar mit den Angaben im Lebenslauf überein: "Ich erzählte ihm (S. G.) die Geschichte mit meinem Opa und meinem Vater, ich vertraute mich das erste Mal jemanden an und er verstand, warum ich nur oberflächliche Zärtlichkeiten bisher zugelassen habe". Dieses Anvertrauen kann jedoch nicht mit der Stellungnahme, die S. G. am 23. Januar 2002 gegenüber dem Beklagten abgegeben hat, in Einklang gebracht werden. Darin zeigte er sich ersichtlich ohne eigene Kenntnis und versuchte aus verschiedenen Hilfstatsachen Argumente für die Glaubwürdigkeit der von seiner früheren Ehefrau erhobenen Vorwürfe herzuleiten. Angesichts der Tragweite einer vertraulichen Mitteilung über einen (über Jahre hinweg) erlittenen sexuellen Missbrauch kann ausgeschlossen werden, dass S. G. dies nach ca. fünf Jahren vergessen haben könnte.
Aufgrund der bei der Klägerin bestehenden Borderlinestörung ist - was Dr. W. jedenfalls andeutet und was schon oben erwähnt wurde - in erhöhtem Maße anzunehmen, dass die Klägerin fremd- und selbstsuggestiven Einflüssen ausgesetzt ist. So werden im Abschlussbericht des Arbeitstrainings- und Therapiezentrums Saarbrücken vom 20. Januar 2004 bei der Klägerin u.a. im formalen Gedankengang immer wiederkehrende Phasen einer Denkbeschleunigung bei großer Fülle der Einfälle und wiederkehrender Gedanken sowie in Situationen psychischer Überforderung eine affektive Dysregulation mit dramatisierenden Darstellungen beschrieben. Im Kostenübernahme-Verlängerungsantrag der Groddeck-Klinik vom 12. September 1997 wird ausgeführt, die Klägerin sei zeitweise auch wieder von massiven Flash-backs von Misshandlungs- und Missbrauchsszenen überflutet worden. Im ärztlichen Bericht des Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrums KarlsB.-L. vom 2. September 2004 wird von wiederholten Missverständnissen mit dem Arbeitstherapeuten, die eine paranoide Wahrnehmungsverzerrung hätten erkennen lassen, berichtet.
Somit bleibt als Argument gegen eine - vollumfängliche - Suggestionshypothese zwar der Tagebucheintrag vom 9. Juli 1986. Dieser stammt allerdings zum einen aus einer Zeit vermehrten Alkoholkonsums. Zum anderen kann auch aus diesem Eintrag nicht auf ein konkretes schädigendes Ereignis geschlossen werden. Daneben liegen noch die handschriftlichen Aufzeichnungen von Dr. K. vor, aus denen auch noch aus der Zeit des Therapiebeginns auf eine sexuelle Belästigung geschlossen werden kann, wobei sich jedoch zuletzt herausstellte, dass Dr. K. nicht der zuerst behandelnde Psychotherapeut war. Seiner Behandlung waren bereits 15 Therapiestunden bei einer anderen Psychotherapeutin vorausgegangen. Zudem geht aus den Aufzeichnungen von Dr. K. "nur" eine sexuelle Belästigung hervor, im Jahr 1991 lag - worauf Dr. St. in der Stellungnahme vom 11. August 2006 hinweist - nur eine konkrete Angabe zu einer versuchten Vergewaltigung vor. Zu Recht bezeichnet Dr. St. den Sachverhalt in ihrer Stellungnahme vom 26. September 2007 als unscharf und hält die gutachtliche Schlussfolgerung, dass allein der im Jahr 1991 in der O.klinik angegebene Missbrauchsumfang geeignet sei, die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wesentlich mitzubedingen für spekulativ. Davon abzugrenzen sind im Übrigen die von Dr. Sch. angesprochenen gut möglichen familiären Belastungen unterhalb der hier maßgeblichen strafrechtlich relevanten Schwelle.
Auch die Vernehmung des Bruders und der Eltern der Klägerin hat im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines sexuellen Missbrauchs zu keiner weiteren Klärung beigetragen. Aufgrund der Aussagen aller Zeugen steht für den Senat fest, dass die Erziehung der Klägerin und ihres Bruders autoritär geprägt war und es auch zu körperlichen Züchtigungen sowohl von Seiten des Vaters als auch der Mutter gekommen ist. Der Senat kann sich dabei nicht des Eindrucks erwehren, dass der Bruder der Klägerin bei seiner Vernehmung eine starke Tendenz zeigte, seine Kindheit und Jugend in einem sehr günstigen Licht darzustellen. Er gab vor, sich kaum an körperliche Züchtigungen zu erinnern bzw. verteidigte die von ihm erinnerten Züchtigungen als gerechtfertigt und angemessen. Auch der Vater der Klägerin war aus Sicht des Senats bestrebt, das Thema körperliche Gewalt in der Erziehung herunterzuspielen. Demgegenüber wirkte die Aussage der Mutter deutlich authentischer. Sie räumte ohne Umschweife ein, dass die Kinder in entsprechenden Situationen auch "eine gefegt" bekamen, so wie sie es selbst in ihrer Kindheit erlebt hatte. Am offensichtlichsten stellte sich die Neigung des Bruders und des Vaters zum Verschweigen von Vorfällen, die möglicherweise ein schlechtes Licht auf die Atmosphäre in der Familie hätten werfen können, hinsichtlich der von der Klägerin und der geschiedenen Ehefrau des Bruders geschilderten Ohrfeige dar, die der Vater der Klägerin ihrem damals bereits über zwanzigjährigen Bruder im Sommerurlaub in Portugal gegeben hatte. Dieses Vorbringen wurde von der Mutter in ihrer Zeugenaussage klar bestätigt, so dass auch der Senat keinen Zweifel daran hat, dass sich dieser Vorfall ereignet hat. Dass sich der Bruder und der Vater der Klägerin daran nicht erinnern, ist für den Senat nicht glaubhaft. Die Aussage des Bruders der Klägerin erschien auch zum Teil in sich widersprüchlich. So hat er zunächst ausgeführt, von den Vorwürfen gegenüber seinem Vater und Großvater erstmals im Jahr 2003 erfahren zu haben. Nachfolgend gab er jedoch an, dass ihm seine Schwester vielleicht schon in den 90er Jahren etwas davon erzählt habe und er seinerzeit auch über ihren im Jahr 1991 verfassten Brief an den Vater informiert gewesen sei.
Der Inhalt dieses in der mündlichen Verhandlung vom Vater vorgelegten Briefes vom 9. Februar 1991 brachte keinen weiteren Erkenntnisgewinn. Denn auch darin berichtet die Klägerin von ihrer angeblich erstmaligen Überweisung durch den Gynäkologen an einen Psychotherapeuten und von der angeblichen Unterrichtung ihres damaligen Ehemannes über den sexuellen Missbrauch. Dies sind Umstände, die aus Sicht des Senats nicht zutreffend sind (s.o.). Aus diesem Grund muss auch der übrige Inhalt des Briefes in Frage gestellt werden.
Klar zu Tage getreten ist durch die Zeugenvernehmungen, dass in Kindheit und Jugend erhebliche Spannungen zwischen den Eltern und der Klägerin bestanden haben. Die Klägerin erfüllte die Leistungserwartungen der Eltern, auch im Vergleich zum Bruder, offensichtlich nicht. Auch mit der Auswahl ihrer Freunde und des Ehemanns waren die Eltern nicht einverstanden. Der Erziehungsstil war von Sanktionen und Repressionen einerseits, andererseits aber auch von großer Fürsorge und vielfältigen familiären Aktivitäten geprägt. Aus all dem kann jedoch nicht (ohne Weiteres) auf die gute Möglichkeit geschlossen werden, dass es auch zu einem sexuellen Missbrauch gekommen ist. Letzteres wurde vom Vater der Klägerin klar verneint, aber auch von dessen Ehefrau und dem Sohn für ausgeschlossen erachtet. Angesichts der genannten Bedenken hinsichtlich der Aussagen des Bruders und des Vaters hält es der Senat entgegen deren Aussagen zwar für denkbar, dass es gleichwohl zu sexuellen Missbrauchshandlungen - welcher Art auch immer - gekommen ist, jedoch lässt sich von dem eben beschriebenen Erziehungsstil und den genannten Spannungen nicht auf sexuelle Missbrauchshandlungen schließen, zumal der Erziehungsstil auch im damaligen zeitlichen Kontext zu sehen ist.
Die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung eines weiteren Gutachtens war trotz der verbliebenen Unsicherheit nicht angezeigt. Der Senat hat mit dem Gutachten von Dr. W. auch bereits zur Frage der Glaubwürdigkeit ihrer Angaben medizinischen Sachverstand eingeholt. Soweit der Senat der gutachtlichen Einschätzung von Dr. W. nicht folgt, steht dies im Einklang mit dessen Hinweisen, dass mit einem solchen Gutachten der richterlichen Beweiswürdigung nicht vorgegriffen werden kann und auch eine Aussage, bei der mehrere Glaubwürdigkeitsmerkmale erfüllt sind, gleichwohl unwahr sein könne. Vor diesem Hintergrund sind gerade auch die Erkenntnisquellen zu nennen, die dem Senat zur Verfügung standen, die Dr. W. jedoch noch nicht nutzen konnte. Zu nennen sind hier insbesondere der handschriftliche Lebenslauf der Klägerin und ihre eigene Anhörung durch den Senat sowie die Zeugenaussagen des Dr. K. und der Familienangehörigen der Klägerin. Die Feststellung der hier streitgegenständlichen Ereignisse, die als solche keine medizinischen Umstände darstellen, ist im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung vorzunehmen. Die Abweichung von der Auffassung von Dr. W. hat der Senat unter Anwendung der von ihm beschriebenen Kriterien und unter Bewertung der von ihm zu Grunde gelegten Tatsachen begründet. Weiterer medizinischer Sachverstand musste dazu nicht eingeholt werden.
Ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff ist mithin auch nach einem erleichterten Beweismaßstab nicht festzustellen. Ein Entschädigungsanspruch kommt bereits deswegen nicht in Betracht.
Die Berufung der Klägerin war nach alledem somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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