Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 42/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 U 80/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 1. August 2000 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Entschädigung des Klägers für Folgen eines am 04. Dezember 1972 eingetretenen Ereignisses.
Insbesondere begehrt der Kläger die Erstattung von Kosten zahnärztlicher Behandlung bzw. weitere Heilbehandlung für durch das Ereignis bedingte Zahnverluste.
Mit dem am 23. April 1999 bei der Beklagten eingegangen Antrag des Klägers auf Erstattung von Kosten zahnärztlicher Behandlung und auf "Kostenübernahmebestätigung" für eine "komplette Reparatur des gesamten Zahnersatzes" erhielt die Beklagte Kenntnis von einem Verkehrsunfall des Klägers vom 04. Dezember 1972. Nach der vom Kläger mit diesem Antrag eingereichten Unfallmeldung erlitt der am 31. August 1965 geborene Kläger am 04. Dezember 1972 um 16.05 Uhr in der E.-T. in B. einen Verkehrsunfall, bei dem er auf dem Weg "von der Schule nach Hause" von einem Moped angefahren wurde und den Bruch des Ober- und Unterkiefers und des Nasenbeins erlitt. Nach der von dem Kläger eingereichten Bescheinigung vom 02. April 1980, ausgestellt von Dr. Z, Poliklinik für orthopädische Stomatologie des Bereichs Medizin C. der H.-U. zu B. bescheinigte dieser einen unfallbedingten Verlust eines rechten oberen Schneidezahnes und eines linken unteren Schneidezahnes. In der zahnärztlichen Auskunft von Dr. Sch. vom 17. Mai 1999 bescheinigt dieser den Verlust der Zähne 11 und 21.
Nach einem eingereichten Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. Sch. vom 22. März 1999 beträgt ein Versichertenanteil des Klägers 127,82 DM (zahnärztliches Honorar und Laborkosten) und weiteren 35,06 DM als Versichertenanteil für zahnärztliches Honorar. Diese Beträge machte der Kläger mit seinem Antrag vom 20. April 1999 gegenüber der Beklagten geltend.
Der Kläger teilte zur Begründung seines Antrags mit, er habe sich nach Hortende um 16.00 Uhr auf dem Fußweg von der Grundschule "H. R." in B. auf dem Heimweg befunden, als er in der (heutigen) G./Ecke F. in P.-B. von einem Moped angefahren worden sei.
Durch Bescheid vom 11. Januar 2000 lehnte die Beklagte sinngemäß einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 04. Dezember 1972 ab. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Entschädigung aus dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfüllt seien. Zwar komme für den genannten Unfall nach dem Recht der ehemaligen DDR die Gewährung von Leistungen nach der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 in Betracht, jedoch könne die Übernahme dieses Unfalls in das Unfallversicherungsrecht nach der RVO nicht erfolgen, da der Unfall dem zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden sei. Hierzu hat sich die Beklagte auf § 1150 Abs. 2 RVO bezogen.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass der alte Versicherungsträger seinen Fall nicht dem neuen Versicherungsträger übergeben habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit der am 03. April 2000 beim Sozialgericht (SG) Potsdam eingegangenen Klage hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, es bestehe eine Eintrittspflicht der Beklagten für den streitgegenständlichen Unfall. Mindestens seit Beginn des Jahres 1999 sei die Erneuerung des gesamten Zahnersatzes, den der Kläger aufgrund des Unfalls zu tragen genötigt sei, erforderlich. Für eine behelfsmäßige Reparatur von Teilen des vorhandenen Zahnersatzes habe er im Frühjahr 1999 DM 162,87 aufgewandt, die von der Krankenkasse nicht erstattet worden seien.
§ 1150 Abs. 2 Nr. 1 RVO i. V. m. § 215 SGB VII finde keine Anwendung. Die Beklagte müsse sich als Rechtsnachfolgerin der zuständigen DDR-Sozialversicherungskasse deren Kenntnis vom Unfall des Klägers zurechnen lassen. Zudem handele es sich um einen Unfall, der nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen gewesen wäre. Der Besuch des Schulhortes durch den Kläger, der sich unmittelbar an die Unterrichtsstunden angeschlossen habe, habe mit diesem in einem engen organisatorischen Zusammenhang gestanden. Insbesondere die Erledigung der Hausaufgaben in den Räumen des der schulischen Aufsicht unterstehenden Hortes statuiere den erforderlichen wesentlichen inneren Zusammenhang.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat schriftsätzlich erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000 aufzuheben,
festzustellen, dass es sich bei dem Unfall des Klägers vom 04. Dezember 1972 um einen Arbeitsunfall gehandelt habe,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 162,87 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezog sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das SG hat im schriftlichen Verfahren die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen aus, die Beklagte habe erst nach dem 31. Dezember 1993 Kenntnis von dem Unfall des Klägers erhalten, also zu einem Zeitpunkt, als die Ausschlussfrist des § 1150 Abs. 2 Satz 2 RVO abgelaufen gewesen sei. Nach dem Dritten Buch der RVO sei der Unfall nicht zu entschädigen. Erst seit dem In-Kraft-Treten des SGB VII ab 01. Januar 1997 bestehe ein Unfallversicherungsschutz von Schülern während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von Schulen oder im Zusammenwirken mit dieser durchgeführten Betreuungs-maßnahmen gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 8 b SGB VII. Die RVO habe einen solchen Unfallversicherungsschutz nicht gekannt.
Gegen das der Beklagten und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. September 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Oktober 2000 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung des Klägers. Mit dem am 17. Oktober 2000 beim LSG eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragen lassen.
Zur Begründung der Berufung wurde insbesondere vorgetragen, das SG habe insbesondere die Rechtslage verkannt, als es davon ausgehe, dass bei dem vorliegenden Unfall die RVO keinen Unfallversicherungsschutz biete. Der Versicherungsschutz stehe nach ganz herrschender Rechtsprechung generell im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Dazu gehöre auch der Heimweg des Schülers, nachdem er die Hortbetreuung verlassen habe. Ausreichend für die Bejahung des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule sei lediglich die Ausübung einer Verrichtung, die im inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch stehe (BSG SozR 2200 § 549 Nr. 6). Die Hortbetreuung habe sich unmittelbar nach Beendigung der letzten Schulstunde angeschlossen und habe im Schulgebäude stattgefunden. Sie habe unmittelbar der Schulleitung unterstanden, die Betreuung der Kinder sei durch die auch in der Schule tätigen Lehrer wahrgenommen worden. Während der Hortbetreuung hätten die Schüler unter Aufsicht der betreuenden Lehrer Schularbeiten erledigt. Unter diesen Aspekten sei eine strikte Trennung in den Schulbesuch und Teilnahme an der Hortbetreuung nicht vorzunehmen.
Gerade weil es sich nach dem Recht des Beitrittsgebiets nicht um einen typischen Arbeitsunfall gehandelt habe, sondern um einen solchen auf Grundlage der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 dürfte der Entschädigungsanspruch des Klägers nicht dadurch vereitelt werden, dass eine Stichtagsregelung die Geltendmachung des Anspruchs verhindere. Der Versicherungsschutz, der im Beitrittsgebiet ausdrücklich anerkannt worden sei, dürfe heute nicht mit dem Argument aufgehoben werden, dass es im übrigen Bundesgebiet bis 1997 keine entsprechende Regelung gegeben habe und die Geschädigten vergleichbare Unfälle in den alten Bundesländern bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls keinen Anspruch auf Entschädigungsleistung gehabt hätten. Vielmehr spreche die Schaffung einer Regelung in dem SGB VII ab 01. Januar 1997 - wie sie vom Schutzbereich in der genannten Verordnung vom 12. April 1973 im Beitrittsgebiet erfolgt sei - dafür, dass die Lücke im Versicherungsschutz auch vom Gesetzgeber erkannt worden sei und die Regelung zur Schließung dieser Lücke geschaffen worden sei.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des SG Potsdam vom 01. August 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger 162,87 DM für die Heilbehandlung am 22.03.1999 zu zahlen und
2. die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1972 weitere Heilbehandlungen zu gewähren,
3. festzustellen, dass der Verlust der Zähne 11 und 21 Folge des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1972 ist
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Im Berufungsverfahren wurde in der nichtöffentlichen Sitzung des 7. Senats vom 09. Juli 2001 der Kläger angehört, die Zeugin Tönse wurde vernommen. Zum Inhalt der Aussagen wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift und der dem Inhalt der Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 09. Juli 2001.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach der erfolgten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung
der Berufungsfristzulässig und auch im Übrigen gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - statthaft.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen gegen die Beklagte anlässlich eines Unfalls des Klägers vom 04. Dezember 1972. Er hat weder einen Anspruch auf Erstattung anteiliger verletzungsbedingter Kosten noch besteht ein Naturalleistungs- oder Naturalverschaffungsanspruch auf die Sach- und Dienstleistung gegen die Beklagte. Der Verlust der Zähne 11 und 21 ist nicht Folge eines Arbeitsunfalls des Klägers im Jahr 1972.
Grundvoraussetzung auch für einen Kostenerstattungsanspruch, der für die abgeschlossene zahnärztliche Behandlung und Versorgung mit Zahnersatzteilen zu prüfen ist, ist in analoger Anwendung des § 13 SGB V, dass der Kläger einen Naturalleistungsanspruch auf die Sach- und Dienstleistung der Beklagten hat (BSGE 73, 271, 274). Ein derartiger Anspruch besteht nicht.
Die Beklagte hat zwar wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls im Rahmen der Heilbehandlung auch zahnärztliche Behandlung bzw. die Ausstattung mit Körperersatzstücken zu gewähren (§§ 547, 556, 557 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RVO, 26, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII - § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII, § 7 Abs. 1 SGB VII), aber das streitige Ereignis ist nicht als Arbeitsunfall zu bewerten.
Ein Versicherungsfall, der hier nur als Arbeitsunfall zu prüfen ist, und der Voraussetzung eines Anspruchs auf Heilbehandlung ist, liegt hier jedoch nicht vor. Das vom Kläger vorgetragene Ereignis aus dem Jahr 1972 lässt sich weder nach dem Recht des Beitrittsgebiets noch nach dem im Jahr 1972 geltenden Recht der RVO als Arbeitsunfall bewerten.
Nach § 215 Abs. 1 SGB VII ist für die Übernahme der vor dem 01. Januar 1992 (in der ehemaligen DDR) eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und Abs. 3 RVO weiter, also über das In-Kraft-Treten des SGB VII am 01. Januar 1997 hinaus, anzuwenden. Nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches (der RVO). Dies gilt nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 - wie hier im vorliegenden Fall – bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO).
Das vom Kläger vorgetragene Ereignis war bereits nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht nicht als Arbeitsunfall zu bewerten, denn am 04. Dezember 1972 stand der Hortbesuch bzw. der Weg vom Hort zum Wohnhaus des Klägers nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Für den vorliegenden Fall existiert nach dem Recht des Beitrittsgebiets für das Jahr 1972 keine Bestimmung, nach der der vorgetragene Unfall des Klägers als Arbeitsunfall/Wegeunfall zu bewerten ist. Ebenso wie der Schulbesuch wurde die Teilnahme der Schüler an der Tageserziehung - hier im Hort - erstmals durch die Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 (GBl. Teil I Nr. 22/1973) Arbeitsunfällen gleichgestellt. § 2 i. V. m. § 1 dieser Verordnung sieht vor, dass Bürger, die bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten einen Unfall erleiden, Leistungen aus der Sozialversicherung und betriebliche Lohnausgleichszahlungen wie bei einem Arbeitsunfall erhalten (§ 1 Abs. 1 der Verordnung). In § 2 e ist der Besuch der zehnklassigen bzw. erweiterten allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule, Spezialschule, Spezialklasse oder Sonderschule und die Teilnahme der Schüler an der Tageserziehung, an außerschulischen Veranstaltungen sowie an organisierter Ferienveranstaltung den in § 1 genannten organisierten gesellschaftlichen Tätigkeiten gleichgestellt.
Diese Verordnung trat am 01. Juli 1973 in Kraft, § 9 Abs. 1 der Verordnung.
Eine ausdrückliche Rückwirkungsvorschrift, wonach die Bestimmungen dieser Verordnung für die vor dem 01. Juli 1973 eingetretenen Unfälle gelten, ist in der Verordnung nicht enthalten. § 7 ist nicht als eine solche Rückwirkungsvorschrift zu verstehen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass der im Jahr 1972 vom Kläger vorgetragene Unfall als Arbeitsunfall nach § 2 e der Verordnung vor In-Kraft-Treten im Jahr 1973 zu beurteilen ist. § 7 dieser Bestimmung sagt lediglich:
Sind Unfälle ab 01. Juli 1968 bei Tätigkeiten eingetreten, die gemäß § 1 oder § 2 erstmalig in den Versicherungsschutz einbezogen wurden, besteht ab 01. Juli 1973 für die verbliebenen Unfallfolgen Anspruch auf Leistungen nach dieser Verordnung.
Dieser Wortlaut weicht ab vom Wortlaut beispielsweise des § 1 Abs. 3 der Anordnung über die Erweiterung des zusätzlichen Unfallversicherungsschutzes durch die Staatliche Versicherung der DDR bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 06. August 1973 (GBl. Teil I Nr. 38 S. 404). Dort wird bestimmt:
Der zusätzliche Unfallversicherungsschutz gilt für Unfälle, die ab 01. Juli 1973 eingetreten sind.
§ 7 der die einschlägigen Erweiterungsverordnung vom 15. Mai 1973 enthält eben nicht die Bestimmung, dass der dort enthaltene zusätzliche Unfallversicherungsschutz für Unfälle gilt, die ab 01. Juli 1968 eingetreten sind. Hingegen begründet § 7 lediglich einen Anspruch auf Leistungen nach der Erweiterungsverordnung vom 01. Juli 1973 "für die verbliebenen Unfallfolgen". Damit fingiert § 7 lediglich für die ab 01. Juli 1973 noch verbliebenen Unfallfolgen das Vorliegen eines Leistungsfalls für die ab 01. Juli 1968 eingetretenen Tätigkeiten - aber eben nur für die ab 01. Juli 1973 noch verbliebenen Unfallfolgen und gewährt insoweit einen Anspruch auf Leistungen nach dieser Verordnung. § 1150 RVO besagt jedoch, dass Vertrauensschutz für die Unfälle gelten soll, die nach dem Recht des Beitrittsgebiets Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren. § 1150 Abs. 1 RVO beruht auf dem "Versicherungsfallprinzip": Erfasst werden vor dem 01. Januar 1992 eingetretene Unfälle und Krankheiten, die nach dem Recht des Beitrittsgebietes abstrakt-generell Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren. Der Zeitpunkt des Eintritts dieser Ereignisse ist maßgebend für die versicherungsrechtliche Zuordnung der Versicherungsfälle. Diese richtet sich nach dem Territorialprinzip. Ist danach das Recht des Beitrittsgebiets anwendbar, beurteilt sich nach diesem, ob das vor 1992 eingetretene Ereignis unter dem Schutz der Sozialversicherung stand und einen Arbeitsunfall oder eine BK darstellt. § 7 besagt gerade nicht das die ab 1968 eingetretenen Unfälle als Arbeitsunfälle der Erweiterungsverordnung galten. Geschützt wurden lediglich die im Jahr 1973 noch vorliegenden Folgen von den nach dieser Verordnung aus dem Jahr 1973 geltenden Bestimmungen. Der Kläger macht jedoch erst in dem Jahr 1999 entstandenen Folgen geltend, die nach § 7 der Verordnung erfasst waren und Ansprüche seinerseits ausgelöst hatten.
Es besteht daher kein Anlass, hier § 7 heranzuziehen, um die Beurteilung des streitgegenständlichen Ereignisses als Arbeitsunfall nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets zu beurteilen. Der Wortlaut von § 7 macht deutlich, dass gerade keine Rückwirkung der Vorschriften dieser Verordnung auf die ab 01. Juli 1968 eingetretenen Unfälle erfolgen soll. In dem Fall wäre nicht nur für die "verbliebenen Unfallfolgen" ein Anspruch begründet. § 7 schützt lediglich den ab 01. Juli 1973 eingetretenen Leistungsfall. Einen solchen macht der Kläger nicht geltend. Erst 1999 war die Unfallfolge eingetreten und damit der Leistungsfall, weil sein Zahnersatz "jetzt erneuert" werden muss (so sein Antrag vom 20. April 1999).
Selbst dann aber, wenn man unterstellt, das Ereignis vom 04. Dezember 1972 sei nach dem Recht des Beitrittsgebiets im Jahr 1972 als Arbeitsunfall zu bewerten, führt die weitere Prüfung des § 1150 RVO zu dem Ergebnis, dass das Ereignis nicht zu entschädigen ist. Das Ereignis aus dem Jahre 1972 ist einem ab 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Jahr 1999 bekannt gegeben worden. Daher gilt die Fiktion des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO nicht. Hingegen kommt es nach Satz 2 darauf an, ob der Unfall nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre und dies ist nicht der Fall.
Unmaßgeblich ist die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, die Beklagte müsse sich die Kenntnis des seinerzeitigen Trägers der Sozialversicherung der DDR zurechnen lassen. Dies wird vom klaren Wortlaut des § 1150 RVO, nicht gedeckt.
Kenntnis im Sinne des § 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO ist lediglich die des zuständigen Unfallversicherungsträgers.
Die Fiktion des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. Der Wortlaut dieser Vorschrift enthält keine Ausnahmen - weder für die bereits in der DDR anerkannten Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten noch für die der Sozialversicherung lediglich bekannt gegebenen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten oder deren Folgen. Unerheblich ist daher der Vortrag, der Beklagten müsse die Kenntnis des Sozialversicherungsträgers zugerechnet werden. Hierfür gibt es keine Zurechnungsvorschrift. Der klare Wortlaut des § 1150 RVO lässt diese Auslegung nicht zu.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 8/00 R - auch 2 BU 69/97 - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass irgendwelche Einschränkungen dem eindeutigen Wortlaut des § 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO nicht zu entnehmen sind. Ausnahmen von der in dieser Vorschrift genannten Stichtagsregelung würden Sinn und Zweck dieser Regelung widersprechen. Aus der Vorschrift werde deutlich, dass Sinn und Zweck der Vorschrift sei, Versicherten aus dem Beitrittsgebiet für eine Übergangszeit umfassenden Vertrauensschutz hinsichtlich der Anerkennung von nach dem Recht der ehemaligen DDR als Arbeitsunfälle bzw. Berufskrankheiten geltenden Unfällen bzw. Krankheiten zu gewähren, diesen Vertrauensschutz aber an dem genannten Stichtag enden zu lassen und nunmehr im Interesse der Gleichbehandlung und Rechtseinheit nur noch das Recht der RVO unterschieds- und ausnahmslos anzuwenden.
Die zum Zeitpunkt des geltend gemachten Ereignisses vom 04. Dezember 1972 geltende RVO sieht keinen Versicherungsschutz für den streitgegenständlichen Unfall des Klägers vor. Nach § 539 Nr. 14 RVO waren gegen Arbeitsunfall versichert,
a. Kinder während des Besuchs von Kindergärten,
b. Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen,
c. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung ...,
d. Studierende ...
Der Unfall des Klägers ereignete sich nach seinem Vortrag nicht im Anschluss an den Besuch einer allgemeinbildenden Schule.
Der Kläger hat selbst im Erörterungstermin angegeben, etwa gegen 11.30 Uhr sei die Schule zu Ende gewesen. Mittagessen, Mittagsschlaf, etwa eine Stunde Schulaufgaben wären im Anschluss daran erfolgt. Im Anschluss an die Schulaufgaben sei eine Betreuung erfolgt, bis er dann nach Hause aufgebrochen sei. Nach seinen Angaben erfolgte der Unfall nach Beendigung des Hortbesuches.
Auch die Zeugin T. hat bestätigt, dass nach Schulschluss die Horterziehung begann. So übernahm der Erzieher von dem vorangegangenen Lehrer die gesamte Klasse, wobei für die Erstklässler ein einstündiger Mittagsschlaf vor Durchführung der Horterziehung vorgesehen war. 16.00 Uhr wurden die Kinder aus dem Hort nach Hause entlassen - bis auf die Späthortkinder - deren Hort bis 17.00 Uhr ging. Nach ihrer Darstellung waren nach dem Mittagsschlaf die Hausaufgaben zu machen, für die lediglich eine halbe Stunde vorgesehen war. Dann wurden diese abgebrochen.
Nach allem war der Kläger nicht nach Nr. 14 b versichert, denn er hatte den Unfall nicht in seiner Eigenschaft als Schüler einer allgemeinbildenden Schule im Sinne der Norm erlitten, sondern als unversicherter Teilnehmer an der Tageserziehung. Entsprechend hatte Vollmar (Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes für Besucher der Kinderhorte und der Kinderkrippen in HVBG-Info 23/1992, S. 2047 f. darauf hingewiesen, es sei geboten, die Hortkinder in den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz einzubeziehen, da ab 01. Januar 1992 kein Versicherungsschutz mehr für sie bestehe.).
Durch § 539 Abs. 1 Nr. 14 b RVO bestimmt sich in der Schülerunfallversicherung der unfallversicherungsrechtliche Schutzbereich der Schule nach dem organisatorischem Verantwortungsbereich der Schule. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs sind die Schüler nur noch unter besonderen Voraussetzungen gegen Arbeitsunfall versichert, während im Übrigen - außerhalb dieses Verantwortungsbereichs - auch diejenigen ihrer Verrichtungen nicht als versicherte Schultätigkeiten gelten, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt sind und deshalb an sich nach dem Recht der allgemeinen Unfallversicherung ihm zuzuordnen wären (BSGE 51, 257, 259). Das heißt, dass versichert ist die zeitliche Inanspruchnahme durch den Schulbesuch des lehrplanmäßigen Unterrichts sowie an sonstigen schulischen Veranstaltungen. Dabei sind Schulveranstaltungen nur solche, die im inneren Zusammenhang mit der Schulausbildung und im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule stattfinden, das heißt von der Schule ggf. beauftragten Lehrern oder anderen Personen als (schul-)eigene Maßnahme organisiert, durchgeführt und überwacht werden. Dabei ist entscheidend das objektive Gesamtbild nach der Art der Bekanntmachung, Teilnahmeberechtigung, Art und Umfang von Betreuung und Aufsicht, finanzieller Gestaltung (BSGE 48, 1).
Zwar können auch solche Verrichtungen, die außerhalb des eigentlichen Schulunterrichts liegen, in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule einbezogen sein (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 120). Hinreichend ist, dass Schüler oder Lehrer objektiv den Gesamteindruck von einer schulischen Veranstaltung in diesem Sinne haben konnten (BSGE 44, 94, 97). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Für Eltern und Schüler war erkennbar eine Trennung zwischen schulischer Ausbildung und schulergänzender bzw. familienergänzender Betreuung und Bewahrung. Im Fall des Klägers war dieses insbesondere deutlich erkennbar durch die infolge des mitverordneten Mittagsschlafs eingetretene Zäsur.
Die äußere organisatorische Verantwortlichkeit des Schulträgers für die aus allgemeinbildender Schule und angeschlossenem Hort bestehende Gesamteinrichtung und eine einheitliche bildungspolitische Zielsetzung des Schulträgers reicht nicht aus, um hier den objektiven Gesamteindruck zu hinterlassen, der Hortbesuch sei eine schulische Veranstaltung. Hingegen ist entscheidend, dass sich die an die Schule anschließende Tageserziehung im Hort nicht inhaltlich-konzeptionell als (Teil-)Maßnahme der gesamten schulischen Ausbildung verstand und darstellte, sondern hiervon unterschieden nur eine schulergänzende und familienergänzende Betreuung und Bewahrung mit Erziehungsfunktion erkennbar statuierte. Entsprechend unterschied § 2 e) der Verordnung vom 15. Mai 1973 zwischen dem Schulbesuch und der Teilnahme der Schule an der Tageserziehung.
Damit bereits wurde Schülern und Lehrpersonal vermittelt ein inhaltlich-konzeptioneller Unterschied beider Einrichtungen, was seinen Ausdruck auch im Übrigen fand:
Schon äußerlich war eine Unterscheidung dadurch erkennbar, dass eine Erzieherin vom vorangegangenen Lehrer die gesamte Klasse übernahm und die Schulaufgaben nur eine halbe Stunde dauern durften. Bereits hieraus wird deutlich, dass der Bereich der schulischen (Aus-) Bildung und der Bereich der außerschulunterrichtlichen Bildung und Erziehung inhaltlich-konzeptionell unterschieden waren. Dies ergab sich bereits aus § 9 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen - Schulordnung - vom 29. November 1979 (GBl. I S. 433 ff.). Nach dieser Vorschrift durften Schüler durch Veranstaltungen, die außerhalb des Unterrichts lagen, erst zwei Stunden nach Beendigung des Unterrichts und anderer Formen der schulischen Bildungs- oder Erziehungsarbeit beansprucht werden. Bereits durch diese zeitliche Zäsur wird für Schüler und Eltern deutlich, dass die schulische Ausbildung und Erziehung von der außerschulischen Tageserziehung inhaltlich verschieden war, wenngleich sie sowohl eine curriculare Nähe als auch eine gemeinsame Leitung durch den Direktor ausgezeichnet haben mag (§ 17 Abs. 5 Satz 1 Schulgesetz der DDR).
Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Schulordnung-DDR durften die ersten Klassen nicht mehr als vier Stunden, die zweiten und dritten Klassen nicht mehr als fünf Stunden unterrichtet werden. § 9 Abs. 1 Schulordnung-DDR regelte, dass der Zeitplan außerunterrichtliche Bildung und Erziehung im Zusammenhang mit dem Stundenplan, einen kontinuierlichen Ablauf der Bildung und Erziehung im Unterricht, dem Schulhort, im Schulinternat, in der außerunterrichtlichen Tätigkeit, in der Grundorganisation der Freien Deutschen Jugend und in der Pionierfreundschaft, der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" zu gewährleisten habe.
Durch den Zeitplan (§ 9 Abs. 2 Schulordnung-DDR) sei zu sichern, dass alle Schüler die Möglichkeit haben sollten, auf freiwilliger Grundlage an verschiedenen Formen der außerunterrichtlichen Bildung und Erziehung teilzunehmen.
Die Tageserziehung wurde nach DDR-Recht auch begrifflich nicht als schulische Bildung angesehen. In § 17 Abs. 1 Satz 2 Schulgesetz heißt es, dass beide Bereiche - die schulische wie die außerschulische Bildung und Erziehung - eng miteinander zu verbinden und sicher aufeinander zu beziehen seien. Danach hat auch in der DDR kein System einer Ganztagsschule bestanden, sondern die schulische (Aus-)Bildung und Erziehung war von der außerschulischen Tageserziehung inhaltlich geschieden, wenngleich sie sowohl eine curriculare Nähe als auch eine gemeinsame Leitung durch den Direktor ausgezeichnet haben mag (§ 17 Abs. 5 Satz 1 Schulgesetz-DDR).
Auch die Fassung der Erweiterungsverordnung selbst gibt einen Hinweis auf diese begriffliche Unterscheidung, weil auch dort die Tageerziehung unterschieden ist von dem Besuch der allgemeinbildenden Oberschule (vgl. § 2 e).
Die Unterscheidung des Bereichs der schulischen Ausbildung und des Bereichs der außerschulischen Bildung und Erziehung wird auch durch die Stellung des Direktors deutlich. Nach § 10 Abs. 1 Schulordnung-DDR war der Direktor für die politische, pädagogische und schulorganisatorische Leitung der Schule einschließlich des Schulhortes und des Schulinternates verantwortlich. Er war verpflichtet, den Unterricht, die außerunterrichtliche Tätigkeit, die Arbeit im Schulhort und im Schulinternat zu kontrollieren und zu analysieren. Er stützte sich dabei auf die Arbeit auch des Hortleiters.
Aufgabe des Leiters des Schulhortes war es umgekehrt (§ 20 Schulordnung-DDR) auf der Grundlage des Arbeitsplans der Schule den Einsatz der im Schulhort tätigen Lehrer und Erzieher zu planen, ihre Arbeit anzuleiten und zu kontrollieren. Der Hortleiter war dem Direktor unterstellt und rechenschaftspflichtig. Im Rahmen ihrer Aufgaben waren die Hortleiter gegenüber den im Schulhort tätigen Lehrern und Erziehern weisungsberechtigt (§ 20 Abs. 2 Schulordnung-DDR). Wenngleich diese Regelung der Aussage der Zeugin Tönse entspricht, dass im Schulhort neben Erziehern auch Lehrer eingesetzt wurden, folgt hieraus nicht, dass der Hortbesuch im Verantwortungsbereich der Schule stand. Hingegen wird die in § 2 der Erweiterungsverordnung deutlich erkennbare Trennung zwischen dem Besuch der allgemeinbildenden Schule und der Teilnahme der Schüler an der Tageserziehung, auch nach dem Inhalt des § 27 Abs. 1 Schulordnung-DDR deutlich, wonach der Schulhort der DDR nur schulausbildungsergänzende und unterstützende Funktion hatte und nicht zum unterrichtlichen Kernbereich des Schulsystems zählte. So war nach Abs. 1 die pädagogische Arbeit der Lehrer und Erzieher im Schulhort darauf gerichtet, den Schülern beim Lernen zu helfen, sie zur Anwendung erworbenen Wissens zu befähigen und zur schöpferischen Selbstbetätigung anzuregen. § 27 Abs. 4 Schulordnung-DDR verweist darauf, dass die Erzieher bei der Planung ihrer Arbeit berücksichtigen müssten, dass die Schüler ausreichend Zeit für individuelle Beschäftigung und Erholung, zum Aufenthalt im Freien, zur Einnahme der Schülerspeisung und zur Mittagsruhe habe. Auch dies verdeutlicht den Unterschied zur schulischen Ausbildung.
Der Kläger war zur Ereigniszeit auch nicht nach §§ 539 Abs. 1 Ziffer 14 a RVO versichert, wonach Kinder während des Besuchs von Kindergärten unfallversichert waren. Als Kindergärten sind unabhängig von ihrer Bezeichnung nur Einrichtungen gemeinschaftlicher vorschulischer Erziehung zu verstehen, also bis zum Schulbeginn (Ricke in KassKomm. § 539 RVO Rz. 74, der Hinweis auf BSGE 74, 203, 205).
Diese Vorschrift ist erst auf Initiative des Bundesrates der so genannten - von der Bundesregierung zunächst allein beabsichtigten - Schülerversicherung vorgeordnet worden. Zu dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten (BT-Drs. VI/1333) vom 30. Oktober 1970 hat der Bundesrat dahingehend Stellung genommen, dass die Bundesregierung die Bedeutung der vorschulischen Erziehung für die Förderung der individuellen Begabung und die Überwindung sozial bedingter Milieusperren ausdrücklich in ihrem Bildungsbericht hervorgehoben habe und die Reform und den Ausbau der Vorschulerziehung als erste Stufe des Bildungswesens als vordringliche bildungspolitische Aufgabe bezeichne. Die Kindergartenstufe solle danach als Elementarbereich in das Bildungssystem einbezogen und in der Weise ausgestaltet werden, dass also alle Kinder im Kindergarten, deren Eltern es wünschen, eine Einrichtung im Elementarbereich besuchen könnten. Damit ergebe sich die Notwendigkeit, aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Schülern auch diejenigen Kinder, die einen Kindergarten besuchen, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen (BT-Drs. VI/133, S. 7). Schon in seiner Entscheidung vom 28. Juli 1977 - 2 RU 5/77 – hat das BSG unter Heranziehung dieser Gesetzesgeschichte ausgeführt, dass von den Zielvorstellungen des Gesetzgebers jeweils unter den Kindergartenbegriff des § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchstabe a RVO keine Kindertageseinrichtungen fallen, die vom durchschnittlichen Alter der aufzunehmenden Kinder her keine vorschulische Erziehung im Sinne der obigen Ausführung bieten können. Es schieden daher Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder ebenso aus wie Betreuungsstätten für schulpflichtige Kinder (BSGE 44, 203, 206).
Diese Grundsätze hat das BSG in seinem Urteil vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 75/78 - 47, 281, 284 bestätigt und in den Gründen E 47, 281, 284 verdeutlicht, dass Betreuungsstätten für schulpflichtige Kinder nicht unter dem Kindergartenbegriff der Nr. 14 a fielen.
Die begriffliche Abgrenzung vom Kindergarten einerseits und Kinderhorten andererseits wird auch von Vollmar, Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, 4. Auflage 1990 S. 16 dort auch FN 6 vertreten. Kinderhorte sind danach als Betreuungsstätten für 6- bis 14jährige Schulkinder eingerichtet, die sich dort tagsüber, außer sonntags, regelmäßig außerhalb des Schulbesuchs aus sozialen und pädagogischen Gründen zur Erziehung und Pflege aufhalten. Im Hintergrund steht die familien- und schulergänzende Betreuung, vorwiegend sind dagegen bewahrende und erzieherische Aufgaben.
Demgegenüber hat der Gesetzgeber der RVO die Kindergärten nur unter dem Aspekt ihrer elementaren Bildungs- und Erziehungsfunktion im Rahmen eines integrierten Bildungssystems in den Unfallversicherungsschutz übernommen (LSG Bremen vom 22. August 1994 - L 2 U 15/74 in Breithaupt 75, 389 bis 391).
Nach allem hat sich der Kläger im Jahr 1972 als ein - nach der RVO unversicherter - Teilnehmer an der Tageserziehung auf dem Heimweg befunden, als er nach seiner Darstellung verunglückte.
Erst durch die Regelung in § 2 Abs. 1 8 b SGB VII, die ab 01. Januar 1997 gilt, kommt in Betracht, den streitigen Hergang als versicherte Tätigkeit zu würdigen.
Die ab 01. Januar 1992 bis 01.01.1997 entstandene Versicherungslücke ist vom Gesetzgeber gewollt. § 1150 RVO wurde im SGB VII ausdrücklich für weiter anwendbar erklärt, es besteht kein Anlass, die dort geregelte Stichtagsregelung für Vertrauensschutz für die im Beitrittsgebiet geltenden Versicherungsfälle deshalb auszudehnen, weil erst unter der Geltung des SGB VII eine dem Recht der DDR entsprechende Regelung getroffen wurde, wäre sie vom Gesetzgeber gewollt gewesen, hätte die Möglichkeit bestanden, eine entsprechende Regelung vorzusehen.
Nach allem war die Berufung zurückzuweisen, die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Entschädigung des Klägers für Folgen eines am 04. Dezember 1972 eingetretenen Ereignisses.
Insbesondere begehrt der Kläger die Erstattung von Kosten zahnärztlicher Behandlung bzw. weitere Heilbehandlung für durch das Ereignis bedingte Zahnverluste.
Mit dem am 23. April 1999 bei der Beklagten eingegangen Antrag des Klägers auf Erstattung von Kosten zahnärztlicher Behandlung und auf "Kostenübernahmebestätigung" für eine "komplette Reparatur des gesamten Zahnersatzes" erhielt die Beklagte Kenntnis von einem Verkehrsunfall des Klägers vom 04. Dezember 1972. Nach der vom Kläger mit diesem Antrag eingereichten Unfallmeldung erlitt der am 31. August 1965 geborene Kläger am 04. Dezember 1972 um 16.05 Uhr in der E.-T. in B. einen Verkehrsunfall, bei dem er auf dem Weg "von der Schule nach Hause" von einem Moped angefahren wurde und den Bruch des Ober- und Unterkiefers und des Nasenbeins erlitt. Nach der von dem Kläger eingereichten Bescheinigung vom 02. April 1980, ausgestellt von Dr. Z, Poliklinik für orthopädische Stomatologie des Bereichs Medizin C. der H.-U. zu B. bescheinigte dieser einen unfallbedingten Verlust eines rechten oberen Schneidezahnes und eines linken unteren Schneidezahnes. In der zahnärztlichen Auskunft von Dr. Sch. vom 17. Mai 1999 bescheinigt dieser den Verlust der Zähne 11 und 21.
Nach einem eingereichten Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. Sch. vom 22. März 1999 beträgt ein Versichertenanteil des Klägers 127,82 DM (zahnärztliches Honorar und Laborkosten) und weiteren 35,06 DM als Versichertenanteil für zahnärztliches Honorar. Diese Beträge machte der Kläger mit seinem Antrag vom 20. April 1999 gegenüber der Beklagten geltend.
Der Kläger teilte zur Begründung seines Antrags mit, er habe sich nach Hortende um 16.00 Uhr auf dem Fußweg von der Grundschule "H. R." in B. auf dem Heimweg befunden, als er in der (heutigen) G./Ecke F. in P.-B. von einem Moped angefahren worden sei.
Durch Bescheid vom 11. Januar 2000 lehnte die Beklagte sinngemäß einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 04. Dezember 1972 ab. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Entschädigung aus dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfüllt seien. Zwar komme für den genannten Unfall nach dem Recht der ehemaligen DDR die Gewährung von Leistungen nach der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 in Betracht, jedoch könne die Übernahme dieses Unfalls in das Unfallversicherungsrecht nach der RVO nicht erfolgen, da der Unfall dem zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden sei. Hierzu hat sich die Beklagte auf § 1150 Abs. 2 RVO bezogen.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass der alte Versicherungsträger seinen Fall nicht dem neuen Versicherungsträger übergeben habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit der am 03. April 2000 beim Sozialgericht (SG) Potsdam eingegangenen Klage hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, es bestehe eine Eintrittspflicht der Beklagten für den streitgegenständlichen Unfall. Mindestens seit Beginn des Jahres 1999 sei die Erneuerung des gesamten Zahnersatzes, den der Kläger aufgrund des Unfalls zu tragen genötigt sei, erforderlich. Für eine behelfsmäßige Reparatur von Teilen des vorhandenen Zahnersatzes habe er im Frühjahr 1999 DM 162,87 aufgewandt, die von der Krankenkasse nicht erstattet worden seien.
§ 1150 Abs. 2 Nr. 1 RVO i. V. m. § 215 SGB VII finde keine Anwendung. Die Beklagte müsse sich als Rechtsnachfolgerin der zuständigen DDR-Sozialversicherungskasse deren Kenntnis vom Unfall des Klägers zurechnen lassen. Zudem handele es sich um einen Unfall, der nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen gewesen wäre. Der Besuch des Schulhortes durch den Kläger, der sich unmittelbar an die Unterrichtsstunden angeschlossen habe, habe mit diesem in einem engen organisatorischen Zusammenhang gestanden. Insbesondere die Erledigung der Hausaufgaben in den Räumen des der schulischen Aufsicht unterstehenden Hortes statuiere den erforderlichen wesentlichen inneren Zusammenhang.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat schriftsätzlich erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000 aufzuheben,
festzustellen, dass es sich bei dem Unfall des Klägers vom 04. Dezember 1972 um einen Arbeitsunfall gehandelt habe,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 162,87 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezog sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das SG hat im schriftlichen Verfahren die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen aus, die Beklagte habe erst nach dem 31. Dezember 1993 Kenntnis von dem Unfall des Klägers erhalten, also zu einem Zeitpunkt, als die Ausschlussfrist des § 1150 Abs. 2 Satz 2 RVO abgelaufen gewesen sei. Nach dem Dritten Buch der RVO sei der Unfall nicht zu entschädigen. Erst seit dem In-Kraft-Treten des SGB VII ab 01. Januar 1997 bestehe ein Unfallversicherungsschutz von Schülern während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von Schulen oder im Zusammenwirken mit dieser durchgeführten Betreuungs-maßnahmen gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 8 b SGB VII. Die RVO habe einen solchen Unfallversicherungsschutz nicht gekannt.
Gegen das der Beklagten und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. September 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Oktober 2000 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung des Klägers. Mit dem am 17. Oktober 2000 beim LSG eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragen lassen.
Zur Begründung der Berufung wurde insbesondere vorgetragen, das SG habe insbesondere die Rechtslage verkannt, als es davon ausgehe, dass bei dem vorliegenden Unfall die RVO keinen Unfallversicherungsschutz biete. Der Versicherungsschutz stehe nach ganz herrschender Rechtsprechung generell im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Dazu gehöre auch der Heimweg des Schülers, nachdem er die Hortbetreuung verlassen habe. Ausreichend für die Bejahung des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule sei lediglich die Ausübung einer Verrichtung, die im inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch stehe (BSG SozR 2200 § 549 Nr. 6). Die Hortbetreuung habe sich unmittelbar nach Beendigung der letzten Schulstunde angeschlossen und habe im Schulgebäude stattgefunden. Sie habe unmittelbar der Schulleitung unterstanden, die Betreuung der Kinder sei durch die auch in der Schule tätigen Lehrer wahrgenommen worden. Während der Hortbetreuung hätten die Schüler unter Aufsicht der betreuenden Lehrer Schularbeiten erledigt. Unter diesen Aspekten sei eine strikte Trennung in den Schulbesuch und Teilnahme an der Hortbetreuung nicht vorzunehmen.
Gerade weil es sich nach dem Recht des Beitrittsgebiets nicht um einen typischen Arbeitsunfall gehandelt habe, sondern um einen solchen auf Grundlage der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 dürfte der Entschädigungsanspruch des Klägers nicht dadurch vereitelt werden, dass eine Stichtagsregelung die Geltendmachung des Anspruchs verhindere. Der Versicherungsschutz, der im Beitrittsgebiet ausdrücklich anerkannt worden sei, dürfe heute nicht mit dem Argument aufgehoben werden, dass es im übrigen Bundesgebiet bis 1997 keine entsprechende Regelung gegeben habe und die Geschädigten vergleichbare Unfälle in den alten Bundesländern bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls keinen Anspruch auf Entschädigungsleistung gehabt hätten. Vielmehr spreche die Schaffung einer Regelung in dem SGB VII ab 01. Januar 1997 - wie sie vom Schutzbereich in der genannten Verordnung vom 12. April 1973 im Beitrittsgebiet erfolgt sei - dafür, dass die Lücke im Versicherungsschutz auch vom Gesetzgeber erkannt worden sei und die Regelung zur Schließung dieser Lücke geschaffen worden sei.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des SG Potsdam vom 01. August 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger 162,87 DM für die Heilbehandlung am 22.03.1999 zu zahlen und
2. die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1972 weitere Heilbehandlungen zu gewähren,
3. festzustellen, dass der Verlust der Zähne 11 und 21 Folge des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1972 ist
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Im Berufungsverfahren wurde in der nichtöffentlichen Sitzung des 7. Senats vom 09. Juli 2001 der Kläger angehört, die Zeugin Tönse wurde vernommen. Zum Inhalt der Aussagen wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift und der dem Inhalt der Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 09. Juli 2001.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach der erfolgten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung
der Berufungsfristzulässig und auch im Übrigen gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - statthaft.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen gegen die Beklagte anlässlich eines Unfalls des Klägers vom 04. Dezember 1972. Er hat weder einen Anspruch auf Erstattung anteiliger verletzungsbedingter Kosten noch besteht ein Naturalleistungs- oder Naturalverschaffungsanspruch auf die Sach- und Dienstleistung gegen die Beklagte. Der Verlust der Zähne 11 und 21 ist nicht Folge eines Arbeitsunfalls des Klägers im Jahr 1972.
Grundvoraussetzung auch für einen Kostenerstattungsanspruch, der für die abgeschlossene zahnärztliche Behandlung und Versorgung mit Zahnersatzteilen zu prüfen ist, ist in analoger Anwendung des § 13 SGB V, dass der Kläger einen Naturalleistungsanspruch auf die Sach- und Dienstleistung der Beklagten hat (BSGE 73, 271, 274). Ein derartiger Anspruch besteht nicht.
Die Beklagte hat zwar wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls im Rahmen der Heilbehandlung auch zahnärztliche Behandlung bzw. die Ausstattung mit Körperersatzstücken zu gewähren (§§ 547, 556, 557 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RVO, 26, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII - § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII, § 7 Abs. 1 SGB VII), aber das streitige Ereignis ist nicht als Arbeitsunfall zu bewerten.
Ein Versicherungsfall, der hier nur als Arbeitsunfall zu prüfen ist, und der Voraussetzung eines Anspruchs auf Heilbehandlung ist, liegt hier jedoch nicht vor. Das vom Kläger vorgetragene Ereignis aus dem Jahr 1972 lässt sich weder nach dem Recht des Beitrittsgebiets noch nach dem im Jahr 1972 geltenden Recht der RVO als Arbeitsunfall bewerten.
Nach § 215 Abs. 1 SGB VII ist für die Übernahme der vor dem 01. Januar 1992 (in der ehemaligen DDR) eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und Abs. 3 RVO weiter, also über das In-Kraft-Treten des SGB VII am 01. Januar 1997 hinaus, anzuwenden. Nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches (der RVO). Dies gilt nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 - wie hier im vorliegenden Fall – bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO).
Das vom Kläger vorgetragene Ereignis war bereits nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht nicht als Arbeitsunfall zu bewerten, denn am 04. Dezember 1972 stand der Hortbesuch bzw. der Weg vom Hort zum Wohnhaus des Klägers nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Für den vorliegenden Fall existiert nach dem Recht des Beitrittsgebiets für das Jahr 1972 keine Bestimmung, nach der der vorgetragene Unfall des Klägers als Arbeitsunfall/Wegeunfall zu bewerten ist. Ebenso wie der Schulbesuch wurde die Teilnahme der Schüler an der Tageserziehung - hier im Hort - erstmals durch die Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 (GBl. Teil I Nr. 22/1973) Arbeitsunfällen gleichgestellt. § 2 i. V. m. § 1 dieser Verordnung sieht vor, dass Bürger, die bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten einen Unfall erleiden, Leistungen aus der Sozialversicherung und betriebliche Lohnausgleichszahlungen wie bei einem Arbeitsunfall erhalten (§ 1 Abs. 1 der Verordnung). In § 2 e ist der Besuch der zehnklassigen bzw. erweiterten allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule, Spezialschule, Spezialklasse oder Sonderschule und die Teilnahme der Schüler an der Tageserziehung, an außerschulischen Veranstaltungen sowie an organisierter Ferienveranstaltung den in § 1 genannten organisierten gesellschaftlichen Tätigkeiten gleichgestellt.
Diese Verordnung trat am 01. Juli 1973 in Kraft, § 9 Abs. 1 der Verordnung.
Eine ausdrückliche Rückwirkungsvorschrift, wonach die Bestimmungen dieser Verordnung für die vor dem 01. Juli 1973 eingetretenen Unfälle gelten, ist in der Verordnung nicht enthalten. § 7 ist nicht als eine solche Rückwirkungsvorschrift zu verstehen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass der im Jahr 1972 vom Kläger vorgetragene Unfall als Arbeitsunfall nach § 2 e der Verordnung vor In-Kraft-Treten im Jahr 1973 zu beurteilen ist. § 7 dieser Bestimmung sagt lediglich:
Sind Unfälle ab 01. Juli 1968 bei Tätigkeiten eingetreten, die gemäß § 1 oder § 2 erstmalig in den Versicherungsschutz einbezogen wurden, besteht ab 01. Juli 1973 für die verbliebenen Unfallfolgen Anspruch auf Leistungen nach dieser Verordnung.
Dieser Wortlaut weicht ab vom Wortlaut beispielsweise des § 1 Abs. 3 der Anordnung über die Erweiterung des zusätzlichen Unfallversicherungsschutzes durch die Staatliche Versicherung der DDR bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 06. August 1973 (GBl. Teil I Nr. 38 S. 404). Dort wird bestimmt:
Der zusätzliche Unfallversicherungsschutz gilt für Unfälle, die ab 01. Juli 1973 eingetreten sind.
§ 7 der die einschlägigen Erweiterungsverordnung vom 15. Mai 1973 enthält eben nicht die Bestimmung, dass der dort enthaltene zusätzliche Unfallversicherungsschutz für Unfälle gilt, die ab 01. Juli 1968 eingetreten sind. Hingegen begründet § 7 lediglich einen Anspruch auf Leistungen nach der Erweiterungsverordnung vom 01. Juli 1973 "für die verbliebenen Unfallfolgen". Damit fingiert § 7 lediglich für die ab 01. Juli 1973 noch verbliebenen Unfallfolgen das Vorliegen eines Leistungsfalls für die ab 01. Juli 1968 eingetretenen Tätigkeiten - aber eben nur für die ab 01. Juli 1973 noch verbliebenen Unfallfolgen und gewährt insoweit einen Anspruch auf Leistungen nach dieser Verordnung. § 1150 RVO besagt jedoch, dass Vertrauensschutz für die Unfälle gelten soll, die nach dem Recht des Beitrittsgebiets Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren. § 1150 Abs. 1 RVO beruht auf dem "Versicherungsfallprinzip": Erfasst werden vor dem 01. Januar 1992 eingetretene Unfälle und Krankheiten, die nach dem Recht des Beitrittsgebietes abstrakt-generell Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren. Der Zeitpunkt des Eintritts dieser Ereignisse ist maßgebend für die versicherungsrechtliche Zuordnung der Versicherungsfälle. Diese richtet sich nach dem Territorialprinzip. Ist danach das Recht des Beitrittsgebiets anwendbar, beurteilt sich nach diesem, ob das vor 1992 eingetretene Ereignis unter dem Schutz der Sozialversicherung stand und einen Arbeitsunfall oder eine BK darstellt. § 7 besagt gerade nicht das die ab 1968 eingetretenen Unfälle als Arbeitsunfälle der Erweiterungsverordnung galten. Geschützt wurden lediglich die im Jahr 1973 noch vorliegenden Folgen von den nach dieser Verordnung aus dem Jahr 1973 geltenden Bestimmungen. Der Kläger macht jedoch erst in dem Jahr 1999 entstandenen Folgen geltend, die nach § 7 der Verordnung erfasst waren und Ansprüche seinerseits ausgelöst hatten.
Es besteht daher kein Anlass, hier § 7 heranzuziehen, um die Beurteilung des streitgegenständlichen Ereignisses als Arbeitsunfall nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets zu beurteilen. Der Wortlaut von § 7 macht deutlich, dass gerade keine Rückwirkung der Vorschriften dieser Verordnung auf die ab 01. Juli 1968 eingetretenen Unfälle erfolgen soll. In dem Fall wäre nicht nur für die "verbliebenen Unfallfolgen" ein Anspruch begründet. § 7 schützt lediglich den ab 01. Juli 1973 eingetretenen Leistungsfall. Einen solchen macht der Kläger nicht geltend. Erst 1999 war die Unfallfolge eingetreten und damit der Leistungsfall, weil sein Zahnersatz "jetzt erneuert" werden muss (so sein Antrag vom 20. April 1999).
Selbst dann aber, wenn man unterstellt, das Ereignis vom 04. Dezember 1972 sei nach dem Recht des Beitrittsgebiets im Jahr 1972 als Arbeitsunfall zu bewerten, führt die weitere Prüfung des § 1150 RVO zu dem Ergebnis, dass das Ereignis nicht zu entschädigen ist. Das Ereignis aus dem Jahre 1972 ist einem ab 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Jahr 1999 bekannt gegeben worden. Daher gilt die Fiktion des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO nicht. Hingegen kommt es nach Satz 2 darauf an, ob der Unfall nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre und dies ist nicht der Fall.
Unmaßgeblich ist die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, die Beklagte müsse sich die Kenntnis des seinerzeitigen Trägers der Sozialversicherung der DDR zurechnen lassen. Dies wird vom klaren Wortlaut des § 1150 RVO, nicht gedeckt.
Kenntnis im Sinne des § 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO ist lediglich die des zuständigen Unfallversicherungsträgers.
Die Fiktion des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. Der Wortlaut dieser Vorschrift enthält keine Ausnahmen - weder für die bereits in der DDR anerkannten Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten noch für die der Sozialversicherung lediglich bekannt gegebenen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten oder deren Folgen. Unerheblich ist daher der Vortrag, der Beklagten müsse die Kenntnis des Sozialversicherungsträgers zugerechnet werden. Hierfür gibt es keine Zurechnungsvorschrift. Der klare Wortlaut des § 1150 RVO lässt diese Auslegung nicht zu.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 8/00 R - auch 2 BU 69/97 - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass irgendwelche Einschränkungen dem eindeutigen Wortlaut des § 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO nicht zu entnehmen sind. Ausnahmen von der in dieser Vorschrift genannten Stichtagsregelung würden Sinn und Zweck dieser Regelung widersprechen. Aus der Vorschrift werde deutlich, dass Sinn und Zweck der Vorschrift sei, Versicherten aus dem Beitrittsgebiet für eine Übergangszeit umfassenden Vertrauensschutz hinsichtlich der Anerkennung von nach dem Recht der ehemaligen DDR als Arbeitsunfälle bzw. Berufskrankheiten geltenden Unfällen bzw. Krankheiten zu gewähren, diesen Vertrauensschutz aber an dem genannten Stichtag enden zu lassen und nunmehr im Interesse der Gleichbehandlung und Rechtseinheit nur noch das Recht der RVO unterschieds- und ausnahmslos anzuwenden.
Die zum Zeitpunkt des geltend gemachten Ereignisses vom 04. Dezember 1972 geltende RVO sieht keinen Versicherungsschutz für den streitgegenständlichen Unfall des Klägers vor. Nach § 539 Nr. 14 RVO waren gegen Arbeitsunfall versichert,
a. Kinder während des Besuchs von Kindergärten,
b. Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen,
c. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung ...,
d. Studierende ...
Der Unfall des Klägers ereignete sich nach seinem Vortrag nicht im Anschluss an den Besuch einer allgemeinbildenden Schule.
Der Kläger hat selbst im Erörterungstermin angegeben, etwa gegen 11.30 Uhr sei die Schule zu Ende gewesen. Mittagessen, Mittagsschlaf, etwa eine Stunde Schulaufgaben wären im Anschluss daran erfolgt. Im Anschluss an die Schulaufgaben sei eine Betreuung erfolgt, bis er dann nach Hause aufgebrochen sei. Nach seinen Angaben erfolgte der Unfall nach Beendigung des Hortbesuches.
Auch die Zeugin T. hat bestätigt, dass nach Schulschluss die Horterziehung begann. So übernahm der Erzieher von dem vorangegangenen Lehrer die gesamte Klasse, wobei für die Erstklässler ein einstündiger Mittagsschlaf vor Durchführung der Horterziehung vorgesehen war. 16.00 Uhr wurden die Kinder aus dem Hort nach Hause entlassen - bis auf die Späthortkinder - deren Hort bis 17.00 Uhr ging. Nach ihrer Darstellung waren nach dem Mittagsschlaf die Hausaufgaben zu machen, für die lediglich eine halbe Stunde vorgesehen war. Dann wurden diese abgebrochen.
Nach allem war der Kläger nicht nach Nr. 14 b versichert, denn er hatte den Unfall nicht in seiner Eigenschaft als Schüler einer allgemeinbildenden Schule im Sinne der Norm erlitten, sondern als unversicherter Teilnehmer an der Tageserziehung. Entsprechend hatte Vollmar (Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes für Besucher der Kinderhorte und der Kinderkrippen in HVBG-Info 23/1992, S. 2047 f. darauf hingewiesen, es sei geboten, die Hortkinder in den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz einzubeziehen, da ab 01. Januar 1992 kein Versicherungsschutz mehr für sie bestehe.).
Durch § 539 Abs. 1 Nr. 14 b RVO bestimmt sich in der Schülerunfallversicherung der unfallversicherungsrechtliche Schutzbereich der Schule nach dem organisatorischem Verantwortungsbereich der Schule. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs sind die Schüler nur noch unter besonderen Voraussetzungen gegen Arbeitsunfall versichert, während im Übrigen - außerhalb dieses Verantwortungsbereichs - auch diejenigen ihrer Verrichtungen nicht als versicherte Schultätigkeiten gelten, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt sind und deshalb an sich nach dem Recht der allgemeinen Unfallversicherung ihm zuzuordnen wären (BSGE 51, 257, 259). Das heißt, dass versichert ist die zeitliche Inanspruchnahme durch den Schulbesuch des lehrplanmäßigen Unterrichts sowie an sonstigen schulischen Veranstaltungen. Dabei sind Schulveranstaltungen nur solche, die im inneren Zusammenhang mit der Schulausbildung und im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule stattfinden, das heißt von der Schule ggf. beauftragten Lehrern oder anderen Personen als (schul-)eigene Maßnahme organisiert, durchgeführt und überwacht werden. Dabei ist entscheidend das objektive Gesamtbild nach der Art der Bekanntmachung, Teilnahmeberechtigung, Art und Umfang von Betreuung und Aufsicht, finanzieller Gestaltung (BSGE 48, 1).
Zwar können auch solche Verrichtungen, die außerhalb des eigentlichen Schulunterrichts liegen, in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule einbezogen sein (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 120). Hinreichend ist, dass Schüler oder Lehrer objektiv den Gesamteindruck von einer schulischen Veranstaltung in diesem Sinne haben konnten (BSGE 44, 94, 97). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Für Eltern und Schüler war erkennbar eine Trennung zwischen schulischer Ausbildung und schulergänzender bzw. familienergänzender Betreuung und Bewahrung. Im Fall des Klägers war dieses insbesondere deutlich erkennbar durch die infolge des mitverordneten Mittagsschlafs eingetretene Zäsur.
Die äußere organisatorische Verantwortlichkeit des Schulträgers für die aus allgemeinbildender Schule und angeschlossenem Hort bestehende Gesamteinrichtung und eine einheitliche bildungspolitische Zielsetzung des Schulträgers reicht nicht aus, um hier den objektiven Gesamteindruck zu hinterlassen, der Hortbesuch sei eine schulische Veranstaltung. Hingegen ist entscheidend, dass sich die an die Schule anschließende Tageserziehung im Hort nicht inhaltlich-konzeptionell als (Teil-)Maßnahme der gesamten schulischen Ausbildung verstand und darstellte, sondern hiervon unterschieden nur eine schulergänzende und familienergänzende Betreuung und Bewahrung mit Erziehungsfunktion erkennbar statuierte. Entsprechend unterschied § 2 e) der Verordnung vom 15. Mai 1973 zwischen dem Schulbesuch und der Teilnahme der Schule an der Tageserziehung.
Damit bereits wurde Schülern und Lehrpersonal vermittelt ein inhaltlich-konzeptioneller Unterschied beider Einrichtungen, was seinen Ausdruck auch im Übrigen fand:
Schon äußerlich war eine Unterscheidung dadurch erkennbar, dass eine Erzieherin vom vorangegangenen Lehrer die gesamte Klasse übernahm und die Schulaufgaben nur eine halbe Stunde dauern durften. Bereits hieraus wird deutlich, dass der Bereich der schulischen (Aus-) Bildung und der Bereich der außerschulunterrichtlichen Bildung und Erziehung inhaltlich-konzeptionell unterschieden waren. Dies ergab sich bereits aus § 9 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen - Schulordnung - vom 29. November 1979 (GBl. I S. 433 ff.). Nach dieser Vorschrift durften Schüler durch Veranstaltungen, die außerhalb des Unterrichts lagen, erst zwei Stunden nach Beendigung des Unterrichts und anderer Formen der schulischen Bildungs- oder Erziehungsarbeit beansprucht werden. Bereits durch diese zeitliche Zäsur wird für Schüler und Eltern deutlich, dass die schulische Ausbildung und Erziehung von der außerschulischen Tageserziehung inhaltlich verschieden war, wenngleich sie sowohl eine curriculare Nähe als auch eine gemeinsame Leitung durch den Direktor ausgezeichnet haben mag (§ 17 Abs. 5 Satz 1 Schulgesetz der DDR).
Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Schulordnung-DDR durften die ersten Klassen nicht mehr als vier Stunden, die zweiten und dritten Klassen nicht mehr als fünf Stunden unterrichtet werden. § 9 Abs. 1 Schulordnung-DDR regelte, dass der Zeitplan außerunterrichtliche Bildung und Erziehung im Zusammenhang mit dem Stundenplan, einen kontinuierlichen Ablauf der Bildung und Erziehung im Unterricht, dem Schulhort, im Schulinternat, in der außerunterrichtlichen Tätigkeit, in der Grundorganisation der Freien Deutschen Jugend und in der Pionierfreundschaft, der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" zu gewährleisten habe.
Durch den Zeitplan (§ 9 Abs. 2 Schulordnung-DDR) sei zu sichern, dass alle Schüler die Möglichkeit haben sollten, auf freiwilliger Grundlage an verschiedenen Formen der außerunterrichtlichen Bildung und Erziehung teilzunehmen.
Die Tageserziehung wurde nach DDR-Recht auch begrifflich nicht als schulische Bildung angesehen. In § 17 Abs. 1 Satz 2 Schulgesetz heißt es, dass beide Bereiche - die schulische wie die außerschulische Bildung und Erziehung - eng miteinander zu verbinden und sicher aufeinander zu beziehen seien. Danach hat auch in der DDR kein System einer Ganztagsschule bestanden, sondern die schulische (Aus-)Bildung und Erziehung war von der außerschulischen Tageserziehung inhaltlich geschieden, wenngleich sie sowohl eine curriculare Nähe als auch eine gemeinsame Leitung durch den Direktor ausgezeichnet haben mag (§ 17 Abs. 5 Satz 1 Schulgesetz-DDR).
Auch die Fassung der Erweiterungsverordnung selbst gibt einen Hinweis auf diese begriffliche Unterscheidung, weil auch dort die Tageerziehung unterschieden ist von dem Besuch der allgemeinbildenden Oberschule (vgl. § 2 e).
Die Unterscheidung des Bereichs der schulischen Ausbildung und des Bereichs der außerschulischen Bildung und Erziehung wird auch durch die Stellung des Direktors deutlich. Nach § 10 Abs. 1 Schulordnung-DDR war der Direktor für die politische, pädagogische und schulorganisatorische Leitung der Schule einschließlich des Schulhortes und des Schulinternates verantwortlich. Er war verpflichtet, den Unterricht, die außerunterrichtliche Tätigkeit, die Arbeit im Schulhort und im Schulinternat zu kontrollieren und zu analysieren. Er stützte sich dabei auf die Arbeit auch des Hortleiters.
Aufgabe des Leiters des Schulhortes war es umgekehrt (§ 20 Schulordnung-DDR) auf der Grundlage des Arbeitsplans der Schule den Einsatz der im Schulhort tätigen Lehrer und Erzieher zu planen, ihre Arbeit anzuleiten und zu kontrollieren. Der Hortleiter war dem Direktor unterstellt und rechenschaftspflichtig. Im Rahmen ihrer Aufgaben waren die Hortleiter gegenüber den im Schulhort tätigen Lehrern und Erziehern weisungsberechtigt (§ 20 Abs. 2 Schulordnung-DDR). Wenngleich diese Regelung der Aussage der Zeugin Tönse entspricht, dass im Schulhort neben Erziehern auch Lehrer eingesetzt wurden, folgt hieraus nicht, dass der Hortbesuch im Verantwortungsbereich der Schule stand. Hingegen wird die in § 2 der Erweiterungsverordnung deutlich erkennbare Trennung zwischen dem Besuch der allgemeinbildenden Schule und der Teilnahme der Schüler an der Tageserziehung, auch nach dem Inhalt des § 27 Abs. 1 Schulordnung-DDR deutlich, wonach der Schulhort der DDR nur schulausbildungsergänzende und unterstützende Funktion hatte und nicht zum unterrichtlichen Kernbereich des Schulsystems zählte. So war nach Abs. 1 die pädagogische Arbeit der Lehrer und Erzieher im Schulhort darauf gerichtet, den Schülern beim Lernen zu helfen, sie zur Anwendung erworbenen Wissens zu befähigen und zur schöpferischen Selbstbetätigung anzuregen. § 27 Abs. 4 Schulordnung-DDR verweist darauf, dass die Erzieher bei der Planung ihrer Arbeit berücksichtigen müssten, dass die Schüler ausreichend Zeit für individuelle Beschäftigung und Erholung, zum Aufenthalt im Freien, zur Einnahme der Schülerspeisung und zur Mittagsruhe habe. Auch dies verdeutlicht den Unterschied zur schulischen Ausbildung.
Der Kläger war zur Ereigniszeit auch nicht nach §§ 539 Abs. 1 Ziffer 14 a RVO versichert, wonach Kinder während des Besuchs von Kindergärten unfallversichert waren. Als Kindergärten sind unabhängig von ihrer Bezeichnung nur Einrichtungen gemeinschaftlicher vorschulischer Erziehung zu verstehen, also bis zum Schulbeginn (Ricke in KassKomm. § 539 RVO Rz. 74, der Hinweis auf BSGE 74, 203, 205).
Diese Vorschrift ist erst auf Initiative des Bundesrates der so genannten - von der Bundesregierung zunächst allein beabsichtigten - Schülerversicherung vorgeordnet worden. Zu dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten (BT-Drs. VI/1333) vom 30. Oktober 1970 hat der Bundesrat dahingehend Stellung genommen, dass die Bundesregierung die Bedeutung der vorschulischen Erziehung für die Förderung der individuellen Begabung und die Überwindung sozial bedingter Milieusperren ausdrücklich in ihrem Bildungsbericht hervorgehoben habe und die Reform und den Ausbau der Vorschulerziehung als erste Stufe des Bildungswesens als vordringliche bildungspolitische Aufgabe bezeichne. Die Kindergartenstufe solle danach als Elementarbereich in das Bildungssystem einbezogen und in der Weise ausgestaltet werden, dass also alle Kinder im Kindergarten, deren Eltern es wünschen, eine Einrichtung im Elementarbereich besuchen könnten. Damit ergebe sich die Notwendigkeit, aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Schülern auch diejenigen Kinder, die einen Kindergarten besuchen, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen (BT-Drs. VI/133, S. 7). Schon in seiner Entscheidung vom 28. Juli 1977 - 2 RU 5/77 – hat das BSG unter Heranziehung dieser Gesetzesgeschichte ausgeführt, dass von den Zielvorstellungen des Gesetzgebers jeweils unter den Kindergartenbegriff des § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchstabe a RVO keine Kindertageseinrichtungen fallen, die vom durchschnittlichen Alter der aufzunehmenden Kinder her keine vorschulische Erziehung im Sinne der obigen Ausführung bieten können. Es schieden daher Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder ebenso aus wie Betreuungsstätten für schulpflichtige Kinder (BSGE 44, 203, 206).
Diese Grundsätze hat das BSG in seinem Urteil vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 75/78 - 47, 281, 284 bestätigt und in den Gründen E 47, 281, 284 verdeutlicht, dass Betreuungsstätten für schulpflichtige Kinder nicht unter dem Kindergartenbegriff der Nr. 14 a fielen.
Die begriffliche Abgrenzung vom Kindergarten einerseits und Kinderhorten andererseits wird auch von Vollmar, Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, 4. Auflage 1990 S. 16 dort auch FN 6 vertreten. Kinderhorte sind danach als Betreuungsstätten für 6- bis 14jährige Schulkinder eingerichtet, die sich dort tagsüber, außer sonntags, regelmäßig außerhalb des Schulbesuchs aus sozialen und pädagogischen Gründen zur Erziehung und Pflege aufhalten. Im Hintergrund steht die familien- und schulergänzende Betreuung, vorwiegend sind dagegen bewahrende und erzieherische Aufgaben.
Demgegenüber hat der Gesetzgeber der RVO die Kindergärten nur unter dem Aspekt ihrer elementaren Bildungs- und Erziehungsfunktion im Rahmen eines integrierten Bildungssystems in den Unfallversicherungsschutz übernommen (LSG Bremen vom 22. August 1994 - L 2 U 15/74 in Breithaupt 75, 389 bis 391).
Nach allem hat sich der Kläger im Jahr 1972 als ein - nach der RVO unversicherter - Teilnehmer an der Tageserziehung auf dem Heimweg befunden, als er nach seiner Darstellung verunglückte.
Erst durch die Regelung in § 2 Abs. 1 8 b SGB VII, die ab 01. Januar 1997 gilt, kommt in Betracht, den streitigen Hergang als versicherte Tätigkeit zu würdigen.
Die ab 01. Januar 1992 bis 01.01.1997 entstandene Versicherungslücke ist vom Gesetzgeber gewollt. § 1150 RVO wurde im SGB VII ausdrücklich für weiter anwendbar erklärt, es besteht kein Anlass, die dort geregelte Stichtagsregelung für Vertrauensschutz für die im Beitrittsgebiet geltenden Versicherungsfälle deshalb auszudehnen, weil erst unter der Geltung des SGB VII eine dem Recht der DDR entsprechende Regelung getroffen wurde, wäre sie vom Gesetzgeber gewollt gewesen, hätte die Möglichkeit bestanden, eine entsprechende Regelung vorzusehen.
Nach allem war die Berufung zurückzuweisen, die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
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