Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 279/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 15/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine blindengerechte Software "JAWS" in Höhe von 1.636,76 EUR streitig.
Die 1926 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert und wurde von ihr am 20.12.2005 mit dem Vorlesesystem "HedoScan K" versorgt. Sie beantragte am 22.03.2006 unter Vorlage einer Verordnung des Augenarztes Dr. med. E. die Kostenübernahme für eine blindengerechte Software "JAWS". Gleichzeitig übermittelte sie der Beklagten einen Kostenvoranschlag der Firma P. in Höhe von 1.636,76 EUR und eine Stellungnahme von Dr.K., Fachbearbeiter und Trainer für Informations- und Kommunikationssysteme für Blinde und stark Sehbehinderte vom 14.03.2006. Dieser hatte die Klägerin bei einer zweiwöchigen PC-Schulung betreut. Zur Begründung der Notwendigkeit der Software führte er aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer starken Sehbehinderung und weiterer Mobilitätseinschränkungen vieles, was sie früher erledigt habe, nun über Mail oder per Post erledigen müsse. Dazu sei das Softwareprogramm "JAWS" dringend erforderlich. Nur so könne sie die Aufgaben, die mit dem PC auszuführen seien, auch selbständig erledigen.
Mit Bescheid vom 29.03.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin bereits im Besitz eines vergleichbaren Hilfsmittels sei. Eine erneute Versorgung mit Hilfsmitteln komme erst in Frage, wenn das vorhandene Hilfsmittel nicht mehr genutzt werden könne. Man habe der Klägerin am 20.12.2005 ein geschlossenes Vorlesesystem zur leihweisen Verfügung gestellt. Die Spitzenverbände der GKV sähen in der Leistungsgewährung eines Lesesprechgerätes grundsätzlich den Großteil des Grundbedürfnisses auf Information als erfüllt an. Die GKV sei nicht verpflichtet, das Optimum einer Hilfsmittelversorgung zu gewährleisten.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, ihr sei nur ein Vorlesegerät zur Verfügung gestellt worden, was leider nur bei Korrespondenz helfe. Nach wie vor sei es in Deutschland üblich, sich schriftlich zu äußern. Im Übrigen brauche sie diese Sprachausgabe, um sich im Internet informieren zu können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Informationsbeschaffung sei durch das von ihr bewilligte Vorlesesystem "HedoScan K" gewährleistet.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin erneut geltend gemacht, die Ausstattung mit dem sprechenden Vorlesegerät sei nicht ausreichend, und weshalb ergänzend eine Versorgung mit dem beantragten Softwarepaket erforderlich sei. Sie habe sich am 11.08.2006 das Softwarepaket auf eigene Kosten beschafft. Sie nutze das Softwarepaket insbesondere, um Zugriff auf den reichhaltigen Informationspool des Internets zu haben.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.12.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten verwiesen und gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin u.a. darauf, dass das Programm "JAWS" in den Hilfmittelkatalog aufgenommen sei und sie damit auch schreiben könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2006 sowie den Bescheid vom 29.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Anschaffungskosten für das Softwaresystem "JAWS" in Höhe von 1.636,76 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Dem Hilfsmittelverzeichnis komme nach der Rechtsprechung des BSG lediglich der Charakter einer unverbindlichen Auslegungshilfe zu. Die Aufnahme eines Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis bedeute noch nicht, dass sie verpflichtet sei, jeden Versicherten auf seinen Antrag hin mit dem entsprechenden Hilfsmittel auszustatten. Sie sei nach der Rechtsprechung des BSG verpflichtet, schulpflichtige Schüler allgemeinbildender Schulen mit einer behindertengerechten Zusatzausstattung für Computer zu versorgen, wenn eine sinnvolle Teilnahme am Unterricht sonst nicht möglich sei. Die Fähigkeit, einen Computer im privaten Freizeitbereich nutzen und insbesondere im Internet surfen zu können, sei kein allgemeines Grundbedürfnis. Es gäbe immer noch zahlreiche Haushalte, die auf die Nutzung eines Computers verzichten würden.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen bzw. die beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 151 SGG). In der Sache selbst ist sie nicht begründet, weil weder der Gerichtsbescheid vom 14.12.2006 noch die zugrunde liegenden Bescheide vom 29.03.2006 und 10.07.2006 zu beanstanden sind.
Für die begehrte Kostenerstattung kommt als Anspruchsgrundlage allein § 13 Abs.3 SGB V in seiner ersten oder zweiten Alternative in Betracht.
§ 13 Abs.3 SGB V sieht in seiner ersten Alternative eine Kostenerstattungspflicht der Krankenkassen vor, wenn diese eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnten und dadurch den Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Eine unaufschiebbare Leistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Zeitpunkt so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Zeit mehr bleibt, die Krankenkasse vorher einzuschalten (BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 Nr.12 RdNr.23). Offensichtlich liegt hier eine unaufschiebbare Leistung im aufgezeigten Sinne nicht vor. So war die Klägerin erst im Dezember 2005 (Antragstellung auf Software März 2006) mit einem Vorlesegerät
"HedoScan K" versorgt worden.
Aber auch die zweite Alternative des § 13 Abs.3 SGB V scheidet aus, weil die Beklagte nicht zu Unrecht notwendige Leistungen abgelehnt hat und dadurch der Klägerin Kosten entstanden sind. § 13 Abs.3 SGB V zweite Alternative regelt insoweit eine Kostenerstattung für den Fall, dass eine Sachleistung zu Unrecht verweigert und der Versicherte dadurch gezwungen wurde, sich die notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist der Kausalzusammenhang, d.h. es kommt auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Ablehnung und eingeschlagenem Beschaffungsweg an (BSG vom 18.01.1996 - SozR 3-2500 § 13 Nr.10; BSG vom 14.12.2006 - SozR
4-2500 § 13 Nr.12). Im Zeitpunkt der Anschaffung durch die Klägerin hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 19.03.2006 den Antrag abgelehnt. Auch war das Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung durch die Klägerin bereits abgelaufen. Laut der vorliegenden Rechnung der Firma P. vom 11.08.2006 datierte die Bestellung durch die Klägerin vom 04.08.2006. Die Klägerin wusste also zu diesem Zeitpunkt, dass die Kosten für die selbst beschaffte Software von der Beklagten nicht übernommen werden.
Die Ausstattung mit der Software "JAWS" war nicht erforderlich, sondern überschritt das Maß des Notwendigen.
Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ist das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Danach müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs.1 SGB V).
Hilfsmittel (§ 33 SGB V) dienen zum einen der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung und bei Behinderten dem Ausgleich einer Behinderung. Dabei ist der Einsatz von Hilfsmitteln lediglich auf Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet. Zu dieser zählen primär die ausgefallenen Funktionen. Teil der auszugleichenden Behinderung sind ferner auch weitergehende Folgen, soweit diese allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreffen (ständige Rechtsprechung, s. BSG SozR 2200 § 182b Nr.34; zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 33 Nr.6 Rdnr.12). Als Grundbedürfnisse in diesem Sinne sind anerkannt: Ernährung, elementare Körperpflege, selbständiges Wohnen und u.a. auch hinreichende Kommunikation. Allerdings anerkennt die Rechtsprechung hier nur ein Basisbedürfnis und in der Folge nur einen Basisausgleich, also kein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr.29; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr.2 S 15). Zum Informationsbedürfnis wird verwiesen auf BSG SozR 2200 § 182b Nr.34 - Lesegerät), insbesondere auch Lesen (BSG SozR 2200 § 182b Nr.12: Fernseh-Lesegerät; BSGE 50, 77 = SozR 2200 § 182b Nr.17 - Blattwendegerät); Lesen von Druckschriften (BSG SozR 2-2500 § 33 Nr.16; elektronisches Lese-Sprechgerät). Folgen und Auswirkungen einer Behinderung, die über die genannten Beispiele hinausgehen, insbesondere solche auf beruflichen, gesellschaftlichen oder privaten Gebieten, können dagegen nicht durch ein Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V ausgeglichen werden (ständige Rechtsprechung, s. BSG SozR 2200 § 182b Nr.12, 34). Beispiele für nichtberücksichtigungsfähige Hilfsmittel und Lebensbereiche sind eine elektrische Schreibmaschine, eine Blindenschrift-Schreibmaschine). In jedem Fall muss das Hilfsmittel unentbehrlich oder unvermeidlich sein. Erforderlichkeit bedeutet ferner, dass kein kostengünstigeres oder zumindest gleich geeignetes Hilfsmittel zur Verfügung steht. Vorteile in speziellen Lebensbereichen oder bloße Erhöhung der Bequemlichkeit genügen nicht (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr.44).
Stehen für den Behinderungsausgleich mehrere Gerätetypen zur Verfügung, beschränkt sich die Leistungspflicht der Krankenkasse grundsätzlich auf die wirtschaftlichste Versorgung. Die Ausstattung eines Blinden mit behindertengerechter Software kann nur erfolgen, wenn die durch Blindheit eingeschränkte eigenständige Informationsbeschaffung mit dem Vorlesegerät allein nicht umfassend ausgeglichen werden kann, weil bestimmte Dokumente nicht gelesen werden können.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Informationsbeschaffung im Sinne der Rechtsprechung des BSG durch das von ihr bewilligte Vorlesesystem "HedoScan K" gewährleistet ist, da es mit diesem Gerät möglich ist, alle gedruckten, maschinengeschriebenen Schriftstücke vorlesen zu lassen. Durch dieses Gerät ist die Klägerin demzufolge in die Lage versetzt, sich Informationen umfassend zu beschaffen und ihr Grundbedürfnis zur Aufnahme von Informationen zu erfüllen. Der von der Klägerin begehrte Internet-Anschluss geht somit über das Grundbedürfnis zur Aufnahme von Informationen hinaus.
Zum Vorbringen der Klägerin, das Programm "JAWS" sei in den Hilfsmittelkatalog genommen worden, ist hinzuweisen, dass das Hilfsmittelverzeichnis lediglich eine unverbindliche Auslegungshilfe darstellt und keinen Anspruch begründet. Dass es sich lediglich um eine unverbindliche Auslegungshilfe handelt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr.16 S 72; BSGE 77, 209 - SozR 3-2500 § 33 Nr.19 S 99; SozR 3-2500 § 33 Nr.28 S 170).
Somit war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG B-Stadt vom 14.12.2006 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin ist unterlegen.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine blindengerechte Software "JAWS" in Höhe von 1.636,76 EUR streitig.
Die 1926 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert und wurde von ihr am 20.12.2005 mit dem Vorlesesystem "HedoScan K" versorgt. Sie beantragte am 22.03.2006 unter Vorlage einer Verordnung des Augenarztes Dr. med. E. die Kostenübernahme für eine blindengerechte Software "JAWS". Gleichzeitig übermittelte sie der Beklagten einen Kostenvoranschlag der Firma P. in Höhe von 1.636,76 EUR und eine Stellungnahme von Dr.K., Fachbearbeiter und Trainer für Informations- und Kommunikationssysteme für Blinde und stark Sehbehinderte vom 14.03.2006. Dieser hatte die Klägerin bei einer zweiwöchigen PC-Schulung betreut. Zur Begründung der Notwendigkeit der Software führte er aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer starken Sehbehinderung und weiterer Mobilitätseinschränkungen vieles, was sie früher erledigt habe, nun über Mail oder per Post erledigen müsse. Dazu sei das Softwareprogramm "JAWS" dringend erforderlich. Nur so könne sie die Aufgaben, die mit dem PC auszuführen seien, auch selbständig erledigen.
Mit Bescheid vom 29.03.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin bereits im Besitz eines vergleichbaren Hilfsmittels sei. Eine erneute Versorgung mit Hilfsmitteln komme erst in Frage, wenn das vorhandene Hilfsmittel nicht mehr genutzt werden könne. Man habe der Klägerin am 20.12.2005 ein geschlossenes Vorlesesystem zur leihweisen Verfügung gestellt. Die Spitzenverbände der GKV sähen in der Leistungsgewährung eines Lesesprechgerätes grundsätzlich den Großteil des Grundbedürfnisses auf Information als erfüllt an. Die GKV sei nicht verpflichtet, das Optimum einer Hilfsmittelversorgung zu gewährleisten.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, ihr sei nur ein Vorlesegerät zur Verfügung gestellt worden, was leider nur bei Korrespondenz helfe. Nach wie vor sei es in Deutschland üblich, sich schriftlich zu äußern. Im Übrigen brauche sie diese Sprachausgabe, um sich im Internet informieren zu können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Informationsbeschaffung sei durch das von ihr bewilligte Vorlesesystem "HedoScan K" gewährleistet.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin erneut geltend gemacht, die Ausstattung mit dem sprechenden Vorlesegerät sei nicht ausreichend, und weshalb ergänzend eine Versorgung mit dem beantragten Softwarepaket erforderlich sei. Sie habe sich am 11.08.2006 das Softwarepaket auf eigene Kosten beschafft. Sie nutze das Softwarepaket insbesondere, um Zugriff auf den reichhaltigen Informationspool des Internets zu haben.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.12.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten verwiesen und gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin u.a. darauf, dass das Programm "JAWS" in den Hilfmittelkatalog aufgenommen sei und sie damit auch schreiben könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2006 sowie den Bescheid vom 29.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Anschaffungskosten für das Softwaresystem "JAWS" in Höhe von 1.636,76 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Dem Hilfsmittelverzeichnis komme nach der Rechtsprechung des BSG lediglich der Charakter einer unverbindlichen Auslegungshilfe zu. Die Aufnahme eines Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis bedeute noch nicht, dass sie verpflichtet sei, jeden Versicherten auf seinen Antrag hin mit dem entsprechenden Hilfsmittel auszustatten. Sie sei nach der Rechtsprechung des BSG verpflichtet, schulpflichtige Schüler allgemeinbildender Schulen mit einer behindertengerechten Zusatzausstattung für Computer zu versorgen, wenn eine sinnvolle Teilnahme am Unterricht sonst nicht möglich sei. Die Fähigkeit, einen Computer im privaten Freizeitbereich nutzen und insbesondere im Internet surfen zu können, sei kein allgemeines Grundbedürfnis. Es gäbe immer noch zahlreiche Haushalte, die auf die Nutzung eines Computers verzichten würden.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen bzw. die beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 151 SGG). In der Sache selbst ist sie nicht begründet, weil weder der Gerichtsbescheid vom 14.12.2006 noch die zugrunde liegenden Bescheide vom 29.03.2006 und 10.07.2006 zu beanstanden sind.
Für die begehrte Kostenerstattung kommt als Anspruchsgrundlage allein § 13 Abs.3 SGB V in seiner ersten oder zweiten Alternative in Betracht.
§ 13 Abs.3 SGB V sieht in seiner ersten Alternative eine Kostenerstattungspflicht der Krankenkassen vor, wenn diese eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnten und dadurch den Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Eine unaufschiebbare Leistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Zeitpunkt so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Zeit mehr bleibt, die Krankenkasse vorher einzuschalten (BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 Nr.12 RdNr.23). Offensichtlich liegt hier eine unaufschiebbare Leistung im aufgezeigten Sinne nicht vor. So war die Klägerin erst im Dezember 2005 (Antragstellung auf Software März 2006) mit einem Vorlesegerät
"HedoScan K" versorgt worden.
Aber auch die zweite Alternative des § 13 Abs.3 SGB V scheidet aus, weil die Beklagte nicht zu Unrecht notwendige Leistungen abgelehnt hat und dadurch der Klägerin Kosten entstanden sind. § 13 Abs.3 SGB V zweite Alternative regelt insoweit eine Kostenerstattung für den Fall, dass eine Sachleistung zu Unrecht verweigert und der Versicherte dadurch gezwungen wurde, sich die notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist der Kausalzusammenhang, d.h. es kommt auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Ablehnung und eingeschlagenem Beschaffungsweg an (BSG vom 18.01.1996 - SozR 3-2500 § 13 Nr.10; BSG vom 14.12.2006 - SozR
4-2500 § 13 Nr.12). Im Zeitpunkt der Anschaffung durch die Klägerin hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 19.03.2006 den Antrag abgelehnt. Auch war das Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung durch die Klägerin bereits abgelaufen. Laut der vorliegenden Rechnung der Firma P. vom 11.08.2006 datierte die Bestellung durch die Klägerin vom 04.08.2006. Die Klägerin wusste also zu diesem Zeitpunkt, dass die Kosten für die selbst beschaffte Software von der Beklagten nicht übernommen werden.
Die Ausstattung mit der Software "JAWS" war nicht erforderlich, sondern überschritt das Maß des Notwendigen.
Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ist das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Danach müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs.1 SGB V).
Hilfsmittel (§ 33 SGB V) dienen zum einen der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung und bei Behinderten dem Ausgleich einer Behinderung. Dabei ist der Einsatz von Hilfsmitteln lediglich auf Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet. Zu dieser zählen primär die ausgefallenen Funktionen. Teil der auszugleichenden Behinderung sind ferner auch weitergehende Folgen, soweit diese allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreffen (ständige Rechtsprechung, s. BSG SozR 2200 § 182b Nr.34; zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 33 Nr.6 Rdnr.12). Als Grundbedürfnisse in diesem Sinne sind anerkannt: Ernährung, elementare Körperpflege, selbständiges Wohnen und u.a. auch hinreichende Kommunikation. Allerdings anerkennt die Rechtsprechung hier nur ein Basisbedürfnis und in der Folge nur einen Basisausgleich, also kein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr.29; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr.2 S 15). Zum Informationsbedürfnis wird verwiesen auf BSG SozR 2200 § 182b Nr.34 - Lesegerät), insbesondere auch Lesen (BSG SozR 2200 § 182b Nr.12: Fernseh-Lesegerät; BSGE 50, 77 = SozR 2200 § 182b Nr.17 - Blattwendegerät); Lesen von Druckschriften (BSG SozR 2-2500 § 33 Nr.16; elektronisches Lese-Sprechgerät). Folgen und Auswirkungen einer Behinderung, die über die genannten Beispiele hinausgehen, insbesondere solche auf beruflichen, gesellschaftlichen oder privaten Gebieten, können dagegen nicht durch ein Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V ausgeglichen werden (ständige Rechtsprechung, s. BSG SozR 2200 § 182b Nr.12, 34). Beispiele für nichtberücksichtigungsfähige Hilfsmittel und Lebensbereiche sind eine elektrische Schreibmaschine, eine Blindenschrift-Schreibmaschine). In jedem Fall muss das Hilfsmittel unentbehrlich oder unvermeidlich sein. Erforderlichkeit bedeutet ferner, dass kein kostengünstigeres oder zumindest gleich geeignetes Hilfsmittel zur Verfügung steht. Vorteile in speziellen Lebensbereichen oder bloße Erhöhung der Bequemlichkeit genügen nicht (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr.44).
Stehen für den Behinderungsausgleich mehrere Gerätetypen zur Verfügung, beschränkt sich die Leistungspflicht der Krankenkasse grundsätzlich auf die wirtschaftlichste Versorgung. Die Ausstattung eines Blinden mit behindertengerechter Software kann nur erfolgen, wenn die durch Blindheit eingeschränkte eigenständige Informationsbeschaffung mit dem Vorlesegerät allein nicht umfassend ausgeglichen werden kann, weil bestimmte Dokumente nicht gelesen werden können.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Informationsbeschaffung im Sinne der Rechtsprechung des BSG durch das von ihr bewilligte Vorlesesystem "HedoScan K" gewährleistet ist, da es mit diesem Gerät möglich ist, alle gedruckten, maschinengeschriebenen Schriftstücke vorlesen zu lassen. Durch dieses Gerät ist die Klägerin demzufolge in die Lage versetzt, sich Informationen umfassend zu beschaffen und ihr Grundbedürfnis zur Aufnahme von Informationen zu erfüllen. Der von der Klägerin begehrte Internet-Anschluss geht somit über das Grundbedürfnis zur Aufnahme von Informationen hinaus.
Zum Vorbringen der Klägerin, das Programm "JAWS" sei in den Hilfsmittelkatalog genommen worden, ist hinzuweisen, dass das Hilfsmittelverzeichnis lediglich eine unverbindliche Auslegungshilfe darstellt und keinen Anspruch begründet. Dass es sich lediglich um eine unverbindliche Auslegungshilfe handelt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr.16 S 72; BSGE 77, 209 - SozR 3-2500 § 33 Nr.19 S 99; SozR 3-2500 § 33 Nr.28 S 170).
Somit war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG B-Stadt vom 14.12.2006 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin ist unterlegen.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
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