Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 U 184/01
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 182/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 19. April 2000 ein Arbeitsunfall ist. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das Ereignis vom 19. April 2000 ein Arbeitsunfall ist.
Der am. 1953 geborene Kläger ist als Gastransporteur beschäftigt. Am 19. April 2000 nahm er um 6.15 Uhr seine Tätigkeit auf. Er belud zunächst auf dem Betriebsgelände ein Transportfahrzeug mit ca. 20 bis 80 kg schweren Gasflaschen aus Stahl. Anschließend belieferte er Kunden mit den Gasflaschen. Dabei fuhr er selbst das Fahrzeug und füllte auch die entsprechenden Lieferscheine aus. Kurz vor Ende der Arbeitsschicht bereitete er eine Auslieferung für den nächsten Tag vor, indem er Paletten, die mit einem Gabelstapler auf das Transportfahrzeug verbracht worden waren, mit Spanngurten sicherte. Als der Kläger nach Beendigung der Tätigkeit gegen 15.15 Uhr die beim Vergurten getragenen Handschuhe auszog, stellte er fest, dass der rechte Mittelfinger abgeklappt war und sich nicht mehr aufrichten ließ.
Nachdem der Kläger seinen Niederlassungsleiter über die Verletzung informiert hatte, suchte er gegen 16.45 Uhr den Chirurgen und Durchgangsarzt Prof. Dr. W (Direktor der Klinik für Unfallchirurgie der O -v -G -Universität M ) auf. Mit Durchgangsarztbericht vom 25. April 2000 diagnostizierte dieser einen subkutanen Strecksehnenabriss und stellte ein Streckdefizit von 40 Grad am Endgelenk des dritten Fingers rechts fest.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Prof. Dr. S (Direktor der Klinik für Plastische-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie der O -v -G -Universität M ) ein, der diese gemeinsam mit Dr. F am 24. Januar 2001 erstellte. Diese führten aus, da der Kläger kein direktes Unfallereignis angegeben habe, könne nicht beurteilt werden, ob der Ereignisablauf geeignet gewesen sei, die Verletzung hervorzurufen. Ergänzend teilten Prof. Dr. S und Dr. F unter dem 14. März 2001 auf Nachfrage der Beklagten mit, die erlittene Verletzung könne bei sämtlichen handwerklichen Tätigkeiten auftreten. Da hierfür keine massive Gewalteinwirkung nötig sei, könne der Kläger allein aufgrund der Kraftaufwendung beim Vergurten der Paletten die Verletzung erlitten haben.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2001 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 19. April 2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Sie führte zur Begründung aus, ein plötzlich von außen auf den Körper schädigend einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) sei nicht zu erkennen. Das Verladen und Vergurten der Gasflaschen sei durch willentlich gesteuerte Bewegungsabläufe erfolgt.
Am 11. Juli 2001 erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei als Fahrer des Transportfahrzeugs für die Ladungssicherheit verantwortlich gewesen. Daher sei die beim Verladen und Vergurten der Gasflaschen erlittene Verletzung als Arbeitsunfall anzuerkennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die physiologischen Bewegungsabläufe beim Verladen und Vergurten der Gasflaschen erfüllten nicht den Unfallbegriff in der gesetzlichen Unfallversicherung. Besondere Ereignisse (wie z. B. Einklemmen, Verhaken mit den Fingern etc.) habe der Kläger nicht bemerkt.
Am 25. Oktober 2001 hat der Kläger beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben. Er hat vorgetragen, bei dem Ereignis handele es sich um einen Arbeitsunfall, da die Verletzung von außen durch die Gasflaschen herbeigeführt worden sei.
Mit Urteil vom 23. November 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es stehe nicht im Vollbeweis fest, dass der Kläger einem von außen auf den Finger einwirkenden Ereignis ausgesetzt gewesen sei, das zur Verletzung bzw. Schädigung geeignet gewesen wäre. Eine Einwirkung durch die Gasflaschen sei zeitnah zum Unfallereignis weder ärztlich noch vom Kläger geschildert worden. Auch die weiteren Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall lägen nicht vor, denn die (unterstellte) Einwirkung sei nicht wesentliche Bedingung für den erlittenen Schaden. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. S und Dr. F könne ein Sehnenabriss bei sämtlichen handwerklichen Tätigkeiten ohne massive Gewalteinwirkung auftreten. Zudem sei das Vergurten als willentlich gesteuerter, physiologischer Bewegungsablauf nicht geeignet, eine nicht vorgeschädigte Fingersehne zu zerreißen. Der Körper könne nicht durch willentliche Kraftanstrengung geschädigt werden, da dieser die Kraftentfaltung immer unwillkürlich so abregele (drossele), dass er keinen Schaden erleide.
Gegen das am 25. November 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Dezember 2004 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, mit der erlittenen Verletzung hätte er seine Tätigkeit am 19. April 2000 nicht aufnehmen bzw. die ihm obliegenden Arbeitshandlungen nicht ausführen können. Die Bewegungsabläufe beim Be- und Entladen der Stahlflaschen setzten eine volle Funktionsfähigkeit der Finger voraus. Auch während der Auslieferung habe noch keine Verletzung des Fingers vorgelegen, zudem hätte er mit dieser Verletzung kein Fahrzeug sicher führen können. Zu diesem Zeitpunkt habe er auch noch keine Handschuhe angehabt. Erst nachdem er von seinem Chef den Auftrag erhalten habe, die Belieferung für den nächsten Tag vorzunehmen, habe er weiche Lederhandschuhe angezogen und dann die vom Gabelstapler auf das Fahrzeug verbrachten Paletten durch Spanngurte gesichert. Nachdem er beim Ausziehen der Handschuhe die Verletzung bemerkt habe, habe er den Niederlassungsleiter informiert, der eine Eintragung in das Unfallbuch vorgenommen habe. Zur Unterstützung seines Vortrags hat der Kläger das Unfallbuch vom 19. April 2000 vorgelegt, in dem vermerkt worden ist, dass der Kläger am 19. April 2000 gegen 15.15 Uhr eine Verletzung am Mittelfinger (Erstes Gelenk) der rechten Hand bei Verladungsarbeiten erlitten hat. Er sei beim Verzurren der Gasflaschenpaletten an der Ratsche oder beim Ansetzen des Spanngurtes hängen geblieben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 19. April 2000 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, ein Unfallhergang sei nicht im Vollbeweis nachgewiesen.
Am 24. November 2006 hat der damals zuständige Berichterstatter des Senats eine Zeugeneinvernahme des B S , einem Arbeitskollegen des Klägers, durchgeführt. Dieser hat ausgesagt, er habe am 19. April 2000 kurz vor Feierabend zusammen mit dem Kläger die Beladung eines Fahrzeugs mit Gasflaschen für den nächsten Tag vorbereitet. Der Kläger habe dann die Gasflaschen verzurrt und dabei eine Reaktion gezeigt, die ihn veranlasst habe, seinen Handschuh auszuziehen. Dabei habe er gesehen, dass der Mittelfinger des Klägers nach unten gehangen habe und nicht wieder habe aufgerichtet werden können. Er habe dann die Beladung, die ca. 30 bis 45 Minuten gedauert habe, allein zu Ende geführt.
Der Senat hat außerdem einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. F vom 7. Mai 2007 sowie ergänzende Stellungnahmen vom 8. Juni 2007 und 25. Juni 2007 eingeholt. Danach habe er den Kläger im Zeitraum vom 24. Februar bis 6. September 2000 wegen eines Halswirbelsäulensyndroms, einer Cervicobrachialgie, eines Verdachts auf eine Rotatorenmanschettenruptur und eines Strecksehnenabrisses am Strahl III der rechten Hand behandelt. Die erstmalige Behandlung wegen des Strecksehnenabrisses, zu dessen Ursächlichkeit er aber keine Angaben machen könne, sei am 25. April 2000 erfolgt.
Schließlich hat der Senat den Chirurgen Dr. K das Gutachten vom 10. April 2008 nach Aktenlage erstatten lassen. Dieser hat ausgeführt, ein Strecksehnenabriss werde immer durch eine direkte oder eine indirekte Gewalteinwirkung verursacht. Eine Unfallmechanik mit einer erkennbaren direkten Gewalteinwirkung auf die Strecksehne des rechten Mittelfingers oder eine abrupte Dehnungsbelastung der Strecksehne als indirekte Gewalteinwirkung sei hier aber nicht zu erkennen. Außerdem hat der Sachverständige ausgeführt, selbst bei der Annahme, dass es vom Kläger unbemerkt vor Aufnahme der Arbeitsschicht zu einer entsprechenden Läsion gekommen sei, hätten die Einschränkungen spätestens beim Anziehen der Arbeitshandschuhe auffallen müssen. Denn eine Läsion im Bereich der Strecksehne gehe immer mit einem Streckverlust des Endgliedes des Fingers einher. Schließlich hat der Sachverständige keine Hinweise auf unfallunabhängige rechtlich wesentliche Ursachen für den Strecksehnenabriss, wie z. B. eine vorangeschrittene Zerrüttung der Sehne auf dem Boden einer entzündlich rheumatischen Erkrankung, finden können. Aufgrund der konservativen Therapie des Klägers habe keine Gewebeprobe entnommen werden können.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 ist rechtswidrig und war daher ebenso wie das Urteil des Sozialgerichtes Magdeburg vom 23. November 2004 aufzuheben. Denn die zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erhobene Klage ist begründet. Der Kläger hat am 19. April 2000 einen Arbeitsunfall erlitten.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich (auf eine Arbeitsschicht) begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Diese Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind für das Ereignis vom 19. April 2000 erfüllt. Der Kläger war als Gastransporteur bei der Beklagten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert, als er die Paletten, die der Gabelstapler auf das Transportfahrzeugs verbracht hatte, vergurtete (versicherte Tätigkeit).
Zur Überzeugung des Senats steht außerdem fest, dass das Vergurten der Gasflaschen bei dem Kläger zu einer zeitlich begrenzten Einwirkung von außen - dem Unfallereignis - geführt hat. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII setzt der gesetzliche Unfallbegriff ein von außen einwirkendes Ereignis voraus, für das nach völlig einhelliger Auffassung gerade kein besonderes Geschehen erforderlich ist. Vielmehr genügen alltägliche Vorgänge (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. nur Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R – zitiert nach Juris m.w.N.). Der Unfallbegriff soll vor allem der Abgrenzung zur inneren Ursache (Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw.) dienen und vorsätzliche Selbstschädigungen ausschließen (BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Eine äußere Einwirkung ist demnach nur dann zu verneinen, wenn die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Betroffenen oder dessen willentliches Verhalten die wesentliche Ursache war (BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.). Mit willentlichen Vorgängen sollen nur vorsätzliche Schädigungen, nicht aber körpereigene Bewegungen aus dem Unfallbegriff ausgeschlossen werden. Denn auch körpereigene Bewegungen sind äußere Vorgänge im Sinne des Unfallbegriffs, selbst wenn sie gewohnt und üblich sind (KassKomm-Ricke, Stand November 2006, § 8 SGB VII RdNr. 24). Daher fordert das BSG für die äußere Einwirkung auch kein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen (BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.). Ob eine und welche äußere Einwirkung vorlag, ist in solchen Fällen allerdings nicht ohne die eigentlich erst in einem weiteren Schritt zu prüfende Ursachenbeurteilung festzustellen. Mithin steht ein Versicherter, der auf ausdrückliche oder stillschweigende Anordnung seines Arbeitgebers zur Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine Kraftanstrengung unternimmt und - den Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung unterstellt - dabei einen Gesundheitsschaden erleidet, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.).
Nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteile des BSG vom 7. September 2004 – B 2 U 34/03 R – und vom 9. Mai 2006 – B 2 U 26/04 R –) ist festzustellen, ob bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, sodass das Gericht darauf seine Überzeugung gründen kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt nicht. Zur Vermeidung eines nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Betrachtungsweise denkbaren unendlichen Ursachenzusammenhangs (Bedingungs- bzw. Äquivalenztheorie) wird die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung rechtlich relevante Kausalität nach der "Theorie der wesentlichen Bedingung" eingegrenzt. Danach ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (vgl. KassKomm-Ricke, a.a.O. RdNr. 4, 15 m. w. N.). Das bedeutet, dass nicht jede Gesundheitsstörung, die im naturwissenschaftlichen Sinne durch das angeschuldigte versicherte Ereignis beeinflusst worden ist, rechtlich dessen Folge ist, sondern nur der Gesundheitsschaden, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht worden ist. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Gesichtspunkte für diese wertende Entscheidung sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte und ergänzend auch der Schutzzweck der Norm.
Nach diesem Maßstab ist festzustellen, dass die mit dem Vergurten der Paletten (also der versicherten Tätigkeit) einhergehende Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte zu einer zeitlich begrenzten, äußeren Einwirkung auf den dritten Finger der rechten Hand des Klägers geführt hat. Dass nicht mehr genau aufgeklärt werden kann, ob eine direkte oder indirekte Gewalteinwirkung beim Vergurten der Paletten auf den Finger vorgelegen hat, ist nach dem dargelegten Maßstab nicht von Bedeutung. Denn nach der Theorie der wesentlichen Bedingung besteht ein Ursachenzusammenhang zwischen der Kraftaufwendung beim Vergurten der Paletten und dem im Vollbeweis feststehenden subkutanen Strecksehnenabriss am Endglied des dritten Fingers rechts.
Insoweit stützt sich der Senat auf die Stellungnahmen von Prof. Dr. S und Dr. F sowie auf die gutachtlichen Ausführungen von Dr. K. Soweit Dr. K auf ein fehlendes Unfallereignis hingewiesen hat, hat er allerdings eine ihm nicht obliegende rechtliche Bewertung vorgenommen, die - wie bereits dargestellt - nicht mit der Rechtsprechung des BSG konform ist. Daher konnte der Senat seinen diesbezüglichen Ausführungen nicht folgen.
Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der für das Vergurten der Paletten notwendigen Kraftaufwendung und dem Strecksehnenabriss spricht, dass nach den Ausführungen von Prof. Dr. S und Dr. F diese Tätigkeit geeignet war, einen Strecksehnenabriss am Endglied des Fingers herbeizuführen. Prof. Dr. S und Dr. F haben ausdrücklich festgestellt, dass hierfür keine massive Gewalteinwirkung notwendig sei, sondern sämtliche handwerkliche Tätigkeiten einen solchen verursachen könnten. Zwar hat der Kläger während des Vergurtens der Paletten Lederhandschuhe getragen, doch da diese weich waren, war eine Verletzung wie ein Strecksehnenabriss einerseits nicht ausgeschlossen. Andererseits konnte wegen der Lederhandschuhe die leichte Verletzung des Klägers zunächst unbemerkt bleiben, sodass nachvollziehbar erscheint, dass der Kläger kein konkretes Ereignis wie z. B. Hängenbleiben, Überdehnen etc. angeben konnte.
Dafür, dass die Verletzung beim Vergurten der Paletten eingetreten ist, spricht auch das Verhalten des Klägers nach dem Ausziehen der Handschuhe. Nachdem er ca. 15.15 Uhr das herunterhängende Fingerendglied bemerkt hatte, hat er seine Tätigkeit - wie auch der Zeuge S bestätigt hat - sofort abgebrochen. Dann veranlasste er beim Niederlassungsleiter eine Meldung für das Unfallbuch und suchte schon um 16.45 Uhr den D-Arzt auf. Dieses zielgerichtete Verhalten des Klägers nach Entdeckung der Verletzung spricht dagegen, dass diese Verletzung schon vor dem Vergurten der Paletten vorgelegen hat.
Zudem erscheint es auch unter Berücksichtigung der zuvor vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten ausgeschlossen, dass der Kläger bei einer anderen Tätigkeit als dem Vergurten der Paletten den Strecksehnenabriss erlitten hat. Er hat nach der Aufnahme der Arbeitsschicht um 6.15 Uhr zahlreiche, verschiedenartige Tätigkeiten ausgeführt, bei denen er ständig seine Hände und Finger einsetzen musste. So haben das Beladen des Transportfahrzeugs mit den 20 bis 80 kg schweren Gasflaschen, das Führen des Transportfahrzeugs im Straßenverkehr und das Ausfüllen der Lieferscheine voll funktionsfähige Hände und Finger vorausgesetzt. Dass der Kläger bis zum Anziehen der Handschuhe unmittelbar vor dem Vergurten der Paletten noch keine Verletzung des Fingers erlitten haben konnte, wird auch daran deutlich, dass der Kläger ohne Probleme seine Handschuhe angezogen hat, als er mit dem Vergurten der Paletten beginnen wollte. Denn dabei hätte ihm - wie Dr. K gutachtlich dargelegt hat - ein vorhandener Strecksehnenabriss auffallen müssen, weil der damit einhergehende Streckverlust zu Schwierigkeiten beim Anziehen der Handschuhe geführt hätte.
Dagegen sind Hinweise auf konkurrierende Ursachen für den Strecksehnenabriss nach den gutachtlichen Ausführungen des Dr. K nicht erkennbar. Das Vorliegen einer Schadensanlage (z.B. eine Zerrüttung der Sehne aufgrund einer rheumatischen Erkrankung) oder einer anderen Ursache ist nicht nachgewiesen. Auch der Befundbericht des Dr. F zeigt, dass der Kläger lediglich wegen Beschwerden im Halswirbelsäulen- und Schulterbereich in Behandlung war. Hinweise auf eine innere Ursache des erlittenen Strecksehnenabrisses sind auch diesem Befundbericht nicht zu entnehmen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 160 Abs. 2 SGG aufgeführten Gründe nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das Ereignis vom 19. April 2000 ein Arbeitsunfall ist.
Der am. 1953 geborene Kläger ist als Gastransporteur beschäftigt. Am 19. April 2000 nahm er um 6.15 Uhr seine Tätigkeit auf. Er belud zunächst auf dem Betriebsgelände ein Transportfahrzeug mit ca. 20 bis 80 kg schweren Gasflaschen aus Stahl. Anschließend belieferte er Kunden mit den Gasflaschen. Dabei fuhr er selbst das Fahrzeug und füllte auch die entsprechenden Lieferscheine aus. Kurz vor Ende der Arbeitsschicht bereitete er eine Auslieferung für den nächsten Tag vor, indem er Paletten, die mit einem Gabelstapler auf das Transportfahrzeug verbracht worden waren, mit Spanngurten sicherte. Als der Kläger nach Beendigung der Tätigkeit gegen 15.15 Uhr die beim Vergurten getragenen Handschuhe auszog, stellte er fest, dass der rechte Mittelfinger abgeklappt war und sich nicht mehr aufrichten ließ.
Nachdem der Kläger seinen Niederlassungsleiter über die Verletzung informiert hatte, suchte er gegen 16.45 Uhr den Chirurgen und Durchgangsarzt Prof. Dr. W (Direktor der Klinik für Unfallchirurgie der O -v -G -Universität M ) auf. Mit Durchgangsarztbericht vom 25. April 2000 diagnostizierte dieser einen subkutanen Strecksehnenabriss und stellte ein Streckdefizit von 40 Grad am Endgelenk des dritten Fingers rechts fest.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Prof. Dr. S (Direktor der Klinik für Plastische-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie der O -v -G -Universität M ) ein, der diese gemeinsam mit Dr. F am 24. Januar 2001 erstellte. Diese führten aus, da der Kläger kein direktes Unfallereignis angegeben habe, könne nicht beurteilt werden, ob der Ereignisablauf geeignet gewesen sei, die Verletzung hervorzurufen. Ergänzend teilten Prof. Dr. S und Dr. F unter dem 14. März 2001 auf Nachfrage der Beklagten mit, die erlittene Verletzung könne bei sämtlichen handwerklichen Tätigkeiten auftreten. Da hierfür keine massive Gewalteinwirkung nötig sei, könne der Kläger allein aufgrund der Kraftaufwendung beim Vergurten der Paletten die Verletzung erlitten haben.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2001 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 19. April 2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Sie führte zur Begründung aus, ein plötzlich von außen auf den Körper schädigend einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) sei nicht zu erkennen. Das Verladen und Vergurten der Gasflaschen sei durch willentlich gesteuerte Bewegungsabläufe erfolgt.
Am 11. Juli 2001 erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei als Fahrer des Transportfahrzeugs für die Ladungssicherheit verantwortlich gewesen. Daher sei die beim Verladen und Vergurten der Gasflaschen erlittene Verletzung als Arbeitsunfall anzuerkennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die physiologischen Bewegungsabläufe beim Verladen und Vergurten der Gasflaschen erfüllten nicht den Unfallbegriff in der gesetzlichen Unfallversicherung. Besondere Ereignisse (wie z. B. Einklemmen, Verhaken mit den Fingern etc.) habe der Kläger nicht bemerkt.
Am 25. Oktober 2001 hat der Kläger beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben. Er hat vorgetragen, bei dem Ereignis handele es sich um einen Arbeitsunfall, da die Verletzung von außen durch die Gasflaschen herbeigeführt worden sei.
Mit Urteil vom 23. November 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es stehe nicht im Vollbeweis fest, dass der Kläger einem von außen auf den Finger einwirkenden Ereignis ausgesetzt gewesen sei, das zur Verletzung bzw. Schädigung geeignet gewesen wäre. Eine Einwirkung durch die Gasflaschen sei zeitnah zum Unfallereignis weder ärztlich noch vom Kläger geschildert worden. Auch die weiteren Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall lägen nicht vor, denn die (unterstellte) Einwirkung sei nicht wesentliche Bedingung für den erlittenen Schaden. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. S und Dr. F könne ein Sehnenabriss bei sämtlichen handwerklichen Tätigkeiten ohne massive Gewalteinwirkung auftreten. Zudem sei das Vergurten als willentlich gesteuerter, physiologischer Bewegungsablauf nicht geeignet, eine nicht vorgeschädigte Fingersehne zu zerreißen. Der Körper könne nicht durch willentliche Kraftanstrengung geschädigt werden, da dieser die Kraftentfaltung immer unwillkürlich so abregele (drossele), dass er keinen Schaden erleide.
Gegen das am 25. November 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Dezember 2004 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, mit der erlittenen Verletzung hätte er seine Tätigkeit am 19. April 2000 nicht aufnehmen bzw. die ihm obliegenden Arbeitshandlungen nicht ausführen können. Die Bewegungsabläufe beim Be- und Entladen der Stahlflaschen setzten eine volle Funktionsfähigkeit der Finger voraus. Auch während der Auslieferung habe noch keine Verletzung des Fingers vorgelegen, zudem hätte er mit dieser Verletzung kein Fahrzeug sicher führen können. Zu diesem Zeitpunkt habe er auch noch keine Handschuhe angehabt. Erst nachdem er von seinem Chef den Auftrag erhalten habe, die Belieferung für den nächsten Tag vorzunehmen, habe er weiche Lederhandschuhe angezogen und dann die vom Gabelstapler auf das Fahrzeug verbrachten Paletten durch Spanngurte gesichert. Nachdem er beim Ausziehen der Handschuhe die Verletzung bemerkt habe, habe er den Niederlassungsleiter informiert, der eine Eintragung in das Unfallbuch vorgenommen habe. Zur Unterstützung seines Vortrags hat der Kläger das Unfallbuch vom 19. April 2000 vorgelegt, in dem vermerkt worden ist, dass der Kläger am 19. April 2000 gegen 15.15 Uhr eine Verletzung am Mittelfinger (Erstes Gelenk) der rechten Hand bei Verladungsarbeiten erlitten hat. Er sei beim Verzurren der Gasflaschenpaletten an der Ratsche oder beim Ansetzen des Spanngurtes hängen geblieben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 19. April 2000 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, ein Unfallhergang sei nicht im Vollbeweis nachgewiesen.
Am 24. November 2006 hat der damals zuständige Berichterstatter des Senats eine Zeugeneinvernahme des B S , einem Arbeitskollegen des Klägers, durchgeführt. Dieser hat ausgesagt, er habe am 19. April 2000 kurz vor Feierabend zusammen mit dem Kläger die Beladung eines Fahrzeugs mit Gasflaschen für den nächsten Tag vorbereitet. Der Kläger habe dann die Gasflaschen verzurrt und dabei eine Reaktion gezeigt, die ihn veranlasst habe, seinen Handschuh auszuziehen. Dabei habe er gesehen, dass der Mittelfinger des Klägers nach unten gehangen habe und nicht wieder habe aufgerichtet werden können. Er habe dann die Beladung, die ca. 30 bis 45 Minuten gedauert habe, allein zu Ende geführt.
Der Senat hat außerdem einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. F vom 7. Mai 2007 sowie ergänzende Stellungnahmen vom 8. Juni 2007 und 25. Juni 2007 eingeholt. Danach habe er den Kläger im Zeitraum vom 24. Februar bis 6. September 2000 wegen eines Halswirbelsäulensyndroms, einer Cervicobrachialgie, eines Verdachts auf eine Rotatorenmanschettenruptur und eines Strecksehnenabrisses am Strahl III der rechten Hand behandelt. Die erstmalige Behandlung wegen des Strecksehnenabrisses, zu dessen Ursächlichkeit er aber keine Angaben machen könne, sei am 25. April 2000 erfolgt.
Schließlich hat der Senat den Chirurgen Dr. K das Gutachten vom 10. April 2008 nach Aktenlage erstatten lassen. Dieser hat ausgeführt, ein Strecksehnenabriss werde immer durch eine direkte oder eine indirekte Gewalteinwirkung verursacht. Eine Unfallmechanik mit einer erkennbaren direkten Gewalteinwirkung auf die Strecksehne des rechten Mittelfingers oder eine abrupte Dehnungsbelastung der Strecksehne als indirekte Gewalteinwirkung sei hier aber nicht zu erkennen. Außerdem hat der Sachverständige ausgeführt, selbst bei der Annahme, dass es vom Kläger unbemerkt vor Aufnahme der Arbeitsschicht zu einer entsprechenden Läsion gekommen sei, hätten die Einschränkungen spätestens beim Anziehen der Arbeitshandschuhe auffallen müssen. Denn eine Läsion im Bereich der Strecksehne gehe immer mit einem Streckverlust des Endgliedes des Fingers einher. Schließlich hat der Sachverständige keine Hinweise auf unfallunabhängige rechtlich wesentliche Ursachen für den Strecksehnenabriss, wie z. B. eine vorangeschrittene Zerrüttung der Sehne auf dem Boden einer entzündlich rheumatischen Erkrankung, finden können. Aufgrund der konservativen Therapie des Klägers habe keine Gewebeprobe entnommen werden können.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 ist rechtswidrig und war daher ebenso wie das Urteil des Sozialgerichtes Magdeburg vom 23. November 2004 aufzuheben. Denn die zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erhobene Klage ist begründet. Der Kläger hat am 19. April 2000 einen Arbeitsunfall erlitten.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich (auf eine Arbeitsschicht) begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Diese Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind für das Ereignis vom 19. April 2000 erfüllt. Der Kläger war als Gastransporteur bei der Beklagten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert, als er die Paletten, die der Gabelstapler auf das Transportfahrzeugs verbracht hatte, vergurtete (versicherte Tätigkeit).
Zur Überzeugung des Senats steht außerdem fest, dass das Vergurten der Gasflaschen bei dem Kläger zu einer zeitlich begrenzten Einwirkung von außen - dem Unfallereignis - geführt hat. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII setzt der gesetzliche Unfallbegriff ein von außen einwirkendes Ereignis voraus, für das nach völlig einhelliger Auffassung gerade kein besonderes Geschehen erforderlich ist. Vielmehr genügen alltägliche Vorgänge (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. nur Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R – zitiert nach Juris m.w.N.). Der Unfallbegriff soll vor allem der Abgrenzung zur inneren Ursache (Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw.) dienen und vorsätzliche Selbstschädigungen ausschließen (BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Eine äußere Einwirkung ist demnach nur dann zu verneinen, wenn die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Betroffenen oder dessen willentliches Verhalten die wesentliche Ursache war (BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.). Mit willentlichen Vorgängen sollen nur vorsätzliche Schädigungen, nicht aber körpereigene Bewegungen aus dem Unfallbegriff ausgeschlossen werden. Denn auch körpereigene Bewegungen sind äußere Vorgänge im Sinne des Unfallbegriffs, selbst wenn sie gewohnt und üblich sind (KassKomm-Ricke, Stand November 2006, § 8 SGB VII RdNr. 24). Daher fordert das BSG für die äußere Einwirkung auch kein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen (BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.). Ob eine und welche äußere Einwirkung vorlag, ist in solchen Fällen allerdings nicht ohne die eigentlich erst in einem weiteren Schritt zu prüfende Ursachenbeurteilung festzustellen. Mithin steht ein Versicherter, der auf ausdrückliche oder stillschweigende Anordnung seines Arbeitgebers zur Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine Kraftanstrengung unternimmt und - den Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung unterstellt - dabei einen Gesundheitsschaden erleidet, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.).
Nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteile des BSG vom 7. September 2004 – B 2 U 34/03 R – und vom 9. Mai 2006 – B 2 U 26/04 R –) ist festzustellen, ob bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, sodass das Gericht darauf seine Überzeugung gründen kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt nicht. Zur Vermeidung eines nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Betrachtungsweise denkbaren unendlichen Ursachenzusammenhangs (Bedingungs- bzw. Äquivalenztheorie) wird die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung rechtlich relevante Kausalität nach der "Theorie der wesentlichen Bedingung" eingegrenzt. Danach ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (vgl. KassKomm-Ricke, a.a.O. RdNr. 4, 15 m. w. N.). Das bedeutet, dass nicht jede Gesundheitsstörung, die im naturwissenschaftlichen Sinne durch das angeschuldigte versicherte Ereignis beeinflusst worden ist, rechtlich dessen Folge ist, sondern nur der Gesundheitsschaden, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht worden ist. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Gesichtspunkte für diese wertende Entscheidung sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte und ergänzend auch der Schutzzweck der Norm.
Nach diesem Maßstab ist festzustellen, dass die mit dem Vergurten der Paletten (also der versicherten Tätigkeit) einhergehende Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte zu einer zeitlich begrenzten, äußeren Einwirkung auf den dritten Finger der rechten Hand des Klägers geführt hat. Dass nicht mehr genau aufgeklärt werden kann, ob eine direkte oder indirekte Gewalteinwirkung beim Vergurten der Paletten auf den Finger vorgelegen hat, ist nach dem dargelegten Maßstab nicht von Bedeutung. Denn nach der Theorie der wesentlichen Bedingung besteht ein Ursachenzusammenhang zwischen der Kraftaufwendung beim Vergurten der Paletten und dem im Vollbeweis feststehenden subkutanen Strecksehnenabriss am Endglied des dritten Fingers rechts.
Insoweit stützt sich der Senat auf die Stellungnahmen von Prof. Dr. S und Dr. F sowie auf die gutachtlichen Ausführungen von Dr. K. Soweit Dr. K auf ein fehlendes Unfallereignis hingewiesen hat, hat er allerdings eine ihm nicht obliegende rechtliche Bewertung vorgenommen, die - wie bereits dargestellt - nicht mit der Rechtsprechung des BSG konform ist. Daher konnte der Senat seinen diesbezüglichen Ausführungen nicht folgen.
Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der für das Vergurten der Paletten notwendigen Kraftaufwendung und dem Strecksehnenabriss spricht, dass nach den Ausführungen von Prof. Dr. S und Dr. F diese Tätigkeit geeignet war, einen Strecksehnenabriss am Endglied des Fingers herbeizuführen. Prof. Dr. S und Dr. F haben ausdrücklich festgestellt, dass hierfür keine massive Gewalteinwirkung notwendig sei, sondern sämtliche handwerkliche Tätigkeiten einen solchen verursachen könnten. Zwar hat der Kläger während des Vergurtens der Paletten Lederhandschuhe getragen, doch da diese weich waren, war eine Verletzung wie ein Strecksehnenabriss einerseits nicht ausgeschlossen. Andererseits konnte wegen der Lederhandschuhe die leichte Verletzung des Klägers zunächst unbemerkt bleiben, sodass nachvollziehbar erscheint, dass der Kläger kein konkretes Ereignis wie z. B. Hängenbleiben, Überdehnen etc. angeben konnte.
Dafür, dass die Verletzung beim Vergurten der Paletten eingetreten ist, spricht auch das Verhalten des Klägers nach dem Ausziehen der Handschuhe. Nachdem er ca. 15.15 Uhr das herunterhängende Fingerendglied bemerkt hatte, hat er seine Tätigkeit - wie auch der Zeuge S bestätigt hat - sofort abgebrochen. Dann veranlasste er beim Niederlassungsleiter eine Meldung für das Unfallbuch und suchte schon um 16.45 Uhr den D-Arzt auf. Dieses zielgerichtete Verhalten des Klägers nach Entdeckung der Verletzung spricht dagegen, dass diese Verletzung schon vor dem Vergurten der Paletten vorgelegen hat.
Zudem erscheint es auch unter Berücksichtigung der zuvor vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten ausgeschlossen, dass der Kläger bei einer anderen Tätigkeit als dem Vergurten der Paletten den Strecksehnenabriss erlitten hat. Er hat nach der Aufnahme der Arbeitsschicht um 6.15 Uhr zahlreiche, verschiedenartige Tätigkeiten ausgeführt, bei denen er ständig seine Hände und Finger einsetzen musste. So haben das Beladen des Transportfahrzeugs mit den 20 bis 80 kg schweren Gasflaschen, das Führen des Transportfahrzeugs im Straßenverkehr und das Ausfüllen der Lieferscheine voll funktionsfähige Hände und Finger vorausgesetzt. Dass der Kläger bis zum Anziehen der Handschuhe unmittelbar vor dem Vergurten der Paletten noch keine Verletzung des Fingers erlitten haben konnte, wird auch daran deutlich, dass der Kläger ohne Probleme seine Handschuhe angezogen hat, als er mit dem Vergurten der Paletten beginnen wollte. Denn dabei hätte ihm - wie Dr. K gutachtlich dargelegt hat - ein vorhandener Strecksehnenabriss auffallen müssen, weil der damit einhergehende Streckverlust zu Schwierigkeiten beim Anziehen der Handschuhe geführt hätte.
Dagegen sind Hinweise auf konkurrierende Ursachen für den Strecksehnenabriss nach den gutachtlichen Ausführungen des Dr. K nicht erkennbar. Das Vorliegen einer Schadensanlage (z.B. eine Zerrüttung der Sehne aufgrund einer rheumatischen Erkrankung) oder einer anderen Ursache ist nicht nachgewiesen. Auch der Befundbericht des Dr. F zeigt, dass der Kläger lediglich wegen Beschwerden im Halswirbelsäulen- und Schulterbereich in Behandlung war. Hinweise auf eine innere Ursache des erlittenen Strecksehnenabrisses sind auch diesem Befundbericht nicht zu entnehmen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 160 Abs. 2 SGG aufgeführten Gründe nicht vorliegen.
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