L 5 KR 2638/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1994/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2638/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29.3.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik).

Die 1953 geborene Klägerin, Mitglied der Beklagten, leidet an Hals-, Kopf- und Nackenbeschwerden. Seit 2002 klagt sie außerdem über rezidivierenden Tinnitus (SG-Akte S. 29). Bei einer 2004 durchgeführten Kernspinuntersuchung zeigte sich eine leichte Bandscheibenprotrusion C4 bis C7 mit Retrospondylose und mäßiger spinaler Stenose (SG-Akte S. 36).

Im Oktober 2003 beantragte die Klägerin unter Vorlage von Arztattesten (Prof. Dr. G., M.hospital St., vom 12.11.2003: Mammahypertrophie beidseits bei Mammaasymmetrie rechts, Mammareduktionsplastik sei medizinisch indiziert, zu erwartendes Resektatgewicht 600 g bzw. 450 g; Orthopäde Dr. B. vom 5.11.2003: Chronische Cerviko-Cephalgie und rezidivierende BWS-Blockierungen auf dem Boden einer muskulären Dysbalance durch übergroße Mammae) die Übernahme der Kosten einer operativen Brustverkleinerung.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 28.1.2004 (Dr. Ba.). Darin ist ausgeführt, krankhafte Veränderungen der Brüste lägen nicht vor. Geklagt werde vielmehr über Beschwerden am Stützapparat. Es sei wissenschaftlich nicht belegt, dass Organgrößen oder Brustlasten muskulo-skelettale Probleme verursachen könnten. Eine entsprechende medizinische Indikation zur Mammareduktion liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 3.2.2004 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das MDK-Gutachten ab. Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin ein weiteres Arztattest vor (Frauenarzt Dr. Br. vom 8.3.2004: makrosome Mammae mit ausgeprägter Ptosis beidseits, dadurch chronisch therapieresistente submammäre Ekzeme).

Die Beklagte erhob die Gutachten des MDK vom 7.4.2004 (Dr. H.) und vom 8.7.2004 (Dr. S.).

Dr. H. untersuchte die Klägerin und diagnostizierte eine Mammahypertrophie beidseits, chronisch linksbetonte Cervicocephalgie, Osteochondrose mit Retrospondylose und spinaler Stenose HWK 4/5 bis 6/7 und einen Zustand nach Hörsturz links mit Tinnitus rechts. Hinweise auf einen regelwidrigen Körperzustand in Form von therapieresistenten submammären Ekzemen oder tiefen Schürffurchen zeigten sich nicht. Nach wie vor gebe es keinen wissenschaftlichen Beleg für eine Verursachung von Krankheiten am muskulo-skelettalen System durch Organgrößen oder Brustlasten. Eine medizinische Indikation zur Mammareduktionsplastik könne nicht gestellt werden. Im Hinblick auf die Rechtsprechung der Sozialgerichte sei eine Mammareduktion bei Gigantomastie (untere Grenze bei einer Brustlast von 1.500 g) akzeptabel. Bereinige man das Übergewicht der Klägerin (von 14 kg) rechnerisch, falle sie knapp unter diesen Schwellenwert.

Dr. S. führte aus, eine Gigantomastie liege bei der Klägerin nicht vor; der Begriff Gigantomastie werde von einem Fachautor (Beller) auf Brustgewichte von mehr als 1500 g pro Seite - allerdings ohne Anpassung an Körpergröße oder Körpergewicht - angewandt. Die Klägerin leide vielmehr unter einer leicht bis mäßig ausgeprägten Mammahypertrophie. Bei einer objektivierenden Brustgewichtsmessung sei ein Brustgewicht (bei BMI 28,3) von rechts 1600 g und links 1500 g festgestellt worden. Es handele sich um eine Normvariante der Natur und keinen regelwidrigen Körperzustand. Außerdem bestehe Adipositas, die sich auf die Brustgröße ebenfalls auswirke. Die Klägerin könne durch Gewichtsabnahme eine Reduzierung der Brustlast um (je) 280 g erreichen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Zunahme des Körpergewichtes um 1 kg einen Fettzuwachs pro Brust von 20 g verursache. Umgekehrt werde beobachtet, dass bei Adipositas durch eine allgemeine Gewichtsreduktion von 20 kg auf natürliche Weise eine Reduktion der Brustlast von 400 g pro Organ erzielt werden könne. Bislang existierten keine wissenschaftlich gesicherten, methodisch einwandfreien Untersuchungen, die zweifelsfrei einen Zusammenhang zwischen Brustlast und muskulo-skelettalen Beschwerden belegten. Zweckdienlich sei eine fachorthopädische Behandlung bzw. Rückenschulung oder die Anwendung von Heilmitteln.

Mit Bescheiden vom 15.4. und 12.7.2004 lehnte die Beklagte den Antrag (erneut) ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.8.2004 wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 16.8.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Konstanz; sie begehre die Brustverkleinerung nicht aus psychischen, sondern aus anderen (medizinischen) Gründen.

Das Sozialgericht zog Arztunterlagen (Entlassungsbericht der W.-Klinik, St. Bl., vom 10.3.2004 über eine stationäre Behandlung vom 13.1. bis 24.2.2004: ambulante Psychotherapie zur weiteren Verarbeitung der Überforderungs- und Perfektionismustendenzen empfohlen) bei, befragte behandelnde Ärzte (HNO-Arzt Dr. E. vom 1.10.2004: kein Zusammenhang zwischen Tinnitus und Brustgröße; Orthopäde Dr. B. vom 18.10.2004: übergroße Mammae könnten als Ursache der orthopädischen Beschwerden angesehen werden; Internist Dr. Gr. vom 6.11.2004: Größe und Gewicht der Brüste als Ursache der orthopädischen Beschwerden nicht auszuschließen; Frauenarzt Dr. Br. vom 8.11.2004 und vom 3.4.2005: Klagen über Halswirbelbeschwerden und Kopfschmerzen sowie – intermittierende - submammäre Ekzeme seit Behandlungsbeginn Oktober 2004; die Beschwerden könnten durch eine Brustreduktion beseitigt bzw. gelindert werden; hautärztliche Abklärung oder Behandlung bzw. Mitbetreuung sei nicht veranlasst worden) und erhob das Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. We. vom 20.1.2006 (SG-Akte S. 57) mit ergänzender Stellungnahme vom 7.4.2006.

Die Beklagte legte ein weiteres Gutachten des MDK (Dr. H.) vom 21.12.2004 (SG-Akte S. 46) sowie einen Abschlussbericht des MDK – Projektgruppe Plastische Chirurgie – Operationen der Brust und abdominaler Fettschürzen - vom 8.5.2002 vor (SG-Akte S. 79).

Prof. Dr. We. führte in seinem Gutachten aus, die Klägerin leide nach eigenen Angaben seit etwa 10 Jahren unter Nacken- und Kopfschmerzen; seit etwa 5 Jahren seien diese Schmerzen sehr stark. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule habe im Laufe der Jahre abgenommen. Wegen der Halswirbelsäulenbeschwerden könne sie nicht mehr wie früher Sport treiben; sie sei sportlich sehr aktiv gewesen. Als Ursache der Halswirbelsäulenbeschwerden sei im Jahr 2003 ein Bandscheibenvorfall festgestellt worden. Die bislang durchgeführten konservativen Behandlungsmaßnahmen hätten nicht viel genutzt. Ihr Masseur habe zu einer Brustverkleinerungsoperation geraten. Bei sehr heißer Witterung im Sommer bekomme sie schnell Ekzeme unter den Brüsten.

Bei der Klägerin liege ein unteres Cervikalsyndrom vor. Ursache der Erkrankung seien degenerative Veränderungen an den Bandscheiben der Halswirbelsäule. Es handele sich dabei um leichtgradige chondrotische und spondylotische Veränderungen. Eine muskuläre Dysbalance als Erkrankungsursache sei auszuschließen; die gegenteilige Auffassung des Dr. B. treffe nicht zu. Vielmehr komme es im Rahmen eines Cervikalsyndroms zu reaktiven Veränderungen an der Muskulatur. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule hätten generell eine gute Prognose; nur bei etwa 15 bis 20 % der Patienten komme es zu einer Chronifizierung der Beschwerden. Dabei hätten zahlreiche Studien gezeigt, dass hierfür in erster Linie psychosoziale Faktoren verantwortlich seien. Hinweise darauf seien bei der Klägerin vorhanden.

Es gebe keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass eine Mammahyperthrophie zu Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule führe. Übergewicht könne Symptome einer bandscheibenbedingten Wirbelsäulenerkrankung verstärken. Verschiedene Publikationen hätten sich mit der Wechselwirkung von Mammahypertrophie und Wirbelsäulenerkrankungen beschäftigt. Alle Studien kämen zu dem Ergebnis, dass die Mammareduktion bei Mammahypertrophie in einem hohen Prozentsatz zur Abnahme von Schulter- und Rückenschmerzen führe. Bei diesen Studien handele es sich aber um Längsschnittstudien ohne Kontrollgruppe, was ihre Relevanz erheblich einschränke. Bei keiner Studie sei überprüft worden, ob der Therapieerfolg als spezifischer Effekt der Mammareduktion anzusehen sei, oder auf anderen Effekten (Placebo, psychische Faktoren) beruhe. Die Beobachtung, dass der Therapieeffekt nicht von der Masse des entfernten Brustgewebes abhänge, spreche dafür, dass zumindest mechanische Aspekte nicht allein ausschlaggebend seien. Andererseits stehe eindeutig fest, dass die therapeutische Wirkung einer Mammareduktion auch über Jahre anhalte. Da entsprechende vergleichende Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien, könne nicht festgestellt werden, ob muskulär bedingte Wirbelsäulenbeschwerden mit physikalischen Behandlungsmaßnahmen ebenso erfolgreich zu behandeln seien wie durch Mammareduktion. Eine in diesem Zusammenhang wichtige Studie (Strombeck) habe ergeben, dass die Reduktion des Körpergewichtes auch zu einer Gewichtsreduktion der Mammae in relevantem Ausmaß führe. Dem Schrifttum könne eine eindeutige Korrelation zwischen der Masse des entfernten Brustgewebes und der Beschwerdereduktion bzw. der Reduktion von Störungen am Halte- und Bewegungsapparat nicht entnommen werden. Insgesamt stehe im Sinne der evidenzbasierten Medizin nicht fest, dass die Mammareduktion bei der Therapie von Wirbelsäulenerkrankungen oder zumindest von Wirbelsäulenbeschwerden erfolgreicher sei als andere Therapieformen. Aus orthopädischer Sicht sei die operative Verkleinerung der Brüste zur Linderung der bei der Klägerin vorhandenen Beschwerden nicht zwingend erforderlich.

Dr. H. hatte im MDK-Gutachten vom 21.12.2004 ausgeführt, ein biometrischer Nachweis des Zusammenhangs von Brustlasten und Wirbelsäulenbeschwerden existiere nicht. Operative Interventionen am Brustorgan könnten ggf. Beschwerden lindern, allerdings setze die Maßnahme nicht am Zielorgan an und beseitige weder Osteochondrose oder Retrospondylose oder eine spinale Enge der Halswirbelsäule. Gewichtsreduktion und Intensivierung der Physiotherapie stellten weniger einschneidende und erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten dar. Aus dem Entlassungsbericht der W.-Klinik vom 10.3.2004 gehe hervor, dass man der Klägerin weitere ambulante Psychotherapie zur weiteren Verarbeitung der vorliegenden Überforderungs- und Perfektionismustendenzen empfohlen habe. Das weise auf bislang nicht bewertete mögliche psychogene Aspekte hin.

Nachdem Prof. Dr. We. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7.4.2006 an seiner Auffassung festgehalten hatte, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 29.3.2007 ab. Eine Krankheit i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) liege nicht vor. Eine entstellende Wirkung durch die Größe der Brüste sei weder geltend gemacht noch ersichtlich. Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet beruhten nicht auf der Brustgröße. Das gehe aus dem Gutachten des Prof. Dr. We. überzeugend hervor. Anderweitige Behandlungsmethoden (etwa eine professionell begleitete Gewichtsreduktion oder gerätegestützte Maßnahmen zur Stärkung der Muskulatur) seien nicht ausgeschöpft. Das angegebene, nur zeitweilig auftretende submammäre Ekzem, das bei der Untersuchung durch Prof. Dr. We. auch nicht vorgelegen habe, rechtfertige den operativen Eingriff nicht.

Auf das ihr am 27.4.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.5.2007 Berufung eingelegt. Ergänzend trägt sie vor, auch nach Auffassung des Prof. Dr. We. habe eine allgemeine Gewichtsreduktion nicht den gleichen Effekt wie eine operative Brustverkleinerung. Diese sei vielmehr eine erfolgreiche Methode mit über Jahre anhaltendem therapeutischem Effekt. Physikalische Behandlungsmethoden seien bei muskulär bedingten Wirbelsäulenbeschwerden nicht in gleichem Maße erfolgreich. Die Operation sei daher gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29.3.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 3.2.2004, 15.4.2004 und 12.7.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2004 zu verurteilen, ihr eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) an beiden Brüsten zu gewähren bzw. die Kosten hierfür zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Dr. K. (Chefarzt der F.klinik Lu., Leiter des Brandenburgischen Brustzentrums) vom 17.3.2008 erhoben. Darin ist ausgeführt, hinsichtlich der bestehenden Makromastie ergebe sich der Befund makromastischer Brüste beidseits mit augenscheinlicher Asymmetrie (150 bis 200 g Gewichtsunterschied; Fotodokumentation Senatsakte S. 37). Die seit 15 Jahren bestehenden Beschwerden im Halswirbelsäulen- und Nackenbereich sowie Schulter- und Brustwirbelsäulenbereich ließen sich durchaus nachvollziehen. Rückenaufnahmen der Klägerin zeigten eine ausgeprägte Skoliose, also eine Verkrümmung der Wirbelsäule vorrangig im Brust- und Halsbereich mit dadurch bedingtem rechtsseitigem Schulterschiefstand. Dies erkläre eine massive Beschwerdesymptomatik im Schulter-Nacken-Wirbelsäulenbereich. Außerdem gebe die Klägerin vorrangig in den Sommermonaten massive Ekzeme und Pilzerkrankungen im Bereich der Submammarfalte an. Durch die großflächige Auflage der Brust und verstärkte Transpiration werde eine feuchte Kammer erzeugt, die in den Sommermonaten zu diesen Beschwerden führe. Derzeit lägen keine ekzematösen Veränderungen vor. Die Beschwerden der Klägerin ließen sich in erster Linie auf die Wirbelsäulenveränderungen im Sinne der Skoliose zurückführen. Hinzukomme zunehmender Knochenabbau bzw. Zurückentwicklung der Muskulatur infolge hormoneller Veränderungen sowie von Alterungsprozessen. Die Klägerin leide außerdem unter einer deutlich sichtbaren und auch fühlbaren Makromastie, die die Beschwerdesymptomatik im Wirbelsäulen- und Nackenbereich weiter verstärke. Insoweit sei erklärend hinzuzufügen, dass sich vorrangig Patientinnen in der zweiten Lebenshälfte (ab dem 35. bis 40. Lebensjahr) mit dem Wunsch einer Mammareduktion in der Sprechstunde vorstellten, weil gerade in dieser Lebensphase der Muskeltonus der Rückenmuskulatur (altersbedingt) abnehme und damit die Kompensationsmechanismen der stetigen Gegenregulation des Übergewichts im vorderen Brustkorbbereich nicht mehr wirkten. Daher sei durchaus erklärlich, dass die Klägerin um das 40. Lebensjahr zunehmend unter Beschwerden im Wirbelsäulenbereich klage und die Symptomatik sich mit zunehmendem Alter intensiviere. Der Prozess werde dadurch weiter verstärkt, dass die Brüste der Klägerin zusammen etwa 3000 g wögen und hier eine Reduktion von gut 700 bis 800 g rechts und 500 bis 600 g links gerechtfertigt erscheine. Die deutlich größere Brust befinde sich rechts, was einen Zusammenhang mit dem Schultertiefstand rechts nachvollziehbar erscheinen lasse. Aufgrund der Gesamtsituation der Klägerin werde die Symptomatik im Wirbelsäulenbereich durch das Gewicht der Brüste deutlich verschlechtert.

Zur Beseitigung oder Linderung der Beschwerden sei die operative Verkleinerung der Brüste zwingend notwendig. Bei einer Körpergröße von 148 cm und einem Gewicht der Brüste von ca. 3000 g liege eine augenscheinliche Dysbalance der Gesamtstatik der Klägerin vor. Eine entsprechende Operation sei mit den üblichen Risiken verbunden; im Brandenburgischen Brustzentrum betrage die Komplikationsrate 1,2 %.

Die Abweichung zur Auffassung des Prof. Dr. We. und der Ärzte des MDK beruhe in erster Linie darauf, dass diese Ärzte lediglich die orthopädischen Beschwerden allein betrachten würden. Sie berücksichtigten den Gesamtzusammenhang von Körpergröße, Körpergewicht, Brustgewicht, Statik und Alter nicht genügend. Diese Aspekte beeinflussten im Lauf des Lebens den gesamten Halte- und Stützapparat ebenso wie auch gewisse hormonelle Veränderungen. Das Gutachten des Prof. Dr. We. stütze sich auf die recht spärliche Literatur, die bislang keine eindeutigen Aussagen habe formulieren können. So existierten - weltweit, nicht nur in Deutschland - kaum evidenzbasierte Untersuchungen im Bereich der operativen Brustchirurgie. Selbst die an der Universität G. im Jahr 2006 begonnene retrospektive Auswertung der Ergebnisse nach Reduktionsplastiken hinsichtlich der orthopädischen Indikation, des Resektionsgewichts und der postoperativen Befindlichkeit sei bislang nicht fertig gestellt. So müssten sich die Fachbereiche Gynäkologie und plastische Chirurgie weiterhin auf die Erfahrungswerte innerhalb der Fachgesellschaften berufen. Aus eigener Erfahrung bei 1300 Operationen könne er berichten, dass alle wegen orthopädischer Indikation operierten Patientinnen profitiert hätten. Bei nahezu allen sei eine Linderung der Beschwerden bereits ein bis zwei Wochen nach der Operation zu verzeichnen gewesen. Bei 55 bis 60 % der Patientinnen sei die Beschwerdesymptomatik gänzlich verschwunden. Freilich könnten degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit entsprechender Beschwerdesymptomatik durch Reduktionsplastik nicht geheilt werden. Jedoch könne man durch die Verbesserung der Statik - durch die Reduktion von Gewicht im vorderen Thoraxbereich - eine Entlastung der haltenden Muskulatur des Rückens und auch des knöchernen Skelettsystems erzielen. Diese Entlastungen wirkten sich dann positiv auf die Haltung der Patienten, die Gesamtstatik und den weiteren Verschleiß aus. Dem verstärkten Verschleiß könne so durch eine Reduktion des Übergewichts der Brüste aktiv entgegengewirkt werden. Somit sei bei der Klägerin mit einer Körpergröße von 148 cm und des beabsichtigten Reduktionsgewichts von 1400 g eine deutliche Verbesserung des Gesamtgefüges zu erzielen und damit in jedem Fall eine Linderung, im Idealfall sogar eine Schmerzfreiheit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

Die Beklagte legte abschließend das Gutachten des MDK (Dr. von Beh.) vom 24.7.2008 vor. Darin ist ausgeführt, eine Überschreitung des Schwellenwertes zur Gigantomastie (nach Beller) liege auf Basis der MDK-Vorgutachten nicht vor. Hinsichtlich des tatsächlichen Brustgewichts könnten dem Gutachten des Dr. K. nur ca-Angaben entnommen werden. Trotz durchgeführter körperlicher Untersuchung werde mit einem übernommenen Brustgewicht von ca. 3000 g argumentiert. Die gleichzeitig vorliegenden muskulo-skelettalen Beschwerden der Klägerin seien in der Regel ambulant behandelbar und unabhängig von der Brustgröße eine der häufigsten vertragsärztlichen Diagnosen.

Hierauf erwiderte Dr. K. in der Stellungnahme vom 5.12.2008, die Wasserverdrängungsmethode sage lediglich etwas zum Volumen aus, nicht aber zur tatsächlichen Belastung der Patientin. Ein Gewicht von 500g je Seite werde als medizinische Indikation zur Durchführung einer Reduktionsplastik angesehen. Auf Grund der Tatsache, dass es in Deutschland bislang keine einheitlichen Kriterien gebe, bleibe die gutachterliche Befundung seitens des MDK subjektiv und gehe an den heutigen wissenschaftlichen Arbeiten vorbei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) zu gewähren bzw. die dafür entstehenden Kosten zu übernehmen. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

I. Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Freilich stellt nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit eine Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. Psychische Krankheiten können die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ebenfalls begründen (zu alledem näher: Senatsurteile vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11.2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R – "Mammareduktionsplastik").

Die begehrte Krankenbehandlung muss außerdem notwendig sein. Hierzu bestimmt die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergänzend und präzisierend, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R -; BSGE 85, 86). Im Hinblick darauf sind Operationen am gesunden Körper (wie hier: Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11,2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289).

II.

Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Brustverkleinerung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar liegen (unstreitig) Krankheiten i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Gestalt von Veränderungen des Skelett- und Muskelapparats sowie der Haut vor (1.). Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die Brustverkleinerungsoperation zur Heilung dieser Krankheiten bzw. zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung von Krankheitsbeschwerden gem. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V notwendig (und zweckmäßig) ist (2.).

1. Auf orthopädischem Fachgebiet hat Prof. Dr. We. ein unteres Cervikalsyndrom diagnostiziert. Dr. K. hat zusätzlich eine ausgeprägte Skoliose vorrangig im Brust- und Halswirbelsäulenbereich gefunden und zunehmenden Knochenabbau sowie eine Zurückentwicklung der Muskulatur infolge hormoneller Veränderungen und Alterungsprozessen festgestellt. Damit liegen (unstreitig) orthopädisch Krankheiten des muskulo-skelettalen Systems nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V vor. Die im Vordergrund stehenden Krankheitsbeschwerden der Klägerin, wie ihre Schmerzen im Hals-Nacken-Bereich oder ihre Kopfschmerzen, beruhen auf diesen vornehmlich altersbedingten Veränderungen des Skelettapparats, insbesondere an den Bandscheiben der Halswirbelsäule durch (so Prof. Dr. We.) leichtgradige chondrotische und spondylotische Prozesse. Diese führen zu der von Dr. B. (Bericht vom 5.11.2003) diagnostizierten muskulären Dysbalance als reaktiver Veränderung der Muskulatur und im Weiteren zu den geklagten Schmerzzuständen. Auch Dr. K. hat Wirbelsäulenveränderungen, aus seiner Sicht in erster Linie die Skoliose, als Beschwerdeursache in den Vordergrund gestellt. Die Klägerin leidet außerdem unter dermatologischen Beschwerden, wie vor allem im Sommer bei sehr heißer Witterung auftretende, intermittierende submammäre Ekzeme (Berichte des Dr. Br. vom 8.3. und 8.11.2004 bzw. vom 3.4.2005 und Gutachten Dr. K.).

Demgegenüber haben die Ärzte eine krankhafte Veränderung der Brüste selbst nicht festgestellt (vgl. etwa MDK-Gutachten vom 28.1.2004). Die Brustgröße als solche kann nicht als Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB eingestuft werden. Ein "Normalgewicht" der Brüste ist nicht zu bestimmen (vgl. auch LSG Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2005, - L 4 KR 3936/03 -). Der Senat kann offen lassen, ob anderes bei einer so genannten "Gigantomastie" angenommen werden könnte; bei der Klägerin liegt lediglich eine Mammahyperthrophie (so etwa Dr. S. im MDK-Gutachten vom 8.7.2004; auch Dr. von Beh. im MDK-Gutachten vom 24.7.2008) bzw. eine Makromastie (Dr. K. im Gutachten vom 17.3.2008) vor. Funktionsbeeinträchtigungen wegen der Brustgröße bestehen nicht. Unter einer psychischen Erkrankung infolge der Mammahypertrophie leidet die Klägerin ebenfalls nicht; hierfür ist nichts dokumentiert oder vorgetragen. Schließlich liegt eine entstellende Wirkung nicht vor; die Klägerin hat dies auch nicht geltend gemacht. Sie stützt ihr Leistungsbegehren vielmehr ausdrücklich – so etwa die Klageschrift vom 12.8.2004 – allein auf die genannten orthopädischen bzw. dermatologischen Beschwerden.

2. Die zur Behandlung der orthopädischen und dermatologischen Krankheitsbeschwerden begehrte operative Brustverkleinerung setzt nicht unmittelbar an den Erkrankungen bzw. an den erkrankten Organen, dem muskulo-skelettalen System des Hals-Nackenbereichs und der Haut, an. Vielmehr soll durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ, der Brust, das Krankheitsgeschehen an anderen Organen oder Organsystemen mittelbar beeinflusst werden. Die Notwendigkeit einer mittelbaren Krankenbehandlung dieser Art bedarf nach dem eingangs Gesagten einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägungsentscheidung. Im Hinblick auf die orthopädische Erkrankung der Klägerin fehlt es nach Auffassung des Senats aber schon am - der eigentlichen Abwägungsentscheidung vorausliegenden - Nachweis der Wirksamkeit bzw. des therapeutischen Nutzens operativer Brustverkleinerungen für die Therapie orthopädischer Beschwerden auf Grund eines Cervikalsyndroms (a). Außerdem könnte bei Abwägung eines unterstellten therapeutischen Nutzens mit möglichen gesundheitlichen Schäden und etwaigen Folgekosten für die Krankenversicherung nicht festgestellt werden, dass (konservative) orthopädische Behandlungsmethoden, wie Physiotherapie oder Rückenschulung, ggf. ergänzt durch eine allgemeine Gewichtsreduktion, hinter der Brustverkleinerungsoperation zurücktreten müssten (b). Die Hauterkrankung der Klägerin, das submammäre Ekzem, mag durch die Brustverkleinerung bzw. die Verkleinerung der Auflagefläche der Brust zwar günstig beeinflusst werden können. Die auch hier notwendige Abwägungsentscheidung führt aber zum Vorrang einer entsprechenden hautärztlichen Therapie vor der Operation an einem gesunden Organ (c).

(a) Auf degenerative Prozesse an der Halswirbelsäule bzw. eine Skoliose kann die operative Brustverkleinerung therapeutisch nicht einwirken. Dadurch sind (naturgemäß) weder die bereits eingetretenen osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen noch die bei der Klägerin ebenfalls vorliegende spinale Enge der Halswirbelsäule zu beeinflussen; Dr. H. hat dies im MDK-Gutachten vom 21.12.2004 dargelegt. Auch das weitere Fortschreiten der im Kern altersbedingten Veränderungen ist durch die operative Verringerung der Brustlast nicht aufzuhalten oder zu verlangsamen, um so den orthopädischen Krankheitsbeschwerden der Klägerin entgegenzuwirken. Wie Prof. Dr. We. in seinem Gutachten vom 20.1.2006 überzeugend ausgeführt hat, gibt es nämlich keinen wissenschaftlichen Beweis für einen Ursachenzusammenhang zwischen übergroßen Brüsten und Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule. Ein allgemeiner Zusammenhang zwischen muskulo-skelettalen Beschwerden (etwa im Hals-Nacken-Schulterbereich) und übergroßen Brustlasten ist im Sinne evidenzbasierter Medizin ebenfalls wissenschaftlich nicht belegt. Dies haben die Gutachter des MDK (Dr. Bat. vom 28.1.2004; Dr. H. vom 7.4.2004; Dr. S. vom 8.7.2004) bestätigt und damit die Auffassung des Prof. Dr. We. zusätzlich untermauert. Der Annahme des Dr. B. (Attest vom 5.11.2003) bzw. der These des Dr. K. (Gutachten nach § 109 SGG vom 17.3.2008), Beschwerdeursache sei eine auf der Mammahypertrophie beruhende muskuläre Dysbalance und die operative Brustverkleinerung sei zur Regulierung dieser Dysbalance bzw. einer Dysbalance der Gesamtstatik und damit zur Beseitigung oder Linderung der Beschwerden der Klägerin zwingend erforderlich, kann der Senat daher nicht folgen.

Wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. We. hervorgeht, mag es durchaus zutreffen, dass Patientinnen nach operativer Brustverkleinerung über eine Abnahme ihrer vorbestehenden Schulter- und Rückenschmerzen berichtet haben. Das entspricht offenbar auch den praktischen Erfahrungen des Dr. K., dessen Patientinnen nach eigenen Angaben von der Brustverkleinerungsoperation "profitiert" hätten. Mit positiven Patientenerfahrungen und -einschätzungen allein ist die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung und damit der Solidargemeinschaft der Beitragszahler freilich nicht zu begründen. Ausschlaggebend sind, wie eingangs dargelegt, vielmehr die objektiv-wissenschaftlichen Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Danach steht aber nicht hinreichend sicher fest, dass berichtete Therapieerfolge tatsächlich auf der Verringerung der Brustlast beruhen.

Die vorliegenden Studien zu etwaigen Wechselwirkungen zwischen Mammahypertrophie und Wirbelsäulenerkrankungen stellen – so Prof. Dr. We. – Längsschnittstudien ohne Kontrollgruppe dar, weshalb ihre Aussagekraft schon im Ansatz erheblich einschränkt ist. Außerdem wurde bei keiner der bisher durchgeführten Studien überprüft, ob der angegebene Therapieerfolg in Wahrheit nicht wesentlich auf anderen Effekten, wie den gerade bei chronifizierten Wirbelsäulenbeschwerden bedeutsamen psychischen bzw. psychosozialen Faktoren oder auf Placeboeffekten beruht; Anhaltspunkte hierfür gibt es gerade im Fall der Klägerin, wie Dr. H. im MDK-Gutachten vom 21.12.2004 unter Bezugnahme auf die von der W.-Klinik empfohlene ambulante Psychotherapie zur weiteren Verarbeitung der vorliegenden Überforderungs- und Perfektionismustendenzen dargelegt hat. Auf andere Einflüsse als die Wirkung biomechanischer Belastungen durch das Brustgewicht weist auch der Umstand hin, dass der von operierten Patientinnen angegebene Therapieerfolg nicht vom Gewicht des jeweils entfernten Brustgewebes abhing.

Dr. K. hat in seinem auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 17.3.2008 ebenfalls dargelegt, dass nicht nur in Deutschland, sondern weltweit kaum evidenzbasierte Untersuchungen im Bereich der Brustchirurgie vorlägen. Eine an der Universität G. im Jahr 2006 begonnene retrospektive Auswertung der Ergebnisse von Brustverkleinerungsoperationen hinsichtlich orthopädischer Risiken, Resektionsgewicht und postoperativer Befindlichkeit ist nicht fertig gestellt. Damit bleibt im Wesentlichen der Rückgriff auf Erfahrungswerte der medizinischen Fachgesellschaften oder auf die praktische Erfahrung einzelner Ärzte, wie des Dr. K ... Evidenzbasierte wissenschaftliche Feststellungen sind dadurch aber nicht zu ersetzen (vgl. auch etwa Senatsurteil vom 29.10.2008, - L 5 KA 2851/06 - zur Frage einer Begründung der Leistungspflicht gesetzlicher Krankenkassen mit Hilfe der Erkenntnisse wissenschaftlicher Fachgesellschaften). Das gilt erst Recht für Berichte von Patienten oder Patientinnen über (subjektiv empfundene) Therapieerfolge im Einzelfall. Hinsichtlich biomechanischer Einflüsse durch Brustlasten hat der Senat im Übrigen – ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme – verdeutlichend auf die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung entwickelten Rechtsgrundsätze zur Anerkennung von Wirbelsäulenberufskrankheiten hingewiesen. Dort wird das Heben und Tragen von Lasten ab 10 bis 15 kg (bei ausgestrecktem Körper) bzw. von 50 kg (beim Tragen von Lasten auf den Schultern) verlangt (Berufskrankheiten nach Nrn. 2108, 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung – Senatsurteil vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 -); von diesen Größenordnungen sind die biomechanisch wirksamen Lasten übergroßer Brüste naturgemäß weit entfernt.

b. Würde der danach objektiv nicht hinreichend sicher feststellbare therapeutische Nutzen der Brustverkleinerungsoperation für die Beseitigung oder Linderung orthopädischer Krankheitsbeschwerden am muskulo-skelettalen System des Hals-Nacken-Schulterbereichs unterstellt, stünde außerdem nicht fest, dass andere Behandlungsmethoden gegenüber einer operativen Brustverkleinerung im Rahmen der notwendigen umfassenden Abwägungsentscheidung zurückzutreten hätten. Prof. Dr. We. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass auch hierzu entsprechende Untersuchungen nicht durchgeführt worden sind, weshalb nicht bekannt ist, ob muskulär bedingte Wirbelsäulenbeschwerden mit physikalischen (konservativen) Behandlungsmaßnahmen nicht ebenso erfolgreich, aber weniger belastend und risikoreich behandelt werden können wie durch einen mit unvermeidlichen Operationsrisiken behafteten Eingriff zur Verkleinerung der Brust. Dr. S. und Dr. von Beh. haben in den MDK-Gutachten vom 8.7.2004 bzw. vom 24.7.2008 ebenfalls mit Recht auf die zweckdienliche, regelmäßig ambulante orthopädische Behandlung bzw. die Rückenschulung zur Bekämpfung orthopädischer Beschwerden des muskulo-skelettalen Systems hingewiesen (zum Vorrang physiotherapeutischer Behandlungen in Fällen der vorliegenden Art auch LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.11.2007, - L 5 KR 80/06 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.6.2008, - L 9 KR 589/07 -). Außerdem bewirkt nach den Erkenntnissen der Gutachter schon die (allgemeine) Verminderung des Körpergewichts - ggf. unter Hilfestellung durch Leistungen der Krankenkasse – eine Verminderung des Brustgewichts in relevantem Ausmaß. Prof. Dr. We. hat sich hierfür auf eine entsprechende Studie (Strombeck) bezogen. Dr. S. (MDK-Gutachten vom 8.7.2004) hat diesen Gesichtspunkt ebenfalls hervorgehoben und dargelegt, dass die Brustlast bei Adipositas durch Gewichtsabnahme auf natürliche Weise beträchtlich verringert werden kann (bspw. durch Gewichtsabnahme von 20 kg um 400 g pro Organ); die Klägerin könnte durch Verminderung des Körpergewichts die Brustlast um je 280 g reduzieren.

c. Bei der Hauterkrankung der Klägerin handelt es sich ersichtlich nicht um ein schwerwiegendes Krankheitsgeschehen. Insoweit treten vor allem in den Sommermonaten bei sehr heißer Witterung, lediglich intermittierend submammäre Ekzeme auf. Die dadurch verursachten Krankheitsbeschwerden sind hautärztlich zu behandeln. Allerdings ist eine hautärztliche (Mit-)Behandlung bislang – so Dr. Br. im Bericht vom 3.4.2005 – nicht veranlasst worden. Auch das verdeutlicht, dass der Hauterkrankung kein erhebliches Gewicht zukommt. Einen operativen Eingriff an einem selbst gesunden Organ, hier der Brust, kann sie nicht rechtfertigen.

III.

Da die von der Klägerin begehrte operative Brustverkleinerung nach alledem keine gem. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V zur Krankenbehandlung notwendige und zweckmäßige Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt, hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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