L 5 KR 4241/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 721/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4241/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit einer Anti-Dekubitus-Matratze hat.

Der im April 1988 geborene Kläger leidet an einer chronisch-progredienten Muskeldystrophie, einer schlaffen Tetraparese, einer hypertensiven Herzkrankheit, linkskonvexer Lumbalskoliose sowie Gonarthrose beidseits, ferner unter Adipositas (119 kg bei 198 cm Körpergröße). Er vermag derzeit nur noch kurze Strecken frei zurückzulegen, im Übrigen ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Der Kläger erhält seit 1995 Leistungen der Pflegestufe I.

Am 29. 6. 2005 beantragte er die Versorgung mit einem Thevo-Adapt Lagerungssystem bestehend aus einem Thevo-Adapt Unterteil und einer Anti-Dekubitus-Matraze Thevo-Soft. Die Kosten hierfür belaufen sich ausweislich des gleichzeitig vorgelegten Kostenvoranschlags der Firma Storch+Beiler, Medizin- und Orthopädietechnik Karlsruhe vom 28. 6. 2005 über 2.276,- EUR. Vorgelegt wurde weiter die Verordnung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. G. vom 16. 6. 2005.

Die Beklagte ließ daraufhin durch die Krankenschwester Gappert Ermittlungen vor Ort durchführen. Diese beschrieb in dem "Erhebungsbogen für Anti-Dekubitus-Wechseldrucksysteme" beim Kläger eine eingeschränkte Lagerungsfähigkeit und merkte an, das Lagerungssystem werde nicht zur Dekubitus-Prophylaxe benötigt, sondern wegen starker Schmerzzustände und zur Unterstützung zur Eigenmobilität. Mit Bescheid vom 30. 6. 2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme ab. Bei dem beantragten Produkt handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Hierzu zählten Produkte, die allgemein Verwendung fänden und von einer großen Zahl von Personen benutzt würden. Dies gelte auch dann, wenn diese Produkte behindertengerecht gestaltet seien oder die Lebensführung von kranken oder behinderten Menschen erleichterten.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs wies die Mutter des Klägers darauf hin, ihr Sohn sei sehr eingeschränkt und liege viel im Bett, weswegen für ihn ein Hilfsmittel zur Erleichterung erforderlich sei. Durch seine Muskeldystrophie mit starker Skoliose sowie Beckenschiefstand und starken Schmerzen bestehe bei den langen Liegezeiten im Bett die Gefahr eines Dekubitus. Außerdem habe er bei dem beantragten System nachts die Möglichkeit bei beginnenden Schmerzen seine Körperlage allein zu verändern, was jetzt alleine nicht möglich sei und somit Schlafstörungen mit Ermüdungszuständen am Tag zur Folge habe, die wiederum die Alltagsbewältigung in Schule und Therapie deutlich erschwerten. Das beantragte Schmerz- und Anti-Dekubitussystem Thevo-Adapt sei bei ihnen zu Hause erprobt worden und habe zu erheblichen Verbesserungen des Schlafes geführt.

Die Beklagte zog daraufhin das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 9. 6. 2004 bei. Darin heißt es u. a. "kann sich selbstständig aus dem Bett erheben, ging ohne Hilfsmittel ins Wohnzimmer, setzte sich in den Sessel", "selbstständiges Aufstehen von Bett, Stuhl und WC möglich, kann sich innerhalb des Wohnbereiches ohne Hilfsmittel fortbewegen", "nach dem Schulunterricht ist der Versicherte meist erschöpft, muss sich für 1 ½ Stunden hinlegen". Ein Hilfebedarf für Aufstehen/zu Bett Gehen und Umlagern wurde verneint.

Durch Widerspruchsbescheid vom 3. 2. 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das beantragte Anti-Dekubitussystem Thevo-Adapt werde für an Dekubitus leidende Menschen hergestellt. Für diesen Personenkreis stelle die Matratze insoweit ein Hilfsmittel und keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar. Vorliegend sei die Matratze jedoch zur Schmerzlinderung bei Wirbelsäulenbeschwerden verordnet worden. Bei dieser Indikation sei die beantragte Matratze nicht als Hilfsmittel anzusehen, für das die Versichertengemeinschaft aufzukommen habe, vielmehr handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens zum Erreichen eines Liegekomforts. Ihre Anschaffung sei daher der eigenverantwortlichen Gesundheitsfürsorge zuzuordnen. Auch eine Gewährung des Anti-Dekubitus-Systems durch die DAK - Pflegekasse sei nicht möglich. Auch diese sei nicht zur Leistung verpflichtet, wenn es sich bei dem beantragten Pflegehilfsmittel um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele.

Zur Begründung seiner am 20. 2. 2006 hiergegen bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage wies der Kläger darauf hin, die Muskelerkrankung habe zu einer Muskelschwäche hauptsächlich im Gesicht, im Schultergürtel und an den Oberarmen geführt. Außerdem bestehe ein erheblicher Kräfteverlust, der sich insbesondere in den Beinmuskeln niederschlage. Durch das erhebliche Schmerzpotenzial, resultierend aus der progressiven Muskelerkrankung, leide er an starken Schlafstörungen. Er müsse sich deshalb tagsüber mindestens 1 bis 2 Stunden ins Bett legen, um die Schmerzen ertragen zu können. Die bestehende Muskeldystrophie mache es ihm unmöglich, seine Körperlage bei beginnenden Schmerzen im Bett selbstständig zu verändern. Er müsse daher nach gewisser Zeit umgelagert werden, was insbesondere nachts für ihn, aber auch für seine Mutter, ein erhebliches Problem darstelle. Durch seine Immobilität, die durch seine körperliche Größe und sein Gewicht noch weiter verstärkt werde, komme es bei längerem Liegen zu einer zunehmenden Dekubitusgefährdung. Um seine Eigenmobilität zu unterstützen und hierdurch die starken Schmerzzustände zu verringern, sei ihm am 16. 6. 2005 ein Anti-Dekubitus-System Thevo-Adapt mit Thevo-Soft-Matratze verordnet worden. Er benötige dieses Hilfsmittel für das elementare Grundbedürfnis des schmerzfreien Liegens und der Mobilität, nämlich sich selbstständig umlagern zu können. Er habe das System ausreichend erprobt, es habe zu einer erheblichen Verbesserung des Schlafes geführt, weil er damit bei beginnenden Schmerzen in die Lage versetzt worden sei, seine Körperlage allein zu verändern. Es handele sich deshalb um ein Hilfsmittel und nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Eine Wechseldruckmatratze könne er nicht benutzen, weil er sich wegen des tiefen Einsinkens gar nicht mehr auf dieser bewegen könne. Ohne die Druckentlastung des Systems käme es zu Dekubituserscheinungen.

Das SG hat von der Weserbergland-Klinik den ärztlichen Entlassungsbericht vom 7. 9. 2005 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 7. 8. 2005 bis 3. 9. 2005 beigezogen und mit Gerichtsbescheid vom 3. 8. 2006 die Klage abgewiesen. Bei dem beantragten Lagerungssystem handele es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, was sich bereits daraus ergebe, dass das System im Hilfsmittelkatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in der Produktgruppe 11 (Nr.11.1104.3001) gelistet sei. Unstreitig sei allerdings, dass das beantragte System nicht zur Dekubitus-Prophylaxe benötigt werde. Es sei allerdings nicht nachgewiesen, dass es im Einzelfall erforderlich sei, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. Es sei für das SG nicht ersichtlich, weshalb eine handelsübliche, insbesondere eine besonderen Lagerungsbedürfnissen angepasste Matratze einschließlich Unterbau nicht der besseren Lagerung des Klägers dienen könne. Es gebe vielfältige Matratzen, die sich dem Körpergewicht individuell anpassen, auch Federsysteme, die eine gleichmäßige Verteilung des Körpergewichts in einer Nivellierung der Druckverhältnisse ermöglichten. Auch hätten sich aus dem beigezogenen Entlassungsbericht der Klinik Weserbergland keinerlei Hinweis darauf ergeben, dass handelsübliche Matratzensysteme dem klägerischen Krankheitsbild nicht ausreichend Rechnung tragen.

Gegen den am 8. 8. 2006 seinem Bevollmächtigten zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22. 8. 2006 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren mit der im Wesentlichen gleichen Begründung fortführt. Er hat ergänzend darauf hingewiesen, dass die Matratze auch deswegen notwendig sei, weil er unter einem Abszess am Steißbein leide und das beantragte Anti-Dekubitus-System eine schnellere Heilung verspreche. In diesem Zusammenhang hat er den Bericht des Universitätsklinikums Mannheim vom 4. 12. 2006 (Privatdozent Dr. Bä. und Assistenzärztin Dr. Bu.) vorgelegt, wonach er an guten Tagen noch bis zu 70 Metern gehen könne, während er an schlechten Tagen komplett auf den Rollstuhl angewiesen sei. Bei zusätzlichen Problemen mit dem Steißabszess und der Angewiesenheit auf den Rollstuhl empfehlen die Ärzte dringend eine geeignete Rollstuhlauflage und Matratze im Bett des Patienten. Diese sollte einen Wärme- und Flüssigkeitsstau vermeiden und bei offensichtlich empfindlichen Hautverhältnissen die Lagerung und Pflege des Patienten erleichtern.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2006 zu verurteilen, die Kosten für ein Anti-Dekubitus-System Thevo-Adapt zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend. Die Anschaffung einer geeigneten Matratze gehöre zu den eigenverantwortlichen Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit. Die Anschaffung geeigneter Gebrauchsgegenstände könne auch dazu führen, dass Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht oder nur im geringen Umfang notwendig würden. Dies löse jedoch keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten außerhalb von Gesetz und Satzung aus.

Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. und PD Dr. Bä. als sachverständige Zeugen befragt. Dr. Bä. gab in seiner Auskunft vom 19. 10. 2007 an, der Kläger habe glaubhaft über Schmerzen beim Lagern auf einer Matratze oder während des Schlafens geklagt. Bezüglich des Gesundheitszustands des Klägers verwies er auf seine Arztbriefe vom 4. 12. 2006 (vom Kläger bereits zur Begründung der Berufung vorgelegt) sowie vom 25. 10. 2007 (seit der letzten Konsultation sei eine weitere leichtgradige Progredienz der proximalen Extremitätenparese eingetreten, Verschlechterung der Rumpfstabilität, häufige Rückenschmerzen, sei inzwischen bei den meisten Alltagsaktivitäten auf fremde Hilfe angewiesen). Auch Dr. G. nahm in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 21. 10. 2007 auf den Bericht des Universitätsklinikums Mannheim vom 4. 12. 2006 Bezug. Er legte weiterhin dem Senat die ärztlichen Entlassungsberichte vom 24. 8. 2006 sowie 27. 8. 2007 über stationäre Reha-Maßnahmen in der Weserberglandklinik vom 2. 7. 2006 bis 5. 8. 2006 bzw. 1. 7. 2007 bis 3. 8. 2007 vor, ferner den Untersuchungsbericht des Marienhospitals Stuttgart (Prof. Dr. Lindner) vom 1. 12. 2005.

Die Beklagte hat hierzu das sozialmedizinische Gutachten des MDK (Fachärztin E. Eg.) vom 12. 6. 2008 eingeholt. Die Gutachterin hat die vom Senat beigezogenen Unterlagen sowie ein Gutachten des MDK für die Pflegekasse vom 19. 5. 2008, wonach kein Dekubitus bestehe, wohl aber ein guter Pflegezustand, ausgewertet. Da das Lagerungssystem nicht zur Dekubitus-Prophylaxe benötigt werde, erhebe sich die Frage, ob auch wegen der starken Schmerzzustände und zur Unterstützung der Eigenmobilität nicht andere Lagerungshilfen möglich seien, wie zum Beispiel eine Weichlagerungsmatratze. Nach den Angaben der Mutter habe der Kläger nachts die Möglichkeit bei Beginn der Schmerzen seine Lage allein zu verändern und somit Schlafstörungen vorzubeugen, es sei jedoch nicht ersichtlich, weshalb nur mit der Thevo-Adapt-Matratze eine Lagerungsänderung möglich sei, nicht aber mit einer anderen Matratze. Wissenschaftlich kontrollierte Studien, die die Überlegenheit des Thevo-Adapt-Systems im Vergleich zu einer Wechseldruckmatratze belegen würden, gebe es nicht. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass auch seine Bewegungsfähigkeit positiv beeinflusst werde, sei dies plausibel nicht nachvollziehbar, weil zur Förderung der Bewegungsfähigkeit physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen im Vordergrund stünden. Nach den vorliegenden Unterlagen sei die Indikation für die beantragte Thevo-Adapt-Matratze nicht nachvollziehbar. Eine Empfehlung könne nicht ausgesprochen werden.

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem schriftlichen Einverständnis beider Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Berufungsausschlussgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor, der Rechtsstreit geht um eine Matratze mit Unterteil im Wert von 2.276,- EUR.

Die Berufung, die sich ebenso wie die Klage allein gegen die Krankenkasse (und nicht auch gegen die Pflegekasse - vgl. Klarstellung Bl. 103 LSG-Akte) richtet, ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zurecht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Matratzensystem Thevo-Adapt.

Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (erste Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (zweite Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (dritte Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann vorliegend allerdings die Hilfsmitteleigenschaft des Lagerungssystems Thevo-Adapt nicht verneint werden. Im Hinblick auf die Aufgabe der Krankenversicherung allein die medizinische Rehabilitation sicherzustellen, sind nur solche Gegenstände als Hilfsmittel zu gewähren, die spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dienen. Was daher regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, fällt auch bei hohen Kosten nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung. Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker- oder behinderter Menschen hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis genutzt werden, sind nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen; das gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (z. B.: Brillen, Hörgeräte). Umgekehrt ist ein Gegenstand auch bei geringer Verbreitung in der Bevölkerung und trotz hohen Kaufpreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen, wenn er schon von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist (BSG Urteil vom 16. 9. 1999 - B 3 KR 1/99 R). Das hier streitige Matratzensystem Thevo-Adapt, eine Innovation der Thomas-Hilfen, ist vom Hersteller in der Absicht entwickelt worden, in Pflegeheimen zur Dekubitus- und Schmerztherapie eingesetzt zu werden und nicht als Gebrauchsgegenstand, der (in Möbelhäusern oder vergleichbaren Verkaufseinrichtungen von jedermann leicht zu erwerben) dem Schlafkomfort von gesunden Menschen dient. Dies wird auch von den Krankenkassen so gesehen, die das Thevo-Adapt-System im Hilfsmittelverzeichnis unter der Nr. 11.11.04.3001 gelistet haben.

Trotz bestehender Hilfsmitteleigenschaft kann für keinen der vom Gesetz geforderten Einzelzwecke die notwendige Erforderlichkeit im Falle des Klägers festgestellt werden.

Die Verwendung einer Thevo-Adapt-Matratze ist nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern (erste Alternative des § 33 Abs. 1 SGB V). Der Kläger hat zur Begründung der Notwendigkeit eines besseren Matratzensystems angegeben, die Schmerzzustände, bedingt durch die Skoliose der Wirbelsäule einerseits und die Muskelschwäche andererseits, die während des Schlafens aufgetreten seien, würden hierdurch verringert. Hinsichtlich dieser geltend gemachten Schmerzzustände findet allerdings keine gezielte Behandlung statt. Dass der Kläger unter Schmerzen leidet, die von der Wirbelsäule ausgehen, ist ärztlicherseits nicht belegt, erst Recht fehlt es an einer entsprechenden Krankenbehandlung, deren Erfolg durch ein Hilfsmittel gesichert werden könnte. Der Kläger hat kein begründetes ärztliches Attest vorlegen können, in dem die Notwendigkeit gerade dieser Matratze zur Bekämpfung von nächtlichen Schmerzen für erforderlich gehalten wurde. Soweit Dr. G. in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 21. 10. 2007 von glaubhaften vorhandenen Schmerzen spricht, fehlen insoweit Angaben bezüglich der genauen Ursache und einer eventuellen Krankenbehandlung. Im Übrigen fällt auf, dass in keinem anderen der vom Senat beigezogenen ärztlichen Unterlagen und zwar weder aus den drei Rehabilitationsberichten der Weserbergland-Klinik noch den beiden Berichten des Universitätsklinikums Mannheim und auch nicht aus dem Arztbrief des Marienhospitals Stuttgart sich irgendwelche Hinweise für nächtliche Kreuzschmerzen ergeben. Insbesondere den Berichten über die jeweils vierwöchige Rehabilitation in der Weserberglandklinik in den Jahren 2005, 2006 und 2007 kommt insoweit hoher Beweiswert zu. Würde der Kläger unter nächtlichen Schmerzen leiden, die eine ärztliche Intervention erforderlich machen, hätte er auch während der Rehabilitation unter solchen Schmerzen leiden müssen. Es wäre dann zu erwarten gewesen, dass der Kläger sowohl bei der Anamnese entsprechende Angaben gemacht hätte als auch die Ärzte diesen Beschwerden nachgegangen wären. Nichts davon war der Fall. Die Ärzte haben sich allgemein auf die Behandlung der chronisch progredienten Muskeldystrophie konzentriert; von Schlafstörungen und der Erforderlichkeit anderer Matratzen ist an keiner Stelle die Rede. Damit besteht auch kein Anhalt dafür, dass das begehrte Matratzensystem Thevo-Adapt erforderlich ist, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern.

Auch soweit der Kläger sich auf eine Dekubitus-Prophylaxe beruft, fehlt es an der Erforderlichkeit der Absicherung einer Krankenbehandlung. Beim Kläger sind bisher Dekubitus-Probleme nicht aufgetreten. Eine ärztliche Behandlung solcher Krankheitserscheinungen hat weder nach seinem Vortrag stattgefunden noch ist sie durch ärztliche Berichte oder Aussagen dokumentiert. Der Kläger selbst hat auch seinen Antrag nicht mit der Notwendigkeit der Vermeidung von Dekubitus-Problemen begründet, sondern - wie dem Widerspruchsschreiben seiner Mutter zu entnehmen ist - allein mit verbessertem Schlaf und der Notwendigkeit gesunden Schlafes um den schulischen Alltag bewältigen zu können. Die im Berufungsverfahren geäußerten Befürchtungen seines Bevollmächtigten über das eventuelle Auftreten von Dekubituserscheinungen ist ärztlich nicht belegt. Soweit Privatdozent Dr. Bä. eine geeignete Rollstuhlauflage und Matratze im Bett des Patienten empfohlen hat, um einen Wärme- und Flüssigkeitsstau zu vermeiden, begründet dies noch nicht den Anspruch auf eine Thevo-Adapt Matratze. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine allgemeine Empfehlung an die Mutter, denn hätte Dr. Bä. die Notwendigkeit eines entsprechenden Matratzensystems gesehen, wäre es seine ärztliche Pflicht gewesen, auf eine entsprechende Hilfsmittelverordnung hinzuwirken, was jedoch unterblieben ist.

Auch soweit die Mutter eine Entlastung geltend macht, wenn sie vorträgt, wegen besseren Schlafes des Sohnes nicht nachts aufstehen zu müssen, um ihm beim Umlagern behilflich zu sein, besteht keine Notwendigkeit gerade für das begehrte Matratzensystem. Zwar begründet grundsätzlich der Umstand, dass die Pflege durch einen Dritten erleichtert wird, einen Anspruch auf ein Hilfsmittel (BSG Urteil vom 3. 8. 2006 - B 3 KR 25/05 R - Juris Umdruck Rdnr. 12), dieser Anspruch würde aber nur dann bestehen, wenn tatsächlich eine entsprechende Krankenbehandlung eingeleitet wäre und die Matratze erforderlich wäre, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre das Vorbringen näher zu prüfen, dass durch die Matratze Schmerzen vermieden und damit Pflegeaufwand bei einer dritten Person, hier der Mutter des Klägers, entfällt. Fehlt es aber bereits an der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung, spielt die Erleichterung der Pflege durch Dritte für die Beklagte als Krankenkasse keine Rolle.

Anhaltspunkte dafür, dass die begehrte Matratze zum Ausgleich einer drohenden Behinderung erforderlich ist, liegen ebenfalls nicht vor. Die beim Kläger als Folge der progressiven Muskeldystrophie eintretenden Behinderungen ergeben sich aus dem Krankheitsbild und lassen sich offensichtlich durch Hilfsmittel nicht verhindern.

Auch die dritte Alternative des § 33 Abs. 1 SGB V, eine Behinderung auszugleichen, liegt hier nicht vor. Zwar wird man einen ausreichenden, ungestörten Schlaf zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens rechnen können, was hier indes keiner abschließenden Entscheidung bedarf. Fachärztin Eg. hat in ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 12. 6. 2008 zurecht darauf hingewiesen, es sei nicht ersichtlich, weshalb nur mit der Thevo-Adapt-Matratze eine Lagerungsänderung möglich sein soll, nicht aber mit einer anderen Matratze. Auch gebe es keine wissenschaftlich kontrollierten Studien, die die Überlegenheit des Thevo-Adapt-Systems im Vergleich zu einer Wechseldruckmatratze belegen. Ob überhaupt der geltend gemachte Lagerungswechsel notwendig ist, erscheint überdies fraglich, nachdem entsprechende Beschwerden sich aus den Berichten der Weserbergland-Klinik nicht entnehmen lassen und der MDK in den Pflegegutachten für die Pflegeversicherung für das Lagern des Klägers keinen Pflegeaufwand erkannt hat (so Pflegegutachten vom 9. 6. 2004 und 19. 5. 2008). Schließlich muss sich der Kläger in diesem Zusammenhang vorhalten lassen, dass in dem Abschlussbericht der Weserberglandklinik vom 27. 8. 2007 ausgeführt wird, dass das Aufsitzen aus dem Liegen ohne Unterstützung möglich sei.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, das Matratzensystem wegen eines Steißabszesses zu benötigen, kann er damit nicht durchbringen. Denn dabei handelt sich ganz offensichtlich um ein vorübergehendes Krankheitsgeschehen, das die Stellung einer Matratze auf Dauer nicht rechtfertigt.

Nach alledem erweist sich das angefochtene Urteil des SG als zutreffend. Die Berufung des Klägers konnte kein Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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