S 13 EG 23/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 EG 23/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Neuberechnung des ihm zustehenden Elterngeldes nach dem im Bemessungszeitraum (Februar 2007 bis Januar 2008) erzielten Erwerbseinkommens auf der Grundlage der von Februar bis Dezember 2007 nicht gewählten Steuerklasse III (anstatt der damals für ihn eingetragenen Steuerklasse V) und die Nachzahlung des sich daraus ergebenden, über die bewilligte Leistung hinausgehenden Elterngeldes.

Der 1969 geborene Kläger ist verheiratet und von Beruf Polizeibeamter. Seine Frau war ab März 2007 arbeitslos und ist seit November 2007 als selbstständige Handelsvertreterin erwerbstätig. Bis 31.12.2007 waren auf der Steuerkarte des Klägers die Steuerklasse V, auf der Steuerkarte seiner Ehefrau die Steuerklasse III eingetragen. Mit Wirkung ab 01.01.2008 wählten die Eheleute die Steuerklasse III für den Kläger und die Steuerklasse V für die Ehefrau.

Am 00.00.2008 wurde das gemeinsame (zweite) Kind O. geboren. Der Geburtstag des ersten Kindes ist der 00.00.2006. Der Kläger nahm vom 29. bis 31.03.2008 Erholungsurlaub und nimmt vom 01.04.2008 bis 31.03.2009 Elternzeit in Anspruch. Während der Elternzeit reduzierte er in den Monaten April bis Juni, Oktober, November 2008 und März 2009 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 14,5 Stunden; in den Monaten Juli bis September, Dezember 2008, Januar und Februar 2009 auf 0 Stunden.

Am 25.04.2008 beantragten die Eheleute Elterngeld anlässlich der Geburt ihres zweiten Kindes, und zwar für die Ehefrau für den ersten Bezugsmonat und für den Kläger für den zweiten bis dreizehnten Bezugsmonat.

Durch Bescheid vom 05.05.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Elterngeld für den zweiten bis dreizehnten Lebensmonat des Kindes O. in Höhe von monatlich 1.337,58 EUR abzüglich der im zweiten bis fünften, achten bis zehnten und dreizehnten Lebensmonat während des Bezugs von Elterngeld erzielten Teilzeiteinkünfte. Der Elterngeldgrundbetrag war nach dem Bruttoeinkommen des Klägers in den Monaten Februar 2007 bis Januar 2008 abzüglich der für Februar bis Dezember 2007 nach der Steuerklasse V und für Januar 2008 nach der Steuerklasse III tatsächlich abgeführten Steuern und einer Werbungskostenpauschale zuzüglich eines Geschwisterbonus bis Januar 2009, dem Monat der Vollendung des dritten Lebensjahres des Geschwisterkindes, errechnet worden.

Am 26.05.2008 legte der Kläger Widerspruch ein. Er verwies auf den im Jahre 2007 noch nicht vollzogenen Steuerklassenwechsel und beantragt, das Elterngeld nach einem nach Steuerklasse III berechneten Nettoeinkommen zu bemessen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 22.08.2008 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück mit der Begründung, das Elterngeld sei zutreffend aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen berechnet worden; Grundlage der Einkommensermittlung seien die monatlichen Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers und die tatsächlich monatlich abgeführten Steuern.

Dagegen hat der Kläger am 22.09.2008 Klage erhoben. Er trägt vor, die Steuerklassenänderung sei im Jahre 2007 leider nicht rechtzeitig vorgenommen worden, weil der Steuerberater keine Notwendigkeit gesehen habe. An das Elterngeld hätten sie nicht gedacht.

Der Kläger beantragt dem Sinne seines schriftlichen Vorbringens nach,

den Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 05.05.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2008 zu verurteilen, das ihm zustehende Elterngeld nach seinem im Bemessungszeitraum erzielten Erwerbseinkommen unter Zugrundelegung der Steuerklasse III auch für die Gehalts- monate Februar bis Dezember 2007 zu errechnen und das sich daraus ergebende, über die bewilligte Leistung hinausgehende Elterngeld nachzuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass bei der Ermittlung des dem Kläger zustehenden Elterngeldes dessen tatsächliches Einkommen in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes zugrunde gelegt worden sei. Eine fiktive Berücksichtigung eines Lohnsteuerklassenwechsels sähe das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Der Beklagte hat die Höhe des dem Kläger zustehenden Elterngeldes richtig berechnet. Höheres Elterngeld steht ihm nicht zu.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Erwerbseinkommen erzielt. Für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, wird Elterngeld nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 BEEG gezahlt. Für ein Geschwisterkind wird ein so genannter Geschwisterbonus gezahlt, solange das Geschwisterkind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG). Maßgeblich für die Berechnung des Elterngeldes des Klägers sind die zwölf Einkommenskalendermonate vor der Geburt des Kindes, also von Februar 2007 bis Januar 2008 (Bemessungszeitraum).

Das nach § 2 Abs. 1 BEEG maßgebliche "Einkommen", von dem im Regelfall 67 % den Elterngeldbetrag ergeben, ist ein Nettoeinkommen. Dies ergibt sich aus der hier anzuwendenden Vorschrift des § 2 Abs. 7 BEEG. Danach ist nämlich als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der Überschuss der Einnahmen über die pauschal anzusetzenden Werbungskosten, die um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung zu vermindern sind, zu berücksichtigen (Satz 1). Sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes werden nicht als Einnahmen berücksichtigt (Satz 2); dies sind so genannte Einmalzahlungen. Als auf die Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (Satz 3). Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (Satz 4).

Insbesondere aus dem Satz 3 des § 2 Abs. 7 BEEG ergibt sich, dass es für die Berechnung des Elterngeldes auf die tatsächlich gezahlte ("abgeführte") Lohnsteuer, nicht - wie z.B. bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes (vgl. § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) - auf die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle ankommt. Anders als im SGB III bei der Bestimmung des dem Arbeitslosengeld zugrunde zu legenden Leistungsentgelts (vgl. § 133 Abs. 2 und 3 SGB III) hat der Gesetzgeber des BEEG für die Bemessung des Elterngeldes keinerlei Regelungen und Einschränkungen in Bezug auf einen Steuerklassenwechsel getroffen. § 2 Abs. 7 Satz 3 BEEG stellt allein auf die "abgeführte", nicht die steuerrechtlich zweckmäßige Lohnsteuer ab.

Dies bedeutet, dass ein im Bemessungszeitraum vorgenommener Steuerklassenwechsel, der sich auf das im Bemessungszeitraum erzielte Erwerbseinkommen tatsächlich auswirkt, bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigten ist (SG Aachen, Urteil vom 23.09.2008 - S 13 EG 36/07; bestätigt durch LSG NRW, Urteil vom 16.01.2009 - L 13 EG 51/08). Da der Kläger die Steuerklasse mit Wirkung vom 01.01.2008 von V auf III gewechselt hatte und sein Gehalt für Januar 2008 auch bereits unter Zugrundelegung der Steuerklasse III bemessen wurde, hat der Beklagte den Steuerklassenwechsel insoweit auch bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann ein Steuerklassenwechsel jedoch nur dann berücksichtigt werden, wenn er tatsächlich vorgenommen wurde und sich auf das im Bemessungszeitraum erzielte Erwerbseinkommen, das für die Berechnung des Elterngeldes maßgeblich ist, auch tatsächlich ausgewirkt hat, nicht dagegen, wenn er hätte vorgenommen werden können, jedoch - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich nicht vorgenommen wurde. Das BEEG kennt die fiktive rückwirkende Berücksichtigung eines Steuerklassenwechsels nicht. Im Gegenteil: Es stellt für die Berechnung des Elterngeldes auf das im Bemessungszeitraum erzielte Erwerbseinkommen und die tatsächlich gezahlten (§ 2 Abs. 7: "abgeführten") Steuern ab. Insofern ist das Urteil der Kammer vom 23.09.2008 (S 13 EG 36/07) auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

Auch im Übrigen hat der Beklagte das dem Kläger zustehende Elterngeld richtig berechnet; dies gilt insbesondere im Hinblick auf den bis Januar 2008 zu berücksichtigenden Geschwisterbonus und die Anrechnung des Erwerbseinkommens aus der Teilzeitbeschäftigung des Klägers während der Elternzeit. Dies wird vom Kläger auch nicht beanstandet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer geht davon aus, dass die Berufung gegen das Urteil auch ohne besondere Zulassung statthaft ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Wäre im Fall des Obsiegens des Klägers von seinem in der Zeit von Februar bis Dezember 2007 erzielten Erwerbseinkommen Steuern nach der Lohnsteuerklasse III anstatt nach der Lohnsteuerklasse V abzuziehen, so ergäbe sich hieraus ein Mehrbetrag an Elterngeld, der für den gesamten Leistungszeitraum 750,00 EUR übersteigen würde.
Rechtskraft
Aus
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