L 9 KR 242/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 KR 1401/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 242/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Kostenersattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V setzt voraus, dass im Zeitpunkt seiner Entstehung, d.h. bei Selbstbeschaffung durch den Versicherten, alle Voraussetzungen des Sachleistungsanspruchs vorliegen müssen. Eine im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung fehlende ärztliche Verordnung kann daher nicht nachgeholt werden.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Arzneimittelkosten streitig.

Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger wurde wegen chronischer Schmerzen seit Dezember 2000 dauerhaft mit dem Opioid Oxygesic 40 mg medikamentös behandelt. Als Nebenwirkung dieser Behandlung litt er an einer hartnäckigen Obstipation (Verstopfung), weshalb ihm – so seine Angaben – sein Hausarzt das Abführmittel Lactulose Ratiopharm empfahl. In der Folgezeit beschaffte sich der Kläger im Jahr 2002 und 2003 dieses Arzneimittel auf eigene Kosten und wandte hierfür insgesamt 640,79 EUR auf.

Seinen auf Erstattung dieser Kosten gerichteten Antrag (Schreiben des Klägers vom 16. Januar 2004) lehnte die Beklagte mit ihren Schreiben vom 12. Februar 2004 und 1. März 2004 ab, weil der behandelnde Arzt zum damaligen Zeitpunkt das Medikament nicht auf Kassenrezept verordnet habe und eine nachträgliche Erstattung von Privatrezepten nicht möglich sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2004 zurück.

Während des Klageverfahrens brachte der Kläger vor, er habe vor der erstmaligen Beschaffung von Lactulose Ratiopharm seinen Hausarzt und seinen behandelnden Orthopäden gefragt, ob er dieses Arzneimittel auf Kassenrezept erhalten könne. Da sie sich beide Ärzte nicht sicher gewesen seien, hätten sie ihm empfohlen, bei seiner Krankenkasse nachzufragen. In der Folgezeit habe er von Mitarbeiter/innen der Beklagten wiederholt die Auskunft erhalten, eine Verordnung von Lactulose Ratiopharm auf Kassenrezept sei nicht möglich. Erst durch eine Fernsehsendung am 7. Januar 2004 habe er erfahren, dass, wenn ein Arzt ein Opioid verschreibe, auch Lactulose Ratiopharm auf Kassenrezept verschrieben werden könne. Dies sei seit Januar 2004 jedoch nicht mehr möglich. Der Kläger hat sich ferner auf eine ärztliche Bescheinigung der Fachärzte für Orthopädie Herbert, Kischkat und Wohlgemuth vom 19. Mai 2004 berufen, derzufolge die Verabreichung von Lactulose Ratiopharm aus ärztlicher Sicht seit Januar 2002 unbedingt erforderlich sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als einziger in Betracht kommender Anspruchsgrundlage nicht erfüllt sei. Dem Kostenerstattungsanspruch stehe bereits das Fehlen vertragsärztlicher Verordnungen für das streitgegenständliche Medikament entgegen. Die Bescheinigung der medizinischen Notwendigkeit durch den behandelnden Orthopäden stehe einer Arzneimittelverordnung im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V nicht gleich. Weder sei eine solche Bescheinigung zur Vorlage bei einer Apotheke bestimmt, noch lasse sich erkennen, dass der Arzt die ärztliche Verantwortung für den Einsatz dieses Medikaments bei der vorhandenen Diagnose übernehmen wolle. Darüber hinaus sei in den Jahren 2002 und 2003 das streitgegenständliche Abführmittel nicht verordnungsfähig gewesen, wie sich aus § 34 Abs. 1 Nr. 3 SGB V i. V. m. Ziff. 16.1 der Arzneimittelrichtlinien in der bis 2003 geltenden Fassung ergebe. Erst in der ab März 2004 geltenden Fassung sei die Opiattherapie als Ausnahmeindikation für eine Verordnung von Abführmitteln aufgeführt. Sei die Beklagte hiernach in den Jahren 2002 und 2003 nicht zur Sachleistung verpflichtet gewesen, komme auch eine Kostenerstattung nicht in Betracht.

Gegen diesen ihm am 26. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 19. März 2007. Zur Begründung bringt der Kläger vor, die Bescheinigung der medizinischen Notwendigkeit durch den behandelnden Arzt sei einer Arzneimittelverordnung im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V gleichzusetzen. Im Übrigen verweist der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 12. Februar 2004 und 1. März 2004, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2004, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 640,79 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung mit dem Berichterstatter und den ehrenamtlichen Richtern entschieden, nachdem das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden und die Berufsrichter des Senats durch Beschluss vom 16. Oktober 2008 die Berufung dem Berichterstatter übertragen haben.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.

Zur Begründung verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids, die er für zutreffend hält, und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die klägerische Annahme, die ärztliche Bescheinigung des behandelnden Orthopäden vom 19. Mai 2004 über die medizinische Notwendigkeit des Arzneimittels Lactulose Ratiopharm sei einer ärztlichen Verordnung im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V gleichgestellt, zu keinem anderen Ergebnis führt. Denn ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V setzt voraus, dass im Zeitpunkt seiner Entstehung, d.h. bei Selbstbeschaffung durch den Versicherten, alle Voraussetzungen des Sachleistungsanspruchs vorliegen müssen. Eine im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung fehlende ärztliche Verordnung kann daher nicht nachgeholt werden. Die ärztliche Bescheinigung vom 19. Mai 2004 konnte daher – gleich welcher Charakter ihr beigemessen wird –, den streitgegenständlichen Kostenerstattungsanspruch nicht begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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